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Balanceakt – berufsbegleitendes Studieren

Zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Privatleben Arbeitnehmerkammer Bremen

Zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Privatleben
Arbeitnehmerkammer Bremen

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Schriftenreihe der Arbeitnehmerkammer Bremen<br />

1|2016<br />

1<br />

<strong>Balanceakt</strong><br />

<strong>berufsbegleitendes</strong><br />

<strong>Studieren</strong><br />

Zur Vereinbarkeit von Beruf,<br />

Studium und Privatleben<br />

Studie<br />

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Herausgeber<br />

Arbeitnehmerkammer Bremen<br />

Bürgerstraße 1<br />

28195 Bremen<br />

Telefon 0421·36301-0<br />

Problem<br />

Telefax 0421·36301-89<br />

Ausbildungsabbruch<br />

info@arbeitnehmerkammer.de<br />

www.arbeitnehmerkammer.de<br />

Redaktion<br />

Susanne Hermeling<br />

Elke Heyduck<br />

Lektorat<br />

Martina Kedenburg<br />

Gestaltung<br />

Designbüro Möhlenkamp & Schuldt, Bremen<br />

Fotos<br />

Kay Michalak<br />

Druck<br />

Girzig & Gottschalk, Bremen<br />

Abgeschlossen zum Februar 2016<br />

VerfasserINNEN/VERFASSER<br />

Dr. Petra Boxler,<br />

Akademie für Weiterbildung<br />

der Universität Bremen<br />

Dr. Claudia Fenzl,<br />

Institut für Technik und Bildung<br />

der Universität Bremen<br />

Dr. Walburga Freitag,<br />

Deutsches Zentrum für Hochschulund<br />

Wissenschaftsforschung<br />

Dr. Julia K. Gronewold,<br />

Institut für Berufspädagogik<br />

und Erwachsenenbildung<br />

der Universität Hannover<br />

Jessica Heibült,<br />

Zentrum für Arbeit und Politik (zap)<br />

Susanne Hermeling,<br />

Referentin für Bildungspolitik,<br />

Arbeitnehmerkammer Bremen<br />

Stefanie Hiestand,<br />

Institut für Berufspädagogik und<br />

Erwachsenenbildung<br />

der Universität Hannover<br />

Paul Naujoks,<br />

Student im Master Sozialpolitik<br />

der Universität Bremen<br />

Dr. Roland Tutschner,<br />

Institut für Technik und Bildung<br />

der Universität Bremen


1<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Inhalt<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2<br />

3<br />

4<br />

6<br />

7<br />

12<br />

13<br />

20<br />

21<br />

32<br />

33<br />

48<br />

64<br />

65<br />

Vorwort<br />

Dank<br />

Einleitung<br />

Schritte zur Öffnung der Hochschulen<br />

Debatte<br />

Studie ›Berufsbegleitendes <strong>Studieren</strong> in Bremen‹<br />

Zentrale Thesen, empirische Datengrundlage<br />

und methodisches Vorgehen<br />

Die Perspektive von Hochschulen<br />

Qualitative Experteninterviews<br />

Die Perspektive von <strong>Studieren</strong>den<br />

Qualitative Interviews<br />

Quantitative Befragung<br />

Die Perspektive von Betrieben<br />

Qualitative Experteninterviews<br />

6<br />

7<br />

72<br />

76<br />

77<br />

80<br />

84<br />

91<br />

100<br />

101<br />

106<br />

Literaturverzeichnis<br />

Expertinneninterviews und Ergebnisse aus Forschungsprojekten<br />

Die Herausforderung Studienangebote für Berufstätige umzusetzen<br />

Interview mit Dr. Petra Boxler<br />

Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge<br />

Interview mit Dr. Walburga Freitag<br />

Zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer<br />

Bildung <strong>–</strong> Konzeption und Durchführung eines berufsbegleitenden<br />

Studiengangs an der Universität Bremen<br />

›Arbeiten, Lernen und Leben in Balance?!‹ <strong>–</strong> Instrumente<br />

für Betriebe zur Verbesserung von Life-Learn-Work-Balance<br />

Handlungsfelder und Informationen<br />

Handlungsfelder<br />

Informationen zur Studienfinanzierung


2<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Vorwort<br />

Es gibt für Arbeitnehmerinnen und<br />

Arbeitnehmer viele gute Gründe, einen<br />

ersten oder einen höheren Hochschulabschluss<br />

zu erwerben. Ein Studium<br />

kann sich etwa durch verbesserte Arbeitsmarktchancen,<br />

größere Gestaltungsspielräume<br />

bei der Arbeit, persönliche<br />

Weiterentwicklung oder ein höheres<br />

Einkommen auszahlen. Garantien für ein<br />

erfolgreiches Studium und anschließende<br />

Karrierechancen gibt es jedoch nicht. Die<br />

Unterbrechung der Berufstätigkeit für ein<br />

Vollzeitstudium stellt daher immer ein<br />

Risiko dar, das nur wenige auf sich nehmen<br />

wollen oder können. Hinzu kommt,<br />

dass für weiterbildende Studienangebote<br />

auch an staatlichen Hochschulen in der<br />

Regel das Geld für Studiengebühren aufgebracht<br />

werden muss. Für berufstätige<br />

Studieninteressierte ist also oft die erste<br />

Frage, wie kann ich meinem Beruf, einem<br />

Studium und meinem privaten Umfeld<br />

gleichzeitig gerecht werden. Diese grundsätzliche<br />

Frage nach der ›Vereinbarkeit‹<br />

zentraler Lebensbereiche steht daher im<br />

Mittelpunkt der hier von der Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen und dem Zentrum<br />

