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Schweißrauche

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Dr.-Ing. Vilia Elena Spiegel-Ciobanu<br />

Band 2<br />

<strong>Schweißrauche</strong> – Untersuchungsergebnisse<br />

zum Schweißen und<br />

Schneiden<br />

– Beurteilung der Gefährdung und<br />

vorbeugende Maßnahmen –


Titelbild: Fa. DINSE GmbH<br />

SCHWEISSEN und SCHNEIDEN Wissen kompakt<br />

Band 2 <strong>Schweißrauche</strong> – Untersuchungsergebnisse zum<br />

Schweißen und Schneiden<br />

ISBN 978-3-87155-237-3<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

© DVS Media GmbH, Düsseldorf, 2013<br />

Druck: Digital Print Group O. Schimek GmbH, Nürnberg


Vorwort<br />

Die beim Schweißen und bei verwandten Verfahren entstehenden gas- und partikelförmigen<br />

Stoffe (<strong>Schweißrauche</strong>) können in unzuträglicher Konzentration zu einer Gesundheitsgefährdung<br />

der Beschäftigten führen. In der schweißtechnischen Praxis werden sie<br />

als Schadstoffe bezeichnet. Sie zählen zu den Gefahrstoffen im Sinne der Gefahrstoffverordnung<br />

(GefStoffV). Die ständige Weiterentwicklung und Verfeinerung der schweißtechnischen<br />

Verfahren, sowie die Verwendung neuer Werkstoffe machen es erforderlich,<br />

die Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten anzupassen und Verbesserungen der Arbeitsplatzbedingungen<br />

zu ermöglichen. Dieses komplexe Thema wurde erst in den beiden<br />

letzten Jahrzehnten erkannt, diskutiert und zumindest teilweise erforscht.<br />

Zur Schweißtechnik zählt man zahlreiche, zum Teil sehr unterschiedliche Verfahren, wie<br />

• Autogentechnik (Gasschweißen, Flammwärmen, Brennschneiden u. a.),<br />

• Lichtbogentechnik (Lichtbogenhand-, MIG-, MAG-, WIG-, Plasmaschweißen,<br />

Plasmaschneiden u. a.),<br />

• Laserstrahlverfahren (Laserstrahlschweißen, -schneiden u. a.),<br />

• Widerstandsschweißen (Punkt-, Rollennaht-, Abbrennstumpfschweißen u. a.),<br />

• Löten (Flammlöten Mikrolöten u. a.),<br />

• thermisches Spritzen (Flamm-, Lichtbogen-, Plasmaspritzen u. a.).<br />

Bei bestimmten, besonders häufig benutzten Verfahren gehen vom jeweiligen Energieträger<br />

spezifische Gefährdungen aus, vor allem durch<br />

• brennbare Gase und Sauerstoff in der Autogentechnik und der Löttechnik,<br />

• elektrischen Strom in der Lichtbogentechnik.<br />

Diese spezifischen Gefährdungen addieren sich zu den generellen, für die meisten<br />

schweißtechnischen Verfahren gemeinsamen Problemen, wie optische Strahlung, Lärm,<br />

Brände und Explosionen, lokale Hautverbrennungen, mechanische Gefährdungen.<br />

Wesentliche verfahrensübergreifende, jedoch in der Lichtbogentechnik besonders<br />

deutliche Gesundheitsgefährdungen bestehen durch Schadstoffe (lungenbelastende,<br />

toxische oder krebserzeugende Rauche mit chronischer Wirkung und toxische, akut<br />

oder chronisch wirkende Gase).<br />

Zu diesen Untersuchungen und zur Formulierung des Sachstandes und notwendiger<br />

Schutzmaßnahmen hat – nach Vorarbeiten in den achtziger Jahren – das berufsgenossenschaftliche<br />

Fachausschuss (FAMO)-Sachgebiet „Schadstoffe in der Schweißtechnik“,<br />

angesiedelt bei der damaligen Norddeutschen Metall Berufsgenossenschaft (heute<br />

Berufsgenossenschaft Holz und Metall) entscheidend beigetragen. Dessen Tätigkeit –<br />

wie auch die der Sachgebiete „Gasschweißen“ und „Elektroschweißen“ – erfolgte stets<br />

in enger Zusammenarbeit mit Normungsgremien und vor allem hier mit dem „Deutschen<br />

