Schlemmerland der kurzen Wege - WTSH
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Unternehmen SH<br />
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ginSeng deS nordenS<br />
Wie aus Grünkohl Gesundheit wird<br />
Bioaktive Substanzen in Obst und Gemüse wirken sich positiv auf unsere Gesundheit aus.<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielt das Farbpigment Lutein: Es wird von den sensiblen Zellen <strong>der</strong><br />
Netzhaut aufgenommen. Eine zu geringe Konzentration gilt als Hauptursache für bestimmte<br />
altersbedingte Augenerkrankungen. Unterstützt von <strong>der</strong> Innovationsstiftung Schleswig-Holstein<br />
hat ein Mikrobiologe aus Bad Segeberg einen Lutein-Extrakt aus Grünkohl entwickelt,<br />
<strong>der</strong> frei von organischen Lösungsmittel ist.<br />
Wirtschaftsland 02.2010<br />
Gehört zur Familie <strong>der</strong> Kreuzblütengewächse:<br />
Grünkohl. Foto: fotolia.com<br />
Der gelbe Fleck hat es in sich. Es<br />
ist <strong>der</strong> Bereich auf <strong>der</strong> Netzhaut<br />
des menschlichen Auges, in dem<br />
die größte Dichte an Sehzellen vorhanden<br />
ist. Dort findet man den<br />
Punkt des schärfsten Sehens und<br />
<strong>der</strong> höchsten Farbempfindlichkeit.<br />
In jungen Jahren ist mit dem gelben<br />
Fleck meist noch alles im grünen<br />
Bereich. Entsprechend gering ist die<br />
Aufmerksamkeit, die wir ihm schenken.<br />
Das war bei Henning Vollert,<br />
Mikrobiologe aus Bad Segeberg, bis<br />
vor ein paar Jahren nicht an<strong>der</strong>s.<br />
Das än<strong>der</strong>te sich jedoch, als sein<br />
Vater an <strong>der</strong> so genannten Makuladegeneration<br />
erkrankte. Wie bei einer<br />
Kamera, die mehr und mehr an<br />
Auflösung verliert, kann im Alter die<br />
Sehkraft schwinden. Gerade Linien<br />
erscheinen zunehmend krumm,<br />
Buchstaben verschwimmen. Die<br />
altersbedingte Makuladegeneration<br />
ist die Hauptursache für eine Erblindung<br />
bei Menschen im Alter von<br />
über 50 Jahren in den Industriestaaten.<br />
„Mehr als zwei Millionen Menschen<br />
leiden allein in Deutschland<br />
daran“, sagt Vollert.<br />
Auf <strong>der</strong> Suche nach Möglichkeiten,<br />
<strong>der</strong> so genannten trockenen Form<br />
<strong>der</strong> Erkrankung vorzubeugen, analysierte<br />
Vollert Studien, die den Einfluss<br />
<strong>der</strong> Ernährung auf die Gesundheit<br />
<strong>der</strong> Augen untersuchten. Und<br />
er stieß auf einen Stoff, dem dabei<br />
offenbar eine zentrale Rolle zukommt:<br />
das Lutein. Lutein zählt zu<br />
den Carotinoiden, natürlichen Farbstoffen,<br />
die in Pflanzen als Radikalfänger<br />
wirken. Sie sind in <strong>der</strong> Lage,<br />
reaktive Sauerstoffverbindungen zu<br />
inaktivieren. Vermutlich hat Lutein<br />
die gleiche Aufgabe in <strong>der</strong> Netzhaut:<br />
Es dient als innere Sonnenbrille und<br />
schützt vor energiereichem Licht.<br />
„Interessanterweise nehmen die<br />
Sehsinneszellen zwar Lutein auf,<br />
an<strong>der</strong>e Carotinoide jedoch kaum<br />
