GESCHICHTEund die Anderen glänzten silberfarbenin der Sonne. Dann passierte es, eine P51 Mustang wurde im Kurvenkampf miteiner Fw 190 getroffen und stürzte – eineschwarze Rauchfahne hinter sich herziehend– fast senkrecht zu Boden. Der Pilotstieg aus der Maschine, der Fallschirmöffnete sich, und er schwebte langsamnach unten. Die P 51 stürzte weiter nachunten, fing sich dann in einem lang gezogenenBogen ab und flog nun – ohnePilot – sehr tief genau auf unser Haus zu.Ich stand auf unserem Hof und beobachtetedann, wie die Maschine leicht nachrechts abdrehte und hinter unseremHaus zerschellte.Die Nachtangriffe waren genauso spannend.Wenn die Engländer nachts mitihren Flugzeugen einflogen, und danndie zahlreichen Scheinwerfer ihren Strahlin den Himmel schickten, um Flugzeugezu erwischen. Wenn dann eines gefundenwurde, trafen sich die anderenScheinwerfer zusammen zu einem „Bündel“über Kreuz. Und in diesem Schnittpunktwar dann das Flugzeug zu sehen.Was dann geschah, war für uns immerein sehr schönes, schauriges Schauspiel.Die 2cm Vierlingsflak feuerte dann ausallen Rohren, die Leuchtspurgeschosseschlängelten sich dann, wie auf einePerlenkette gezogen, Richtung Flugzeug.Gab es einen Treffer, und die Maschinestürzte brennend ab, brach jedes Mal beiuns Jubel aus.In einer Nacht, an die ich mich gut erinnere,ereignete sich etwas ganz Besonderes.Eine Lancaster bekam einen Volltrefferund explodierte in einem riesigenFeuerball, genau über unserem Ort. Nacheiner Weile „regnete“ es Trümmerteile,verteilt über eine riesige Fläche. In derNähe unseres Hauses entdeckte ich aufeiner Wiese einen Fallschirm, verheddertin einem Stück Aluminiumblech. Vondem Piloten ist nie etwas gefunden worden.Sie wurden regelrecht pulverisiert.Diese „Bombe“ hat noch viele Jahrein unserem Garten gestanden. Dies istein Behälter, aus dem die sogenannten„Christbäume“ entstanden. Das Leitwerkwurde abgesprengt, und die einzelnenBrennstäbe in dem Behälter wurden gezündetund fielen brennend langsam zuBoden. Es war das Zeichen des Pfadfinders,der an der Spitze flog, für die nachfolgendenMaschinen, die dann ihreBomben für den Abwurf fertig machten.Diese „Bombe“ fiel in der Nacht zum 2.Mai 1942, des sogenannten 1000-Bomber-Angriffsauf Köln, in der Nähe vonunserem Haus. Diese Nacht war eineHorrornacht, die ich nie vergessen werde.Diese und viele andere Geschichtenkönnte ich erzählen über die Nachtangriffe,aber besonders die Tagesangriffemit den sogenannten Tieffliegern, dieauf alles schossen, was sich bewegte.Auch davor mussten wir stets auf der Hutsein. Wir wurden einige Male von ihnenüberrascht, aber immer ohne Folgen.So spielten wir weiter „Krieg“ und hatteneinmal die Gelegenheit, mit einemSturmgeschütz Panzer III Langrohr inden Nachbarort in die Werkstatt zu fahren.Mein Freund kletterte in den Panzerund setzte sich in den Kartuschenauffangsack.Und als der Panzer dann beimRangieren mit dem 7,5 cm Kanonenrohrgegen eine Wand fuhr, lief dieses zurückund erdrückte meinen Freund HansSchneider. Er war sofort tot.Ja, so war das. Wir bejubelten weiter dieAbschüsse der deutschen Piloten. Es warnun mal Krieg, und die Engländer undAmerikaner waren unsere „Feinde“ – sowurden wir erzogen.Man sagt sich heute, wie unsinnig Kriegist, wenn man Menschen, die man nichtkennt, zu Feinden erklärtHelmut WolterBilder: Privatarchiv H. Wolter16
Das deutsche Judentum im KriegJüdische Flieger kämpfen an der Front 1 .GESCHICHTEAm 4. August 1914 empfing der Kaiserim Berliner Schloß Vertreter aller Parteiendes Reichstages, Abgesandte derKonfessionen und vieler Organisationen,um die Einigkeit der Nation zudokumentieren. An diese Standesvertretersprach der Kaiser die berühmtgewordenen Worte: „Ich kenne keineParteien mehr, ich kenne nur Deutscheund zum Zeugnis dessen, dass Sie festentschlossen sind, ohne Parteiunterschiede,ohne Standes- und Konfessionsunterschiedezusammenzuhalten,mit mir durch dick und dünn, durchNot und Tod zu gehen, fordere ich dieVorstände der Parteien auf, vorzutretenund mir dies in die Hand zu geloben.