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oder lieber doch elektronische Musik in München?

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16 Programmwelten<br />

Csound<br />

Teil 1<br />

Geschichtliches<br />

Mit Csound beschreibt dieser Artikel e<strong>in</strong>es<br />

der ältesten <strong>Musik</strong>programme, auf jeden<br />

Fall e<strong>in</strong>es mit e<strong>in</strong>er sehr langen Tradition.<br />

Diese reicht nämlich bis 1957 zurück, als<br />

Computer noch ganze Stockwerke füllten<br />

und die Arbeit mit ihnen über modifizierte<br />

Fernschreiber abgewickelt wurde.<br />

An den Bell Labs entwickelte Max Matthews,<br />

dem zu Ehren Max/MSP benannt wurde,<br />

das erste Programm zur digitalen Klangerzeugung,<br />

welches schlicht MUSIC hieß.<br />

Graphische Benutzeroberflächen waren<br />

damals noch Zukunftsmusik, und so geschah<br />

die Bedienung des Programms über<br />

etwas, was wir heute als Kommandozeile<br />

<strong>oder</strong> Konsole bezeichnen würden.<br />

Die Rechenleistung der gewaltigen<br />

Masch<strong>in</strong>en war ger<strong>in</strong>ger als manch m<strong>oder</strong>ner<br />

Mikrocontroller, mit dem wir heute<br />

Waschmasch<strong>in</strong>en betreiben, weswegen an<br />

Echtzeitbetrieb der Klangerzeugung nicht<br />

zu denken war - das g<strong>in</strong>g erst <strong>in</strong> den 70ern<br />

los. Vielmehr wurden die Klänge mühsam<br />

errechnet und auf Tonbänder überspielt,<br />

die die Komponisten im analogen Studio<br />

dann weiter zu Stücken verarbeiten konnten.<br />

MUSIC wurde auf diverse Großrechner<br />

übertragen, wobei man nicht von e<strong>in</strong>er<br />

Portierung sprechen konnte, da das Programm<br />

stets fast gänzlich neu geschrieben<br />

werden musste.<br />

Die Programmierung damals war noch<br />

sehr hardwarenah und geschah <strong>in</strong> Masch<strong>in</strong>ensprache.<br />

Erst später mit der Hochsprache<br />

C gelang es Barry Vercoe am MIT,<br />

MUSIC von der Hardware loszulösen und<br />

portabler zu gestalten, was dann 1985 <strong>in</strong><br />

Csound mündete. Die Portierbarkeit war so<br />

gut, dass die Anwendung über die Jahre für<br />

alle möglichen Betriebssysteme entwickelt<br />

wurde. Neben diversen Unixen und später<br />

unix-artigen Systemen wie L<strong>in</strong>ux und OSX<br />

gab <strong>oder</strong> gibt es Csound auch für den guten<br />

alten Atari, Mac OS 9, BeOS, Microsoft DOS<br />

und alle W<strong>in</strong>dows-Versionen.<br />

E<strong>in</strong>e spezielle Version entstand mit dem<br />

Chiphersteller Analog Devices <strong>in</strong> den 90ern,<br />

die Csound auf DSP-Karten mit Sharc-Prozessoren<br />

hardwarebeschleunigt laufen ließ.<br />

Da die Quellen als Open Source vorliegen<br />

und Csound e<strong>in</strong>e große Geme<strong>in</strong>de an Benutzern<br />

und Entwicklern hat, braucht man<br />

sich um die Zukunft des Programms ke<strong>in</strong>e<br />

Sorgen zu machen. Csound war auch die<br />

Basis für den Structured-Audio-Teil des<br />

Formats MPEG-4 und stellt auch jüngstens<br />

die Klanggrundlage des One-Laptop-Per-<br />

Child-Projektes, welches ebenfall am MIT<br />

entstand.<br />

Csound ist über die Jahre zu e<strong>in</strong>em gigantischen<br />

modularen Synthesizer mit<br />

mehr als 1300 verschiedenen Modulen<br />

gewachsen, welche hier Opcodes genannt<br />

werden.Dieses und die Tatsache, dass<br />

Csound gratis im Netz herunterzuladen<br />

ist (http://www.csounds.com), müsste es<br />

eigentlich zum erfolgreichsten <strong>Musik</strong>programm<br />

machen, und tatsächlich hat es<br />

se<strong>in</strong>en festen Platz <strong>in</strong> der akademischen<br />

Welt, ist aber darüber h<strong>in</strong>aus eher e<strong>in</strong> Geheimtipp<br />

für <strong>Musik</strong>er wie Aphex Tw<strong>in</strong> <strong>oder</strong><br />

DJ Spooky. E<strong>in</strong> wesentlicher Grund dafür<br />

ist die Bedienung, die viele als un<strong>in</strong>tuitiv<br />

empf<strong>in</strong>den mögen. Aber GUI ist nicht alles,<br />

gerade bl<strong>in</strong>de <strong>Musik</strong>er arbeiten vorzugsweise<br />

mit der textorientierten Bedienung<br />

von Csound.<br />

Aber es gibt diverse Zusatzprogramme, die<br />

auch dem mausverbundenen Klangsetzer<br />

(gibt es überhaupt so etwas?) den Zugang<br />

erleichtern und die im zweiten Teil des Artikels<br />

<strong>in</strong> der kommenden Ausgabe behandelt<br />

werden. Ebenso vielfältig s<strong>in</strong>d die Arbeitsweisen,<br />

da mittlerweile Csound auch<br />

<strong>in</strong> Echtzeit auf handelsüblichen Computern<br />

betrieben werden kann und z.B. auch als<br />

VST- <strong>oder</strong> Audio-Unit-Plug-<strong>in</strong> <strong>in</strong> Sequencer<br />

