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Grundschule aktuell 123

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Rundschau<br />

Zum Masterplan-Leitprojekt »Berlin wird kreidefrei«<br />

Wem nützen interaktive Whiteboards in der <strong>Grundschule</strong>?<br />

Seit 2011 werden Berliner Schulen<br />

im Rahmen eines Masterplan-<br />

Leitprojektes dabei unterstützt,<br />

ihre Klassenzimmer mit interaktiven<br />

Whiteboards sowie den dafür nötigen<br />

PCs auszustatten. Dafür müssen die<br />

Kreidetafeln aus den Klassenräumen<br />

verschwinden. Allein im Jahr 2012 wurden<br />

dafür fast 4 Millionen Euro aufgewendet.<br />

Die Berliner Senatsverwaltung für<br />

Bildung, Jugend und Wissenschaft formuliert<br />

als zentralen Leitgedanken,<br />

»sukzessive die Kreidetafeln durch<br />

Interactive Whiteboards zu ersetzen«. 1)<br />

Damit soll die Medienkompetenz<br />

von Lehrenden und Lernenden im Rahmen<br />

eines IT-gestützten und interaktiven<br />

Unterrichts erweitert werden.<br />

So sehr eine Initiative zur Entwicklung<br />

einer digitalen Medienkompetenz<br />

in allen Berliner Schulen, in denen<br />

bereits in der <strong>Grundschule</strong> Smartphones<br />

ihren festen Platz gefunden haben,<br />

zu begrüßen ist, so sehr stellen sich<br />

doch kritische Fragen zur Einführung<br />

ausgerechnet der interaktiven Whiteboards.<br />

1. Zur Finanzierung<br />

Die Anschaffung von (nur) 868 Whiteboards,<br />

den dazu nötigen PCs und<br />

Flachbildschirmen sowie die Fortbildung<br />

von Lehrerinnen und Lehrern<br />

wurde im Jahr 2012 durch Mittel aus<br />

der Deutschen Klassenlotterie, den<br />

Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung<br />

sowie von den bezirklichen<br />

Schulträgern im Umfang von rund<br />

320.000 Euro finanziert. Angesichts von<br />

leeren Haushaltskassen und regelmäßigen<br />

Haushaltssperren für den laufenden<br />

Betrieb und die Erhaltung bzw. bauliche<br />

Instandsetzung von Schulen eine<br />

gewaltige Summe. Die relative Kurzlebigkeit<br />

elektronischer Geräte, sowohl<br />

der Software als auch der Hardware, ist<br />

allgemein bekannt. Es werden also in<br />

absehbarer Zeit Folgekosten für Wartung,<br />

Reparatur und Neuanschaffungen<br />

entstehen, die umso unumgänglicher<br />

sind, je mehr Kreidetafeln zuvor<br />

abgeschafft wurden. Außerdem scheinen<br />

die Whiteboards auf eine möglichst<br />

staubfreie Umgebung angewiesen<br />

zu sein, genauso wie die Schüler (vgl.<br />

Umweltbundesamt zur Innenraumlufthygiene<br />

2) ), sodass der störungsfreie<br />

Betrieb in einem kreide- und<br />

staubfreien Raum möglicherweise mit<br />

einem erhöhten Reinigungsaufwand<br />

verbunden ist. Seit Jahren werden die<br />

Mittel für eine gründliche Reinigung<br />

der Klassenräume gekürzt. Wie werden<br />

diese zusätzlichen Kosten finanziert?<br />

Wer ist für den auch auf längere Sicht<br />

hin einwandfreien Betrieb mehrerer<br />

Whiteboards in einer Schule zuständig?<br />

Firmen beschäftigen hierfür eigene<br />

IT-Beauftragte. Sollen hierfür Stellen<br />

geschaffen werden?<br />

Vor der Anschaffung von interaktiven<br />

Whiteboards sollte kalkuliert werden,<br />

wie viel jedes Board im Laufe der<br />

nächsten 5 bis 10 Jahre den Schulträger<br />

tatsächlich kostet.<br />

2. Zur Didaktik<br />

Explizites Ziel des »eEducation Berlin<br />

Masterplans« ist es, die Qualität<br />

des Unterrichts zu steigern und die<br />

