Was sich an Brutalität eigentlichnicht mehr toppen ließ, schafftedie FARC-Guerilla in den 1990-er Jahren. Sie riss nicht nurgroße Teile des Kokainhandelsan sich, sondern entdeckte auchdas Kidnapping und den Menschenhandelals Goldmine. ImReichtum schwimmend, konntesie mit bester militärischer Aus-______________________________________________________________________________________Cauca Fluss hinunter, auf 300Höhenmetern schießt dieQuecksilbersäule auf 30 bis 35damit sein eigenes Wahrzeichengeschaffen.rüstung gegen den gesamtenStaat vorgehen und große TeileKolumbien unter ihre KontrolleGrad hoch, je nach dem, ob Pablo Escobar war der bringen. Und je bereitwilliger dieSommer (die Sonne scheint)Robin Hood der ArmenRegierung mit den Untergrundkämpfernverhandelte, destooder Winter ist (es regnet). Medellínist auch "die Hauptstadtder Berge", wo ein fleißigesBergvölkchen zu Hause ist, dieAntioquenos oder "Paisas", dendreister wurden sie, bis es ihnenfast gelang, die großen Städtedes Landes abzuschnüren undzu infiltrieren.Bayern in ihrer Folklore undderbem Humor nicht unähnlich.Wolken im Talkessel – Regisseureder StimmungIn diesem hübschen Talkessel,dessen Wolken- und Stimmungsbildstündlich wechselt,findet man alles, was die Hauptstädteder Welt anzubieten haben:eine ganze Handvoll Universitäten,medizinische Einrichtungenvon Weltrang, Theaterund Musik, eine moderne S-Bahn mit Seitenarmen in Gestaltvon Seilbahnen, die Bewohnerund Besucher die Berghängehinauftragen, Aquarien und Museen,darunter eines zu Ehrendes berühmtesten Sohnes desStadt: Botero. Seine zur Rundlichkeitneigenden Landsleutehat er künstlerisch überhöht und38Medellín ist aber auch die Stadtdes Kokain-Händlers Pablo E-scobar, der Ende der 19<strong>80</strong>-erJahre weltweit Schlagzeilenmachte, dessen Mafia schlechteFussballspieler und unbotmäßigePolitiker wahllos abknallenließ, der sich einen Privatzooeinrichten ließ und der die staatlichenAutoritäten der Ohnmachtpreisgab, sich damit in den Armutsviertelnder Stadt ein Robin-Hood-Imageverschaffte.Die FARC Guerilla finanziertsich durch MenschenhandelAls die Väter zu MenschenkleinzerhacktheimkehrtenIm Herbst 2000 ging die Paranoiain Medellín um. „Wir sindin unseren eigenen Städtengekidnappt worden", klagtendie Bewohner, nachdem mandie Ballungszentren kaum mehrverlassen konnte, ohne auf denL a n d s t r a ß e n a u f d a sSchlimmste gefasst sein zumüssen. Wer ein kleines Geschäftund ein bisschen Geldhatte, war auch in Medellínnicht sicher. Meine Tochter, diehier ihr Abitur gemacht hat, berichtetvon Klassenkameradinnen,deren vermisste Väter alsPaket verschnürt nach Hausezurückkehrten, zur Abschreckungund Warnung in kleineEinzelteile zerhäckselt.Der Befreiungscoupsignalisiert: Der Staathat wieder die OberhandInsofern hatten die Gesichter,von denen ich erzählte, allenGrund zur Bestürzung – aberauch das ist Kolumbien: In denletzten sechs Jahren hat sichdas Leben hier grundlegendverändert. ÜberzeugendstesAnzeichen für alle Außenstehendenwar die weltweite Demonstrationgegen die FARCAnfang 2008 und später derhollywoodreife Coup, mit der dieFreilassung der prominentestenFARC-Geisel, Ingrid Betancourt,gelang. Dennoch: Hundert<strong>eV</strong>erschleppte harren noch ihrerBefreiung, die Schätzungen rei-______________________________________________________________________________________Kolumbien Aktuell - Ausgabe <strong>80</strong> - April 2009
39______________________________________________________________________________________chen von 6<strong>80</strong> bis mehrere tausend,keiner hat genaue Zahlen.neue eingebaut – ein "Weihnachtswunder"!traditionellen Busse, die seitlichoffene „Chiva“.Unser Weihnachtswunderwar eine reparierteKupplungEnde 2008 sieht man in Medellínwieder Touristen aus allerWelt, man kann fast überall hingehen,über dem Fluss derStadt schwebt eine der großartigstenWeihnachtsbeleuchtungen.Dezember und Januar istdie traditionelle Urlaubszeit, einlauter Salsa-, Vallenato undTango-Teppich liegt über derganzen Stadt, es ist die Zeit dergrößten Fiesta des Jahres.Dennoch, das Arbeitsleben gehtweiter, wer Probleme hat, demwird geholfen, selbst zu ungewöhnlichstenZeiten: Als amHeiligen Abend unsere Kupplungihre Funktion aufgibt, bekommenwir bis 16 Uhr eineWo der Bauer seinSchwein ausführtDie Tage zuvor waren wir imOsten der Berghauptstadt unterwegs,um uns die hübschenBergbauernhöfe anzusehen.Einige Fincas arbeiten zum Teilnach modernsten ökologischenStandards und gewinnen ausder Sonne Naturenergie. El Penolist berühmt durch einenhundert Meter hohen elliptischenGesteinsbrocken, derdort wie ein exotischer Gast ausdem All aus dem Boden ragt.Auch in anderthalb StundenEntfernung von der ProvinzhauptstadtMedellín weist nichtsmehr auf die Gewalt der letztenJahre hin. Ein Bauer führt durchden Ort sein Schwein spazieren,am Dorfplatz parkt einer derIm Garten Eden: Viermalim Jahr wird hier geerntetDas Land ist hier wie in fast allenanderen Regionen Kolumbiensungeheuer fruchtbar, dieTropensonne und reichlich Regensorgen für bis zu vier Ernten,dennoch: Viele der Bauernhöfewaren jahrelang verwaist,300 Menschen sind verschwunden,berichtet ein Dorfbewohner,erst vor kurzem blühte dasLeben hier wieder auf. Der Wegnach Penol war von mehrerenMilitärkontrollen gesäumt, auchwir wurden gestoppt, mit Handschlagbegrüßt und mussten diePapiere zeigen sowie die Fragebeantworten: "Haben Sie irgendwoetwas Verdächtigesgesehen?“______________________________________________________________________________________Kolumbien Aktuell - Ausgabe <strong>80</strong> - April 2009