Verband für Schweißen und verwandte Verfahren (DVS)“, der eine Reihe wichtiger Schadstoff-Forschungsarbeiten<br />

initiierte und förderte. (Der DVS ist einer der großen technisch-


wissenschaftlichen Verbände in Deutschland und unterhält zahlreiche, mit der Wirtschaft<br />

kooperierende Ausbildungsstätten für Schweißer und für schweißtechnische Führungskräfte).<br />

Auch die laufende Mitarbeit des Sachgebiets „Schadstoffe in der Schweißtechnik“<br />

im „International Institut of Welding (IIW)“ und dessen Kommission „Health and Safety“<br />

– mit dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch zwischen Fachleuten aus Arbeitsmedizin,<br />

Schweißtechnik und Sicherheitstechnik – hat sich gerade auf dem Gebiet der schweißtechnisch<br />

bedingten Schadstoffe als sehr fruchtbar erwiesen.<br />

In diesem Zusammenhang wurden und werden weitere Forschungsvorhaben initiiert und<br />

begleitet. Die ausgewerteten Ergebnisse wurden und werden weiter publiziert und in<br />

die Präventionsmaßnahmen integriert. Dem aktuellen Stand der Technik wird Rechnung<br />

getragen. Darüber hinaus wird ein weiterer Erfahrungsaustausch mit den Experten im<br />

Internationalen Institut für Schweißen (IIW) kontinuierlich gepflegt. Auf der europäischen<br />

und internationalen Ebene wird die Normung zum Thema Schadstoffe beim Schweißen<br />

und verwandte Verfahren begleitet und der schweißtechnischen Praxis angepasst.<br />

Das hier vorgestellte Buch führt Schwerpunkte und Themen zusammen, die im Laufe<br />

der letzten Jahre als einzelne Beiträge in verschiedenen Zeitschriften publiziert wurden.<br />

Grund dafür ist, dass diese Themen unter dem Aspekt des Arbeits- und Gesundheitsschutzes<br />

für die schweißtechnische Praxis weiterhin aktuell und relevant sind.<br />

Bisherige Ergebnisse der Forschungsvorhaben und Untersuchungen, die zum Teil von<br />

der Autorin selbst begleitet wurden, ermöglichen hier die Wiedergabe dieser Informationen<br />

zur Schadstoffentstehung und -vorkommen, zu den Einflussfaktoren und zur<br />

arbeitsmedizinisch-toxikologischen Bewertung der stoffspezifischen Wirkung aber auch<br />

zur verfahrens-/werkstoff-spezifischen Gesamtwirkung der <strong>Schweißrauche</strong>. Strategien<br />

zur Gefährdungsbeurteilung werden aufgezeigt. Schutzmaßnahmen zur Minimierung der<br />

Gefährdung durch Schadstoffe sowie zur Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW)<br />

werden genannt.<br />

Hinweis: Bilder, Tabellen und Grafiken ohne Quellenangaben: Quelle V.E. Spiegel-Ciobanu


1 Entwicklung der schweißtechnischen Verfahren und Stationen<br />

des Arbeitsschutzes<br />

Aus Literaturquellen ist bekannt, dass schon in der Antike Lötverfahren zum Fügen von<br />

Edelmetallen verwendet wurden. Mit der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert beginnt<br />

dann die systematische Entwicklung von schweißtechnischen Verfahren. Es ist die<br />

Zeit, in der man gelernt hat, Energieträger zu erzeugen und sie zu verwenden, um Produkte<br />

im größeren Maßstab herzustellen. Schlüsselworte sind hier: elektrische Energie<br />

(Lichtbogenverfahren) und chemische Energie (in Form von Acetylen).<br />

Einige Beispiele dazu<br />

1885 wurde der Kohlelichtbogen durch den Russen Benardos zum Aufschmelzen von<br />

Metallen und Legierungen benutzt, dabei wurde fehlender Werkstoff durch stromlosen<br />

Zusatzdraht ergänzt. 1889 meldete Zerener ein Verfahren zum Patent an, bei dem der<br />

