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GO EAST - Politik und Gesellschaft

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Deutschland - Ausgabe 1/2008 - <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

P&G: Wie unabhängig ist man als parteiloser<br />

Fraktionssprecher der Linken?<br />

Nešković: Man ist immer so unabhängig,<br />

wie man es erstrebt. Ich<br />

bin bisher noch nie unter Frak-<br />

tionszwang gestellt worden. Das ist<br />

nicht üblich. Wichtig ist uns, dass<br />

die abweichende Meinung vorher<br />

in der Fraktionssitzung mitgeteilt<br />

wird. Die Linke ist insgesamt in<br />

der Meinungsbildung signifikant<br />

toleranter als andere Fraktionen.<br />

Die Pluralität an Meinungen ist erwünscht<br />

<strong>und</strong> der Umgang damit<br />

souverän. Ich fühle mich sehr frei<br />

in meiner Fraktion.<br />

P&G: Wo sehen Sie die Kernaufgaben<br />

der deutschen Geheimdienste?<br />

Nešković: Die Kernaufgabe liegt natürlich<br />

in der Informationsbeschaffung<br />

als Gr<strong>und</strong>lage für politische<br />

Entscheidungen. Für den BND als<br />

Auslandsnachrichtendienst geht<br />

es darum, Informationen für die<br />

Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik zu<br />

gewinnen. Der Verfassungsschutz<br />

ist angehalten, Informationen zum<br />

Schutz der Verfassung zu besorgen.<br />

Thematisch hat die Terrorismusbekämpfung<br />

- zumindest in der öffentlichen<br />

Wahrnehmung - einen<br />

unverhältnismäßig hohen Stellenwert<br />

angenommen. Das Risiko, von<br />

einem Laster vor der eigenen Haustür<br />

überfahren zu werden, ist wesentlich<br />

größer, als die Gefahr, Opfer<br />

eines terroristischen Anschlages<br />

zu werden. Hier wird viel Hysterie<br />

<strong>und</strong> Problembehauptung betrieben,<br />

die mit den erfragten Kernaufgaben<br />

der Geheimdienste wenig zu<br />

tun haben.<br />

P&G: Sie sind unter anderem wegen<br />

Joschka Fischers Zustimmung zum Kosovokrieg<br />

aus der Partei der Grünen<br />

ausgetreten. Wie gehen Sie mit dem<br />

Zwiespalt zwischen Idealismus <strong>und</strong> Realpolitik<br />

um?<br />

Nešković: Gar nicht. Für mich gibt<br />

es nur <strong>Politik</strong>, die sich an idealen<br />

Werten orientieren muss. Diejenigen,<br />

die stets vom Primat des Machbaren<br />

reden, weigern sich damit,<br />

das machbar zu machen, was ihren<br />

Werten entspricht. Wenn sie Recht<br />

hätten, würden wir noch immer<br />

// 2 //<br />

im gesellschaftlichen Zustand der<br />

Sklaverei verharren.<br />

Es ist natürlich notwendig, die Möglichkeiten<br />

auszuloten, die dem Ideal<br />

den Boden bereiten können. Wer<br />

so verfährt, ist Idealist <strong>und</strong> Realist<br />

in einem. Es ist aber völlig falsch,<br />

dem Ideal den Boden zu entziehen,<br />

indem man – im Gr<strong>und</strong>e dankbar –<br />

auf die mangelnden Möglichkeiten<br />

verweist. Wer so verfährt, ist ein<br />

politischer Feigling.<br />

„Kriege sind das Versagen<br />

der <strong>Politik</strong> mit anderen<br />

Mitteln“<br />

P&G: Sie stimmen regelmäßig gegen<br />

Auslandseinsätze der B<strong>und</strong>eswehr. Wie<br />

stehen Sie zur Verantwortung Deutschlands<br />

im Zusammenhang mit internationalen<br />

Konflikten?<br />

Nešković: Das ist ein schwieriges<br />

Thema. Eine geeignete Antwort<br />

müsste Seiten füllen. Ich will es<br />

aber relativ kurz versuchen.<br />

Zunächst einmal besteht Deutschlands<br />

Verantwortung vorrangig<br />

darin, im Inland für das Wohl der<br />

Menschen zu sorgen.<br />

Was unsere Verantwortung nach<br />

außen betrifft, so gibt es hier viel<br />

Selbstbetrug <strong>und</strong> auch Heuchelei.<br />

Kriege sind das Versagen der <strong>Politik</strong><br />

mit anderen Mitteln. Konflikte<br />

haben Ursachen. Viele der heutigen<br />

Konflikte reichen zurück bis<br />

zu den Verbrechen der westlichen<br />

Kolonialpolitik; andere Konflikte<br />

sind weiterwirkende Spannungen<br />

auf den alten Nebenschauplätzen<br />

des Kalten Krieges. Die allermeisten<br />

Konflikte haben zudem eine<br />

tiefere Ursache in einer blockierten<br />

gesellschaftlichen Entwicklung, für<br />

die der Westen eine erhebliche Mitverantwortung<br />

trägt. Wer etwa einer<br />

schmalen Oberschicht in einem<br />

früh-feudalen Regime Diamanten<br />

oder Öl abkauft, der kann sich<br />

nicht darüber w<strong>und</strong>ern, dass dort<br />

die Demokratie nicht vorankommt<br />

<strong>und</strong> soziale Missstände regelmäßig<br />

Kriege entfachen.<br />

Unsere Außenpolitik sollte also<br />

zu allererst darin bestehen, den<br />

Menschen in anderen Staaten eine<br />

Chance für wirtschaftliche Entwick-

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