„Heinrich Hertz“ llmenau zu DDR-Zeiten - unesco-projekt-schulen ...
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Mit vereinten Kräften – <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> forum 3/4–2003<br />
40 Jahre – und noch so viel vor!<br />
Runde Geburtstage provozieren den Blick<br />
<strong>zu</strong>rück genauso wie den in die Zukunft. Das<br />
war 1993 <strong>zu</strong>m Vierzigsten nicht anders. Die<br />
<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong> befanden sich<br />
Anfang der 90er-Jahre in einer bedeutsamen<br />
Rekonstruktionsphase: Inhaltliches Konzept<br />
und organisatorische Strukturen wurden auf<br />
ein interkulturelles Netzwerk <strong>zu</strong>geschnitten.<br />
Der folgende Text ist die gekürzte Version<br />
eines Aufsatzes, der 1993 <strong>zu</strong>m 40. Geburtstag<br />
des Associated Schools Project in<br />
„<strong>unesco</strong> heute“ erschienen ist. Er spiegelt<br />
damit die damaligen Grundüberlegungen<br />
und Perspektiven und bietet den <strong>unesco</strong><strong>projekt</strong>-<strong>schulen</strong><br />
heute ein gutes Evaluationsinstrument.<br />
Zweite Maiwoche 1993: Aus diversen Zeitschriftenmagazinen<br />
lächelt uns auf einer doppelseitigen<br />
Hochglanzanzeige der niedersächsische<br />
Lehrer Augustus Kofi Essel aus Ghana<br />
entgegen. In seinem gelben Ostfriesennerz<br />
trotzt er dem kalten norddeutschen Regen.<br />
Für die rot-grüne Regierungskoalition in Niedersachsen<br />
ist diese Szene ein Ausdruck<br />
weitblickender Politik, ein Beispiel für Toleranz.<br />
Denn Essel, den es vor acht Jahren als<br />
Asylbewerber ins Ostfriesische verschlagen<br />
hat, unterrichtet Mathematik und Physik an<br />
der Hauptschule in Rhauderfehn. Interkulturelles<br />
Lernen nicht über andere Kulturen, sondern<br />
mit den Menschen aus der Fremde. In<br />
der Tat ein Bundesland mit Weitblick, das solche<br />
Lehrer (und hoffentlich auch Lehrerinnen)<br />
einstellt.<br />
Augustus Kofi Essel unterrichtet an einer<br />
<strong>unesco</strong>-project-schule. Selten gewinnt die<br />
Arbeit einer UNESCO-Schule so große Aufmerksamkeit<br />
in den Medien. Mit der unspektakulären<br />
Kleinarbeit im Klassenzimmer<br />
gegen Intoleranz und Unwissenheit sind<br />
heut<strong>zu</strong>tage keine großen Schlagzeilen <strong>zu</strong><br />
machen.<br />
Nach 40 Jahren ein neuer Anfang<br />
1953 von der UNESCO als »Programme of<br />
co-ordinated experimental activities in schools<br />
of Memberstates« ins Leben gerufen, kann die<br />
Deutsche UNESCO-Kommission auf eine<br />
wechselvolle Geschichte ihres praxisorientierten<br />
Zöglings <strong>zu</strong>rückblicken; galt es doch, auf<br />
die jeweiligen Anforderungen des pädagogischen<br />
Zeitgeistes immer wieder angemessene<br />
Antworten aus globaler Sicht <strong>zu</strong> finden. Im<br />
Unterschied <strong>zu</strong>r internationalen Bezeichnung<br />
wurde mit »Modellschulprogramm« ein<br />
anspruchsvoller Name gewählt, der eine programmatische<br />
Absicht <strong>zu</strong>m Ausdruck bringt.<br />
Aus der (lebensprägenden) Kindheitsphase<br />
des Modellschulprogramms ist nur soviel<br />
bekannt, dass <strong>zu</strong>nächst etwa ein halbes Dutzend<br />
Gymnasien einen eher elitären Zirkel<br />
bildeten, der den landeskundlichen Unterricht<br />
über europäische Nachbarn (»Frankreich«,<br />
»Polen«) <strong>zu</strong> beleben suchte. Im Jugendalter<br />
entfalteten die Modell<strong>schulen</strong> dann eine erste<br />
Blüte und weiteten ihren Blick über Europa<br />
hinaus nach Asien (»Orient-Okzident-Programm«):<br />
Politische, v.a. entwicklungspolitische<br />
Bildung stand im Zentrum der für »Leiter<br />
und Lehrer«(!) veranstalteten Tagungen.<br />
Dennoch: Von der bildungsreformerischen<br />
Aufbruchsstimmung Mitte der sechziger Jahre<br />
ließ sich der 18-jährige Jüngling nicht anstecken:<br />
»Modellschule – das ist doch ein toter<br />
Hund!« hieß es 1971 bei einer Besprechung<br />
im Auswärtigen Amt. Erst im dritten Lebensjahrzehnt-<br />
offensichtlich ermuntert durch die<br />
»74er Empfehlung der UNESCO <strong>zu</strong>r internationalen<br />
Erziehung« – schickten sich die<br />
Modell<strong>schulen</strong> an, erwachsen <strong>zu</strong> werden: Projektunterricht,<br />
der lokale und globale Konflikte<br />
gleichermaßen in den Blick nimmt, lautete<br />
das inhaltliche Schlüsselwort. Jahresthemen<br />
(»Kinder unserer Welt«, »Ausländer in<br />
unserer Stadt«) und Jahrestagungen (regelmäßig<br />
seit 1975) markierten neue gemeinsame<br />
Strukturen. Zum 30. Geburtstag 1983 versammelten<br />
sich 33 Schulen – bis auf das Saarland<br />
und Rheinland-Pfalz waren damit alle Länder<br />
der damaligen Bundesrepublik vertreten.<br />
Den Anfechtungen der Midlife-Crisis im<br />
vierten Lebensjahrzehnt suchten die<br />
UNESCO-Modell<strong>schulen</strong> mit bis dahin ungekannter<br />
Aktivität <strong>zu</strong> begegnen. Heute verwenden<br />
83 Schulen in den 16 Bundesländern den<br />
Titel »<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schule«; von der<br />
Grund- bis <strong>zu</strong>r berufsbildenden Schule, vom<br />
traditionellen Gymnasium bis <strong>zu</strong>m progressiven<br />
Schulversuch, von der Staatlichen Regelschule<br />
bis <strong>zu</strong>r Privatschule sind fast alle denkbaren<br />
Schultypen aus dem variantenreichen<br />
bundesrepublikanischen Bildungssystem vertreten.<br />
Das Projekt wird auf Beschluss der<br />
Kultusministerkonferenz bundesweit von<br />
einem hauptamtlichen Koordinator und in<br />
den meisten Ländern von einem/r Regionalkoordinator/in<br />
(meist ehrenamtlich) betreut.<br />
In jedem Bildungsministerium ist ein/e<br />
Ansprechpartner/in für UNESCO-Fragen<br />
<strong>zu</strong>ständig (für diesen Kreis wurde 1992 erstmals<br />
eine separate Konferenz durchgeführt).