Lichtbogen zwischen zwei Kohleelektroden brennt. 1890 erfolgte eine Patentanmeldung<br />

des Russen Slawjanow; er benutzte den Zusatzdraht selbst als Lichtbogenträger und<br />

vereinigte somit Elektrode und Zusatzdraht. 1889 wird der Druckminderer von Dräger<br />

patentiert. 1892 beginnt die großtechnische Erzeugung von Calciumcarbid.<br />

Die Lichtbogentechnik braucht eine deutlich längere Entwicklungszeit. Bereits 1792<br />

sind erste „Schweißversuche“ bekannt, aber erst durch die Erzeugung des elektrischen<br />

Stroms im großen Umfang (Ende des 19. Jahrhunderts) besteht die Möglichkeit,<br />

Schweißprozesse zu entwickeln.<br />

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts ist eine Zunahme der Zahl der schweißtechnischen Verfahren<br />

und Werkstoffe zu beobachten. In den achtziger Jahren kommt verstärkt die automatisierte<br />

Anwendung von Verfahren hinzu und das Laserstrahlschweißen etabliert sich<br />

in der Industrie. 2004 werden etwa 70% der verwendeten Schmelzschweißverfahren,<br />

bezogen auf das abgesetzte Schweißgut, vom Metall-Schutzgasschweißen eingenommen.<br />

Mit der fortschreitenden Entwicklung von Schweißstromquellen wird der Schweißlichtbogen<br />

mehr und mehr durch elektronische Steuerung beeinflusst. Es entstehen zunächst<br />

Hochleistungsvarianten des Metall-Schutzgasschweißens, die gegenüber den üblichen<br />

Anwendungsbereichen mit bis zu dreifach höheren Drahtfördergeschwindigkeiten arbeiten.<br />

Verschiedene Gasgemische aus Argon, Kohlendioxid, Helium und Sauerstoff unterstützen<br />

die neuen Prozesse und Prozessvarianten. Neueste Entwicklungen modellieren<br />

den Lichtbogen individuell für die jeweilige Schweißaufgabe oder -position.<br />

Für die weitere Entwicklung der Schweißtechnik ist abzusehen, dass die konventionellen<br />

Schweißverfahren, insbesondere Schutzgasschweißen und Widerstandsschweißen,<br />

auch in der Zukunft im Anwendungsumfang dominieren werden, dass aber neben ihnen<br />

8


Zeitgleich zur Entwicklung der Verfahren steigt auch die Vielzahl der zu bearbeitenden<br />

Werkstoffe. Mehr Informationen dazu sind in der BGI 616 zu finden. Mechanisierung und<br />

Automatisierung werden vorangetrieben, um höhere Produktivität, höhere Leistungen<br />

und höhere Qualität zu erreichen.<br />

Bild 1: Entwicklung der Schweißverfahren nach [2]<br />

Die am weitesten verbreiteten Metallschweißprozesse können gemäß DIN EN 14610<br />

nach der Art des Energieträgers grob unterschieden werden in<br />

• Autogenprozesse (Gasschmelzschweißen, Energieträger Gas),<br />

• Lichtbogenprozesse (Metall-Schutzgasschweißen, Wolfram-Inertgas<br />

und -Plasmaschweißen, Energieträger elektrische Gasentladung),<br />

• Widerstandsprozesse (Widerstandspressschweißen, Widerstandsschmelzschweißen,<br />

Energieträger elektrischer Strom) und<br />

• Strahlprozesse (Laserstrahlschweißen, Elektronenstrahlschweißen,<br />

Energieträger Strahlung).<br />

In der Anwendung finden sich zudem noch<br />

• das Reibschweißen (Energieträger bewegte Masse),<br />

• das Gießschmelzschweißen (Energieträger Flüssigkeit) sowie<br />

• eine Reihe von Pressschweißprozessen (Energieträger bewegte Masse<br />

sowie unbestimmte Energieträger).<br />

9


Auch zwischen den Verfahrensgruppen Schweißen, thermisches Schneiden, thermisches<br />

Spritzen und Löten gibt es prozessbedingt große Unterschiede. Diese zwei unterschiedlichen<br />

Einteilungsweisen sind auch im Hinblick auf die jeweiligen Gefährdungen<br />

sehr hilfreich. Es treten dabei unterschiedliche Gefährdungen auf wie optische Strahlung,<br />

elektrischer Strom, Schadstoffe, usw., die verfahrens-/werkstoffspezifisch unterschiedliche<br />