für Arbeit und Politik der Universität<br />

Bremen vorgelegten Studie.<br />

Uns ist daran gelegen, in dieser Veröffentlichung<br />

die Probleme und Bewältigungsstrategien<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>der<br />

darzustellen. Diese stehen immer in<br />

Zusammenhang mit unterschiedlichen<br />

Rahmenbedingungen an Hochschulen,<br />

in Betrieben und in der privaten Sphäre.<br />

Für die Verbesserung von Rahmenbedingungen<br />

für <strong>berufsbegleitendes</strong> <strong>Studieren</strong><br />

setzen wir uns ein und möchten unter<br />

anderem mit dieser Publikation in den<br />

Austausch mit Hochschulen, Betrieben,<br />

Politik und Verwaltung treten.<br />

Peter Kruse ingo Schierenbeck Prof. Dr. Andreas Klee<br />

Präsident Hauptgeschäftsführer Direktor Zentrum<br />

für Arbeit und Politik


3<br />

STUDIE<br />

Dank<br />

Unser großer Dank geht an die Studiengangsverantwortlichen<br />

an Hochschulen,<br />

die sich neben ihren umfangreichen<br />

Aufgaben in Forschung und Lehre, die<br />

Zeit genommen haben, unsere Fragen zu<br />

beantworten und den Kontakt zu berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den herzustellen.<br />

Ohne ihre Unterstützung hätten wir<br />

unsere Studie nicht durchführen können.<br />

Herzlich danken wir auch den <strong>Studieren</strong>den,<br />

die trotz eines, in der Regel chronischen,<br />

Zeitmangels, offen und vertrauensvoll<br />

über ihre Erfahrungen berichteten<br />

und unseren Fragebogen ausfüllten. Ihre<br />

Perspektive bildet das Herzstück unserer<br />

Studie.<br />

Personalentwicklerinnen und Personalentwickler<br />

aus drei Betrieben haben uns<br />

ihre Sicht geschildert und damit unsere<br />

Analyse wesentlich bereichert. Ein herzliches<br />

Dankeschön an die Kolleginnen und<br />

Kollegen!<br />

Nicht zuletzt gebührt unser Dank den<br />

Expertinnen und Experten, die Ergebnisse<br />

ihrer Forschungsprojekte für unseren<br />

Bericht aufbereitet und aus ihren Praxisund<br />

Forschungserfahrungen berichtet<br />

haben. Ihre Beiträge bereichern die vorliegende<br />

Publikation in hohem Maß.


