Grundschule aktuell 123
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Praxis: Pädagogik für arme Kinder<br />
Ulrich Hecker<br />
»Kindern das Wort geben«<br />
Wie Kinder aus dem »sozialen Brennpunkt« zur Sprache kommen<br />
»In der Zeit, in der sie hier sind, soll für die Kinder ihr alltägliches Dilemma in<br />
den Hintergrund treten«, sagt Andreas Schröder, der Leiter der Kinderdruckwerkstatt.<br />
Wir sind in Halle-Neustadt Südpark, einer Wohngegend, die gemeinhin<br />
als »sozialer Brennpunkt« bezeichnet wird.<br />
Die Kinderdruckwerkstatt gibt<br />
es nun schon einige Jahre, Träger<br />
ist der Regionalverband<br />
Halle-Merseburg der Arbeiterwohlfahrt<br />
(AWO). Nach der Neuausrichtung des<br />
AWO-Hortes »Am Kirchteich« zog die<br />
Druckwerkstatt in das Hortgebäude:<br />
Durch die Verschmelzung der beiden<br />
Einrichtungen ist hier der erste Freinet-<br />
Hort in Sachsen-Anhalt entstanden.<br />
Keine klassischen Hortgruppen gibt es<br />
hier, dafür offene Atelier- und Werkstattarbeit,<br />
inspiriert von den Ideen des französischen<br />
Reformpädagogen Célestin<br />
Freinet. Im Zentrum der Förderung des<br />
Schriftspracherwerbs und des sprachlichen<br />
Ausdrucks steht die Druckerei.<br />
Beispiel: Kinderkulturführer<br />
»Was ist denn ein Theater?«, hat An -<br />
dreas Schröder eine Kindergruppe<br />
gefragt. »Theater? Das ist, wenn ich<br />
böse war!«, eine Antwort. Diese Kinder<br />
haben einen auch öffentlich stark<br />
beachteten »Kinderkulturführer« für<br />
die Stadt Halle erarbeitet und veröffentlicht.<br />
Über zwei Schuljahre hinweg<br />
haben sie kulturelle Einrichtungen der<br />
Stadt Halle besucht und Wissenswertes<br />
darüber gesammelt. Alle Informationen<br />
sowie ihre eigenen Eindrücke<br />
wurden in einem »Kinderkulturführer<br />
von Kindern für Kinder« zusammengefasst<br />
und gedruckt. Entstanden<br />
sind dabei zunächst 40 handgefertigte<br />
Exemplare. Dank der großzügigen<br />
Spende eines Sponsors konnte der Kinderkulturführer<br />
später in einer Auflage<br />
von 600 Exemplaren erscheinen, die<br />
in Kindereinrichtungen und Schulen<br />
erhältlich waren. Öffentlich präsentiert<br />
wurde der Kinderkulturführer im<br />
Beisein der jungen Autoren und Autorinnen<br />
im Saline-Museum der Stadt<br />
Halle (Saale).<br />
Die Kinderdruckwerkstatt<br />
… ist ein einladendes, offenes Angebot:<br />
50 % der TeilnehmerInnen kommen aus<br />
<strong>Grundschule</strong>n, 30 % aus Förderschulen,<br />
20 % aus der Sekundarstufe I. Bis 2016<br />
sind die Möglichkeiten zu externer Projektarbeit<br />
bereits ausgebucht.<br />
Mitten im sozialen Brennpunkt<br />
arbeitet die Kinderdruckwerkstatt: Das<br />
Interesse der Kinder an Schrift – besonders<br />
in dieser Umgebung – zu wecken<br />
und zu fördern, gerade auch bei Schwierigkeiten<br />
in der (schrift-) sprachlichen<br />
Kommunikation, das ist Gegenstand<br />
wie Anliegen.<br />
Schon die Umgebung ist eindrucksvoll:<br />
kein Spielzeug, sondern eine Werkstatt<br />
mit »echtem« Handwerkszeug:<br />
große Kästen mit Lettern, Setzrahmen,<br />
Farbdosen, Farbwalzen, Druckerpressen.<br />
Kinder kommen und staunen. Kommen<br />
ins Gespräch und an die Arbeit.<br />
Und dann ist es immer wieder faszinierend<br />
zu beobachten, wie Sprache beim<br />
Drucken im wahrsten Sinne des Wortes<br />
»begreifbar« wird. Das Zusammensetzen<br />
der Buchstaben zu Wörtern, das<br />
Entstehen des Satzes, die Auswahl der<br />
Druckfarbe und des Papiers machen<br />
gleichermaßen Spaß und Mühe. Die<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>123</strong> • September 2013<br />
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