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Die Brünner Vorstadt Neustift

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kleines — für die damaligen Wertverhältnisse jedoch nicht zu unterschätzendes —<br />

Monatsgehalt. <strong>Die</strong> Nebengeschäfte wurden ihm von der Gemeinde besonders vergütet<br />

und zwar, in Geld, während ihm ußerdem von den Gärtnern vielfach Lebens- und<br />

Genußmittel, anläßlich der Hausschlachtungen, der Kirchen- und auch Familienfeste<br />

zugewendet wurden, welche ihm jedoch nicht bei entehrenden Bitt- oder Rundgängen,<br />

sondern in Form von Einladung oder Überbringung zukamen. Es lag einzig und allein an<br />

dem Lehrer selbst, seine ehrenhafte und achtbare Stelle im Gemeinwesen zu festigen<br />

oder zu untergraben.<br />

Um 1780 wurde <strong>Neustift</strong> der neuerrichteten Pfarre St. Magdalena in Brünn zugewiesen<br />

und 1908 zur neuerbauten Jubiläumskirche (60jähr. Regierungsjübiläum Kaiser Franz<br />

Josef I.) in der Kröna eingepfarrt. <strong>Die</strong> vorhergehende kirchliche Einteilung ist ziemlich<br />

unklar und die pfarramtlichen Handlungen im XVIII. Jahrh. erscheinen bald von der<br />

Pfarre St. Jakob in Brünn, bald von jener in Altbrünn getätigt, doch ist, nach<br />

Anordnungen in Testamenten zu schließen, die Altbrünner Pfarre die rechtmäßige<br />

gewesen, wo Taufakte und Sterbefälle viel zahlreicher vermerkt erscheinen. Erschwert<br />

wird die Entscheidung auch durch den Umstand, daß sämtliche in Betracht kommende<br />

Friedhöfe durchwegs aufgehoben und zur Erstellung von Anlagen oder für Wohnbauten<br />

herangezogen wurden; sind ja doch Bestattungen von <strong>Neustift</strong>er Insassen auf dem<br />

Friedhofe der Jakobskirche und dem städtischen Friedhofe (heute botanischer Garten)<br />

einerseits, und dem Friedhofe St. Prokop, dem Altbrünner Friedhofe (wo?) und jenem<br />

von St. Wenzel andererseits überliefert worden; ab 1883 kam nur der Zentralfriedhof an<br />

der Wiener Straße in Betracht.<br />

Wie auch schon früher vermerkt wurde das Gebetläuten vom Schullehrer besorgt und<br />

zwar früh um 5 Uhr (6 Uhr), mittags und abends (im Sommer um 20 Uhr und im Winter<br />

um 18 Uhr), außerdem am Freitag um 3 Uhr nachmittags, wo sich Schulkinder und<br />

Erwachsene zum Rosenkranzbeten beim hl. Kreuze auf dem späteren Schulplatze<br />

versammelten. Gleicherweise war der Schullehrer auch Vorbeter bei der alljährlich an<br />

dem, eine Woche nach dem 15. August fallenden Donnerstag unternommenen Wallfahrt.<br />

Nach den Aufzeichnungen der Pfarre Mödritz wurde die Wallfahrt der <strong>Neustift</strong>er dorthin<br />

erstmalig 1778 getätigt und zwar aus Anlaß der Gesundung des mit seinem Fuhrwerke<br />

verunglückten Sohnes des Bürgermeisters Schober. Nun erscheint aber in den ältesten<br />

erhaltenen Gemeinderechnungen aus den Jahren um 1700 (1703?), wie auch später,<br />

bereits die Entlohnung des Lehrers für seine Betätigung anläßlich „der" Wallfahrt (nicht<br />

auf eine gelegentliche, sondern auf eine bestimmte bezogen) verrechnet; die<br />

Gemeinderechnungen nach 1724 sind für jahrzehntelange Zeiträume verloren gegangen<br />

und diejenigen des dritten Viertels des XVIII. Jahrhunderts enthalten diese Post nicht, es<br />

fehlen auch wieder die Rechnungshefte für die kritische Zeit um 1778. Hierauf begründet<br />

kann nachstehende Schlußfolgerung als wahrscheinlich angenommen werden:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Brünner</strong> unternahmen alljährlich am Maria Himmelfahrt -Tage eine — für die 1645<br />

glücklich überstandene Belagerung durch die Schweden — gelobte Wallfahrt nach<br />

Mariazeil in der Steiermark. Auch die damals in die Stadt Brünn geflüchteten <strong>Neustift</strong>er<br />

waren an diesem Gelübde beteiligt, doch wurde mit Rücksicht auf ihr Handwerk, welches<br />

ein längeres Fernbleiben von der Heimatscholle ausschloß, ein Gnadenort gewählt,<br />

dessen Entfernung von <strong>Neustift</strong> die Durchführung des Gelöbnisses an einem Tage<br />

erlaubte. Für die Zurücklegung der Wegstrecke Brünn—Mariazell benötigten die <strong>Brünner</strong><br />

eine Woche, und so wurde von den <strong>Neustift</strong>em beschlossen, ihren Gottesdienst am Tage<br />

des Einzuges der <strong>Brünner</strong> in Mariazell in ihrem Wallfahrtsorte abzuhalten und setzten<br />

hierfür, um möglichst viele Insassen teilnehmen zu lassen, den seit altersher marktfreien<br />

Donnerstag in der oben vermerkten Zeit fest. Einziehung zum Soldatendienste und<br />

allgemeine Unsicherheit zufolge der vielen Kriege im XVIII. Jahrhundert, verursachten<br />

wohl zuerst nur einen einzelnen, später häufigen und schließlich gänzlichen Ausfall der<br />

Dank- und Bittfahrt, und dieselben wurden erst wieder nach Aufrüttelung des Gewissens,<br />

vom Bürgermeister Schober neuerlich eingerichtet. Ob die ursprünglichen Wallfahrten<br />

gleichfalls nach Mödritz zielten, oder nach einem anderen, in der Nähe liegenden<br />

Gnadenorte (Wranau als Gründung und letzte Ruhestätte der Liechten steiner, Turas,<br />

Kiritein usw.) gerichtet waren, ist weder feststellbar noch abzulehnen.

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