4<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Einleitung<br />

Im ersten Kapitel dieser Publikation<br />

werden die politischen Ziele und die<br />

praktischen Herausforderungen skizziert,<br />

die mit der Öffnung von staatlichen Hochschulen<br />

für Berufstätige verbunden sind.<br />

Deutlich wird, dass das Angebot an berufsbegleitenden<br />

Studiengängen bundesweit<br />

und im Land Bremen noch wenig ausdifferenziert<br />

ist, obwohl das Thema der offenen<br />

Hochschule einen hohen Stellenwert<br />

in der politischen Debatte einnimmt.<br />

Von dieser Ausgangslage eines relativ<br />

beschränkten Studienangebots, das die<br />

Bedürfnisse von Berufstätigen besonders<br />

berücksichtigt, werden im zweiten Kapitel<br />

die zentralen Fragestellungen der explorativen<br />

Studie von Arbeitnehmerkammer<br />

und Zentrum für Arbeit und Politik entwickelt.<br />

Dabei ist die leitende Frage die nach<br />

der Vereinbarkeit von Studium, Beruf und<br />

Privatleben. Die empirische Datengrundlage<br />

und das methodische Vorgehen in<br />

der Studie werden im Detail dargestellt.<br />

Die Auswertung von Interviews mit Hochschulangehörigen<br />

im dritten Kapitel zeigt<br />

beispielhaft, welche Konzepte und Ressourcen<br />

für die Ansprache und Betreuung<br />

von berufstätigen <strong>Studieren</strong>den genutzt<br />

werden und welche praktischen Probleme<br />

Studiengangsverantwortliche bei der Vereinbarkeit<br />

von Studium und Beruf beobachten.<br />

Die subjektiven Erfahrungen von<br />

<strong>Studieren</strong>den aus verschiedenen Berufsgruppen<br />

und Studiengängen sind Gegenstand<br />

der Auswertung einer quantitativen<br />

Befragung sowie qualitativer Interviews<br />

im vierten Kapitel. Wie entscheidend für<br />

den Studienerfolg neben den Studienbedingungen<br />

Arbeitszeitregelungen und<br />

weitere betriebliche Rahmenbedingungen<br />

sind, kristallisiert sich deutlich heraus.<br />

Im Ergebnis ist es meist der private Bereich,<br />

der den anderen Lebensbereichen<br />

Studium und Beruf untergeordnet wird.<br />

Ergänzend zu der <strong>Studieren</strong>denperspektive<br />

geben die Interviews mit Personalverantwortlichen<br />

aus drei Bremer Betrieben<br />

im fünften Kapitel beispielhafte Einblicke<br />

in konkrete betriebliche Abläufe. Auch<br />

Interessen an der Weiterqualifizierung<br />

von Beschäftigten und konkrete Unterstützungsmöglichkeiten<br />

für <strong>Studieren</strong>de<br />

seitens der Betriebe werden thematisiert.<br />

Im sechsten Kapitel werden in zwei<br />

Interviews mit Dr. Petra Boxler und Dr.<br />

Walburga Freitag die Felder der Studiengangsgestaltung<br />

und der Anrechnung<br />

beruflicher Kompetenzen diskutiert. Beide<br />

Felder sind zentral für die Erhöhung der<br />

Durchlässigkeit und eröffnen insbesondere<br />

Handlungsmöglichkeiten für Politik<br />

und Hochschulen. Im folgenden Beitrag<br />

von Dr. Claudia Fenzl und Dr. Roland<br />

Tutschner werden die Herausforderungen<br />

zur Integration eines berufsbegleitenden


5<br />

STUDIE<br />

Studienangebots in einen Regelstudiengang<br />

deutlich. Der vorgestellte Bachelorstudiengang<br />

des Instituts für Technik und<br />

Bildung ist bisher der einzige berufsbegleitende<br />

Bachelorstudiengang an einer<br />

staatlichen Hochschule in Bremen.<br />

Die Berufspädagoginnen Dr. Julia Gronewold<br />

und Stefanie Hiestand bewegen<br />

sich mit ihrem Forschungsprojekt der<br />

Hans-Böckler-Stiftung auf der betrieblichen<br />

Ebene. Die Autorinnen stellen ein<br />

neues Konzept von Vereinbarkeit dar, die<br />

›Work-Learn-Life-Balance‹. Im Rahmen<br />

des Forschungsprojekts wurden Instrumente<br />

zur Verbesserung von Arbeiten,<br />

Lernen und Leben entwickelt und in<br />

mittelgroßen Betrieben der IT-Branche<br />

getestet.<br />

Die im letzten Kapitel formulierten<br />

Handlungsfelder schlagen einen Bogen<br />

zwischen der explorativen Bremer Studie<br />

und der Expertise aus den Gastbeiträgen.<br />

Wo kann Politik auf Bundes- und Landesebene<br />

ansetzen, um <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

<strong>Studieren</strong> zu erleichtern? In welcher Form<br />

können Arbeitgeberverbände und Betriebe<br />

studierende Beschäftigte unterstützen<br />

und somit auch eigene Fachkräftebedarfe<br />

decken? Dass hier durchaus Möglichkeiten<br />

auf betrieblicher, hochschulischer<br />

und politischer Ebene bestehen, das berufsbegleitende<br />

Studium zu fördern, zeigt<br />

dieses Kapitel.


6<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Schritte zur Öffnung<br />

