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Das Alumni-Magazin der Universität St.Gallen 1/2007

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Längst ist getAbstract mit 30 Festangestellten<br />

und 120 freien Autoren<br />

etabliert und seit 3 Jahren auch profitabel.<br />

Pro Jahr wächst <strong>der</strong> Umsatz<br />

heute um fast 40 Prozent, getAbstract<br />

hat weltweit – vor allem über Grosskunden<br />

wie etwa Microsoft – 4 Millionen<br />

Abonnenten. Und das mit<br />

denkbar tiefen Vertriebskosten dank<br />

Download via Internet. Aufgrund <strong>der</strong><br />

Copyright-Regelung und (Exklusiv-)<br />

Verträgen mit inzwischen 270 Verlagen<br />

braucht das Unternehmen auch<br />

keine Konkurrenz zu fürchten. Einen<br />

Konkurrenten entdeckte Dobelli zwar<br />

schon vor <strong>der</strong> Gründung, und zwar in<br />

den USA (wo getAbstract heute ebenfalls<br />

eine Nie<strong>der</strong>lassung hat): Der dortige<br />

Anbieter beschränkt sich aber auf<br />

30 ausschliesslich englischsprachige<br />

Bücher pro Jahr.<br />

Die Bibel als Top-Download<br />

Aber auch getAbstract bespricht<br />

nicht einfach jedes neue Wirtschaftsbuch:<br />

Nur Publikationen ab ca. 200<br />

Seiten, die anhand <strong>der</strong> Kriterien Anwendbarkeit,<br />

Innovation, <strong>St</strong>il und<br />

Gesamteindruck auf einer 10-Punkte-<br />

Skala mindestens 5 Zähler erreichen,<br />

werden auf jeweils 5 Seiten zusammengefasst<br />

(Klassikern werden 8 Seiten<br />

zugestanden): «Wir wollen ja unseren<br />

Kunden keine schlechte Literatur<br />

weitergeben», meint Dobelli dazu.<br />

Hauptziel von getAbstract ist die Zusammenfassung<br />

guter und sehr guter<br />

Literatur, um den Unternehmen und<br />

ihren Mitarbeitenden eine Auswahl jener<br />

Bücher zu ermöglichen, die sie<br />

dann tatsächlich kaufen und «richtig»<br />

lesen sollen. So hat getAbstract heute<br />

nicht mehr nur eine Substitutionsfunktion,<br />

son<strong>der</strong>n ebenso eine Selektionsfunktion<br />

und eine Marketingfunktion<br />

für Verlage und Autoren (Bücher, die<br />

bei getAbstract empfohlen werden,<br />

verkaufen sich besser). «Download»-<br />

Favorit ist übrigens die Bibel auf 8 Seiten<br />

– das meistgelesene Buch <strong>der</strong> Welt<br />

hat also auch die meistgelesene Zusammenfassung!<br />

«Wir haben viele Fehler gemacht»,<br />

erklärt <strong>der</strong> Unternehmer in <strong>der</strong> Rückschau,<br />