“Unter den Standesvertretern befandensich auch prominente jüdische Mitbürger.Die deutschen Juden standen alsStaatsbürger jüdischen Glaubens voll zuihrem Staat. Zahlreiche Dokumente beweisendies, auch wenn das heute vomZeitgeist geprägte Pathos mancher Bekenntnissebefremdlich wirkt. So auchder Aufruf des Verbandes der deutschenJuden vom 7. August 1914:„An die deutschen Juden:In schicksalsernster Stunde ruft das Vaterlandseine Söhne unter die Fahnen.Daß jeder deutsche Jude zu den Opfern anGut und Mut bereit ist, die die Pflicht erheischt,ist selbstverständlich. Glaubensgenossen!Wir rufen Euch auf, über das Maßder Pflicht hinaus Eure Kräfte dem Vaterlandzu widmen! Eilet freiwillig zu den Fahnen!Ihr alle – Männer und Frauen –stelletEuch durch persönliche Hilfeleistung jederArt und durch Hergabe von Geld und Gut inden Dienst des Vaterlandes!“Die jüdische Bevölkerung unternahmalle Anstrengungen, sich sowohl an derFront als auch in der Heimat zu bewährenund damit gleichzeitig über formaleGleichberechtigung hinaus allgemeineAnerkennung als vollintegrierter Bevölkerungsanteilzu erringen.Dazu ein Flieger jüdischen Glaubens,Leutnant Josef Zürndorfer, der 1915im Flugzeug abstürzte, in seinem Testament:„Ich bin als Deutscher ins Feldgezogen, um mein bedrängtes Vaterlandzu schützen. Aber auch als Jude, um dievolle Gleichberechtigung meiner Glaubensbrüderzu erstreiten.“ Wie Zürndorfersahen viele junge Deutsche jüdischenGlaubens zu Beginn des Ersten Weltkriegsihre Chance, durch militärisches Engagementgesellschaftliche Anerkennung zuerhalten. Der Historiker Golo Mann stelltegar fest, dass es „nichts deutscheres“gegeben habe, als die jüdischen Kriegsfreiwilligendes Ersten Weltkrieges. OhneZweifel hat die nationale Begeisterungjüdischer Soldaten und Offiziere für Respektund Anerkennung bei vielen ihrernicht-jüdischen Kameraden gesorgt. Geholfenhat dieser Respekt, diese Anerkennungindes niemandem. Man erwartete„Pflichterfüllung“, bis zum letzten, benutztegleichzeitig aber jede Gelegenheit,um die jüdischen Mitbürger, insbesonderedie Soldaten unter ihnen, zu diffamierenund zu diskriminierenDie am 1. November 1916 durchgeführte„Judenzählung“ 2 deuteten die betroffenenSoldaten und ihre Familien als ehrenrührigeKränkung. Die am Ende desKrieges von der OHL verbreitete Dolchstoßlegendetransportierte auch antisemitischeInhalte und zählte zu denstärksten Belastungen der Weimarer Republik.Jüdische KampffliegerVon den annähernd 100.000 jüdischenKriegsteilnehmern hatten 10.000 sichfreiwillig gemeldet. Die Gesamtzahl derGefallenen und Vermissten unter denjüdischen Soldaten betrug ungefähr12.000 Mann. Mindestens 200 von rund5.000 deutschen Kriegsfliegern des Feldheeresan der Front (die Zahl 5.000 beziehtsich auf offizielle Angaben aus demJahre 1918) waren Juden. Über 50 davon– wahrscheinlich noch mehr – sind gefallen.Genaue Zahlen zu ermitteln, ist schwierig,da es zu keinem Zeitpunkt eine offizielleZählung der jüdischen Kriegsfliegergegeben hat. Der Reichsbund jüdischerFrontsoldaten hat bei einer statistischenErhebung die Personalien von 166 jüdischenKampffliegern einschließlich derüber 50 Gefallenen ermittelt. Seine Untersuchungenhaben ergeben, dass dietatsächliche Zahl jüdischer Kriegsfliegerjedoch höher gelegen haben muß.Der hohe Anteil jüdischer Soldaten unterden Fliegern des 1. Weltkrieges istdeshalb besonders erstaunlich, weil derEintritt in die Fliegertruppe, die damalsnoch keine selbständige Waffengattungbildete, für jüdische Soldaten mit besonderenSchwierigkeiten verbunden war.Einige jüdische Flieger haben sich besondersausgezeichnet, so der Senior derdeutschen Feldflieger Jakob Wolff, Besitzereiner Hamburger Zigarrenfabrik, deres im Alter von 46 Jahren noch schaffte,mit einer eigenen Maschine Kriegsfliegerzu werden, und das, obwohl er ein überzeugterKriegsgegner war. Das Höchstalterder Flieger war gerade zu jenem Zeitpunktauf 28 Jahre festgesetzt worden.Wolff hatte große Erfolge im Einsatz,wurde am 6. Mai 1917 Offizier undmehrfach ausgezeichnet, unter anderemmit dem EK I. Er starb 1926 in Hamburg.Vizefeldwebel Wolff – Auszeichnung17