03.12.2012 Aufrufe

Die Brünner Vorstadt Neustift

Die Brünner Vorstadt Neustift

Die Brünner Vorstadt Neustift

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

12. Lebensjahre, laut Anordnung der Herrschaft, freistand, ein anderes Handwerk oder<br />

einen anderen Beruf zu erlernen; bei Erreichung des erforderlichen Alters reihten sich die<br />

jungen Männer bei den Soldaten ein, mehrfach wurden sie eingereiht.<br />

Um die Mitte des XIX. Jahrhunderts errichtete der „<strong>Brünner</strong> wohltätige Männer-Verein"<br />

gleichzeitig in der Köffiller- und in der <strong>Neustift</strong>gasse eine Kinderbewahranstalt, welche in<br />

unserer Gemeinde im Hause <strong>Neustift</strong>gasse Nr. 30 ihre segensreiche Tätigkeit entfaltete,<br />

und der Grundstock zu den später in Brünn eingerichteten Kindergärten wurden.<br />

Noch bis in die jüngste Zeit zogen am Ostermontage die Kinder — wie von altersher<br />

gebräuchlich — mit Ruten oder „Süßholz" (Lakritzenwurzel) ausgerüstet, von einem<br />

Gärtnerhause zum andern, um „rote Eier" einzufordern. <strong>Die</strong>ser Brauch — das<br />

„Schmeckostern" (von Flämisch (!) „schmeken" = schlagen, mit Ruten streichen) wurde<br />

früher nur von Knaben und Jünglingen bei den Mädchen getätigt, nach Bildung von<br />

Groß-Brünn aber, immer mehr zu einem bloßen Sammelgange der Kleinen beider<br />

Geschlechter verflacht. Oft fand dieser Rundgang seine Fortsetzung im Brauche des<br />

„Eiertepschen", wobei die Eier mit den Spitzen oder Kehrseiten gegeneinander gestoßen<br />

wurden und das beschädigte Ei in den Besitz des anderen Spielers überging; weiters im<br />

„Eierhackeh", wobei der eine Spieler das Ei mit seiner Hand umschloß, und nur zwischen<br />

Daumen und Zeigefinger eine Lücke in Breite eines gesetzten Geldstückes — das „Ranftl"<br />

— freiließ, in welches der andere Spieler das Geldstück mit scharfem Wurfe einzuhacken<br />

versuchte, was ihm bei Gelingen das Ei, beim Mißlingen aber den Verlust des Geldes<br />

einbrachte.<br />

Am 2. August — auf „Portinucula", wanderte vormittags Alt und Jung zum<br />

„Patschunkale" auf dem Kapuzinerplatz in Brünn, wo auf fliegenden Kramen Süß-<br />

und Eßwaren, als auch Gebrauchsgegenstände und Spielzeuge feilgeboten wurden.<br />

Inwieweit dieser kleine Jahrmarkt mit Begebenheiten von <strong>Neustift</strong> zusammenhing, war<br />

bis nun nicht festzustellen.<br />

Auf den ersten Sonntag nach der Oktobermitte (bis einschließlich 20.) war „Kaiser-<br />

Kirchweih" die „Kirmeß" (von Flam. kiren, kerren, karen = reisen, fahren, und meß =<br />

Markt, also „fahrender Markt"), von der unserem Orte (seit jeher ohne Kirche!), seit<br />

langer Zeit nurmehr der Tanz verblieb, welchem aber auch nur im Hofe des<br />

„Hirschenstadl" unter einem „Maibaume" bei den Klängen einer Drehorgel gehuldigt<br />

wurde. Vielleicht war dieses Fest — wie auch der Name „Maibaum" (von malen = mähen,<br />

ernten) schließen läßt, der spärliche Rest eines ehemaligen Erntedankfestes.<br />

Der Umgang zu „Stephani" (26.12.) und der Sammelgang der „hl. 3 Könige" (6. 1.)<br />

wurden nur durch Ortsfremde ausgeführt und scheint in den Überlieferungen der<br />

Gemeinde nicht verwurzelt zu sein.<br />

Am Sonntage nach „Kunigunde" (3. 3.) fand früher bis 1850 (?) der „Umritt" statt, bei<br />

welchem die Grenzen der Gärten und Äcker und deren Marken (Steine, Grenzpfähle<br />

usw.) mit den überall gleich üblichen Gebräuchen überprüft und gegebenenfalls<br />

berichtigt wurden.<br />

Neben der Gärtnerei, welcher der, durch — bis in graue Zeiten rückgehende —<br />

Kultivierung höchstwertige Boden das beste Betätigungsfeld bot, waren in unserer<br />

Gemeinde vielerlei, mitunter auch seltenere Berufe vertreten, noch häufiger war es, daß<br />

<strong>Neustift</strong>er nach Erlernung und Meisterprüfung ihren Sitz in dem nahen, angrenzenden<br />

Brünn oder auch anderswo aufschlugen. So der 1631 erwähnte Steinmetzmeister<br />

Vinzenz Turin, 1650 der Lederer Kniepandtl, 1660 der Zimmermeister Wenzel Sovva und<br />

andere mehr. Gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts erwarben Probail und Bayer die<br />

Gründe des ehemaligen Badhauses in der Straßengasse und errichteten eine Tuchfabrik,<br />

welche als solche zuletzt im Besitze der Fa. Kuhn stand, um 1910 aber ein Raub der<br />

Flammen wurde und später mit einem Teile des Landes-Krankenhauses verbaut wurde.<br />

Während für die Frauen, wohl auch schon früher, ein dunkles Tuch als Kopfbedeckung,<br />

weite, vielfaltige Tuchröcke und enganliegende Spensen überliefert erscheinen, aber<br />

doch eine bestimmte — heute leider nicht mehr bekannte — Tracht nicht ausschließt, ist<br />

die Kleidung der verheirateten Gärtner um 1760 in einem Testamente aufgezeichnet wie<br />

folgt: schwarzer, steifer Seidenhut (Zylinder?); weißes Hemd mit Umschlagkragen,<br />

blauer „Kubatrock" mit Silberknöpfen (Langrock); buntgeblümte, weiße Weste,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!