der Hochschulen<br />

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1


7<br />

STUDIE<br />

Debatte<br />

JESSICA HEIBÜLT<br />

SUSANNE HERMELING<br />

PAUL NAUJOKS<br />

Die Förderung berufsbegleitenden<br />

<strong>Studieren</strong>s und die Entwicklung von<br />

berufsbegleitenden Studienformaten<br />

sind zentrale Elemente einer weiteren<br />

›Öffnung der Hochschulen‹ für Studieninteressierte,<br />

die bereits im Berufsleben<br />

stehen. Für die Studienentscheidung ist<br />

die Frage der Vereinbarkeit von Studium,<br />

Beruf und Privatleben zentral. In dieser<br />

Publikation nehmen wir daher Erwerbstätige<br />

in den Blick, die während ihrer<br />

Berufstätigkeit erstmalig oder erneut ein<br />

Studium aufnehmen. 1<br />

Die beruflich qualifizierten <strong>Studieren</strong>den<br />

ohne Abitur <strong>–</strong> auch <strong>Studieren</strong>de<br />

des dritten Bildungsweges genannt <strong>–</strong>, die<br />

den Hochschulzugang über ihre berufliche<br />

Qualifikation erwerben, bilden eine<br />

relativ kleine Gruppe 2 unter den berufstätigen<br />

<strong>Studieren</strong>den. Dieser Gruppe gilt<br />

jedoch eine hohe politische Aufmerksamkeit<br />

im Rahmen der Öffnung der<br />

Hochschulen, obwohl grundsätzlich alle<br />

Berufstätigen mit oder ohne Abitur von<br />

der Entwicklung neuer Beratungs- und<br />

Studienangebote an staatlichen Hochschulen<br />

profitieren. Die Möglichkeit des<br />

berufsbegleitenden <strong>Studieren</strong>s ist jedoch<br />

für alle Berufstätigen relevant, und zwar<br />

unabhängig davon, ob diese eine schulisch<br />

erworbene Hochschulzugangsberechtigung<br />

besitzen oder nicht.<br />

Die Diskussion um die weitere Öffnung<br />

der Hochschulen erlebt laut Andrä<br />

Wolter 3 in den vergangenen Jahren aus<br />

verschiedenen Gründen Konjunktur.<br />

Arbeitsmarktpolitische Argumente<br />

gründen sich auf einen von Teilen der<br />

Wirtschaft und Politik befürchteten<br />

Fachkräftemangel. Arbeitgeber setzen<br />

sich für höhere Akademikerquoten als<br />

einem volkswirtschaftlichen Wettbewerbs-<br />

und Standortvorteil ein. 4 Der<br />

ehemalige Vorsitzende des arbeitgebernahen<br />

Arbeitskreises Hochschule / Wirtschaft<br />

des BDA, BDI und der HRK Thomas<br />

Sattelberger plädiert für die Öffnung der<br />

Hochschulen, ›um die Akademikerquote<br />

zu erhöhen‹ und so das volle Potenzial<br />

der ›Facharbeiter und Fachangestellten‹<br />

zu nutzen. 5 In einer Analyse des Referenz-<br />

Betriebs-Systems (RBS) des BIBB wurde<br />

außerdem deutlich, dass in Betrieben<br />

ein konkreter Bedarf nach Weiterbildungs-<br />

beziehungsweise Qualifizierungsmaßnahmen<br />

auf Hochschulniveau<br />

besteht. 6 Ein Fünftel aller Betriebe sah<br />

sich 2008 mit einem steigenden Bedarf<br />

wissenschaftlicher Qualifikationen ihres<br />

Personals konfrontiert. Überwiegend<br />

Kleinbetriebe sind darauf angewiesen,<br />

Stammpersonal weiterzubilden. Unternehmen<br />

mit mehr als 500 Beschäftigten<br />

können sowohl Neueinstellungen tätigen<br />

als auch ihre Beschäftigten weiterqualifizieren.<br />

Knapp 70 Prozent der befragten<br />

Betriebe favorisieren das berufsbegleitende<br />

Studium. 7<br />

Vor dem Hintergrund des demografischen<br />

Wandels wird, so Wolter 8 weiter,<br />

zudem langfristig eine sinkende Anzahl<br />

von Abiturientinnen und Abiturienten<br />

und damit auch niedrigere <strong>Studieren</strong>denzahl<br />

an Hochschulen prognostiziert.<br />

Hochschulen sollen sich deshalb in Zukunft<br />

vermehrt neue Zielgruppen <strong>–</strong> wie<br />

beruflich Qualifizierte und Berufstätige<br />

<strong>–</strong> erschließen. 9 Wolter räumt außerdem<br />

der Europäisierung der Bildungspolitik<br />

besonderen Einfluss auf das Thema der<br />

›Offenen Hochschule‹ ein. Im Rahmen<br />

der Bologna-Reform sollen Strukturen für<br />

lebenslanges Lernen im Hochschulkontext<br />

geschaffen werden, was wiederum<br />

neue flexible Bildungswege erfordert:<br />

›Das lebenslange Lernen umfasst den<br />

Erwerb von Qualifikationen, die Erweiterung<br />

von Wissen und Verständnis, die<br />

Aneignung neuer Fähigkeiten und Kompetenzen<br />

sowie die Unterstützung der<br />

Persönlichkeitsbildung. Voraussetzung<br />

für lebenslanges Lernen ist, dass Qualifikationen<br />

über flexible Bildungswege<br />

erworben werden können, darunter auch


8<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

im Teilzeitstudium oder berufsbegleitend.‹<br />

10<br />

Neben der Fachkräftedebatte steht<br />

auch das Thema der Chancengerechtigkeit<br />

<strong>–</strong> durch die nachholende Möglichkeit<br />

eines Studiums nach einer Berufsausbildung<br />

<strong>–</strong> auf der bildungspolitischen<br />

Agenda. 11 Auch darum stehen vor allem<br />

die <strong>Studieren</strong>den ohne Abitur im Fokus<br />

der Debatte.<br />

Hochschulzugang und Anrechnung<br />

beruflicher Kompetenzen<br />

Um Anpassungsprozesse der Hochschulen<br />

zu fördern, legte der Bund in den<br />

vergangenen Jahren vermehrt Programme<br />

und Initiativen auf. Die Anzahl<br />

berufsbegleitender Angebote soll erhöht<br />

und ein Studium für neue Zielgruppen<br />

attraktiver gestaltet werden. Zunächst<br />

wurde dafür auf struktureller Ebene der<br />

Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte<br />

ohne Abitur durch die Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) im Jahr 2009<br />

