Die WOGEDO – von allem ein bisschen mehr - Evangelische ...
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1. Etappe: Gernsbach <strong>–</strong> Vittel<br />
Zur ersten Etappe starteten wir im<br />
August 2004, vorbei an Rastatt, durch<br />
Straßburg und Molsheim. Pilgerbewussts<strong>ein</strong><br />
kam erstmals auf, als wir bei<br />
strömendem Regen den steilen Mont St.<br />
Odile bewältigen mussten. Der Lohn<br />
war dann <strong>ein</strong> wunderschöner Ausblick<br />
ins Rh<strong>ein</strong>tal bis hinüber nach Straßburg<br />
und die wohltuende, feierliche Stille am<br />
Grab der Hl. Odilia in der Klosterkirche<br />
auf dem Odilienberg. Durch die Heimat<br />
Albert Schweitzers und nach Überquerung<br />
des Vogesenkamms kamen wir<br />
nach sechs Tagen in Vittel an, dem Endpunkt<br />
der ersten Etappe.<br />
Wir stellten immer wieder fest, dass<br />
man oft angesprochen wird, wenn man<br />
mit Rad und Gepäck unterwegs ist, so<br />
auch in Vittel in <strong>ein</strong>em Straßencafé.<br />
Unser Gesprächspartner entpuppte sich<br />
als Hoteldirektor. Mit ihm ver<strong>ein</strong>barten<br />
wir, im folgenden Jahr unsere Autos<br />
bei ihm für die Dauer unserer zweiten<br />
Etappe zu parken und auch in s<strong>ein</strong>em<br />
Hotel zu übernachten. Eine glückliche<br />
Fügung, wie sich zeigen sollte.<br />
Fazit unserer ersten Etappe: Wenn der<br />
Mensch s<strong>ein</strong> Schneckenhaus verlässt,<br />
s<strong>ein</strong> Haus oder auch s<strong>ein</strong> Auto, ist er angreifbarer,<br />
man kann ihn besser fassen.<br />
Aber das ist durchaus positiv.<br />
2. Etappe: Vittel <strong>–</strong> Le Puy<br />
<strong>Die</strong> zweite Etappe begann Ende Juli<br />
2005 mit der Reise nach Vittel. Das Hotel<br />
unseres Bekannten aus dem Vorjahr<br />
war sehr gut, und bei <strong>ein</strong>em Bierchen<br />
in der Hotelbar freuten wir uns auf den<br />
Start am nächsten Tag. Über Neuilly<br />
kamen wir am zweiten Abend nach Auberive,<br />
wo wir uns bei der Zimmersuche<br />
sehr schwer taten. Als wir die Hoffnung<br />
schon fast aufgegeben hatten, fanden wir<br />
in <strong>ein</strong>em Seitensträßchen <strong>ein</strong>e Ferienwohnung.<br />
Als wir die Vermieterin nach<br />
<strong>ein</strong>em Restaurant fragten, schüttelte sie<br />
den Kopf, hielt kurz inne und sagte, sie<br />
könne uns etwas kochen, wenn wir etwas<br />
Zeit hätten. Das Essen war vorzüglich,<br />
der Gastgeber sorgte für‘s Bier, und<br />
nur mit sehr viel Nachdruck konnten wir<br />
diese lieben Menschen dazu bewegen,<br />
sich den Aufwand bezahlen zu lassen.<br />
Das Pilgern hat <strong>ein</strong>deutig <strong>ein</strong>e horizontale<br />
Dimension im Zusammentreffen<br />
mit Menschen, die eigentlich<br />
Fremde sind. Das spürten wir kurze Zeit<br />
später abermals, als wir in Gracey <strong>ein</strong>en<br />
Mann nach <strong>ein</strong>em Geschäft fragten, wo<br />
man Wasser kaufen könnte. Er brachte<br />
uns Wasser aus s<strong>ein</strong>em Haus und dazu<br />
noch <strong>ein</strong>e Tüte mit Gebäck.<br />
Über Dijon und Beaune kamen wir<br />
sechs Tage später nach Comartin, nur<br />
9 km <strong>von</strong> Taizé entfernt. Zum Abendgebet<br />
fuhren wir mit dem Rad dorthin.<br />
<strong>Die</strong> Atmosphäre in der Kirche und die<br />
Gesänge vermittelten <strong>ein</strong>e Stimmung,<br />
die man nicht beschreiben kann. Nach<br />
dem Gebet segnete der Gründer und<br />
