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Ihr Weg führte Sultan Acar seitdem<br />
entlang der Hauptachse der ästhetischen<br />
Entwicklung des 20. Jahrhunderts: vom<br />
Naturalismus akkurater Zeichnungen bis<br />
zum vorläufigen Endpunkt rein abstrakter<br />
Arbeiten. Die Zwischenschritte, in denen<br />
sich illusionistische Malerei und Abstraktion<br />
begegnen, gehören zu den spannendsten<br />
„Am Ende kann immer etwas anderes<br />
herauskommen, als man wollte“<br />
Momenten<br />
der Ausstellung.<br />
So wie in dem großen Porträt einer Frau,<br />
die ein Kleid trägt, das sich bei näherem<br />
Hinsehen als Streifenornament entpuppt<br />
und die vermeintliche Dreidimensionalität<br />
dementiert.<br />
Das Verhältnis zwischen Realismus und<br />
Abstraktion war hier noch unentschieden,<br />
Acar wollte aber dem Weg konsequent eine<br />
Richtung geben. Traditionelle türkische<br />
Stoffe dienten ihr als Ausgangspunkt. Sie<br />
legte die bunten Streifenmuster in Falten,<br />
vergrößerte sie, digitalisierte die Fotos im<br />
Computer und experimentierte mit den<br />
Bildauflösungen. Den ausgewählten Bildschnitt<br />
fotografierte sie erneut und übertrug<br />
ihn mit Farben auf Leinwand. „Am<br />
Ende kann immer etwas anderes herauskommen,<br />
als man wollte“, bekennt Sultan<br />
Acar. Aber diese Willkür hat Methode.<br />
Die Absolventin der Bremer Hochschule<br />
für Künste hat viel experimentiert, um diese<br />
Gelassenheit gegenüber Überraschungen<br />
zu erreichen. Zwei Jahre studierte sie<br />
an der Fachhochschule Ottersberg, erhielt<br />
dann ein Stipendium für die Akademie der<br />
bildenden Künste in Wien und graduierte<br />
2010 als Meisterschülerin in Bremen. Zu<br />
ihren maßgeblichen<br />
Lehrern zählen die<br />
Bremer Rolf Thiele<br />
und Peter Schaefer<br />
sowie Gunter Damisch und Daniel Richter.<br />
Mit Ausstellungen unter anderem in Bremen,<br />
Istanbul und Wien hat die Künstlerin<br />
bereits beachtliche Stationen in ihrer Karriere<br />
aufzuweisen. Zum Portfolio gehören<br />
Auszeichnungen wie der Item-Kunstpreis<br />
aus Ulm, der Eberhard-Dietzsch-Preis in<br />
Gera und der Werner-Kuehl Preis 2010 in<br />
Syke.<br />
Für die Ausstellung „Junge Kunst Bremen“<br />
sagte sie sogar eine weitere Exposition bei<br />
ihrer Galeristin in Istanbul ab, um sich<br />
konzentrieren zu können. „Man muss<br />
sich sehen lassen“, ist die selbstbewusste<br />
Künstlerin überzeugt; aber eben nicht um<br />
jeden Preis. Qualität geht ihr vor Quantität.<br />
„Ich arbeite tüchtig“, schmunzelt<br />
Sultan Acar, während sie in ihrem Atelier<br />
die Bilder für die Ausstellung sortiert.<br />
SPaRKaSSE KUltUREll Sultan Acar 57<br />
Zu diesem „Arbeitsethos“ gehört auch,<br />
nicht beim Erreichten stehen zu bleiben.<br />
„Die Bilder stellen Fragen an mich“, sagt<br />
die Malerin; und ihre Antworten führen<br />
zu immer neuen Bildern. Für die Ausstellung<br />
in der Filiale an der Bahnhofstraße<br />
entwickelte sie die jüngste Folge dieses<br />
Dialogs. Ein Objekt aus sechs kleinen Leinwänden<br />
mit Linienmustern liegt auf dem<br />
Boden. Die Puzzleteile sind so zueinander<br />
in einem Rahmen arrangiert, dass die<br />
Linien nicht aneinander anschließen – und<br />
dennoch ein neues Ganzes ergeben. Damit<br />
blickt Sultan Acar über den Bildrand hinaus<br />
in den Raum hinein.<br />
Dieses Schachtelmuster möchte Sultan<br />
Acar über ein kompliziertes Verfahren<br />
wieder in einen gewebten Teppich übersetzten.<br />
Damit wäre aus den ursprünglichen<br />
Stoffmustern wieder ein Textilstück<br />
geworden. Über den Umweg von Fotografie,<br />
Digitalisierung, Malerei und Webkunst<br />
hätte sich ein Material in sich selbst<br />
zurückverwandelt. Die Grenzen zwischen<br />
Idee und Gegenstand fließen.<br />
Da Geld nichts anders ist als ein Medium,<br />
um Wünsche in Waren und Waren in Wünsche<br />
zu verwandeln, ist diese Kunst der<br />
Übersetzung Sultan Acars in einer Bank<br />
genau am richtigen Platz.