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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Apologie der HabilitationAlexander SomekI.Am Ende einer langen Ausbildung zuruniversitären Denker- und Lehrerinsteht üblicherweise das Habilitationsverfahren.Ich habe bereits zwei Verfahrendieser Art hinter mich gebracht undkann sagen, ich habe beide wirklich genossen.Man darf ein dickes Buchschreiben, das andere lesen müssen.Von allerlei Seiten, handle es sich dabeium die Kollegen aus dem Mittelbauoder um Angehörige aus den höherenRängen, erhält man wohlwollenden Zuspruchund Ermunterungen zum Durchhalten.Es wird einem solcherart zu verstehengegeben, dass potentielle Kritikerohnedies nicht Ernst zu nehmensind ("was verstehen die schon ...").Das Selbstwertgefühl wächst, wennman sich in dem Glauben wiegen darf,dass sich die, bei denen man auf Ablehnungstoßen könnte, durch ihre Kritikals unter dem Niveau der eingereichtenArbeit stehend zu erkennen geben.11.Die Habilitation ist ein Initiationsritual.Sobald man durch sie hindurch gegangenist, gehört man an der Universitätzu den Erwachsenen. Wie jedes Ritualsolcher Art ist sie ein wenig schmerzhaftund hat, wie manche Rituale, denCharakter einer Mutprobe. Man kannscheitern. Dies ist zumindest dem Gesetzzu entnehmen, und man bildetsich natürlich fest ein, dass es auf desMessers Schneide stehen werde, bevorman sich dem Verfahren unterzieht.Auch besteht die Gefahr, dass man somanche Schramme abbekommt, etwadann, wenn ein Gutachten oder eineStellungnahme negativ ausfällt. Gleichwohlsind Kontroversen, in die mansich diesfalls stürzen darf, auch eineQuelle authentischer Lebensfreude.Wann sonst hat man Gelegenheit, einenKritiker in schriftlichen Stellungnahmenmit einer glühenden Anti<strong>kritik</strong>zu bedenken? Die Wissenschaft erweistsich hier als die Magd der Polemik.Was einst Viktor Klima so denkwürdigfür die Politik feststellte, giltauch für die Suche nach der Wahrheit.Wissenschaft muss Spaß machen. Dadarf man kein Glaskinn haben.111.Seltsamerweise hat das Habilitationsverfahren,das also für viele Beteiligteeine das Leben bereichernde Angelegenheitist, immer wieder Kritik aufsich gezogen. Manche meinen sogar,man solle es abschaffen. Das Erfordernis,ein dickes Buch zu schreiben, überforderemanche, die gleichwohl dazuin der Lage seien, gute kurze Beiträgezu verfassen. Außerdem werden Habilitationsschriftenunter der Bedingungder drohenden wissenschaftlichen Ächtungder Habilitationswerberin verfasst.Das Bemühen, diese wenig erfreulicheAussicht abzuwenden, fOrdertzwar den Fleiß der künftigen Kandidaten;für sich genommen ist dieseraber noch nicht die Wissenschaftselbst. Die Fußnotenapparate, auf denendie Texte wie auf einem breiten Sockelruhen, sind für die Leser unkonsumierbar.Auch merk~ man den Bücherndie Furcht vor potentiellen Gegnernan. Alles wird sehr ausgewogen undvorsichtig beurteilt, damit ja niemandAnlass hat, sich auf den Schlips getretenzu fühlen. Das macht die Bücheroft gähnend langweilig, und insofernsprechen sie dem oftmals noch <strong>recht</strong>jugendlichen Alter ihrer VerfasserHohn. Weil, wie überall, auch bei derHabilitation die Verinnerlichung einerasketischen Haltung zur Arbeit zu bekundenist, sind die Habilitationsschriftenextrem umfangreich. Ich selbst habeinsgesamt ca. 1300 Druckseiten aufdie meinen verwendet und damit allesandere als einen Beitrag gegen dasWaldsterben geleistet.Mit anderen Worten, Habilitationsschriftensind unglückliche Bücher. Siesind zu wissenschaftlich, um wirklichgut zu sein.IV.Habilitationsschriften tragen freilichnur insofern diese unglücklichen Züge,als sie den systemischen Kontext widerspiegeln,in dem sie verfasst werden.In diesem dominiert der Zwangzur Moderation, die Submission unterlokale disziplinäre Standards, die Sorgeum den Zorn von verärgerten Professoren(erster Klasse), die politische Rücksichtnahmeund - an juridischen Fakultäten- die Anpassung an die Konventioneneiner alles andere als charmantenbürokratischen Kaste.Wenn es allerdings gelänge, diesenKontext zu neutralisieren und wissenschaftlichesArbeiten mit globalenStandards zu verknüpfen (aber wie?),wäre es schlecht, auf die Habilitationzu verzichten. Denn sie ist eine guteSache. Sie ist meines Erachtens diebeste Qualitätskontrolle, die man sichdenken kann. Sie ist dies nicht nur deswegen,weil sie in dieser Eigenschaftdazu verhilft, die Universitäten weitüber private Bildungseinrichtungen(mit undurchsichtigen Rekrutierungspraktiken)zu erheben; ich meine auch,dass eine Wissenschafterin Bücheroder wenigstens mehrere ineinandergreifende Aufsätze schreiben könnenmuss. Ab und zu sollte man einen Gedankenfassen und diesen zu Ende denkenkönnen (so weit dies möglich ist).Vor allem sollte man originelle Gedankenfassen können.Aber selbst ohne Veränderung ihressystemischen Kontexts und also trotzaller gegenwärtiger Imponderabiliendarf man auf die Habilitation nicht verzichten.Sie ist (gemeinsam etwa mitder permanenten didaktischen Evaluation)einer der Garanten dafür, dassvon uns an der Universität ein wichtigesZiel weiterhin mit Ehrgeiz verfolgtwerden kann. Dieses Ziel ist zwar, wieschon Mike Hammer wusste, verdammthart zu erreichen; aber wirmüssen es gerade gegenüber kurzsichtigenPolitikerinnen und halbgebildetenJournalisten als unser Ziel behaupten:Wir müssen immer die Bestensein.<strong>juridikum</strong> 3/01verlagJjsterreichSeite 105

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