Prior der ökumenischen Bruderschaft<br />
<strong>von</strong> Taizé, Roger Schutz, die Anwesenden.<br />
Schnell bildete sich vor ihm <strong>ein</strong>e<br />
lange Reihe <strong>von</strong> Menschen, die sich persönlich<br />
<strong>von</strong> ihm segnen lassen wollten.<br />
Ganz spontan stellte sich auch Brigitte<br />
an. Paul m<strong>ein</strong>te, dass wir nun wohl in<br />
Taizé übernachten müssten. Doch Brigitte<br />
war schnell wieder zurück und tief<br />
be<strong>ein</strong>druckt <strong>von</strong> dieser Begegnung. Eine<br />
Woche später wurde Frère Roger <strong>von</strong> <strong>ein</strong>er<br />
geistig verwirrten Frau erstochen.<br />
Durch das wunderschöne Burgund<br />
gelangten wir nach<br />
Cluny, wo <strong>von</strong> der<br />
ehemals riesigen<br />
und bedeutungsvollen<br />
Klosteranlage<br />
aus dem Mittelalter leider nur noch Ruinen<br />
stehen. Weiter ging es durch leicht<br />
hügeliges Gelände nach Affoux, <strong>ein</strong>em<br />
winzigen Ort auf fast 900 m Höhe: <strong>ein</strong>e<br />
kl<strong>ein</strong>e Kirche, <strong>ein</strong> Dutzend Häuser und<br />
<strong>–</strong> das erhellte unsere Mienen <strong>–</strong> <strong>ein</strong>e ganz<br />
neue Herberge.<br />
Als wir vor der Tür der Herberge standen,<br />
mussten wir feststellen, dass sie in<br />
der Ferienzeit geschlossen ist. Erschöpft<br />
und enttäuscht setzten wir uns auf die<br />
Kirchentreppen. Schließlich kam <strong>ein</strong> älterer<br />
Herr auf die Straße, um zu fegen.<br />
Hildegard, die als Einzige <strong>von</strong> uns etwas<br />
Französisch spricht, fragte ihn nach<br />
<strong>ein</strong>em Hotel in der Nähe. <strong>Die</strong>se Frage<br />
vern<strong>ein</strong>te er. François, so hieß er, muss<br />
»Beim Pilgern ist jeder mit<br />
sich selbst unterwegs«<br />
titelthema<br />
rudolf Winkelhorst, 65 und autor des artikels,<br />
lebte insgesamt 7 Jahre als Franziskaner-Mönch<br />
in Brasilien. ende 1975 trat er<br />
aus dem orden aus und heiratete. Seitdem<br />
hat er zur katholischen Kirche, der er<br />
immer noch angehört, <strong>ein</strong> eher kritisches<br />
Verhältnis. nicht jedoch zum Pilgern.<br />
uns wohl die Erschöpfung angesehen<br />
haben, jedenfalls hat er den Bürgermeister<br />
angerufen, den er offensichtlich sehr<br />
gut kannte. Kurze Zeit später kam der<br />
Bürgermeister direkt <strong>von</strong> der Feldarbeit.<br />
Er verlangte lediglich 20 Euro als Kaution<br />
und schloss<br />
uns dann die Herberge<br />
auf. François<br />
brachte uns später<br />
noch <strong>ein</strong>e Flasche<br />
Rotw<strong>ein</strong> und sagte, er hätte uns gern<br />
zum Essen <strong>ein</strong>geladen, aber er hätte bereits<br />
Gäste an dem Abend. Nach solchen<br />
Begebenheiten dachten wir oft, dass wir<br />
wohl den Heiligen Jakobus in der Tasche<br />
haben müssten, der es gut mit s<strong>ein</strong>en<br />
Pilgern m<strong>ein</strong>t.<br />
Vorbei an Vulkankegeln radelten wir<br />
weiter in Richtung Zentralmassiv. Dabei<br />
erreichten wir schon Höhen <strong>von</strong><br />
1.200 Metern und <strong>mehr</strong>. Das Ziel unserer<br />
zweiten Etappe war Le Puy-en-Velay<br />
in der Auvergne. In der Kathedrale <strong>von</strong><br />
Le Puy kamen wir gerade rechtzeitig<br />
zu <strong>ein</strong>er Pilgermesse. Im Hotel meldeten<br />
wir uns gleich für das folgende Jahr<br />
an und organisierten die Stellplätze für<br />
Gem<strong>ein</strong>debrief 3 · 2012 7