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Balanceakt – berufsbegleitendes Studieren

Zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Privatleben Arbeitnehmerkammer Bremen

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BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Für den kaufmännischen Bereich werden<br />

unterschiedliche Erfahrungen geschildert.<br />

Ein Befragter beschreibt anschaulich,<br />

wie der Versuch, das Studium mit<br />

seinem Beruf zu vereinbaren, zu einer<br />

zu großen Belastung für ihn wurde.<br />

Er berichtet zwar von Unterstützung<br />

durch seinen Vorgesetzten, jedoch auch<br />

davon, seit Beginn des Studiums nur<br />

noch Hilfstätigkeiten zu bekommen.<br />

Womöglich macht er sich Sorgen darum,<br />

seine im Betrieb erarbeitete Position zu<br />

verlieren. Darüber hinaus muss er für die<br />

Präsenzveranstaltungen Urlaub nehmen.<br />

Auch die hohen Studiengebühren muss<br />

der Student selbst tragen. Der Befragte<br />

berichtet, wie die fehlende finanzielle<br />

Unterstützung zu einer zunehmenden<br />

Belastung wurde: ›Dadurch, dass ich […]<br />

von meiner Firma nicht unterstützt werde,<br />

also weder finanziell noch über Zeitausgleich<br />

oder sonst irgendwas, musste<br />

ich mir halt wirklich für die Tage, die<br />

ich hier an der Uni war oder bin, freinehmen.<br />

[…] Das waren letztes Jahr unter<br />

der Woche 30 Tage und die habe ich<br />

alle komplett durch Überstunden quasi<br />

abgeleistet, sprich ich habe diese 30 Tage<br />

irgendwann nebenbei vorgearbeitet, um<br />

sie dann abzubauen, und während ich sie<br />

abgebaut habe, saß ich dann halt hier in<br />

der Uni und dann kamen noch die Tage<br />

dazu, in denen ich am Wochenende hier<br />

war, weil wir auch samstags und sonntags<br />

dann Vorlesungen haben. Und ja, das<br />

wurde dann letztendlich so viel‹ (I3).<br />

Dieser Fall verdeutlicht, dass die Unterstützung<br />

des Arbeitgebers <strong>–</strong> zum Beispiel<br />

über flexible Arbeitszeitmodelle oder<br />

längerfristige Bildungszeitkonten <strong>–</strong> zentral<br />

ist, um ein Studium neben dem Beruf<br />

bewältigen zu können. Ist dies nicht<br />

der Fall, so müssen Freizeit und Urlaub,<br />

Zeiten, die eigentlich für die Erholung<br />

gedacht sind, für das Studium geopfert<br />

werden. Auch die hohen Studiengebühren<br />

werden als Belastung empfunden,<br />

wenn der Arbeitgeber keine finanzielle<br />

Unterstützung anbietet. Dies ist sowohl<br />

bei dem eben genannten Studenten als<br />

auch bei den zwei Studentinnen aus den<br />

Sozial- und Pflegeberufen der Fall.<br />

Zwei andere <strong>Studieren</strong>de aus kaufmännischen<br />

Berufsgruppen erfahren hingegen<br />

Unterstützung durch ihren Arbeitgeber.<br />

Sie beschreiben eine finanzielle und<br />

organisatorische Förderung durch ihren<br />

direkten Vorgesetzten, die mit dem<br />

Studiengang und seinen Inhalten aus<br />

eigener Erfahrung vertraut sind und sich<br />

daher mit dem Studienwunsch positiv<br />

identifizieren können. Die <strong>Studieren</strong>den<br />

können ihre Arbeitszeiten flexibel organisieren,<br />

bei Bedarf kurz ihren Arbeitsplatz<br />

verlassen und selbstständig ihr Arbeitsumfeld<br />

organisieren. Außerdem bewerten<br />

sie Ratschläge von Kolleginnen und<br />

Kollegen als hilfreich für das Studium.<br />

Gleichzeitig erlegen sich beide auf, am<br />

Arbeitsplatz nicht zu häufig über ihr<br />

Studium zu sprechen, um im Kollegenkreis<br />

keinen Anlass für Neid und Konkurrenz<br />

zu geben. Insgesamt bewerten<br />

sie die Vereinbarkeit <strong>–</strong> wenn der Alltag<br />

auch als sehr anstrengend bezeichnet<br />

wird <strong>–</strong> besser als die anderen <strong>Studieren</strong>den.<br />

Dies kann wohl vor allem auf die<br />

Unterstützung und das Verständnis des<br />

Arbeitgebers zurückzuführen sein. Möglicherweise<br />

hängt die Empfindung jedoch<br />

auch mit eigenen Leistungsansprüchen<br />

und starker Aufstiegsorientierung in der<br />

<strong>Studieren</strong>dengruppe zusammen.<br />

<strong>Studieren</strong>de aus technischen Berufen<br />

erfahren in unserem Sample kaum Unterstützung<br />

durch ihren Arbeitgeber und<br />

sind dadurch mit zahlreichen Hindernissen<br />

konfrontiert. Ein Student beschreibt,<br />

dass er ›immer mal so ein paar Steine in<br />

den Weg geworfen bekommt, wie zum<br />

Beispiel dieses Entgegenkommen der<br />

Freischichten oder Ähnliches für Unterricht.<br />

Was bei anderen Kollegen vielleicht<br />

dann schon mal eher geht, geht dann<br />

bei mir nicht unbedingt‹ (I2). Er selbst<br />

führt das Verhalten seines Vorgesetzten<br />

darauf zurück, dass dieser von seinen<br />

alternativen beruflichen Plänen weiß. In<br />

der Konsequenz muss der hier zitierte<br />

Schichtarbeiter Urlaub nehmen, wenn<br />

es für das Studium notwendig ist. In<br />

Spätschichtwochen kann er jedoch an<br />

Nachmittagsveranstaltungen nicht teilnehmen.<br />

Professoren reagierten bisher<br />

aber sehr flexibel auf diese Umstände<br />

und können dadurch das Vereinbarkeitsproblem<br />

leicht abmildern.

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