RA 02/2016 - Entscheidung des Monats
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<strong>RA</strong> <strong>02</strong>/<strong>2016</strong><br />
Öffentliches Recht<br />
87<br />
damit der Verpflichtung, wesentliche <strong>Entscheidung</strong>en selbst zu treffen, zu<br />
genügen. […]<br />
[22] Im Ergebnis lässt der Senat diese Bedenken in dem vorliegenden<br />
Verfahren dahin stehen, weil ungeachtet <strong>des</strong>sen die Voraussetzungen für<br />
eine Inanspruchnahme <strong>des</strong> Antragstellers als Nichtstörer auf der Grundlage<br />
<strong>des</strong> § 11 Nds. SOG i. V. m. § 8 Nds. SOG nicht gegeben sind.“<br />
II. Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnungen<br />
Die Anordnungen erfolgten laut Sachverhalt formell rechtmäßig.<br />
III. Materielle Rechtmäßigkeit der Anordnungen<br />
Die Anordnungen sind materiell rechtmäßig, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen<br />
<strong>des</strong> § 11 Nds. SOG erfüllt sind und das durch die Norm eröffnete<br />
behördliche Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde.<br />
1. Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung<br />
Gem. § 11 i.V.m. § 2 Nr. 1a) Nds. SOG muss eine Gefahr für die öffentliche<br />
Sicherheit oder Ordnung vorliegen.<br />
„[23] Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass eine drohende<br />
unfreiwillige Obdachlosigkeit eine Störung der öffentlichen<br />
Sicherheit und damit eine Gefahr i. S. d. §§ 11 und 2 Nr. 1 a Nds. SOG darstellt.<br />
[…] Die Antragsgegnerin hat in ausreichendem Umfang dargelegt, dass sie<br />
in absehbarer Zeit eine bisher nicht bestimmte bzw. näher bestimmbare<br />
Zahl von Flüchtlingen aufnehmen muss, für deren Unterbringung sie<br />
zuständig ist. […]“<br />
Demnach liegt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor.<br />
2. Verantwortlichkeit<br />
Als Adressat der behördlichen Maßnahme muss B für die beschriebene<br />
Gefahr verantwortlich sein. Eine Verhaltens- oder Zustandsverantwortlichkeit<br />
scheidet von vornherein aus, sodass B nur als Nichtverantwortlicher unter<br />
den Voraussetzungen <strong>des</strong> § 8 Nds. SOG in Anspruch genommen werden kann.<br />
Fraglich ist zunächst, ob die dafür erforderliche gegenwärtige erhebliche<br />
Gefahr gegeben ist, § 8 I Nr. 1 Nds. SOG.<br />
Jura Intensiv<br />
„[26] Die Unmittelbarkeit der Gefahr in Gestalt der Obdachlosigkeit von<br />
der Antragsgegnerin zugewiesenen Flüchtlingen lag bei Erlass <strong>des</strong> angefochtenen<br />
Beschlagnahmebeschei<strong>des</strong> der Antragsgegnerin nicht vor. Sie<br />
besteht auch zum Zeitpunkt der <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> Senats nicht. Dies zeigt<br />
sich bereits daran, dass selbst nach dem Beschwerdevorbringen der<br />
Antragsgegnerin in ihrem Stadtgebiet zurzeit noch freie Kapazitäten<br />
für die Unterbringung von Flüchtlingen bestehen. Zudem muss und will<br />
sie das streitgegenständliche Objekt mit eigenen Finanzmitteln - in einer<br />
Größenordnung von ihr in Höhe von 50.000 EUR angegeben, von dem<br />
Antragsteller hingegen auf 200.000 EUR geschätzt - in einem zeitlichen<br />
Rahmen von mehreren Wochen erst wieder bezugsfertig machen.<br />
Das geht in einer Klausur natürlich<br />
nicht, dort muss eine <strong>Entscheidung</strong><br />
erfolgen (s. dazu unten das Fazit).<br />
Den Verwaltungsbehörden in Niedersachsen<br />
entsprechen in anderen<br />
Bun<strong>des</strong>ländern die Ordnungsbehörden,<br />
Ortspolizeibehörden oder<br />
Sicherheitsbehörden.<br />
§ 2 Nds. SOG:<br />
“Im Sinne dieses Gesetzes ist<br />
1. a) Gefahr:<br />
eine konkrete Gefahr, das heißt eine<br />
Sachlage, bei der im einzelnen Fall<br />
die hinreichende Wahrscheinlichkeit<br />
besteht, dass in absehbarer Zeit<br />
ein Schaden für die öffentliche<br />
Sicherheit oder Ordnung eintreten<br />
wird;<br />
[…]“<br />
Genau genommen sind die Rechte<br />
<strong>des</strong> Flüchtlings aus Art. 2 II 1 GG bzw.<br />
zumin<strong>des</strong>t aus Art. 1 I 1, 20 II GG<br />
(Anspruch auf menschenwürdige<br />
Unterkunft) gefährdet.<br />
§ 8 Nds. SOG:<br />
„(1) Die Verwaltungsbehörden und<br />
die Polizei können Maßnahmen<br />
gegen andere Personen als die nach<br />
§ 6 oder 7 Verantwortlichen richten,<br />
wenn<br />
1. eine gegenwärtige, erhebliche<br />
Gefahr abzuwehren ist,<br />
2. Maßnahmen gegen die nach § 6<br />
oder 7 Verantwortlichen nicht oder<br />
nicht rechtzeitig möglich sind oder<br />
keinen Erfolg versprechen,<br />
3. die Verwaltungsbehörde oder die<br />
Polizei die Gefahr nicht oder nicht<br />
rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte<br />
abwehren kann […].<br />
(2) Die Maßnahmen nach Absatz 1<br />
dürfen nur aufrechterhalten werden,<br />
solange die Abwehr der Gefahr nicht<br />
auf andere Weise möglich ist.“