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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Bußbereitschaft durch Wegreden <strong>und</strong> Übertönung abzutun<br />

<strong>und</strong> nach einem ausgrenzenden Berufsverbot zu rufen.<br />

Verdient nicht je<strong>der</strong> eine zweite Chance?<br />

Der Fall Ingo Steuer offenbarte einmal mehr übliche Muster:<br />

Mit pharisäerhaft-aufklärerischer Attitüde interpretierten<br />

Teile <strong>der</strong> Medien die Aktenf<strong>und</strong>e an<strong>der</strong>s als unmittelbar<br />

Betroffene. Diesmal votierte allerdings auch die unabhängige<br />

Stasi-Kommission <strong>des</strong> deutschen Sports unter Leitung <strong>der</strong><br />

ehemaligen CDU-Politikerin Hanna-Renate Laurien für ein<br />

rigoroses Vorgehen. Dennoch verbleibt ein fa<strong>der</strong><br />

Beigeschmack: Es ist nun einmal die typisch deutsch-deutsche<br />

Aufarbeitungsmentalität, sich an Fällen von geringerem<br />

Wert, an Bauernopfern, abzuplacken <strong>und</strong> dabei verbissen <strong>und</strong><br />

verstiegen moralische Vorhaltungen zu machen. Schwerwiegen<strong>der</strong>e<br />

Stasi-Vergehen, die in <strong>der</strong> Rechtsfolgenabschätzung<br />

komplizierter sind, werden in<strong>des</strong> auf die lange Bank geschoben.<br />

So funktioniert das Verdrängen.<br />

Nicht vergessen werden darf: Es waren die Ostdeutschen<br />

selbst, die ihre Stasi-Opferakten sehen <strong>und</strong> wissen wollten,<br />

wer sie bespitzelt hatte. Daraus resultiert die Konzentration<br />

auf die Inoffiziellen Mitarbeiter (IM), die dem gewaltigen<br />

Anpassungsdruck im totalitären System nicht wi<strong>der</strong>stehen<br />

konnten. Ausgeblendet wird auf <strong>der</strong> nächsten Ebene auch,<br />

dass die DDR-Geheimpolizei als Machtinstrument zur Herrschaftsabsicherung<br />

<strong>der</strong> SED diente, Schwert <strong>und</strong> Schild <strong>der</strong><br />

Partei <strong>der</strong> Arbeiterklasse, um die kleinbürgerlich-feudale<br />

Struktur mit ihren saftigen Vorteilen für Polit-Bonzen abzusichern.<br />

Kaum geforscht wurde im Sport bisher zu den eigentlichen<br />

Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von <strong>der</strong> SED<br />

gewollt <strong>und</strong> befohlen wurden - auch <strong>des</strong>halb wurden we<strong>der</strong><br />

Drahtzieher noch Hintermänner <strong>der</strong> alltäglichen Unterdrückung<br />

angemessen bestraft. Die Dopingprozesse bis Oktober<br />

2000, die nur einige Fälle exemplarisch behandelten - ein<br />

wenig mehr wurde mit Strafbefehlen geregelt -, dokumentieren<br />

dies eindeutig. Ohnehin erwecken alle medial inszenierten<br />

Stasi-Enthüllungen potenziell den Eindruck, <strong>der</strong> Westen zeige<br />

mit dem Finger auf die Ostdeutschen, was mit einer Überheblichkeits-Haltung<br />

interpretiert wird. Die wahren Strukturen<br />

aufzuschnüren <strong>und</strong> eine komplexe Aufarbeitung anzugehen<br />

- war <strong>und</strong> ist das zu kompliziert? Die meisten Sporthistoriker,<br />

allesamt westorientiert, haben diese Dimension wohl<br />

unzureichend berücksichtigt.<br />

Auch <strong>der</strong> DOSB wird sich nach Abschluss <strong>des</strong> Verschmelzungsprozesses<br />

erneut mit dem schwierigen Erbe <strong>der</strong> jüngeren<br />

deutschen Sportgeschichte beschäftigen müssen. Hieß<br />

es noch im Mai 2005, <strong>der</strong> Sportausschuss <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

Bun<strong>des</strong>tages <strong>und</strong> <strong>der</strong> organisierte Sport wollten eine wissenschaftliche<br />

Aufarbeitung <strong>der</strong> Stasi-Problematik auf den<br />

Weg bringen, so ist davon momentan keine Rede mehr -<br />

aus vielerlei Gründen. Eine Aufarbeitung analog <strong>der</strong> Historischen<br />

Kommission <strong>der</strong> ARD, wie sie nach einer Podiumsdis-<br />

kussion <strong>der</strong> Stasi-Unterlagenbehörde im September 2004 in<br />

einer sogenannten "Berliner Erklärung" gefor<strong>der</strong>t wurde, ist<br />

nicht mehr aktuell. Wobei schon damals verschwiegen<br />

wurde, dass <strong>der</strong> vorgelegte Ergebnisband <strong>der</strong> Öffentlich-<br />

Rechtlichen nicht den kompletten Sachstand wi<strong>der</strong>spiegelte<br />

<strong>und</strong> bestimmte Teile nicht veröffentlicht o<strong>der</strong> erhoben<br />

wurden. Ein <strong>der</strong>artiger Forschungsansatz zur Aufarbeitung<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit kann mit Sicherheit als längst überholt<br />

gelten, er lieferte heute allenfalls Energiezufuhr für ideologische<br />

Nebelwerfer. Denn interessierte Sporthistoriker<br />

haben längst Aktenmaterial zuhauf vorgelegt, <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

unabhängigen Stasi-Kommission <strong>des</strong> Sports wurden<br />

wesentliche Ergebnisse vorgetragen, die aber wegen fehlen<strong>der</strong><br />

Gerichtsfestigkeit nicht in allen Fällen zu Sanktionen<br />

führen konnten. 40 stasi- <strong>und</strong> dopingbelastete Mitarbeiter<br />

wurden im Rahmen <strong>der</strong> Arbeit <strong>des</strong> unabhängigen Gremiums<br />

in den letzten 15 Jahren aus ihren Funktionen entfernt.<br />

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