entscheidend erleichtert. 12 Alle Bundesländer<br />

haben seither entsprechende<br />

Regelungen in ihren Landeshochschulgesetzen<br />

getroffen.<br />

Anreize für die Aufnahme eines Studiums<br />

werden maßgeblich auch davon<br />

bestimmt, ob berufliche Kompetenzen<br />

auf ein Studium angerechnet werden<br />

können. Laut KMK-Beschluss des Jahres<br />

2002 können außerhochschulisch erworbene<br />

Kompetenzen auf bis zu 50 Prozent<br />

der Studienleistungen angerechnet<br />

werden. 13 Die Kann-Bestimmung der Anrechnung<br />

beziehungsweise Empfehlung<br />

führt dazu, dass einheitliche Vorgehensweisen<br />

und individuelle Anrechnungsverfahren<br />

kaum angewandt wurden. 14<br />

Im Rahmen der BMBF-Initiative ›ANKOM<br />

<strong>–</strong> Anrechnung beruflicher Kompetenzen<br />

auf Hochschulstudiengänge‹ wurden von<br />

2005 bis 2008 zwölf Entwicklungsprojekte<br />

an verschiedenen Hochschulen in<br />

Deutschland gefördert. 15 Unter der Projektleitung<br />

des Hochschul-Informations-<br />

Systems (HIS) haben unter anderem das<br />

Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB),<br />

aber auch der Verband der Ingenieure<br />

(VDI) mitgearbeitet. 16 In den Bereichen<br />

Gesundheit und Soziales, Ingenieurwissenschaften,<br />

Informationstechnologien<br />

sowie Wirtschaftswissenschaften wurden<br />

übertragbare Anrechnungsverfahren<br />

und -instrumente entwickelt, mit deren<br />

Hilfe beruflich erworbene Kompetenzen<br />

auf Bachelor- und Masterstudiengänge<br />

angerechnet werden können. 17 Die breite<br />

Anwendung der entwickelten Verfahren<br />

steht allerdings noch aus. Aus der Initiative<br />

ANKOM geht hervor, dass transparente<br />

Anrechnungswege schon bei der Entwicklung<br />

von Studiengängen berücksichtigt<br />

werden sollten. 18 Mit neueren Regelungen,<br />

die die Hochschulen dazu verpflichten,<br />

im Rahmen der Akkreditierung von<br />

Studiengängen Verfahren und Kriterien<br />

zur Anrechnung außerhochschulisch<br />

erworbener Kompetenzen zu entwickeln,<br />

wird sich voraussichtlich langfristig die<br />

vorausschauendere Praxis durchsetzen. 19<br />

Ein durchgängiges Problem bei<br />

Anrechnungsverfahren ist es, genau zu<br />

definieren, was beruflich erworbene<br />

Kompetenzen sind. Eine Mehrheit der<br />

befragten Betriebe des Referenz-Betriebs-<br />

Systems befürwortet die Anrechnung<br />

von Inhalten und Kompetenzen, die sich<br />

allein aus dem Arbeitsalltag ergeben. In<br />

der Regel befürworten Betriebe informelle<br />

oder nicht formale Anrechnungsverfahren.<br />

20 Diese Herangehensweise fordert<br />

jedoch den Hochschulen eine hohe<br />

Flexibilität ab.<br />

Studienangebote<br />

Berufsbegleitendes <strong>Studieren</strong> ist noch<br />

immer eine ›Randerscheinung‹ 21 an deutschen<br />

Hochschulen. Vor allem berufsbegleitende<br />

Bachelorstudiengänge sind in<br />

Deutschland vergleichsweise selten, während<br />

das Angebot an berufsbegleitenden<br />

Masterstudiengängen weitaus größer ist.<br />

Nach der bisher einzigen bundesweiten<br />

Erhebung durch die HIS GmbH 22 , die sich<br />

auf das Angebot im Jahr 2009 bezieht,<br />

war zudem der weitaus größere Teil<br />

berufsbegleitender Bachelorstudiengänge<br />

an Fachhochschulen (86 Prozent) angesiedelt.<br />

40 Prozent der berufsbegleitenden<br />

Bachelorstudiengänge sehen dabei<br />

eine Studienzeit über drei Jahre vor. Die<br />

berufsbegleitenden Masterstudiengänge<br />

werden im Gegensatz zu den Bachelorstudiengängen<br />

geringfügig häufiger an<br />

Fachhochschulen als an Universitäten<br />

angeboten. Auffällig ist, dass sowohl an<br />

den Fachhochschulen als auch an den<br />

Universitäten die Wirtschaftswissenschaften<br />

den Schwerpunkt bilden. An den<br />

Fachhochschulen zählt hierzu nahezu<br />

jeder zweite und an den Universitäten


9<br />

STUDIE<br />

jeder dritte Studiengang. Aufgrund des<br />

steigenden Bedarfs im (Alten-)Pflegesektor<br />

erwarteten die Autoren im Berichtsjahr<br />

2011 im Bereich der Pflege- und Gesundheitswissenschaften<br />

ein starkes Wachstum.<br />

23 Die meisten Angebote wurden im<br />

Bereich der Wirtschaftswissenschaften<br />

(42 Prozent der Bachelor- und 46 Prozent<br />