Wirkungen sowohl qualitativ aber auch quantitativ besitzen.<br />

Stationen des Arbeitsschutzes<br />

Wegen der zunehmenden Bedeutung von Krankheiten, Unfällen und Invaliditäten durch<br />

Arbeitsprozesse auf die Volkswirtschaft erließ die Staatsregierung nach und nach Gesetze<br />

und Vorschriften, die den Arbeitsplatz sicherer und gesünder gestalten sollen. Dabei<br />

wollte der Staat jedoch nur so viel wie nötig in die innerbetrieblichen und wirtschaftlichen<br />

Belange eingreifen. Deshalb wurden viele dieser Aufgaben und Kompetenzen in die Verantwortung<br />

wirtschaftlicher Organe und Institutionen, die teilweise erst noch geschaffen<br />

werden mussten, delegiert:<br />

1839 Preußisches Regulativ, Beginn der Arbeitsschutzgesetzgebung in Deutschland.<br />

1853 Änderungsgesetz – Kontrolltätigkeit wird einer staatlichen Aufsicht zugeschrieben.<br />

Vom Staat werden die Fabrikinspektoren eingesetzt. Hierdurch wird der<br />

Grundstein zur Gewerbeaufsicht gelegt.<br />

1869 Gewerbeordnung (GewO), Reichsgewerbeordnung im neu gegründeten Deut<br />

schen Reich; Hauptgesetz des Gewerberechts, ursprünglich Gesetz des Nord<br />

deutschen Bundes vom 21. Juni 1869, in Deutschland gültig in der Neufassung<br />

vom 22. Februar 1999. Die Gewerbeordnung enthält im Wesentlichen Bestimmungen<br />

über die Gewerbefreiheit, die Ausübung des stehenden Gewerbes, des<br />

Reisegewerbes und des Marktverkehrs sowie das gewerbliche Arbeitsschutzrecht.<br />

1878 Aufsichtsparagraph, der bis heute seine Gültigkeit hat, wird eingeführt.<br />

1881 Sozialversicherungsgesetz von Bismarck. Durch eine kaiserliche Botschaft wird<br />

verkündet, dass für Arbeiter eine Versicherung gegen Betriebsunfälle und eine<br />

gewerbliche Krankenversicherung eingeführt wird.<br />

1885 Gründung der Berufsgenossenschaften (BGen).<br />

1891 Arbeiterschutzgesetz wird erlassen. Dadurch entsteht das duale Arbeitsschutzsystem<br />

aus Staatlicher Gewerbeaufsicht und BGen.<br />

10


1911 Reichsversicherungsordnung (RVO) – rechtliche Grundlage für den technischen<br />

Aufsichtsdienst der BGen.<br />

1919 in Betrieben werden die ersten Unfallvertrauensmänner eingesetzt. Dadurch wird<br />

innenbetrieblich der Arbeitsschutz professionalisiert.<br />

1973 Arbeitssicherheitsgesetz wird eingeführt; hiermit wird festgelegt, dass ein Betrieb<br />

einen Betriebsarzt und eine Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellen muss.<br />

1985 Artikel 118a des EWG-Vertrages wird erlassen – seit 1999 der Artikel 137. Somit<br />

wird der Arbeitsschutz auf europäischer Ebene geregelt.<br />

1996 Arbeitsschutzgesetz und Sozialgesetzbuch VII (Neuregelung der Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung) werden verabschiedet.<br />

1909 VAM Verband für Autogene Metallbearbeitung in Berlin wird gegründet.<br />

1947 Deutsches Verband für Schweißtechnik (DVS) Düsseldorf mit der Arbeitsgruppe<br />

AG 12 Unfallverhütung wird gegründet, die später in den 90er Jahren als AGQ 6<br />

