«Die Post» - Personalzeitung - Die Schweizerische Post
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www.post.ch/personalzeitung<br />
Hochs und Tiefs gehören zum Leben wie zum<br />
Wetter. <strong>Post</strong>stellenleiter Alfred Wyss aus Lauterbrunnen<br />
fand von den Tiefen seines Burnout-<br />
Syndroms wieder zurück zur Lebensfreude.<br />
Text: Hans-Ulrich Friedli / Bilder: Yoshiko Kusano<br />
«Ich habe nach einer zweieinhalbmonatigen<br />
Therapie fast alle meine Ehrenämter abgegeben.<br />
Nun finde ich endlich Zeit für die Familie<br />
und – was besonders wichtig ist – auch für<br />
mich.» Man spürt es sofort: Alfred Wyss hat<br />
sich gut erholt. Er sprüht wieder vor Tatendrang,<br />
fühlt sich nicht mehr gestresst und ausgebrannt<br />
wie früher. «Ich arbeite wieder mit<br />
Freude – und kenne jetzt meine Grenzen viel<br />
besser. Vor allem aber», betont er, «habe ich<br />
gelernt, auch einmal Nein zu sagen.»<br />
Erschöpft und ausgebrannt<br />
Es war im November 2005. Über ihm schien<br />
der Himmel einzustürzen. <strong>Die</strong> vielen Verpflichtungen<br />
in Vereinen, Behörden und Feuerwehr<br />
und die damit verbundenen Abendsitzungen<br />
nagten immer mehr an seiner Substanz. «Kein<br />
Wunder, ist der Alltag im Beruf doch schon<br />
streng genug», erzählt Wyss von den starken<br />
Stressgefühlen. Fast schon ein Wunder aber,<br />
dass er auf Rat seiner Ehefrau endlich seinen<br />
Hausarzt aufsuchte. Denn sprechen über seine<br />
Erschöpfungszustände mochte er sonst mit niemandem.<br />
Auch nicht mit seiner Familie. «Ich<br />
reagierte oft gereizt, wenn mich meine Frau<br />
und meine Kinder zu mehr Ruhe und zum<br />
Abbau der ehrenamtlichen Tätigkeiten ermahnten»,<br />
bedauert der vierfache Familienvater seine<br />
damalige Reaktion.<br />
Während vielen Jahren kannte der strebsame,<br />
gewissenhafte Pöstler kaum einen freien<br />
Abend. «Es war nicht die Arbeit bei der <strong>Post</strong>,<br />
die das Fass zum Überlaufen brachte», bekräftigt<br />
Wyss. «Als <strong>Post</strong>stellenleiter und Einwohner<br />
von Lauterbrunnen traute man mir in der<br />
Gemeinde und in Vereinen immer wieder die<br />
nötige Kompetenz für ‚Ämtli’ aller Art zu. Und<br />
ich konnte einfach nie Nein sagen.» Doch vom<br />
einen Tag auf den<br />
andern – nach seinem<br />
Besuch beim Arzt – trat<br />
er in eine Klinik ein.<br />
«Ich konnte gerade<br />
noch meine Ablösung<br />
für zwei Tage organisieren,<br />
mehr nicht», erklärt<br />
der <strong>Post</strong>stellenleiter.<br />
«Ich musste sofort alle<br />
Verpflichtungen in den<br />
Vereinen und im Beruf<br />
hinter mir lassen.» Das<br />
war ungewohnt für ihn,<br />
aber dringend nötig.<br />
«Für mich stand die Uhr<br />
nicht fünf, sondern<br />
bereits eine Minute vor<br />
zwölf.» Nur noch die<br />
Therapien minutiös<br />
befolgen und sich erholen,<br />
lautete die Devise.<br />
Kommunikation ist<br />
(fast) alles<br />
Gab es noch tiefere<br />
Gründe bei Wyss’ Entschluss,<br />
seine Gesundheit<br />
psychisch und physisch<br />
wieder ins Lot zu<br />
bringen? Der Pöstler aus<br />
Lauterbrunnen glaubt sie nach seinem Genesungsprozess<br />
zu kennen: «Der Austausch von<br />
Mensch zu Mensch, die Gespräche in der Familie<br />
und am Arbeitsplatz, sind enorm wichtig.<br />
Nur wer diese Werte hochhält, kann die Alarmsignale<br />
frühzeitig erkennen.» Auch die wirtschaftliche<br />
Entwicklung sei ein neuer Belastungsfaktor.<br />
«Menschen mit leistungsorientier-<br />
Porträt Leute 23<br />
<strong>Die</strong> <strong>Post</strong> Nr. 8/2007<br />
«<strong>Die</strong> Lebensfreude ist zurück»<br />
Das ist Alfred Wyss<br />
Wohnort der 47-Jährige aus Tramelan wohnt heute in Isenfluh ob Lauterbrunnen<br />
Familie verheiratet, 4 Kinder<br />
Hobbys Garten, Mountainbike, Laufsport<br />
<strong>Post</strong> Lehre als uniformierter Beamter in La Chaux-de-Fonds, 2 Jahre in Genf;<br />
Wechsel zum Betriebsassistent in Biel, Malleray und Neuchâtel, ab 1991<br />
in Grindelwald; seit 1998 <strong>Post</strong>stellenleiter in Lauterbrunnen<br />
Alfred Wyss: «Heute kenne ich meine Grenzen viel besser.»<br />
ter oder idealistischer Einstellung sind besonders<br />
gefährdet. Darum braucht ein Mensch wie<br />
ich zur Vorbeugung auch viel Bewegung. Sportliche<br />
Betätigung in vernünftigem Rahmen und<br />
sich Ziele setzen helfen ebenso wie Stunden der<br />
Ruhe und der Erholung.»<br />
<strong>Die</strong>se Work-Life-Balance habe er nun gefunden,<br />
schätzt sich Alfred Wyss wieder glücklich.<br />
Jetzt könne er wieder ein Familienleben geniessen,<br />
das diesen Namen verdient. <strong>Die</strong> Kommunikationsblockade<br />
und die Krisen in der Familie<br />
sind verschwunden. «Und Zeit fürs Trainieren<br />
finde ich jetzt ebenfalls.» In seinem Bewegungsdrang<br />
und Lauffieber freut er sich auf eine neue<br />
grosse Herausforderung: An seinem 47.<br />
Geburtstag nimmt er am 8. September erstmals<br />
den Jungfraumarathon unter die Füsse. Voller<br />
Freude und Zuversicht.