Urlaub ohne Grenzen! - Nansen & Piccard
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14 column<br />
Flugversuche (11) Taking Flight (11)<br />
Tillmann Prüfer denkt an frühere Gelage in Flugzeugen und staunt, dass heute viele Passagiere<br />
schon vor dem Start gut gelaunt sind Tillmann Prüfer remembers past revelries on airplanes and<br />
marvels how many passengers today board already in high spirits<br />
A lkohol<br />
im Flieger scheint ein heikles Th ema zu sein. Immer<br />
wieder hört man von schlimmen Ausfällen. In Russland<br />
soll neulich ein Passagier so betrunken gewesen sein, dass er in<br />
10.000 Metern Höhe aussteigen wollte. Ein anderer versuchte, eine<br />
Massenschlägerei anzuzetteln und musste in der Flugzeugtoilette<br />
eingesperrt werden. Nun beschweren sich die Fluglinien – aber<br />
ich muss dazu anmerken: Nirgends wurde ich so zum Trinken<br />
animiert wie in der Flugzeugkabine. Die Tatsache, dass ich heute<br />
kein vom Schnaps zerrüttetes Wesen bin, verdanke ich jedenfalls<br />
nicht der Luftfahrtbranche.<br />
An die Langstreckenfl üge meiner Adoleszenz kann ich mich nur<br />
bruchstückhaft erinnern – weil ich die meiste Flugzeit betrunken<br />
war. Die Fluggesellschaften schenkten zwar keine Cocktails mehr<br />
aus – abfüllen wollten sie einen umso mehr. Schon nach dem Start<br />
sollte ich mehrere Becher Wein zu mir nehmen, dann wurde ich<br />
befragt, ob es auch härtere Spirituosen sein dürften. Das Kalkül war<br />
klar: Ein trunkener Fluggast ist ein müder Fluggast. Und ein müder<br />
Fluggast ist nicht unzufrieden, weil er in den engen Sitzen nicht<br />
schlafen kann. Er schnarcht zufrieden vor sich hin. Der Passagier<br />
nahm das gerne hin, schließlich gehörte Trunkenheit zum <strong>Urlaub</strong><br />
dazu. Und der <strong>Urlaub</strong> konnte nicht früh genug beginnen.<br />
Früher waren Fluggesellschaften geradezu erpicht darauf, ihren<br />
Namen mit Alkohol zu verbinden. Neulich fi el mir an Bord einer<br />
deutschen Airline ein kleines Fläschchen im Getränkewagen der<br />
Stewardess auf. Ein Likör, der den Namen eben dieser Airline trug.<br />
Ich ließ mir erklären, dass es ein Retro-Likör sei, ein Remake eines<br />
Getränkes, das in den sechziger Jahren begehrt war. Damals hatte<br />
die Fluglinie jenen Likör – mit Sekt gemischt – ausgeschenkt. Bald<br />
war er auch im Spirituosenhandel auf dem Boden ein Verkaufs-Hit.<br />
Die Leute über den Wolken galten ja als Jet Set. Und ihren Likör<br />
zu konsumieren bedeutete: trinken wie die Reichen.<br />
Mittlerweile haben sich die Fluglinien darauf verlegt, bequemere<br />
Sitze zu installieren, in denen man besser einschlafen kann.<br />
Dafür gibt es den Alkohol nur noch in geringen Dosen – oder gar<br />
nicht mehr. Das hätte nun das Ende der Bordtrunkenheit sein<br />
können. Leider kam es nicht so. Der Passagier von heute lötet<br />
vor. Mittlerweile sitze ich im Flieger immer wieder neben völlig<br />
besoff enen Passagieren, die schon vor dem Abheben eine halbe<br />
Flasche Jägermeister ihrem Organismus zugeführt haben.<br />
Früher kauften also die armen Alkoholiker im Schnapsladen<br />
Luftfahrt-Likör, um auf die gleiche Weise betrunken zu werden<br />
wie Flugzeugpassagiere. Heute gehen Flugzeugpassagiere in den<br />
Schnapsladen, um auf die gleiche Weise betrunken zu werden<br />
wie arme Alkoholiker. Das muss irgendetwas über unsere Gesellschaft<br />
aussagen. Aber das herauszufi nden, ist nun wirklich<br />
nicht mein Job.<br />
Tillmann Prüfer ist Stil-Chef beim »Zeit«-Magazin »Leben«<br />
I n-fl<br />
ight alcohol consumption appears to be a hot topic. Time<br />
and again, we hear about extreme cases. Recently, a passenger<br />
in Russia apparently was so drunk that he tried to disembark at<br />
10,000 meters. Another tried to incite a riot and had to be locked<br />
in the onboard lavatory. Th e airlines are complaining—but I really<br />
feel obliged to comment that there is no place in the world where<br />
one is so encouraged to drink as on board a jet. Th e fact that my<br />
own character remains unscathed by drink is no thanks to the<br />
airline industry.<br />
I only have fragmentary memories of the long-haul fl ights of<br />
my youth—because I was inebriated most of the way. True, airlines<br />
were no longer doling out free cocktails—but they were even more<br />
dedicated to getting their passengers sloshed. Right after takeoff ,<br />
I was urged to have a few glasses of wine; then I was asked if I<br />
wouldn’t like something harder. I think this was the only way<br />
the cognac industry could survive. Th ey pumped hundreds of<br />
litres of the stuff into the bellies of jets. For travellers who were<br />
not yet sedated, there was a small tray next to the lavatory where<br />
one could choose among various little bottles of hard liquor. Th e<br />
plan was clear: A drunken passenger is a groggy passenger. And<br />
a groggy passenger doesn’t complain about having to sleep in his<br />
narrow seat. He simply snores away. Passengers were only too glad<br />
to oblige. After all, being on holiday also meant heavy drinking.<br />
And holidays could not begin too soon.<br />
Airlines even used to be keen on linking their names with alcoholic<br />
drinks. Recently, while travelling on a German airline, I<br />
noticed a little bottle in the fl ight attendant’s drink cart: It was a<br />
bottle of liquor that actually bore the airline‘s name. Th e explana-<br />
tion? Th is was a retro-liquor, a remake of a drink popular in the<br />
60s. Back then, the airline served it mixed with sparkling wine.<br />
It then became a big hit in liquor stores on the ground. After all,<br />
those people above the clouds were considered the »Jet Set.« And<br />
why not drink like the rich?<br />
Today, airlines have taken to installing more comfortable seats<br />
to promote easier sleeping. On top of that, there is very little alcohol<br />
available—sometimes none at all. All that could have signalled<br />
the end of on-board drunkenness. But unfortunately this was not<br />
the case. Today’s passenger checks into the bar beforehand. Th ese<br />
days, I fi nd the person seated next to me to be completely drunk,<br />
probably having downed half a bottle of Jägermeister before takeoff ,<br />
as if afraid to experience a fl ight sober.<br />
Once upon a time, destitute alcoholics used to pick up airplane<br />
alcohol in liquor stores, just to get drunk the way airline passengers<br />
did. Now, airline passengers head for the liquor stores to get drunk<br />
just like down-and-out alcoholics. Th at must say something about<br />
our society. But it’s really not my job to fi nd out what that is.<br />
Tillmann Prüfer is style editor for Zeit’s magazine, »Leben«