„Arbeits- Gesundheits- und Umweltschutz“ auftritt.<br />

Der DVS in seiner heutigen<br />

Form ist aus mehreren Einzelverbänden<br />

hervorgegangen,<br />

die von verschiedenen<br />

Interessengruppen getragen<br />

waren. Die Grafik zeigt eine<br />

zeitliche Übersicht über die<br />

Entwicklung der Vorgängerverbände<br />

bis hin zur Gründung<br />

des DVS in seiner heutigen<br />

Form.<br />

Bild 2: DVS-Historie [Auszug aus<br />

DVS Virtuelles Museum der Fügetechnik]<br />

1948 Auf internationaler Ebene erfolgt die Gründung des Internationalen Verbandes<br />

für Schweißen (IIW) mit der Kommission VIII „Health and Safety“ (Arbeitsschutz<br />

beim Schweißen), aktuell ergänzt mit Themen des Umweltschutzes und somit benannt<br />

„Health, Safety and Environment“.<br />

11


1974 Staatliches Forschungsprogramm Humanisierung des Arbeitslebens (HdA) wird<br />

ins Leben gerufen. Auch der DVS beteiligt sich an dieser Forschung mit Humanisierung<br />

des Arbeitslebens der Schweißer.<br />

1996 ArbSchG – Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes<br />

zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der beschäftigten<br />

bei der Arbeit, geändert zuletzt durch Art.15, 5.Febr. 2009 (Umsetzung der<br />

EWGRL 391/89 und EWGRL 383/91.<br />

Bild 3: Entwicklung des Arbeitsschutzes nach [Spiegel-Ciobanu, Fachausschuss-Symposium<br />

"Schadstoffe beim Schweißen und bei verwandten Verfahren" der DGUV]<br />

Literaturquelle<br />

[1] Spiegel-Ciobanu, V.E.: Arbeitsschutzregelungen beim Schweißen – Bewertung der<br />

<strong>Schweißrauche</strong>xposition und deren Wirkung; Schweißen und Schneiden, 09/2011,DVS-<br />

Verlag, Düsseldorf<br />

[2] Flemming D. u. H. Sossenheimer: Schweißen heute und morgen – 1897-1972; 75 Jahre<br />

Schweißtechnische Gemeinschaftsarbeit; 25 Jahre Deutscher Verband für Schweißtechnik<br />

e.V., DVS-Verlag, Düsseldorf (1972)<br />

[3] Kleinöder, N.: Die Geschichte des Arbeitsschutzes in der Bundesrepublik am Beispiel<br />

des Werkes Huckingen nach 1945. Magisterarbeit, Universität, Düsseldorf, Februar<br />

2009, Fassung 10/2010)<br />

[4] ArbSchG „Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur<br />

Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der<br />

Arbeit“ Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), das zuletzt durch<br />

Artikel 15 Absatz 89 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) geändert<br />

worden ist". Stand: Zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 89 G v. 5.2.2009 I 160. Hrsg.:<br />

Bundesministeriums der Justiz.<br />

12


2. Allgemeines über <strong>Schweißrauche</strong><br />

2.1 Vorkommen und Wirkungsweise<br />

Die Schadstoffe, die bei der Anwendung schweißtechnischer Verfahren entstehen, lassen<br />

sich nach Vorkommen und Wirkungsweise einteilen.<br />

Vorkommen<br />

Bei schweißtechnischen Verfahren entstehen Schadstoffe als Partikel und/oder als Gase<br />

(Bild 1-5). Die partikelförmigen Stoffe sind eine disperse Verteilung kleinster fester Teilchen<br />

in der Luft. Bei allen in der Luft vorhandenen Partikeln werden je nach Partikelgröße<br />

folgende Anteile unterschieden (nach DIN EN 481):<br />

Einatembare Fraktion – der Anteil der Partikel, der durch den Mund und die Nase in den<br />

Körper eingeatmet wird; er umfasst Partikelgrößen bis zu über 100 μm. Dieser Anteil<br />

wurde in der Vergangenheit mit dem Begriff „Gesamtstaub“ bezeichnet.<br />

Alveolengängige Fraktion – der Anteil der Partikel, der beim Einatmen bis zu den Alveolen<br />

(Lungenbläschen) vordringen kann; er umfasst Partikelgrößen bis zu 10 μm. Dieser Anteil<br />

wurde in der Vergangenheit mit dem Begriff „Feinstaub“ bezeichnet.<br />

Die beim Schweißen entstehenden partikelförmigen Stoffe sind sehr fein. Sie besitzen in<br />

der Regel einen Durchmesser kleiner als 1 μm (vorwiegend kleiner als 0,1 μm), sind daher<br />

alveolengängig und werden als „<strong>Schweißrauche</strong>“ bezeichnet. Partikel, die im Größenbereich<br />

