GESCHICHTEAbbildung 3: Das Marineluftschiff „L 2“ (LZ 18)bei einer Landung in Johannisthalden an Bord befindlichen 20 Mann könnenvon den herbeieilenden Schiffen 6gerettet werden. 6 Besatzungsmitgliederwerden tot geborgen, darunter KapitänleutnantHanne, dessen Leiche voneinem Fischkutter aufgenommen wird,und Korvettenkapitän Metzing, welcherbei Cuxhaven antreibt.Ist der Verlust des Marineluftschiffes unddes Großteils seiner Besatzung an sichschon beklagenswert, so trifft es die Marineluftschiffahrtnoch im Besonderen. Sieverliert nicht nur ihre erfahrenste Besatzung,sondern auch ihren erst im Märzdes Jahres zum Abteilungsleiter der Marineluftschifferabteilungernannten KorvettenkapitänMetzing. Nachfolger alsAbteilungsleiter wird KapitänleutnantMathy.Versuche, das Wrack des „L 1“ zu bergen,scheitern in der Folgezeit. Eine Luftschraubewird am 6. Oktober bei Helgolanddurch einen Fischdampfer ausdem Wasser gezogen. Weitere Teile desWracks findet der Fischdampfer „Lauenburg“Anfang Dezember vor Helgoland,darunter zwei große Benzintanks undTeile des Gerippes. Im April 1914 wirdschließlich ein weiterer Propeller des „L1“ vom Torpedoboot „T 52“ geborgen.22Durch die Geschehnisse überschattet,erfolgt fast unbemerkt am 6. September1913 der Erstaufstieg des zweiten Marineluftschiffes„L 2“ in Friedrichshafen. Wie„L 1“ schon im vergangenen Jahr, so ist„L 2“ das bis dahin größte gebaute Zeppelinluftschiff.Vorangetrieben wird die Vergrößerungder Zeppelinluftschiffe durch das Werftdepartementder Marine, welches dieaktuellen Zeppelinluftschiffe inklusivedes „L 1“ für Marinezwecke noch alsnicht kriegstauglich ansieht 4 . Die Marinedrängt darauf, die Leistung der Luftschiffezügig zu steigern, wobei die Grenzendieser Steigerung des Volumens in denzu dieser Zeit zur Verfügung stehendenMaterialien liegen, für Luftschiffe desTyps Zeppelin im speziellen in der Verwendungvon Hartaluminium 5 . So siehtdie Luftschiffbau Zeppelin als Grenze destechnisch Möglichen einen Gasinhaltvon 25 000 m3 an 6 .Seit dem Frühjahr 1913 arbeitet die FirmaSchütte-Lanz, die ihr erstes Luftschiff„SL 1“ 1911 in Holzbauweise fertig stellte,an dem Bau des Heeresluftschiffs „SL2“, ebenfalls in Holzbauweise, jedoch miterheblichen Verbesserungen gegenüberdem „SL 1“ und einem Gasinhalt von27 000 m3. Für die Marine stellt Schütte-Lanz sogar einen Entwurf von ProfessorSchütte mit einem Gasinhalt von 30 000m3 in Aussicht. Da die Etatsmittel für1913 jedoch erschöpft sind, wird der Kaufdurch die Marine zurückgestellt 7 .Angeregt durch die Konstruktionsmerkmaledes „SL 2“, legt das Reichsmarineamtder Luftschiffbau Zeppelin ein neuesProjekt des Marinebaumeisters Pietzkervor, welches schließlich zum Bau des „L2“ führt. Im Besonderen sind hier hervorzuhebender innen liegende Laufgang,die Trennung von Führer- und Motorgondelund die Erhöhung des Gasinhaltsauf 27 000 m3.Noch vor dem Verlust des „L 1“ äußertsich Marinebaumeister Pietzker zurBrauchbarkeit der Marineluftschiffe ineinem Artikel in der Oktoberausgabeder Marine-Rundschau, welcher zusammengefasstin der Freiburger Zeitung erscheint:„… Von der Bedeutung ausgehend, die dieMarine-Luftschiffahrt als Mittel der Aufklärunghat – beträgt doch beispielsweiseder Radius des sichtbaren Horizonts beieiner Höhe von 500 Meter nicht wenigerals 74 Kilometer – untersucht der genann-
