physio-Journal I 3/2015
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FÜR DEN PRAXISALLTAG<br />
Tests und Assessmentinstrumente<br />
NORDISCHER FRAGEBOGEN<br />
Fragebogen über Beschwerden<br />
am Bewegungsapparat<br />
Was ist das?<br />
Der Nordische Fragenbogen zur Analyse von<br />
Muskel-Skelett-Symptomen (Nordic Musculoskeletal<br />
Questionnaire – NMQ) ist ein häufig<br />
verwendetes Instrument zur Erfassung<br />
und Einschätzung von muskuloskeletalen<br />
Beschwerden. Sein Einsatz dient vor allem<br />
der Beurteilung von Prävalenz (Lebenszeitprävalenz,<br />
12-Monats-P., Punktp.) und Dauer<br />
der Beschwerden (Legault et al., 2014).<br />
Bei seiner Entwicklung wurden ursprünglich<br />
zwei Hauptziele verfolgt: einerseits ein<br />
Screeninginstrument zu entwickeln, um arbeitsbedingte<br />
Belastungen und Beschwerden<br />
darstellen zu können und andererseits<br />
eine Unterstützung arbeitsmedizinisch tätiger<br />
Professionen anbieten zu können (Kourinka<br />
et al., 1987).<br />
Wie geht das?<br />
Der Nordische Fragebogen liegt in verschiedenen<br />
Versionen vor. Im Kern aber werden<br />
zwei Hauptbestandteile des Instruments unterschieden.<br />
Der erste Abschnitt fragt nach<br />
allgemeinen Informationen zur Person und<br />
zur jeweiligen Arbeitssituation. Außerdem<br />
werden neun Körperregionen hinsichtlich<br />
früherer oder aktueller Beschwerden abgefragt<br />
(siehe Infografik). Damit sollen Muskel-Skelett-Probleme<br />
aufgedeckt und den<br />
entsprechenden Körperarealen zugeordnet<br />
werden. Der zweite, spezifischere Teil des<br />
Instrumentes betrachtet die Regionen Nacken,<br />
Schultern und Rücken genauer. Hier<br />
werden die Dauer der Beschwerden sowie<br />
potentielle (arbeitsbedingte) Ursachen für<br />
Schmerzen abgefragt. Wenn in einer der<br />
genannten Regionen keine Probleme bestehen,<br />
kann dieser Teil des Fragebogens übersprungen<br />
werden (BAuA, 1999).<br />
Der Nordische Fragebogen kann sowohl<br />
als Selbstbeurteilungsinstrument als auch für<br />
Interviews genutzt werden. Die Beantwortung<br />
nimmt etwa 15–20 Minuten in Anspruch.<br />
In der Auswertung des Fragebogens ergeben<br />
sich Hinweise auf Beschwerden in verschiedenen<br />
Körperregionen sowie ein möglicher<br />
Bezug zu arbeitsbedingten Ursachen.<br />
Darauf aufbauend kann eine gezielte Therapie<br />
und Beratung hinsichtlich des Arbeitsplatzes<br />
vorgenommen werden.<br />
Wozu?<br />
Text: Silke Wolf<br />
Das Haupteinsatzgebiet des Nordischen Fragebogens<br />
ist nach wie vor die Arbeitsmedizin.<br />
Ursprünglich für die Anwendung in diesem<br />
Bereich entwickelt, stellt das Instrument<br />
eine international anerkannte Möglichkeit<br />
zur standardisierten Einschätzung des Gesundheitszustandes<br />
dar (AWMF, 2013).<br />
Aber auch der Einsatz im Praxisalltag ist<br />
möglich. Allerdings sollte der Fragebogen<br />
aufgrund des zeitlichen Aufwandes dann<br />
eher vom Patienten selbst bzw. außerhalb der<br />
Behandlungszeit beantwortet werden. Wei-<br />
INFOGRAFIK<br />
Nacken<br />
Schulter<br />
Oberer<br />
Rücken<br />
Hand<br />
Unterer Rücken,<br />
Kreuzregion<br />
Hüften<br />
Knie<br />
Füße,<br />
Unterschenkel<br />
Abgefragte Körperregionen im Nordischen Fragebogen<br />
(modifiziert nach: www.rueckenkompass.de)<br />
terhin hat eine französische Studie die Anwendung<br />
des Instrumentes bei Kindern und<br />
Jugendlichen untersucht. Die angepasste<br />
Version, der »Teen Nordic Musculoskeletal<br />
Screening Questionnaire (TNMQ-S)«, stellt<br />
eine gute Möglichkeit dar, auch Heranwachsende<br />
bezüglich muskuloskeletaler Beschwerden<br />
zu befragen (Legault et al., 2014).<br />
Zusammenfassung<br />
Der Nordische Fragebogen ist ein gut untersuchtes,<br />
international verwendetes Instrument<br />
zur subjektiven Erfassung und<br />
Beurteilung (arbeitsplatzbezogener) Muskel-<br />
Skelett-Beschwerden. Er kann als Screeninginstrument<br />
und zur Verlaufsdokumentation<br />
eingesetzt werden und ist (in veränderter<br />
Form) auch bei Kindern und Jugendlichen<br />
anwendbar. Die zusätzliche Anwendung<br />
von Schmerzskalen (bspw. Visuelle Analog<br />
Skala) und körperlichen Untersuchungen<br />
sind allerdings zur umfassenden Befunderhebung<br />
unentbehrlich. Auch die subjektive<br />
Beurteilung von psychischen Belastungen<br />
am Arbeitsplatz wird durch den Nordischen<br />
Fragebogen nicht abgedeckt.<br />
Weitere Informationen und eine deutsche<br />
Version des Instrumentes finden sich unter:<br />
www.rueckenkompass.de/methoden.<br />
Literatur<br />
AWMF (2013): S1-Leitlinie Körperliche Belastungen des<br />
Rückens durch Lastenhandhabung und Zwangshaltungen<br />
im Arbeitsprozess.<br />
BAuA (1999): Praxisorientiertes Methodeninventar zur Belastungs-<br />
und Beanspruchungsbeurteilung im Zusammenhang<br />
mit arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Erkrankungen.<br />
Barros de. E. N. C., Alexandre N. M. C. (2003): Cross-cultural<br />
adaptation of the Nordic musculoskeletal questionnaire.<br />
In: International Council of Nurses International Nursing<br />
Review 50: 101–108.<br />
Giberti C., Gallo F., Francini L., Signori A., Testa M. (2014):<br />
Musculoskeletal disorders among robotic surgeons:<br />
A questionnaire analysis. In: Archivio Italiano di Urologia<br />
e Andrologia 86(2): 95–98.<br />
Kuorinka B. et al. (1987): Standardised Nordic questionnaires<br />
for the analysis of musculoskeletal symptoms.<br />
Applied Ergonomics 18(3): 233–237.<br />
Legault É. Et al. (2014): Assessment of musculoskeletal<br />
symptoms and their impacts in the adolescent population:<br />
adaptation and validation of a questionnaire.<br />
BMC Pediatrics 14: 173.<br />
www.rueckenkompass.de/download_files/doc/Fragen-<br />
Nordischer.pdf (Zugriff am: 17.9.<strong>2015</strong>)<br />
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