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OPAC 2015 03

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filmtipps<br />

von Gregor Neuböck<br />

Winterschlaf (Originaltitel: „Kış Uykusu“)<br />

Nuri Bilge Ceylan<br />

ZeynoFilm, 2014.<br />

196 Minuten, ab 12 Jahren.<br />

Mein Herz tanzt<br />

Eran Riklis<br />

Riva Filmproduktion GmbH, 2014.<br />

104 Minuten, ab 6 Jahren.<br />

Der türkische Regisseur Nuri Bilge schuf mit Winterschlaf<br />

„...ein hinreißend schönes Opus<br />

Magnus, das fraglos als am wenigsten langweiliger<br />

196-Minuten-Film aller Zeiten durchgeht...“<br />

(Justin Chung, Variety).<br />

Der Film spielt in in den Bergen Kappadokiens.<br />

Entgegen der Erwartungen landschaftlich beeindruckende<br />

Aufnahmen serviert zu bekommen, dominieren<br />

nicht die beeindruckenden Landschaften<br />

Kappadokiens, sondern in warme Farben eingetauchte<br />

Innenraumaufnahmen mit vielschichtigen<br />

Diskussionen der Protagonisten.<br />

Der schon ältere Schauspieler Aydin (Haluk Bilginer)<br />

besitzt ein Hotel in Zentralanatolien und lebt<br />

dort mit seiner geschiedenen Schwester Necla<br />

(Demet Akbag) und seiner deutlich jüngeren Frau<br />

Nihal (Melisa Sozen). Obwohl Aydin ohne Zweifel<br />

ein Kotzbrocken ist, wird er im Film als weltoffen<br />

dargestellt. Er unterhält sich gerne mit seinen internationalen<br />

Gästen über schöngeistige Themen,<br />

gleichzeitig wird aber auch seine Ausbeutermentalität<br />

sichtbar und schon bald brechen die ersten<br />

Konflikte auf.<br />

Rasch zeigt sich, dass Aydin ein überheblicher<br />

Mensch ist. Die Gegenüberstellung charakterlicher<br />

Eigenschaften prägt wichtige Teile des Films.<br />

Aydin mit seinem Egoismus und seiner Art von<br />

oben herab, dagegen seine lethargische aber dennoch<br />

schlagfertige Schwester oder seine altruistisch<br />

veranlagte Frau.<br />

Die gegenseitige Ablehnung der Personen mündet<br />

oftmals in wahren Streitsymphonien. Trotzdem<br />

schafft es der Film jeder der Personen ihren<br />

Raum zu geben und die einzelnen Stereotype wieder<br />

aufzulösen. Personen werden in ihrer Komplexität<br />

dargestellt und weder vollständig gedemütigt<br />

noch triumphiert jemand zu hundert Prozent.<br />

Durch elegante Ausweichmanöver schafft es der<br />

Film dritte/andere Wege aufzuzeigen. Ganz allgemein<br />

stellt „Winterschlaf“ viel mehr Fragen als er<br />

Antworten gibt – und das ist gut so.<br />

Eran Riklis hat mit seinem Film einen völlig anderen<br />

Zugang zum israelisch-palästinensischen<br />

Konflikt aufgezeigt. Als Basis diente der halbbiographische<br />

Roman Sayed Kashuas aus dem Jahre<br />

2002. Riklis und Kashua schrieben gemeinsam<br />

das Drehbuch zu diesem Film. Niemals verletzend<br />

oder Vorurteile transportierend, versucht der Film<br />

eher Fragen zu stellen als Antworten zu geben.<br />

Im Zentrum des Films steht das Leben Eyad’s. Im<br />

Laufe seiner Kindheit entdeckt er plötzlich, dass<br />

sein Vater in einem früheren Leben Terrorist war.<br />

Da kann es angesichts der kindlichen Naivität<br />

schon zu unangenehmen Situationen für den kleinen<br />

Eyad kommen, wenn er in der Schule als Beruf<br />

seines Vaters Terrorist angibt.<br />

Gleichzeitig tauchen immer wieder Filmsequenzen<br />

voller Witz und Charme auf, wenn z.B. der Vater<br />

versucht die Antenne für seinen Fernseher gemeinsam<br />

mit seinen 3 Söhnen einzustellen. Witzig<br />

geführte Dialoge und kongeniale Kameraeinstellungen<br />

machen diese triviale Szene zu einem filmischen<br />

Hochgenuss.<br />

Mit zunehmendem Alter schlägt Eyad immer<br />

mehr die Ablehnung des israelischen Staates entgegen<br />

– er bekommt in vielfältiger Weise das Urmisstrauen<br />

des israelischen Staates zu spüren.<br />

Dank seiner guten Noten schafft er es auf eine israelische<br />

Eliteschule. Dort verliebt er sich in eine<br />

junge israelische Klassenkameradin. Niemand darf<br />

dies erfahren – es wäre das Ende seiner Karriere.<br />

Nur bei einem ehemaligen Schulkameraden, der<br />

an multipler Sklerose leidet, findet er echte Anerkennung.<br />

Zwischen Ausgrenzung und einmaliger Chance<br />

sucht der Protagonist seinen Weg im Leben.<br />

Ein toller Film mit einem optimistischen Plädoyer<br />

für eine friedliche Koexistenz von Palästinensern<br />

und Israelis.<br />

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