Medienkompetenz zu erhöhen. Die<br />

Bezeichung »interaktives Whiteboard«<br />

legt nahe, dass durch den Einsatz des<br />

Boardes besonders vielfältige Interaktionen<br />

ermöglicht werden. Ohne Frage<br />

handelt es sich um ein Medium, das<br />

in lehrerzentrierten / frontalen Phasen<br />

optimale Präsentationsmöglichkeiten<br />

bietet. Sicherlich können mit der entsprechenden<br />

Einführung auch Schülerinnen<br />

und Schüler die ein oder andere<br />

Funktion bedienen (mit den elektronischen<br />

Stiften schreiben, den Bildschirm<br />

berühren, klicken …).<br />

Wie aber ist der Anspruch der Rahmenpläne<br />

auf eine umfassende Förderung<br />

aller Kompetenzen mit einem<br />

Medium zu verbinden, das von den<br />

Schülerinnen und Schülern hauptsächlich<br />

Zuhören und Zuschauen verlangt?<br />

Welche Medienkompetenz genau wird<br />

durch das Whiteboard im Klassenraum<br />

entwickelt? Gibt es eine Didaktik des<br />

Mediums, die genau das untersucht?<br />

Sollte nicht jedes Medium immer entsprechend<br />

eines didaktischen Zieles<br />

eingesetzt werden und nicht umgekehrt<br />

nach dem Motto: Es gibt jetzt Whiteboards,<br />

also müssen wir unsere Partnerlosungen,<br />

Spielstände, Lernspiele und<br />

Präsentationen mit dem Whiteboard<br />

durchführen. Wird im Rahmen einer<br />

didaktisch-methodischen Diskussion<br />

zum Einsatz der Whiteboards an der<br />

<strong>Grundschule</strong> die Qualität des Unterrichts<br />

evaluiert? Beispielsweise könnte<br />

die effektiv ausgenutzte Lernzeit untersucht<br />

werden. Geht eventuell nicht verhältnismäßig<br />

viel Lernzeit für die »Spielereien«<br />

am Smartboard bzw. auch den<br />

unsachgemäßen Gebrauch oder einfach<br />

technische Pannen verloren? Wodurch<br />

genau wird die geforderte Qualitätssteigerung<br />

im Unterricht durch den Einsatz<br />

der Whiteboards erreicht?<br />

Eine Didaktik der Medienkompetenz<br />

sollte doch von der Erfahrungswelt des<br />

(Grundschul-)Kindes her gedacht werden,<br />

wie zum Beispiel der Umgang mit<br />

Smartphones, Internet, sozialen Netzwerken<br />

etc., und nicht von den Möglichkeiten<br />

eines Präsentationsmediums,<br />

das unter anderem für die Managerschulung<br />

entwickelt wurde.<br />

3. Zur Nachhaltigkeit<br />

Insbesondere vor dem Hintergrund<br />

der hochgesteckten Klimaschutzziele<br />

ist zu fragen, in welchem Umfang sich<br />

der CO 2 -Ausstoß einer Stadt erhöht, die<br />

sämtliche Kreidetafeln (mit Null CO 2 -<br />

Ausstoß) durch Whiteboards ersetzt.<br />

Das Attribut »kreidefrei« klingt so sauber,<br />

aber rechtfertigt der Nutzen dieser<br />

Whiteboards tatsächlich den steigenden<br />

Stromverbrauch um ein Vielfaches?<br />

Zunächst werden die Bezirke durch die<br />

Kosten des um den Faktor X steigenden<br />

Stromverbrauches belastet. Weiter<br />

gedacht, die nächsten Generationen,<br />

die wiederum unter den Folgen eines<br />

zusätzlichen CO 2 -Ausstoßes zu leiden<br />

haben.<br />

In unserem Unterricht sollen wir<br />

den Schülerinnen und Schülern den<br />

Gedanken der Nachhaltigkeit vermitteln.<br />

Inwieweit wird bzw. wurde bei der<br />

Erstellung des Masterplans berücksichtigt,<br />

welche globalen Auswirkungen mit<br />

der Fabrikation von x Whiteboards und<br />

deren Nachfolgemodellen verbunden<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>123</strong> • September 2013<br />

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