GESCHICHTEAbbildung 4: Das Marineluftschiff „L 2“ (LZ 18) und seineBesatzung vor dem Aufstieg am 17. Oktober 1913te Fachmann [Pietzker] zunächst, wie dieLeistungsfähigkeit der Marine-Luftschiffeunter normalen Verhältnissen beschaffenist. Dabei gelange er nach eingehender Erörterungder technischen Grundlagen für dieTragfähigkeit von Luftschiffen betreffs dieserHauptfrage zu dem Ergebnis, daß nur Schiffegroßen Deplacements bei der Verwendungüber See in Frage kommen. Die Marine hattedaher, führt Pietzker aus, schon L I wesentlichgrößer als alle bisher vorhandenen Luftschiffebauen lassen und zwar so groß, wiees bei der Bauwerft damals durchzusetzenwar: 22 500 Kubikmeter gegen 19 000. L IIhat 27 000 Kubikmeter, und die folgendenMarine-Luftschiffe werden eine noch größereSteigerung aufweisen; jedoch muß der Fortschrittallmählich erfolgen, da die Festigkeitdes Gerüstes nicht vollständig durch Rechnungzu fassen, sondern daneben, mit Rücksichtauf die Bruchgrenzen der Materialien,durch Versuche vorsichtig entwickelt werdenmuß… 8 “Am 17. Oktober, nach sorgfältiger Überprüfungaller Teile und im Besonderender Motoren, steigt 10.16 Uhr das Marineluftschiff„L 2“ vom JohannisthalerLuftschiffhafen zu einer kurzen Höhenfahrt,seiner insgesamt 5. Fahrt, auf.Zusammen mit dem KapitänleutnantFreyer, dem Kommandanten, und deretatmäßigen Besatzung befinden sichbei dieser Abnahmefahrt insgesamt 28Personen an Bord. Neben der Besatzungsind die Luftschiffabnahmekommissionvom Reichsmarineamt, Angehörige derZeppelinwerft sowie ein Heeresoffizier alsGast an Bord. Unter ihnen MarinebauratPietzker, Korvettenkapitän Behnisch,der Leiter der Abteilung für Luftfahrtwesenim Reichsmarineamt, sowie KapitänGluud von der Zeppelingesellschaft.Das Luftschiff erreicht rasch eine Höhevon 200 m. Um 10.19 Uhr sehen Augenzeugendie ersten Flammen aus der vorderenMotorgondel schlagen. Das Feuerbreitet sich innerhalb von Sekundennach hinten aus und zerstört die Hüllesowie nach und nach die Ballonets. Nacheiner Explosion senkt sich das Luftschiff,mit der Spitze nach unten zeigend, bisauf 40 m ab, als eine weitere Explosionfolgt. Beim Aufprall auf die Erde erfolgteine leichtere dritte Explosion, bevor dasGerippe des Luftschiffs brennend in sichzusammenbricht.Den zur Hilfe eilenden Mannschaften einerin der Nähe übenden Pioniereinheitsowie der Augusta- und Alexander-Garde-Regimenterbietet sich beim Eintreffenein Bild des Grauens. Zwei Tote werdenaußerhalb des Trümmerfeldes gefunden.Die anderen sind gestorben, so wiesie auf ihren Posten standen, und es istnicht mehr zu klären, ob das Feuer oderder Absturz sie getötet hat. Einzig der alsGast mitfahrende Heeresoffizier, LeutnantFreiherr von Bleuel vom Kaiserin-Augusta-Garde-Grenadierregiment, wirdschwer verletzt geborgen. Man bringtihn in das Kreiskrankenhaus Britz, wo erjedoch am Nachmittag um 5.20 Uhr anseinen schweren Verletzungen stirbt.Innerhalb von 5 Wochen verliert dieMarine durch Unfälle ihre beiden erstenLuftschiffe. Sie verliert aber nicht nurdie Schiffe, sondern auch 2 ausgebildeteLuftschiffmannschaften mit ihren Kommandantensowie den ersten Kommandeurder Marineluftschifferabteilung,den Leiter der Abteilung für Luftfahrtwesenim Reichsmarineamt und weitereMarineamtsangehörige, insgesamt 37Mann. Die Luftschiffbau Zeppelin GmbHhat vier Tote zu beklagen, darunter denbekannten Kapitän Gluud 9 .Schnell kommt die Frage nach Ursacheund Schuld an der Katastrophe des „L 2“auf. Konnte man beim Verlust des „L 1“die Ursache in bis dahin noch unverstandenenWetterphänomenen festmachenund somit die Schuldfrage außerhalbder Verantwortung eines der Beteiligtensuchen, so sah das beim Absturz des „L2“ völlig anders aus. Vor allem für dieLuftschiffbau Zeppelin GmbH konnte esbeim Nachweis eines gravierenden Kon-Abbildung 5-A: Die Absturzstelle des Marineluftschiffs „L 2“ (LZ 18) am 17. Oktober 1913Kurz nach dem Absturz qualmen die Trümmer noch. Rechts die zurHilfe geeilten Soldaten des in der Nähe der Absturzstelle übenden Pionierbataillons.23