< 0,1 μm liegen, werden als ultrafeine Partikel bezeichnet.<br />

Beim thermischen Schneiden und bei einigen verwandten Verfahren entstehen partikelförmige<br />

Stoffe, die nur teilweise alveolengängig sind.<br />

Partikelgröße und Morphologie (Gestalt)<br />

Die Menge der Partikel hängt von der Kombination der eingesetzten Verfahren und Werkstoffe<br />

ab. Je nach Verfahrensgruppe bilden sich unterschiedliche Partikelgrößen mit verschiedener<br />

Partikelmorphologie aus.<br />

Morphologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass die einzelnen Schweißrauchpartikel<br />

keine homogene Zusammensetzung aufweisen. Neben Primärpartikeln (Einzelpartikeln)<br />

bilden sich durch Ausflocken auch Ketten und Agglomerate.<br />

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Bild 1: Partikelgröße, -form und -gestalt (Morphologie) der <strong>Schweißrauche</strong> (Bild 1-3, BGI 593)<br />

Wirkungsweise<br />

Hinsichtlich der Wirkung auf die verschiedenen Organe des menschlichen Körpers lassen<br />

sich die gas- und partikelförmigen Stoffe, die beim Schweißen, Schneiden und verwandten<br />

Verfahren entstehen, in drei Gruppen folgendermaßen einteilen (Bild 2).<br />

Atemwegs- und lungenbelastende Stoffe – langzeitige Aufnahme hoher Konzentrationen<br />

kann zu einer Belastung der Atemwege und der Lunge führen. So kann z. B. langzeitige<br />

Aufnahme hoher Konzentrationen zu Atemwegserkrankungen (in Form von Bronchitis<br />

bis zu obstruktiver Bronchitis) führen.<br />

Zusätzlich können Staubablagerungen in der Lunge in Form von Siderose (bei Eisenoxiden)<br />

auftreten. Darüber hinaus können bei hohen Konzentrationen fibrogene Reaktionen<br />

(Bindegewebsvermehrung) der Lunge auftreten (Fibrose, in seltenen Einzelfällen Siderofibrose<br />

beim Eisenoxid, Aluminose beim Aluminiumoxid).<br />

Toxische (giftige) Stoffe – erzeugen im menschlichen Körper eine Giftwirkung, wenn<br />

eine bestimmte Dosis (= Menge pro Gewichtseinheit des Körpers) überschritten wird.<br />

Es gibt hier eine Dosis-Wirkungs-Beziehung. Schwache Vergiftungen führen zu leichten<br />

Gesundheitsstörungen; hohe Konzentrationen dieser Stoffe in der Atemluft können zu<br />

lebensgefährlichen Vergiftungen oder zum Tod führen. Als toxische Stoffe sind z. B. die<br />

Gase Kohlenmonoxid, Stickstoffoxide (Stickstoffmonoxid und -dioxid), Ozon wie auch<br />

die Oxide der Metalle Kupfer, Blei, Zink in Form von Rauchen und Stäuben zu nennen.<br />

Krebserzeugende (kanzerogene) Stoffe – sind Stoffe, die erfahrungsgemäß bösartige<br />

Geschwülste verursachen können. Das Krebsrisiko ist generell von mehreren Faktoren<br />

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abhängig, z. B. genetische Disposition, Umweltbelastungen. Es gibt hier keinen Automatismus<br />

der Wirkung, aber eine steigende Dosis erhöht das Krebsrisiko. Die Latenzzeit<br />

(der Zeitraum zwischen der ersten Einwirkung und dem Ausbruch der Krankheit) kann<br />

Jahre oder Jahrzehnte betragen.<br />

Für diese Stoffe ist kein Schwellenwert bekannt, bei dessen Unterschreitung keine Gefährdung<br />

mehr besteht. In vielen Fällen besitzen diese Stoffe zusätzlich eine toxische<br />

Wirkung.<br />

Die krebserzeugenden Stoffe sind in der TRGS 905 und nach Berichtigung der Verordnung<br />

(EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung,<br />

Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen" aufgeführt und in<br />

Kategorie 1, 2 oder 3 nach GefStoffV eingestuft.<br />

Nach der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), MAK- und BAT-Werte-Liste 2012,<br />

sind die krebserzeugenden Stoffe wie folgt eingestuft [4]:<br />

Kategorie 1<br />

Stoffe, die beim Menschen Krebs erzeugen und bei denen davon auszugehen ist, dass<br />

sie einen Beitrag zum Krebsrisiko leisten (hinreichende Anhaltspunkte).<br />

Kategorie 2<br />

Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen angesehen sind. Hier liegen hinreichende<br />

Ergebnisse aus Langzeit-Tierversuchen oder Hinweise aus Tierversuchen und<br />

epidemiologischen Untersuchungen. Es ist davon auszugehen, dass sie einen Beitrag<br />

zum Krebsrisiko leisten (begründete Annahme).<br />

Kategorie 3<br />

Stoffe, die wegen erwiesener oder möglicher krebserzeugender Wirkung Anlass zur Besorgnis<br />

geben, aber aufgrund unzureichender Informationen nicht endgültig beurteilt<br />

werden können. Die Einstufung ist vorläufig.<br />

3 A) Stoffe, bei denen die Voraussetzungen erfüllt wären, sie der Kategorie 4 oder 5 zuzuordnen.<br />

Für die Stoffe liegen jedoch keine hinreichenden Informationen vor, um<br />

einen MAK- oder BAT- Wert abzuleiten.<br />

3 B) Aus In-vitro- oder aus Tierversuchen liegen Anhaltspunkte für eine krebserzeugende<br />

Wirkung vor, die jedoch zur Einordnung in eine andere Kategorie nicht ausreichen.<br />

Sofern durch weitere Untersuchungen festgestellt wird, dass der Stoff oder<br />

seine Metaboliten keine gentoxischen Wirkungen aufweisen, kann ein MAK- oder<br />

BAT-Wert festgelegt werden [4].<br />

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Kategorie 4<br />

Stoffe mit krebserzeugender Wirkung, bei denen ein nicht-gentoxischer Wirkungsmechanismus<br />

im Vordergrund steht und gentoxische Effekte bei Einhaltung des MAK- oder<br />

BAT-Wertes keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Unter diesen Bedingungen<br />

ist kein Beitrag zum Krebsrisiko für den Menschen zu erwarten [4].<br />

Kategorie 5<br />

Stoffe mit krebserzeugender und gentoxischer Wirkung, bei denen unter Einhaltung des<br />

MAK- und BAT-Wertes ein sehr geringer Beitrag zum Krebsrisiko für den Menschen zu<br />

erwarten ist.<br />

Von den in Bild 1-5 aufgezählten Stoffen sind in der Schweißtechnik insbesondere die<br />

Nickeloxide, bestimmte sechswertige Chromverbindungen, Cadmium und seine Verbindungen,<br />

Cobalt und seine Verbindungen sowie Beryllium und seine Verbindungen zu<br />

beachten.<br />

Bild 2 zeigt die stoffspezifische Wirkung der Schadstoffe.<br />

2.2 Entstehung<br />

Die in der Schweißtechnik entstehenden Schadstoffe bilden sich aus:<br />

• Zusatzwerkstoffen,<br />

• Grundwerkstoffen,<br />

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• Schutzgasen,<br />

• Beschichtungen,<br />

• Verunreinigungen und<br />

• Umgebungsluft<br />

bei hoher Temperatur (des Lichtbogens oder der Flamme) durch physikalische und/oder<br />

chemische Prozesse, wie<br />

• Verdampfen,<br />

• Kondensation,<br />

• Oxidation,<br />

• Zersetzung,<br />

• Pyrolyse und<br />

• Verbrennen.<br />

Die Art und die Menge der gebildeten Schadstoffe sind werkstoff- und verfahrensbedingt.<br />

Die chemische Zusammensetzung der eingesetzten Werkstoffe hat einen direkten<br />

Einfluss auf die chemische Zusammensetzung der partikelförmigen Schadstoffe. Die angewendeten<br />

Verfahren beeinflussen die Entstehung gasförmiger Schadstoffe.<br />

Bild 3: Schadstoffentstehung (Beispiele) (Bild 1-6, BGI 593)<br />

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