Der Schönfelder„Super Ver<strong>an</strong>staltung.Das ist ja richtig cool.“4. Beruhigen Sie sich selbstAm wichtigsten ist der Kontakt zur eigenenAtmung, <strong>die</strong> in Stresssituationendazu neigt, zu hyperventilieren oder zustocken.M<strong>an</strong> atmet mehr Luft ein als aus. Alsovollständig ausatmen und dem Atemreflex<strong>die</strong> Einatmung überlassen.5. Der <strong>an</strong>gesp<strong>an</strong>nte Patientbraucht einen AnsprechpartnerNie mit mehreren Kollegen gleichzeitiggegenübertreten. Verbale Deeskalationimmer nur von einer Person. Kontaktaufnahmenur durch eine Person.6. Achten Sie auf Ihre Körpersprache,Mimik, Gestik und StimmeDen Klient nicht durch <strong>die</strong> Körperhaltungherausfordern oder bedrohen. Achten Sieauf Ihre Körpersprache. Achten Sie aufIhre Stimme.„Ich fühle mich jetzt imUmg<strong>an</strong>g mit Aggressionund Gewalt sicherer.“7. Stellen Sie Augenkontakt herJedoch nicht aufdringlich oder <strong>an</strong>stierendwirken.8. Versuchen Sie nie, den Patientenzu kontrollieren oder zu beherrschen.Kontrollieren Sie <strong>die</strong> SituationKeine Appelle, auch Zugeständnisse machen,keine Machtkämpfe.9. Lassen Sie sich nicht provozierenoder von verbaler Aggression treffenBeschimpfungen, Abwertungen, sexuelleAnspielungen einfach ignorieren. Die Aussagennicht persönlich nehmen.10. Vermeiden Sie selbstprovokative Begriffe, Vorwürfe,Ermahnungen oder DrohungenKeine Androhung von Konsequenzen! Interessezeigen <strong>an</strong> den Gefühlen der Klienten.11. Wertschätzende HaltungBegegnen Sie den Klienten mit Respekt,Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit.12. Bedürfnisse und GefühleherausarbeitenVersuchen Sie den aktuellen Grund fürAggression herauszufinden, entwederdurch Wahrnehmung oder durch vorsichtigesFragen.Referenten waren: Sensei Bill Marsh,8. DAN Shorinju Riju Karate und Stef<strong>an</strong>Pigulla, Erzieher, Kr<strong>an</strong>kenpfleger und SupervisorPeter Mossem„Diese Fortbildung müssteein regelmäßig wiederkehrendesAngebot für <strong>die</strong>Mitarbeiter sein.“„Deeskalation ist nicht Krisenintervention.Sie mussschon davor einsetzen.“Die Kehrseite der MedailleInterview mit Stef<strong>an</strong> Pigulla zum Thema Gewalt in sozialen BerufenZEMMER. Immer wieder geistern Meldungenüber Gewalt von Mitarbeiternin sozialen Berufen gegenüber ihrenKlienten/Patienten durch <strong>die</strong> Presse.Doch es gibt auch <strong>die</strong> Kehrseite derMedaille. Auch Klienten/Patientenund Angehörige selbst können denMitarbeitern gewaltbereit gegenübertreten.Ist das Thema Gewalt ein gesellschaftlichesund nicht nur ein Problemin den Sozialberufen?Ich erlebe, wie viele <strong>an</strong>dere Mitbürgerin den letzten Jahren, eine zunehmendeVerrohung und Brutalisierung in unsererGesellschaft. Soziale und moralischeGrundhaltungen werden verlassen, <strong>die</strong>Bereitschaft und Neugier gegenüber Gruppenund Menschen, <strong>die</strong> Prinzipien „Konkurrenzstatt Kooperation, oder Erfolg mitallen Mitteln favorisieren“, nimmt zu. Sex,Macht, Geld und Brutalität dominieren als<strong>an</strong>zustrebende Lebensziele. Diese Veränderungenzeichnen sich auch in den sozialenBerufen ab. Beides bedingt ein<strong>an</strong>der.Fehlt es den Mitarbeitern in den Sozialberufen<strong>an</strong> Wissen zum Thema?Das Wissen um – das kenne ich aus meinersozialen Berufstätigkeit – ist bei vielenvorh<strong>an</strong>den, allerdings auch oft mit der Einstellungverbunden, dass es einem selbstwohl nicht passieren wird. Intuitive Reaktionen,<strong>die</strong> in früheren Berufspraktika alseffektiv und deeskalierend erlebt wurden,führen bei vielen zu der irrigen Ansicht,dass <strong>die</strong>se Verhaltensweisen stets funktionieren.Eine gefährliche Erfahrung! Tieferführende, notwendige Kenntnisse über Aggression,Gewalt und Deeskalation, verbalals auch körperlich fehlen den Mitarbeiternhäufig.Fördert das fehlende Wissen über Deeskalationund Gewaltprävention <strong>die</strong>Gewalt?Das Bewusstsein über mögliche, eskalierendeReize durch das eigene Verhalten,seien es rein verbale Äußerungen oderKörperbewegungen, fehlt häufig.20