der Masterstudiengänge) und in den Ingenieurwissenschaften<br />

(18 Prozent der Bachelor-<br />

und 11 Prozent der Masterstudiengänge)<br />

ausgemacht. 24 Insgesamt sind für<br />

das Jahr 2009 nur 257 berufsbegleitende<br />

Bachelor- und 697 Masterstudiengänge<br />

an privaten oder staatlichen Hochschulen<br />

recherchiert worden. Demgegenüber<br />

wurden über 4.000 Zertifikatskurse gezählt,<br />

die als einzelne Angebote nicht zu<br />

einem akademischen Abschluss führen. 25<br />

Die Zahlen sagen viel über die Angebotsstruktur,<br />

doch wenig über den Bedarf<br />

aus. Selbst wenn ein höherer Bedarf an<br />

berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen<br />

festgestellt würde, so ist grundsätzlich<br />

nicht vorgesehen, dass die Hochschulen<br />

die Entwicklung solcher Angebote<br />

aus ihrem Grundhaushalt finanzieren.<br />

Auch über Studiengebühren dürfen<br />

berufsbegleitende Bachelorstudiengänge<br />

in der Regel nicht finanziert werden,<br />

da die Bundesländer Gebührenfreiheit<br />

für ein Erststudium bis zum Masterabschluss<br />

garantieren. Ausgenommen sind<br />

weiterbildende Masterstudiengänge. Da<br />

Haushaltsmittel im Wesentlichen durch<br />

grundständige Studiengänge gebunden<br />

sind, führt das zwangsweise zu Defiziten<br />

in der Lehre und Organisation berufsbegleitender<br />

Studiengänge. Bisher ist auch<br />

die Nachfrage seitens Berufstätiger eher<br />

gering. Allerdings ist nach Heibült und<br />

Müller für den dritten Bildungsweg eher<br />

schwach geworben worden. 26 Die Notwendigkeit<br />

der Reorganisation der Studienstruktur<br />

scheitert also maßgeblich an<br />

fehlenden Mitteln im Grundhaushalt für<br />

neue Modelle. Zudem sind berufsbegleitende<br />

beziehungsweise weiterbildende<br />

Studiengänge stark von dem Engagement<br />

der Professoren und Professorinnen<br />

abhängig. 27 Und dieses Engagement wird<br />

kaum honoriert, da zum Beispiel eine<br />

Lehrtätigkeit in der Weiterbildung nicht<br />

auf Lehrdeputate angerechnet wird. Eine<br />

Veränderung der üblichen Präsenzzeiten<br />

für Lehre und ein stärkerer Fokus auf<br />

E-Learning gelten als weitere Herausforderungen<br />

für berufsbegleitende Studien-<br />

modelle. Die Defizite werden laut Minks<br />

zusätzlich durch den eher ausgrenzenden<br />

und Status schützenden Charakter<br />

akademischer Institutionen verstärkt. 28<br />

Auch in berufsbegleitenden Studiengängen<br />

wird wenig Rücksicht auf das<br />

unflexible Zeitbudget nicht traditioneller<br />

<strong>Studieren</strong>der gegenüber traditionell<br />

<strong>Studieren</strong>den genommen. Karl-Heinz<br />

Minks und seine Kollegen kritisieren die<br />

partielle Überfrachtung einiger Studiengänge.<br />

Ein realistischer Workload von 30<br />

Stunden pro Kreditpunkt ist in der Tat<br />

für Berufstätige in der Regelstudienzeit<br />

kaum zu leisten. Angenommen, man<br />

setzt beispielsweise die Dauer von acht<br />

Semestern für ein Bachelorstudium mit<br />

210 Kreditpunkten an, dann umfasst der<br />

Workload für das Studium beinahe so<br />

viel wie eine Vollzeitstelle. <strong>Studieren</strong>de<br />

mit einer Vollzeitstelle hätten also eine<br />

Arbeitswoche von 70 oder mehr Stunden.<br />

Außerdem müsse berücksichtigt werden,<br />

dass viele Berufstätige keine ›akademischen<br />

Lernerfahrungen‹ haben. 29 Auch<br />

Heibült und Müller stellen fest, dass für<br />

viele beruflich qualifizierte <strong>Studieren</strong>de<br />

der universitäre Raum, aufgrund von<br />

beispielsweise Altersunterschieden oder<br />

habitueller Differenzen, zunächst eine<br />

große Herausforderung ist. 30<br />

Zur Situation im Land Bremen<br />

Im Jahr 2011 verabschiedete die Bremische<br />

Bürgerschaft nach dem Vorbild<br />

der KMK erweiterte Regelungen für die<br />

Hochschulzulassung beruflich Qualifizierter<br />

ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung.<br />

Die Zulassungsvoraussetzungen<br />

für beruflich Qualifizierte<br />

im Lande Bremen werden im Detail über<br />

das Bremische Hochschulgesetz geregelt.<br />

Die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung<br />

wird unter anderem über einen<br />

Meisterabschluss oder diverse Fortbildungsabschlüsse<br />

