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mole #2

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konkret bedeutet. Auch kann<br />

man genau hier eine grundlegende<br />

Gesellschaftskritik<br />

und Verweise auf die deutsche<br />

Vergangenheit setzen, und<br />

ihre aktuelle Neuschreibung<br />

problematisieren. Ziel einer<br />

solchen antinationalen Mobilisierung<br />

muss sein, die deutsche<br />

Staatlichkeit, ihre Feierlichkeiten<br />

und deutsch-positive<br />

Positionen, als bewusste<br />

politische Entscheidung zu<br />

markieren und zu kritisieren.<br />

Staatstragende, nationalismuskritische<br />

und deutschtümliche<br />

Haltungen in linken Millieus,<br />

Szenen und Bewegungen<br />

sollten im antinationalen<br />

und antiautoritären Sinne<br />

zum offenen Vaterlandsverrat<br />

zugespitzt werden.<br />

Wenn der deutsche Staat<br />

ein nationalistisches Event<br />

organisiert, welches nicht nur<br />

begeisterte Staatsbürger*innen<br />

bedient, sondern gerade auch<br />

Jugendliche anlockt, kann<br />

ein antinationaler Protest mit<br />

Eventcharakter ein Gegenangebot<br />

schaffen, welches<br />

Menschen, die noch keine<br />

gefestigte Kritik am deutschen<br />

Staat haben, in ihrem Unwohlsein abholt.<br />

Gleichzeitig können Linke und „Szeneneulinge“<br />

damit konfrontiert werden, dass es eben nicht<br />

genügt, irgendwie gegen Nationalismus zu sein,<br />

sondern der Einheitsfeierlichkeit und ihren<br />

Akteur*innen mit ihrem Extremismusgeschwafel,<br />

ihrer bierseeligen Gemeinschaft, Blaulichtmeile<br />

und Bundeswehrpropaganda, also dem,<br />

was Deutschland ausmacht, seiner Verfasstheit<br />

und seiner nationalsozialistischen Vergangenheit<br />

unversöhnlich gegenüberzustehen.<br />

Deutschland geht wie mit der Axt im europäischen<br />

Walde vor, um seine Nachbarstaaten und<br />

Exportabnehmer innenpolitische auf ähnliche<br />

politisch-ökonomische Standards wie Hart IV,<br />

Lohndrückerei und Spätrente zu trimmen. Dass<br />

diese Maßnahmen rein pragmatisch sind, weil<br />

Deutschland nur durch Europa hoch hinaus auf<br />

dem Weltmarkt kann, ist keine linksradikale<br />

Verschwörungstheorie, sondern regelmäßiger<br />

Bestandteil der Reden deutscher Politiker*innen<br />

zur Europapolitik. Aus der Perspektive dieses<br />

konkreten Sachverhalts betrachtet, handelt es<br />

sich bei den Deutschlandfeierlichkeiten um<br />

den Ausdruck einer besonderen Perfidität<br />

und Selbstbeweihräucherung einer Nation<br />

und seiner Regierung, die in Europa derzeit<br />

zurecht den Hass in sozialen Proteste schürt.<br />

Eine solche Haltung ist die Grundlage einer<br />

Bewegung, die eben nicht Nationalismus als<br />

politisches Extrem begreift und ein irgendwie<br />

linkeres oder sozialeres Deutschland fordert,<br />

sondern harsche Kritik an Deutschland, mit<br />

transnationaler Solidarität, ohne Rücksicht<br />

auf deutsche Standortinteressen, zu einer<br />

kommunistischen Praxis verbindet, damit der<br />

nächste von „deutschen“ Bewegung ausgehende<br />

Versuch den Kapitalismus zu überwinden,<br />

sich nicht in Staatsozialismus oder mörderischer<br />

Volksgemeinschaft ausdrückt.<br />

Zudem ist der Protest gegen das Deutschlandfest<br />

nicht weniger als die Pflicht einer ernstgemeinten,<br />

internationalen Solidarität. Überall, wo<br />

Merkel einen Staatsbesuch tätigt, werden höchste<br />

Sicherheitsmaßnahmen<br />

getroffen, um eine der<br />

eifrigsten Anheizerinnen<br />

der „Austerity Policy“<br />

in Europa hermetisch<br />

vor Demonstrant*innen<br />

abzuriegeln. Diese<br />

greifen zwar mitunter zur<br />

stumpfesten aller Arten<br />

der Denunziation und inszenieren Merkel als<br />

neuen Hitler bzw. als Nazi-Führerin ‒ ohne<br />

Zweifel ist diese Symbolik unangebracht<br />

‒ dennoch bringen sie eins auf den Punkt:<br />

16<br />

Die Einheitsfeierlichkeiten<br />

finden also nicht trotz,<br />

sondern wegen der<br />

deutschen Geschichte statt.

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