Der SchönfelderBeispielsweise Redewendungen, wie: „Istdoch halb so schlimm“, oder das „Talkingdown“von Gefühlen oder nicht nachvollziehbaremErleben sind eskalierend. Ichvergleiche es gerne mit dem häufigenFehlverhalten von Ärzten. M<strong>an</strong> bekommtvor einem lokalen Eingriff eine Betäubunggesetzt. Sagt m<strong>an</strong> „Autsch!“, heißtes häufig: „Das k<strong>an</strong>n nicht sein, denn ichhabe Ihnen ja etwas gespritzt!“ Deko<strong>die</strong>reich eine solche Äußerung, d<strong>an</strong>n heißt esletztlich, was du äußerst, spürst und fühlststimmt nicht! Es besteht häufig ein Kenntnisdefizitbezüglich der Wirkung unsererKörpersprache, <strong>die</strong> gerade beim psychisch<strong>an</strong>gesp<strong>an</strong>nten Menschen hochsensibel gedeutetwird. Körperhaltungen und Äußerungen,<strong>die</strong> Machtverhältnisse signalisieren,sind eskalierend und führen zu keiner,wir nennen es: „win–win-Situation“.Nehmen aus Ihrer Erfahrung körperlicheÜbergriffe in der Psychiatrie zu?Ich k<strong>an</strong>n hier nur begrenzt im Sinne meinerpersönlichen Erfahrung als Kr<strong>an</strong>kenpflegerim Einsatz auf psychiatrischenStationen und im Verlauf meiner 20-jährigenFortbildungsarbeit argumentieren.Generell verlieren <strong>die</strong> stigmatisiertenÜberzeugungen von überproportionalenÜbergriffen auf psychiatrischen Stationenzunehmend <strong>an</strong> Wirklichkeit. M<strong>an</strong> hat g<strong>an</strong>zeinfach mehr Kenntnisse, Erfahrungen undReaktionsmöglichkeiten auf akute, psychischbedingte Eskalationsphasen erworbenund k<strong>an</strong>n, gegenüber verg<strong>an</strong>genenZeiten, viel früher deeskalierende Situationenschaffen. Es geht ja nicht darum,den Patienten zu beherrschen, sondern<strong>die</strong> gesamte Situation unter Kontrolle zubekommen. Deeskalation ist definiert alsdas Erkennen, Deuten und Verstehen vonzunächst aggressivem Verhalten, und derVersuch, <strong>die</strong>ses <strong>an</strong> der Weiterentwicklungzu hindern.Das k<strong>an</strong>n bereits bei der biographischenAnamnese eines Klienten/Patienten beginnen.Dazu gibt es im Sinne der Vorhersagbarkeitvon körperlichen Übergriffen fun<strong>die</strong>rteForschungsergebnisse (Breakwell).Die Vorfälle mit dem Ergebnis vonschweren Körperverletzungen, teilweisemit Todesfolge, ereignen sich häufigwährend Notarzteinsätzen, richterlichenoder pflegerischen Hausbesuchen, in derhäuslichen Pflege und während der Erste-Hilfe-Maßnahmen in Notfallambul<strong>an</strong>zen,beispielsweise bei notwendigen lokalen,chirurgischen Eingriffen.Sowohl in allgemeinen Notfallambul<strong>an</strong>zenals auch in psychiatrischen Aufnahmestationenwird es immer häufiger problematisch,polyintoxinierte Klienten/Patientenmit ihren möglichen Reaktionen einzuschätzen.Welchen Stellenwert hat der Umg<strong>an</strong>gmit der eigenen Aggression in IhrerVer<strong>an</strong>staltung?M<strong>an</strong> muss als Mitarbeiter wissen, dass m<strong>an</strong>selbst oft biologisch <strong>die</strong> gleichen Phasender Eskalation durchläuft, und sich ohneSelbstkontrolle viel zu schnell auf einen„Kampf“ einlässt, worum es überhauptnicht geht. Ich habe erlebt, zu welchendramatischen Gewaltsituationen es durchungelerntes Hilfspersonal kommen k<strong>an</strong>n.Heute haben wir wesentlich bessere Möglichkeitender Krisenintervention, nicht zuletztauch durch <strong>die</strong> bereits gemachten Erfahrungen,<strong>die</strong> Präsenz