o<strong>der</strong> gar nicht“, sagt Vollert. Die Luteinaufnahme<br />
sei so stark, dass das<br />
Zentrum <strong>der</strong> Netzhaut leicht gelb<br />
gefärbt ist, was dem gelben Fleck<br />
seinen Namen gab. In den USA zählen<br />
Lutein-Kapseln längst zu den<br />
Bestsellern unter den Nahrungsergänzungsmitteln.<br />
„Herkömmliche<br />
Präparate haben aber einen hohen<br />
Anteil organischer Lösungsmittel.<br />
Das ist toxikologisch bedenklich.“<br />
Während in den USA das Lutein<br />
meist aus <strong>der</strong> Studentenblume extrahiert<br />
wird, fand Vollert im Grünkohl<br />
ein Nahrungsmittel mit hoher<br />
Luteinkonzentration. Seine Idee,<br />
aus dem Kohl einen lösungsmittelfreien<br />
Extrakt zu gewinnen, stieß<br />
an <strong>der</strong> Uni Kiel auf großes Interesse.<br />
Vollert sprang ins kalte Wasser,<br />
er wechselte aus <strong>der</strong> Industrie ans<br />
Pharmazeutische Institut <strong>der</strong> Uni,<br />
um ein entsprechendes Verfahren<br />
zu entwickeln. Die Innovationsstiftung<br />
Schleswig-Holstein unterstützte<br />
mit 130.000 Euro den Kauf<br />
zusätzlicher Laborgeräte.<br />
Als ziemlich kompliziert erwies sich<br />
<strong>der</strong> Aufschluss <strong>der</strong> Grünkohlzellen.<br />
Vollert gelang es, mit Hilfe von wertvollen<br />
nativen Pflanzenöle (u. a. Olivenöl)<br />
die bioaktiven Substanzen aus<br />
dem Grünkohl zu extrahieren. Dass<br />
die Carotinoide zu einem großen Teil<br />
in Blut, Haut und Augen ankommen,<br />
hat eine Humanstudie an <strong>der</strong> Charité<br />
in Berlin bestätigt. Für die Entwicklung<br />
eines ersten Präparates wurde<br />
<strong>der</strong> Wissenschaftler beim Ideenwettbewerb<br />
<strong>der</strong> schleswig-holsteinischen<br />
Hochschulen ausgezeichnet.<br />
Bioactive Food gmbH<br />
¢ gegründet: 2008<br />
Während seine Arbeit weitere Forschungsprojekte<br />
nach sich zog, hat<br />
Vollert inzwischen die BioActive<br />
Food GmbH gegründet. In Bad Segeberg<br />
produziert er aus dem „Ginseng<br />
des Nordens“, wie er Grünkohl<br />
aufgrund des hohen Gehaltes an<br />
Vitaminen und Pflanzenwirkstoffen<br />
nennt, mittlerweile verschiedene<br />
Extrakte für Augen und Haut.<br />
Einen großen Vorteil sieht <strong>der</strong><br />
Grün<strong>der</strong> darin, dass das Grünkohlöl<br />
eine Mischung verschiedener<br />
Pflanzenwirkstoffe darstellt. Die<br />
Einnahme isolierter, hoch dosierter<br />
Wirkstoffe könne sogar schädlich<br />
sein. „Viel hilft nicht viel, im<br />
Gegenteil“, sagt er. „Auf den natürlichen<br />
Mix kommt es an.“<br />
¢ Branche: Nahrungsergänzungsmittel und Forschung<br />
¢ Mitarbeiter: 3<br />
¢ Firmensitz: Bad Segeberg, Am Ihlsee 36 a<br />
¢ Kontakt: Telefon 04551/8562979<br />
¢ Internet: www.bioactive-food.com<br />
Existenzgrün<strong>der</strong> Henning Vollert zog aus Hessen<br />
nach Schleswig-Holstein. Seine Firma stellt<br />
Nahrungsergänzungsmittel aus Grünkohl her.<br />
Foto: H. Vollert<br />
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