MEDIATION Spezial 18 WILLI 2010 Auf Augenhöhe Text & Bil<strong>de</strong>r: Andrea Bacher-Schäfer Der Terminus „peer education“ (engl. peer = Gleiche, Gleichaltrige) ist im Bereich <strong>de</strong>r Prävention bekannt, insbeson<strong>de</strong>re aus <strong>de</strong>r AIDS- Aufklärung. Im mo<strong>de</strong>rnen Sprachgebrauch meint „peer“ eine Person, die einer an<strong>de</strong>ren gleichgestellt ist, die <strong>de</strong>r selben sozialen Gruppe angehört, beson<strong>de</strong>rs in Bezug auf Alter, Stellung o<strong>de</strong>r Status. Peer Education be<strong>de</strong>utet die Aufklärung von Gleich-zu-Gleich. Die Angehörigen einer sozialen Gruppe informieren sich gegenseitig.
Das Streitschlichterteam <strong>de</strong>r Käthe-Kollwitz-Schule Bruchsal (KKS) gibt es seit fast 10 Jahren. 2009 hat man dort - forciert durch <strong>de</strong>n sozialpädagogischen Hintergrund <strong>de</strong>r Schule - schon frühzeitig angefangen sich mit <strong>de</strong>r Problematik <strong>de</strong>r Gewalt und Gewaltprävention an Schulen zu beschäftigen. Im Rahmen dieses Projektes begann man damit Schülerinnen und Schüler <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Schularten und verschie<strong>de</strong>nen Alters zu Mediatoren (Mittler im Kommunikationsprozess) auszubil<strong>de</strong>n, die sich in Gesprächen, Vorträgen und Veranstaltungen für einen angstfreien, sicheren, friedlichen Umgang miteinan<strong>de</strong>r – auch im außerschulischen Bereich - einsetzen. Die Ausbildung <strong>de</strong>r Mediatoren, die sich über 4 Monate erstreckt und aktuell mit 27 SchülerInnen läuft, hat im Lauf <strong>de</strong>r Jahre eine hohe Professionalisierung erreicht. Im Sinne einer Peer-Education bekamen die SchülerInnen die Gesamtverantwortung für ihre Arbeit. 5.4.2010: Schüler bedroht Lehrer mit Messer. In enger Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Schulsozialarbeitern und <strong>de</strong>n Beratungslehrern wird die insgesamt 40-köpfige Schülergruppe im Team geleitet. Wobei je<strong>de</strong>r mit je<strong>de</strong>m zusammenarbeiten muss, es gibt keine feste Aufgabeneinteilung, keine bevorzugten Einsatzgebiete. Als Unterteilungen fin<strong>de</strong>t man die Bereiche Ausbildung, Leitfa<strong>de</strong>n, Freizeit, Presse, LWI-Gruppe (Lehrerweiterbildungsgruppe) und - die wohl bekannteste - die Schlichtungsgruppe, die sich mit Einzel und Klassenschlichtungen befasst. Hierbei soll aber nicht die Lösung von Konflikten, son- AKTIVE BETEILIGUNG: Olivia und ihre Klassenkamera<strong>de</strong>n sind voll dabei. <strong>de</strong>rn vielmehr die Vermeidung im Vor<strong>de</strong>rgrund stehen. Aktives Zuhören, absolute Aufmerksamkeit, Blickkontakt halten, offene Körperhaltung und das Interesse am Gesprächspartner durch nachfragen zeigen, sind nur ein paar Grundregeln, die die Streitschlichter lernen müssen. Ganz wichtig ist dabei immer eine Eskalation im Gespräch zu vermei<strong>de</strong>n. NACHBEREITUNG: Miriam und Fabian besprechen <strong>de</strong>n Film mit <strong>de</strong>r Klasse In Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Migrationswerk <strong>de</strong>r Caritas, <strong>de</strong>r örtlichen Polizei, <strong>de</strong>m Verein Netzwerk schafft Sicherheit (NESSI) und <strong>de</strong>m Arbeitskreis Respekt/gewaltfreie Schule <strong>de</strong>r Stadt Bruchsal gibt es weitere Projekte, um Stress vorzubeugen, bevor er entsteht. Eine dieser Aktionen ist das jährlich veranstaltete gemeinsame Kinospezial, bei <strong>de</strong>m im Rahmen einer Filmvorführung Gewalt in Schulklassen thematisiert und reflektiert wird. Um die Arbeit eines Streitschlichterteams live mit zu erleben, habe ich die Nachbereitung <strong>de</strong>s Kinofilmes „BenX“ in einer 9. Klasse <strong>de</strong>s Schönborngymnasiums (SBG) Bruchsal begleitet. Miriam (17) und Fabian (18) machen das nicht zum ersten Mal, das merkt man. Ziemlich routiniert führen die Bei<strong>de</strong>n durch die Schulstun<strong>de</strong>n. Mit Fragen, die sie abwechselnd <strong>de</strong>n Schülern stellen, bringen sie eine Diskussion in Schwung, die sogar die etwas zurückhalten<strong>de</strong>ren Schüler letztendlich zum Mitmachen bewegt. Und das ist wörtlich gemeint, <strong>de</strong>nn durch Fragen, zu <strong>de</strong>ren Beantwortung man aufstehen und sich auf eine Seite <strong>de</strong>s Klassenzimmers begeben muss, um seine Antwort zu bekun<strong>de</strong>n, bringen die ausgebil<strong>de</strong>ten Streitschlichter echte Bewegung in die Diskussion. Als Beobachter hat man das Gefühl, dass die Bei<strong>de</strong>n „Peers“ trotz, o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> wegen, <strong>de</strong>s geringen Altersunterschie<strong>de</strong>s die Klasse gut im Griff haben und je<strong>de</strong>rzeit in <strong>de</strong>r Lage sind, die Diskussion am Laufen zu halten und damit die Ergebnisse <strong>de</strong>utlich herauszustellen. Die Präsentation „auf Augenhöhe“ also unter Gleichwertigen o<strong>de</strong>r Gleichaltrigen (engl.peers) funktioniert anschaulich sehr gut. Als Fazit dieser Nachbereitung gehen die SBG Schüler mit Erkenntnissen aus diesen zwei Stun<strong>de</strong>n, die - direkt nach <strong>de</strong>m Film - für manchen noch gar nicht so klar erkennbar waren. Wenn man seine Eindrücke reflektiert und gemeinsam bespricht, dann kommt durch verschie<strong>de</strong>n Sichtweisen oft ein breiteres, besseres Ergebnis heraus. Interessant wäre, nach einigem zeitlichen Abstand, zu erfragen, ob die Schulklasse für ihr eigenes schulisches und privates Zusammenleben Erkenntnisse mit nach Hause genommen hat? Gera<strong>de</strong> beim Thema Gewalt und Mobbing wur<strong>de</strong>n Situationen <strong>de</strong>utlich angesprochen, die manch einer <strong>de</strong>r Schüler vorher gar nicht so dramatisch gesehen hatte. Mobbing wird oft als Spaß gesehen, <strong>de</strong>r für die Betroffenen aber gar nicht so lustig ist! WILLI 2010 19