von Fachpersonalund gezielter, medikamentöser Fixierungim Akutbereich.Was bedeutet es für <strong>die</strong> Mitarbeiter,ein Recht auf <strong>die</strong> eigene Würde undUnversehrtheit zu haben?Wir machen sehr häufig in unseren Ver<strong>an</strong>staltungen<strong>die</strong> Erfahrung, dass Angehörigeder sozialen Berufe <strong>die</strong> Verletzung <strong>die</strong>sesGrundrechtes <strong>an</strong> sich selbst nicht wahrnehmenoder abwerten. Menschen, <strong>die</strong> insozialen Berufen tätig sind, verwechselnhäufig das Verstehen können von abweichendemVerhalten mit der Entschuldungdes Fehlverhaltens.Ich sage oft: „Jem<strong>an</strong>den zu verstehen, bedeutetnicht gleichzeitig, sein H<strong>an</strong>deln damitzu rechtfertigen. Ein kr<strong>an</strong>ker oder behinderterMensch hat keine Sonderrechteauf Grenzüberschreitungen bei seinen Fürsorgeträgern“.Beispielsweise wertet weiblichesPersonal oft obszönes Verhalten vonKlienten ab.Ein Exhibitionist wird ja nicht wegen einessexuellen Übergriffes bestraft, sondernweil er das Recht auf sexuelle Selbstbestimmungmassiv verletzt.Wie konnten Sie Sensei Bill Marsh fürIhr Fortbildungs<strong>an</strong>gebot gewinnen?Ich selbst beg<strong>an</strong>n im Alter von 27 Jahrenmit dem Training bei Bill Marsh, den ichschon damals als sehr kompetent und integererlebte. Diese Einschätzung hat sichbei mir, trotz jahrel<strong>an</strong>ger Unterbrechung,nach Wiederaufnahme des Trainings nochverstärkt.Ich rief <strong>an</strong>, erzählte ihm von meiner Idee,und er sagte: „Okay, f<strong>an</strong>gen wir <strong>an</strong>!“Bill Marsh zeigte den Mitarbeitern desSchönfelderhofes, wie Sie sich ausÜbergriffsituationen befreien können.Ist <strong>die</strong> Selbstverteidigungsschulungder Mitarbeiter unverzichtbar odergeht es Ihnen um <strong>die</strong> Vermittlung vonschonenden Abwehrmech<strong>an</strong>ismen?Beide Fragestellungen ergänzen sich gegenseitig.Zum einen steigt <strong>die</strong> Gewaltbereitschaftbei bestimmten Klienten/Patientennachweisbar und <strong>die</strong> Notwendigkeit,Eskalation frühzeitig zu erkennen und notfallssich und den Klienten/Patienten mitminimalster Abwehr schützen zu können,wird immer dringlicher.Ein zunehmendes Klientel in den unterschiedlichstenEinrichtungen verl<strong>an</strong>gt nachmehr Kompetenz im Umg<strong>an</strong>g mit Gewalt.Gerade <strong>die</strong> hier „nachrückenden“ Jugendlichenfordern zunehmend Kompetenzender Betreuer zum Thema Gewalt, Unrechtund Gewissensbildung. Aus Amerika wurdeder Begriff „CD`s“ übernommen, derfür Character Disorders steht. Berufsgenossenschaftenfordern zunehmend <strong>die</strong>seFortbildungen aufgrund der steigendenAnzahl von Übergriffen mit zum Teil tödlichenFolgen für <strong>die</strong> Angestellten.Selbstverteidigung ist nicht <strong>die</strong> Durchführungeiner Kampfsportdisziplin, sonderneine Notwehrrechtsh<strong>an</strong>dlung, <strong>die</strong> imRahmen einer zeitlichen und verhältnismäßigenReaktion stehen muss. Das hatnichts mit Gewalt zu tun. Eine Form derDeeskalation k<strong>an</strong>n auch Flucht oder dasSich-Einschließen in einen sicheren Raumdes Arbeitnehmers sein.Wir vermitteln generell das Erkennen unddas daraus resultierende H<strong>an</strong>deln bei sich<strong>an</strong>bahnenden Sp<strong>an</strong>nungssituationen, einschließlichder möglichst verletzungsfreienSelbstverteidigung. Wir betonen <strong>die</strong> Notwendigkeitder Entschlossenheit mit denmöglichen Risiken.Die Vermittlung sogen<strong>an</strong>nter „s<strong>an</strong>fter“Techniken, nach dem Prinzip: „Darf ichSie berühren?“, und dabei noch, wie oftvermarktet, parallel therapeutische Gesprächezu führen, entbehren jeglicher Erfahrungund Realität.Das Interview führte Peter Mossem21