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mole #2

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Es gibt nicht mehr „das<br />

Eine“ Subjekt, und das<br />

ist es, was wir von der<br />

Neuen Linken und aus der<br />

postmodernen Wende<br />

lernen können.<br />

Form der bürgerlichen Gesellschaft denn als<br />

„post-bürgerliche“ verstehen. Andererseits ist<br />

Postone (rückblickend) gegen die Bolschewiki<br />

Lenins und Trotzkis in der Oktoberrevolution,<br />

während Adorno und andere der<br />

„Frankfurter Schule“ sie befürworteten.<br />

Postone bezeichnet eine derartige<br />

Unterstützung als eine Kombination<br />

aus theoretischer Blindheit und<br />

historischer Beschränktheit, die sich<br />

in der Unreife der Produktionsmittel,<br />

als auch der Produktionsverhältnisse,<br />

für den Sozialismus äußert. Der<br />

Charakter dieses „Fortschritts“ – der<br />

eigentlich ein Rückschritt war – des<br />

Kapitalismus im 20. Jahrhundert<br />

wäre in diesem Fall die Fortsetzung des<br />

Widerspruchs der Arbeitskraft als Ware und<br />

die politische Sinngebung dieses Widerspruchs.<br />

Das Proletariat müsste sich nicht bloß „objektiv“<br />

(ökonomisch), sondern politisch und somit<br />

subjektiv konstituieren. Die Warenform des<br />

Wertes der Arbeit müsste durch politische<br />

Praxis konstituiert werden. Doch eine derartige<br />

Praxis heute, wie zu jeder Zeit seit der<br />

Industriellen Revolution, würde den Selbstwiderspruch<br />

der Warenform offenbaren.<br />

Die Frage ist, was eine „soziale Beziehung“<br />

konstituiert? Sie muss als eine sich entwickelnde<br />

soziale Praxis in der Geschichte thematisiert<br />

werden, statt als feststehendes Faktum. Postone<br />

thematisiert sie ökonomisch, aber nicht politisch.<br />

Darin folgt er Marxens Kapital, welches<br />

allerdings unabgeschlossen blieb und folglich<br />

nicht bis auf die Ebene der Politik gehoben<br />

wurde – als ob Marx niemals etwas geschrieben<br />

habe, was auf seine politischen Ideen hingewiesen<br />

hätte. Ja, die Frage ist, nach Postone, nicht<br />

die nach der Existenz der Kapitalisten-Klasse<br />

(das Privateigentum an Produktionsmitteln),<br />

sondern die Existenz des Proletariats, als Klasse<br />

jener Menschen, die durch die soziale Praxis<br />

der Lohnarbeit mit den Produktionsmitteln<br />

in Beziehung stehen. Diese Klasse existiert<br />

weiterhin objektiv (ökonomisch), doch die<br />

Frage ist, wie sie heute politisch vermittelt ist.<br />

Leben wir immer noch im Kapitalismus?<br />

James Heartfield hat aufgezeigt, dass die<br />

heutige „Linke“ marxistische Kategorien wie<br />

„Klasse“ als „objektiv“ betrachtet. Dies hat den<br />

Einfluss von Politik, die sich auf Kapitalismus<br />

bezieht, zum Verschwinden gebracht. Wenn<br />

die Arbeiterklasse aufgehört hat sich als Klasse<br />

„für-sich“ zu konstituieren, also subjektiv,<br />

dann hat dies einen generellen Einfluss auf<br />

Politik.5 Überdies bedeutet es, dass die Arbeiterklasse<br />

nicht einmal mehr als Klasse „an-sich“<br />

konstituiert ist, also objektiv. Für Marx war<br />

dort eine Subjekt-Objekt-Dialektik zugange<br />

– in dieser war die Subjektivität objektiv<br />

determiniert und die Objektivität subjektiv<br />

determiniert, in der Praxis –, und zwar im<br />

Kampf der Arbeiterklasse für den Sozialismus.<br />

Marx hat aufgezeigt, dass die Arbeiterklasse<br />

nach der Industriellen Revolution ihre Arbeitskraft<br />

einzig kollektiv als Ware konstituieren<br />

kann. Marx hat ebenfalls aufgezeigt, dass die<br />

Kapitalisten- Klasse als solche einzig in Opposition<br />

zu der kollektiven Inanspruchnahme<br />

des Werts der Arbeit durch die Arbeiterklasse<br />

konstituiert sei. Postone weist darauf hin, dass<br />

dies so ist, weil für Marx die Dynamik des<br />

Werts der Zeit der Arbeit jene der Gesellschaft<br />

als ganzer geworden sei. Für Marx geschehe<br />

das Feilschen um den an Zeit gemessenen<br />

Wert der Arbeitskraft nicht auf der Ebene<br />

der Gewerkschaften, in Einzel-Unternehmen<br />

oder sogar Industriegewerkschaften, die ganze<br />

Produktionsgebiete umfassen, sondern auf der<br />

gesellschaftlichen Ebene in Form des politischen<br />

Kampfes der Arbeiterklasse für Sozialismus.<br />

Ohne diesen Kampf für Sozialismus ist die<br />

Arbeiterklasse nicht als solche konstituiert und<br />

ebenso wenig die Kapitalisten-Klasse. Vielmehr<br />

hat sich Gesellschaft, wie Adorno es in der<br />

Mitte des 20. Jahrhunderts beobachtete, in einen<br />

Kampf von „rackets“ verwandelt und hat somit<br />

aufgehört „Gesellschaft“ im bürgerlichen Sinn<br />

zu sein. Politik war für Marx „Klassenkampf“<br />

– der Kampf für Sozialismus. Ohne diesen<br />

hört Politik, im Marx‘schen Sinn, auf zu sein.<br />

In diesem Sinne müssen wir uns mit der<br />

Frage auseinandersetzen, ob wir weiterhin<br />

im Kapitalismus leben, wie Marxisten ihn<br />

historisch verstanden haben. Ein Bewunderer<br />

Postones, Jamie Merchant des „Permanent<br />

Crisis“-Blogs, sprach mit Elmar Flatschart<br />

der Zeitschrift EXIT! und Alan Milchman von<br />

„Internationalist Perspective“ auf einer Platypus-Diskussion<br />

über Wertkritik. Im Folgenden<br />

meine Frage und die jeweiligen Antworten:<br />

Der Neoliberalismus hat möglicherweise<br />

die Erfahrung der Ära des Fordismus<br />

verschleiert, indem er sie fast schon<br />

esoterisch wiedergab, aber hat nicht der<br />

Fordismus selbst, sowie der nicht von ihm<br />

zu trennende Nationalismus noch tiefere<br />

Probleme des Kapitalismus verdeckt? Elmar,<br />

du warnst vor einer „Privilegierung“<br />

der Lohnarbeitenden als revolutionäres<br />

Subjekt, doch dadurch scheinst du den<br />

früheren Marxismus, in dem das Proletariat<br />

negativ charakterisiert wurde, mit<br />

dem Stalinismus und der Sozialdemokratie<br />

zu vermengen. Welches andere Subjekt<br />

könnte stattdessen die Selbstüberwindung<br />

des Kapitalismus „auf der Basis des<br />

Kapitalismus selbst“ manifestieren, wie<br />

Lenin sie in: Der „Linke Radikalismus“,<br />

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