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Erster Teil - Farben-Welten

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nicht hatte abgehen lassen. Wir sprachen sodann über die Frau Großherzogin, über den<br />

Prinzen und manches andere, seines Sohnes jedoch ward mit keiner Silbe gedacht.<br />

Donnerstag, den 25. November 1830<br />

Goethe sendete mir am Morgen einige Bücher, die als Geschenk englischer und deutscher<br />

Autoren für mich angekommen waren. Mittags ging ich zu ihm zu Tisch. Ich fand<br />

ihn eine Mappe mit Kupferstichen und Handzeichnungen betrachtend, die ihm zum Verkauf<br />

zugesendet waren. Er erzählte mir, dass die Frau Großherzogin ihn am Morgen mit<br />

einem Besuche erfreut, und dass er ihr meine Ankunft verkündiget habe.<br />

Frau von Goethe gesellte sich zu uns, und wir setzten uns zu Tisch. Ich musste von meiner<br />

Reise erzählen. Ich sprach über Venedig, über Mailand, über Genua, und es schien<br />

ihm besonders interessant, nähere Nachrichten über die Familie des dortigen englischen<br />

Konsuls zu vernehmen. Ich erzählte sodann von Genf, und er erkundigte sich teilnehmend<br />

nach der Familie Soret und Herrn von Bonstetten. Von letzterem wünschte er eine<br />

nähere Schilderung, die ich ihm gab, so gut es gelingen wollte.<br />

Nach Tisch war es mir lieb, dass Goethe von meinen Konversationen zu reden anfing.<br />

»Es muss Ihre erste Arbeit sein,« sagte er, »und wir wollen nicht eher nachlassen, als<br />

bis alles vollkommen getan und im reinen ist.«<br />

Übrigens erschien Goethe mir heute besonders stille und oft in sich verloren, welches<br />

mir kein gutes Zeichen war.<br />

Dienstag, den 30. November 1830<br />

Goethe setzte uns vorigen Freitag in nicht geringe Sorge, indem er in der Nacht von einem<br />

heftigen Blutsturz überfallen wurde und den ganzen Tag nicht weit vom Tode war.<br />

Er verlor, einen Aderlass mit eingerechnet, sechs Pfund Blut, welches bei seinem achtzigjährigen<br />

Alter viel sagen will. Die große Geschicklichkeit seines Arztes, des Hofrats<br />

Vogel, verbunden mit seiner unvergleichlichen Natur, haben jedoch auch diesmal gesiegt,<br />

so dass er mit raschen Schritten seiner Genesung entgegengeht, schon wieder<br />

den besten Appetit zeigt und auch die ganze Nacht wieder schläft. Es darf niemand zu<br />

ihm, das Reden ist ihm verboten, doch sein ewig reger Geist kann nicht ruhen, er denkt<br />

schon wieder an seine Arbeiten. Diesen Morgen erhielt ich von ihm folgendes Billett, das<br />

er mit der Bleifeder im Bette geschrieben:<br />

»Haben Sie die Güte, mein bester Doktor, beikommende schon bekannte Gedichte<br />

nochmals durchzugehen und die voranliegenden neuen einzuordnen, damit es sich zum<br />

Ganzen schicke. ›Faust‹ folgt hierauf!<br />

W., d. 30. Nov.<br />

1830<br />

Ein frohes Wiedersehen!<br />

Goethe.«<br />

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