erworben. Studieninteressenten<br />

mit anerkannter Berufsausbildung<br />

und einschlägiger Berufserfahrung<br />

können eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung<br />

mittels Einstufungsprüfung<br />

oder Kontaktstudium oder<br />

weiterbildendem Studium erwerben. In<br />

Niedersachsen bekommen Absolventinnen<br />

und Absolventen mit dreijähriger Berufsausbildung<br />

und entsprechender Berufserfahrung<br />

auch ohne Prüfung einen<br />

fachgebundenen Hochschulzugang (nach


10<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

§ 18 Hochschulzugang des NHG). Hier<br />

sind also die Hürden für viele beruflich<br />

qualifizierte Studieninteressierte niedriger.<br />

Über den KMK-Beschluss von 2009<br />

hinausgehend werden in Bremen zum<br />

Beispiel auch Facharbeitertätigkeiten,<br />

die Führung eines Familienhaushaltes<br />

und häusliche Pflege als Berufserfahrung<br />

angerechnet. 31 Zudem soll der Zugang<br />

für <strong>Studieren</strong>de des dritten Bildungswegs<br />

durch festgelegte Quoten in den<br />

zulassungsbeschränkten Studiengängen<br />

erleichtert werden. Für Absolventinnen<br />

und Absolventen, die zum Beispiel ein<br />

Kontaktstudium durchlaufen oder eine<br />

Einstufungsprüfung abgelegt haben, ist<br />

eine Quote von zwei Prozent der Studienplätze<br />

in den Auswahlverfahren vorgesehen<br />

(§ 7 Abs. 1 BremHSVVO). 32<br />

<strong>Studieren</strong> ohne Abitur<br />

Der erste und zweite Bildungsweg bezeichnen<br />

den Prozess des Erwerbs<br />

der schulischen Hochschulreife, im<br />

zweiten Fall durch das Nachholen von<br />

Schlussabschlüssen. Der dritte Bildungsweg<br />

<strong>–</strong> oft auch als <strong>Studieren</strong> ohne<br />

Abitur bezeichnet <strong>–</strong> bezeichnet hingegen<br />

den formalen Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung<br />

über eine<br />

berufliche Qualifikation, ohne zuvor<br />

die schulische Hochschulreife erworben<br />

zu haben.<br />

Absolventinnen und Absolventen<br />

von Aufstiegsfortbildungen, wie<br />

Meister- und Technikerkursen sowie<br />

vergleichbaren landesrechtlich geregelten<br />

Fortbildungen, zum Beispiel im<br />

Gesundheits- oder Sozialwesen, besitzen<br />

bundesweit die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung<br />

für alle Studienfächer,<br />

wie es die KMK-Regelungen<br />

von 2009 vorsieht. Dies ist im § 33<br />

Absatz 3a BremHG festgelegt. Wer eine<br />

mindestens zweijährige anerkannte<br />

Berufsausbildung und mehrjährige<br />

Jahre Berufserfahrung in einem zum<br />

Studiengang affinen Bereich vorweisen<br />

kann, kann einen fachgebundenen<br />

Hochschulzugang erwerben. Im Land<br />

Bremen ist nach § 33 Absatz 5 BremHG<br />

(und FachgHSchRVO) der fachgebundene<br />

Hochschulzugang an eine fachlich<br />

einschlägige Einstufungsprüfung, ein<br />

Kontaktstudium oder ein weiterbildendes<br />

Studium gebunden. [Vgl. Hermeling<br />

(2011), S. 111 f.]<br />

An die Hochschulen erging mit den<br />

erweiterten Zulassungsregelungen<br />

der Auftrag, sich für <strong>Studieren</strong>de mit<br />

Berufserfahrung weiter zu öffnen. Die<br />

Umstellungen sind, insbesondere für die<br />

Universität weitreichend, da günstige<br />

Rahmenbedingungen erst geschaffen<br />

werden müssen. Erst mit zielgruppengerechten<br />

Beratungsangeboten,<br />

berufsbegleitenden Studienformaten<br />

und Anrechnungsmöglichkeiten von<br />

beruflich erworbenen Kompetenzen auf<br />

Studiengänge, wird das Studium für<br />

viele Studieninteressierte überhaupt erst<br />

machbar und attraktiv. 33 Die Möglichkeit<br />

des berufsbegleitenden <strong>Studieren</strong>s hat<br />

dabei eine Schlüsselfunktion, denn für<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,<br />

die bereits einige Jahre einer berufsfachlichen<br />

Tätigkeit nachgegangen sind, birgt<br />

die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit<br />

für ein Vollzeitstudium zumeist zu hohe<br />

finanzielle und berufliche Risiken.<br />

Bisher findet an der Universität<br />

Bremen keine zielgruppenspezifische<br />

Beratung beispielsweise für berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>de statt. Die jeweiligen<br />