<strong>oder</strong> als Zusatzmodul <strong>in</strong> Max/MSP <strong>oder</strong><br />

PD e<strong>in</strong>gebunden werden kann. Auf L<strong>in</strong>ux<br />

lassen sich LADPSA-Plug-<strong>in</strong>s aus Csound-<br />

Skripten generieren.<br />

Es ist je<strong>doch</strong> nicht verwunderlich, dass ich<br />

über Csound zuerst im Computermagaz<strong>in</strong><br />

c’t statt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Musik</strong>erzeitschrift gelesen<br />

habe.<br />

Arbeiten mit Csound<br />

Wie sieht nun das Arbeiten mit dieser<br />

mächtigen Software aus? Am Anfang stehen<br />

zwei Skripte, die seit e<strong>in</strong>igen Jahren<br />

auch zu e<strong>in</strong>er Datei zusammengefasst<br />

werden können. Das e<strong>in</strong>e Skript enthält<br />

die Instrumentendef<strong>in</strong>itionen, also die Patches,<br />

und das andere den Score, die Beschreibung<br />

des <strong>Musik</strong>stücks.<br />

Track 14<br />

Der Autor dieser Zeilen bevorzugt noch die<br />

klassische Arbeitsweise, kurze Klangereignisse<br />

zu erzeugen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Harddiskrecord<strong>in</strong>g-Programm<br />

zu e<strong>in</strong>em Stück<br />

zusammenzusetzen, e<strong>in</strong> bisschen wie Bildhauerei,<br />

jedenfalls die Arbeitsweise der<br />

Musique Concrète.<br />

Beim Betrieb <strong>in</strong> Nicht-Echtzeit gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

Limitierungen bei der Wahl der Module<br />

und Komplexität der Patches, da ist alles<br />

möglich und verlängert lediglich die Rechenzeit.<br />

Anders sieht es im Echtzeitbetrieb<br />

aus, da ist natürlich die Leistung der<br />

CPU die Grenze.<br />

Neben diversen Butter-und-Brot-Modulen,<br />

die man auch <strong>in</strong> anderen Systemen f<strong>in</strong>den<br />

kann, wie diversen Oszillatoren, Filtern,<br />

Hüllkurven etc., gibt es auch abgehobene<br />

Module, die z.B. auf vielfältige Arten bestehende<br />

Aufnahmen weiterverarbeiten und<br />

resynthetisieren können. Es gibt gleich<br />

diverse Möglichkeiten, e<strong>in</strong> Sample unabhängig<br />

von der Tonhöhe zu dehnen und<br />

dynamisch zu durchfahren <strong>oder</strong> gar e<strong>in</strong>zufrieren.<br />

Ebenfalls gibt es unterschiedliche<br />

Möglichkeiten der Cross-Synthese,<br />

um mehrere Samples zu e<strong>in</strong>em neuen<br />

Klang zu verschmelzen. Die Verfahren<br />

unterscheiden sich durch den Anspruch<br />

an Rechenleistung und die bei extremen<br />

E<strong>in</strong>stellungen entstehenden Artefakte. Effekte<br />

wie Hall <strong>oder</strong> Chorus, Physical Model<strong>in</strong>g<br />

und granulare Verfahren ergänzen<br />

die Möglichkeiten. Bei e<strong>in</strong>igen Resynthesen<br />

ist es erforderlich, Samples mit den<br />

mitgelieferten Hilfsprogrammen vorher zu<br />

analysieren, was ja auch von Geräten wie<br />

V-Synth <strong>oder</strong> Neuron bekannt ist.<br />

E<strong>in</strong> anderes H<strong>in</strong>dernis für die Durchsetzung<br />

bei den musizierenden Massen s<strong>in</strong>d<br />

die schier endlosen Möglichkeiten, denen<br />

auch die endlosen Möglichkeiten des Fehlerbegehens<br />

<strong>in</strong>newohnen. Bei der Planung<br />

e<strong>in</strong>es Synthesizers geht viel Zeit für die<br />

Auswahl der E<strong>in</strong>stellungsbereiche der Parameter<br />

drauf. Da diese zum Teil sehr e<strong>in</strong>geschränkt<br />

s<strong>in</strong>d, um z.B. <strong>in</strong> das 7Bit-Raster<br />

von MIDI zu passen, ist es schwer, den<br />

sweet spot zu f<strong>in</strong>den, wovon auch der kommerzielle<br />

Erfolg e<strong>in</strong>es Gerätes <strong>oder</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Software abhängt. Im Idealfall fühlt sich<br />

e<strong>in</strong> Synthesizer <strong>in</strong> der Bedienung e<strong>in</strong>fach<br />

‘richtig’ an und reagiert von Anhieb so, wie<br />

man es erwartet.

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