«und wir mussten das Handwerk<br />

eines Unternehmers zuerst ler-<br />

nen.» Für ihn ist klar, dass man nach<br />

einem solchen unternehmerischen<br />

Entscheid «nie mehr in eine Grossfirma<br />

zurück will». <strong>Das</strong> <strong>St</strong>udium an<br />

<strong>der</strong> HSG war für ihn – ebenfalls in <strong>der</strong><br />

Rückschau betrachtet – zu wenig praxisbezogen<br />

und er kritisiert heftig, in<br />

vier Jahren nicht einmal 10 Minuten<br />

in Verkaufstechnik geschult worden<br />

zu sein. Er gibt aber auch zu, dass vieles<br />

von dem, was er als Unternehmensgrün<strong>der</strong><br />

lernte, im <strong>St</strong>udium nicht<br />

lehr- und lernbar sei. An <strong>der</strong> HSG hat<br />

er Operations Research studiert («Weil<br />

es am nächsten bei Mathematik lag»)<br />

und bei Armin Wil<strong>der</strong>muth eine Dissertation<br />

im Bereich Wirtschaftsphilosophie<br />

geschrieben – vielleicht ein<br />

erstes Zeichen dafür, dass er sich auch<br />

für Fragen jenseits des betriebswirtschaftlichen<br />

Alltags interessiert.<br />

Rolf Dobelli wählt als Chefredaktor<br />

mit seinen Teams in den USA und<br />

am Alpenquai in Luzern also die<br />

Bücher aus, die dann von freien Autoren<br />

(in <strong>der</strong> Regel Journalisten) zusammengefasst<br />

werden. Inzwischen<br />

aber kann es ihm auch passieren, dass<br />

eines seiner eigenen Bücher vom Diogenes-Verlag<br />

angeliefert wird. Wie<br />

wird einer, <strong>der</strong> eine C-Matura macht,<br />

Wirtschaft studiert und <strong>der</strong> sich bis<br />

Mitte Dreissig nicht einmal als Leser<br />

für Literatur abseits <strong>der</strong> Fachliteratur<br />

interessierte, zum gefragten Autor in<br />

einem auch international angesehenen<br />

Verlag, <strong>der</strong> im kommenden Februar<br />

bereits Dobellis viertes Buch mit dem<br />

Titel «Wer bin ich?» veröffentlicht?<br />

Es «frischelt»<br />

Dobelli selbst bezeichnet sein<br />

Schreiben als Hobby. Er hat nicht vor,<br />

seinen Job als Unternehmer aufzugeben<br />

und sich nur noch dem<br />

Bücherschreiben zu widmen, obwohl<br />

er inzwischen davon – wenn auch<br />

bescheiden – leben könnte: «Ich<br />

schreibe dann, wenn an<strong>der</strong>e vielleicht<br />

joggen.» Und genauso wie manche<br />

Jogger süchtig nach Bewegung geworden<br />

sind, ist er süchtig nach<br />

Schreiben: Er wird nervös und unausstehlich,<br />

wenn er ein paar Tage nicht<br />

zum Schreiben kommt. Ganz unprätenziös<br />

erzählt er, dass er früher<br />

eigentlich nur Frisch gelesen hat und<br />

dass seine Werke daher wohl «frischeln».<br />

<strong>Das</strong> sieht auch die Literaturkritik<br />

so, die ihn im Übrigen aber mit<br />

Superlativen wie «fulminante Literatur»,<br />

«brillant», «mitreissend» bereits<br />

beim Erstling im Feuilleton willkommen<br />

geheissen hat.<br />

Als Unternehmer unter Literaten<br />

wird er aber nach wie vor kritisch<br />

eingeschätzt: Kann einer mit diesem<br />

Lebenslauf überhaupt literarisch<br />

schreiben? Der <strong>St</strong>allgeruch fehlt ihm,<br />

auch wenn er inzwischen mit Grass<br />

und an<strong>der</strong>en hoch dotierten Schriftstellern<br />

auf Podien sitzt o<strong>der</strong> sie an<br />

Buchmessen trifft. Ebenso exotisch –<br />

aber von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite – nehmen<br />

die Geschäftskollegen einen schreibenden<br />

Unternehmer wahr. Dennoch<br />

gibt es für ihn das Verbindende<br />

zwischen seinen zwei Welten: Die<br />

Sprache. Und die hat sich zwischen<br />

seinem Erstling, <strong>der</strong> heute trotz sehr<br />

guter Kritiken eher als Fingerübung<br />

o<strong>der</strong> Etüde wirkt , bis zu «Himmelreich»<br />

enorm entwickelt. Ist noch dichter<br />

geworden. So dicht, dass selbst Detailbeschreibungen<br />

Spannung vermitteln.<br />

Aber: «Der Plot ist wichtiger als<br />

die Sprache», ist er überzeugt.<br />

Seine neu entdeckte Begabung als<br />

Autor hat auch Auswirkungen auf<br />

getAbstract: die Klassiker-Zusammenfassungen<br />

hätte es ohne seine Literatur-Karriere<br />

wohl nicht gegeben. Inzwischen<br />

hat er auch begonnen,<br />

selbst Literatur zu lesen (nicht nur Zusammenfassungen!)<br />

und er geniesst<br />

den Wechsel zwischen den beiden<br />

Welten sichtlich. Schliesslich hat er<br />

das geschafft, was für Business-Leute<br />

ebenso entscheidend ist wie für Autoren:<br />

Seine Werke werden gekauft!<br />

Und was verbindet die Entscheide,<br />

Unternehmer zu werden und Autor<br />

zu werden? «Beides waren Herzensentscheide»,<br />

sagt er ganz trocken. Sie<br />

zu treffen, fällt an<strong>der</strong>en – etwa Dobellis<br />

Titelhelden - oft viel schwerer, wie<br />

in «Himmelreich», «Und was machen<br />

Sie beruflich?» und «Fünfunddreissig»<br />

nachzulesen ist. Ein Glück für Nicht-<br />

Leser (die getAbstract schätzen) und<br />

für Leser (die Romane schätzen), dass<br />

Dobelli hier an<strong>der</strong>s ist.<br />

alma 1/<strong>2007</strong><br />

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