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Dr. Hanns Leske - Geschichtswerkstatt Jena eV

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dernden Präparaten möglich geworden. Der Verdacht des Dopings ist leider bestätigt worden<br />

und relativiert deshalb die Leistungsexplosion der DDR-Athleten. Nach offiziellen Statistiken<br />

verzeichnet Marlies Göhr zwischen 1976 und 1985 vierzehn Weltrekorde. Einen davon lief<br />

sie am 20. Juni 1984 in Erfurt (mit Ines Schmidt/später Geipel, Ingrid Auerswald/später Lan-<br />

ge und Bärbel Wöckel). 42,20 s bedeuteten Weltrekord für Vereinsstaffeln für das Quartett<br />

des SC Motor <strong>Jena</strong>. Eine lange nicht zu brechende Bestleistung, die 2006 als deutscher Re-<br />

kord noch Bestand hat. <strong>Jena</strong>s Sprinttrainer Horst-Dieter Hille hat 1999 bei der Erfurter Staats-<br />

anwaltschaft ein umfassendes Geständnis abgelegt. Nach seiner Aussage ist er 1969 oder<br />

1970 erstmals mit leistungsfördernden Mitteln konfrontiert worden, die er seinen Athleten<br />

verabreichen sollte. Was er dann auch tat. Ein bis zwei Oral-Turinabol-Tabletten pro Tag be-<br />

kamen seine Schützlinge. Für Marlies Göhr erinnerte sich Hille an den Zeitraum von 1975 bis<br />

1988, bei Ingrid Auerswald 1976 bis 1988 und bei Ines Schmidt von 1980 bis 1985. DDR-<br />

Sportchef Manfred Ewald wurde im Juli 2000 vom Berliner Landgericht angesichts der von<br />

ihm angeordneten Dopingpraxis wegen Beihilfe zur Körperverletzung in zwanzig Fällen zu<br />

zweiundzwanzig Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die Nebenklägerin im Ewald-<br />

Prozeß, Ines Geipel, hat durch das Zwangsdoping schwere gesundheitliche Schäden erlitten,<br />

an denen sie immer noch leidet. Konsequent beantragte sie 2005, ‚ihren‘ Erfurter Weltrekord<br />

als Deutschen Rekord aus den Bestenlisten zu streichen, da er irregulär entstanden sei. Der<br />

(west-)deutsche Leichtathletikverband, der jetzt einräumt, daß nach heutigem Wissen einige<br />

ostdeutsche Bestleistungen lediglich durch Doping und Zwangsdoping erreicht und dabei der<br />

Tatbestand der Körperverletzung erfüllt wurde, hat die Rekorde nicht gestrichen. Lediglich<br />

der Name Ines Schmidt/Geipel ist aus der Rekordliste gelöscht worden, was die Ex-Sprinterin<br />

und heutige Philosophieprofessorin mit der Bemerkung giftig kommentierte, der Verband<br />

habe einfach „eine neue Disziplin“ erfunden: „den 3 x 100-m-Lauf“.<br />

Marlies Göhrs 10,81 von 1983 ist noch heute deutscher Rekord. Die deutsche Jahresbestlei-<br />

stung liegt 2006 bei 11,37, die belgische Doppeleuropameisterin von Göteborg, Kim Gevaert,<br />

benötigte bei ihrem Titelgewinn 2006 11,06 s für die 100 m. Angesichts verbesserter Doping-<br />

kontrollen und der generellen Leitlinie, die Einnahme verbotener Substanzen hart zu sanktio-<br />

nieren, werden Fabelzeiten wie auch diese aus der damaligen DDR lange Bestand haben. Die<br />

erfolgreiche Sprinterin Marlies Göhr läßt, wie ihre Freundin Ingrid Auerswald/Lange, wenig<br />

kritische Distanz zur damaligen Praxis der DDR-Sportmedizin aufkommen. Als Profilie-<br />

rungsversuch einer drittklassigen Sprinterin wertet sie Geipels Initiative ab, die Diskussion<br />

über dopingverseuchte Rekorde ist für sie „sinnloses Gequatsche“. Ingrid Lange arbeitet in

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