Fachbereiche und deren Studienzentren<br />

handeln in der Ausgestaltung der<br />

Beratung autonom. Dennoch ist perspektivisch<br />

eine auf Heterogenität ausgerichtete<br />

Beratung und Betreuung in Planung.<br />

In einigen Bereichen der Hochschule<br />

Bremerhavens wird eine zielgruppenspezifische<br />

Beratung und Betreuung<br />

bereits angeboten. Diese richtet sich<br />

explizit an <strong>Studieren</strong>de des zweiten und<br />

dritten Bildungswegs, wie zum Beispiel<br />

an Handwerkerinnen und Handwerker,<br />

Facharbeiterinnen und Facharbeiter aus<br />

technischen Berufen. 34<br />

An den staatlichen Hochschulen im<br />

Land Bremen gibt es bisher nur einen<br />

berufsbegleitenden Bachelorstudiengang.<br />

Bisher besteht nur an der Hochschule<br />

Bremen die Möglichkeit, alle Studiengänge<br />

in Teilzeit zu absolvieren. Berufsbegleitende<br />

Masterstudiengänge in verschiedenen<br />

Fachrichtungen werden an<br />

mehreren Hochschulen angeboten. Für<br />

diese werden allerdings Studiengebühren<br />

erhoben.<br />

Im Bund-Länder-Programm ›Aufstieg<br />

durch Bildung: Offene Hochschulen‹<br />

werden seit 2011 Projekte gefördert, in<br />

denen Angebote für <strong>Studieren</strong>de ohne<br />

Abitur, berufsbegleitende und duale<br />

Studiengänge sowie Weiterbildungsstu-


11<br />

STUDIE<br />

diengänge 35 entwickelt werden. In der<br />

ersten Förderphase reichten die bremischen<br />

Hochschulen einen gemeinsamen<br />

Antrag im Rahmen des Programms ein,<br />

der nicht bewilligt wurde. Die bremische<br />

Landesregierung legte daher ein kleineres<br />

Programm ›Offene Hochschule‹ auf,<br />

das mit einer Anschubfinanzierung im<br />

Jahr 2012 an den staatlichen Hochschulen<br />

gestartet ist. Unter dem Dach des<br />

Landesprogramms sind zum Teil neue<br />

berufsbegleitende Studiengänge sowie<br />

studienbegleitende Angebote initiiert<br />

worden. 36 In der zweiten Förderrunde des<br />

Bundeswettbewerbs konnten alle staatlichen<br />

Hochschulen in Bremen Projekte<br />

aus Bundesmitteln einwerben, die im<br />

Jahr 2015 gestartet sind.<br />

›Offene Hochschule‹<br />

im Land Bremen<br />

z Universität Bremen:<br />

konstruktiv <strong>–</strong> Konsequente Orientierung<br />

an neuen Zielgruppen strukturell<br />

in der Universität Bremen verankern<br />

www.uni-bremen.de / konstruktiv.html<br />

z Hochschule Bremen:<br />

HSBflex <strong>–</strong> Flexible Studienstrukturen<br />

für eine offene Hochschule<br />

www.hs-bremen.de / internet / de / hsb /<br />

projekte / hsbflex /<br />

z Hochschule Bremerhaven:<br />

AufWind <strong>–</strong> Weiterbildungsangebote<br />

in der Windenergiebranche vom<br />

Brückenkurs bis zum Master<br />

www.wettbewerb-offene-hochschulen-bmbf.de /<br />

foerderprojekte / 2-wettbewerbsrundeuebersichtsseite<br />

/ verbundprojekteuebersichtsseite<br />

/ 19<br />

z Hochschule für Künste:<br />

Entwicklung weiterbildender<br />

Studienprogramme mit einem Fokus<br />

auf musikalisch-ästhetischer Bildung<br />

www.imbik.hfk-bremen.de /<br />

z Weitere Angebote der Hochschulen<br />

in Bremen sind online aufgeführt auf<br />

der Webseite des Landesprogramms<br />

›Offene Hochschulen‹<br />

www.offene-hochschulen-bremen.de /<br />

1 Eine genaue Definition der von uns<br />

untersuchten Gruppe im Kapitel 2.<br />

2 Nach Berechnungen des CHE (Centrum<br />

für Hochschulentwicklung) auf Basis von<br />

Daten des Statistischen Bundesamtes<br />

gab es 2013 im Land Bremen nur 94<br />

Studienanfänger (1,4 Prozent) und 406<br />

<strong>Studieren</strong>de ohne Abitur (1,2 Prozent).<br />

Daten siehe <strong>Studieren</strong> ohne Abitur (o. J.).<br />

3 Vgl. Wolter (2012a), S. 23 f.<br />

4 Vgl. Wolter (2012b), S. 274 ff.<br />

5 Vgl. Handelsblatt (2007).<br />

6 Vgl. Völk (2011), S. 146.<br />

7 Vgl. Völk (2011), S. 152.<br />

8 Vgl. Wolter (2012a), S. 23 f.<br />

9 Ob diese Prognosen aktuell bleiben,<br />

ist allerdings ungewiss. Schließlich<br />

gibt es neben dem Trend der alternden<br />

Gesellschaft, der möglicherweise durch<br />

die aktuelle Zuwanderung teilweise<br />

ausgeglichen wird, einen Trend zu<br />

höheren Schulabschlüssen und höherer<br />

Studierneigung.<br />

10 Leuvener Kommuniqué (2009), S. 3.<br />

11 Vgl. BMBF (2014), S. 3.<br />

12 Vgl. KMK (2009).<br />

13 Vgl. KMK (2002), S. 2.<br />

14 Vgl. Minks et al. (2011), S. 12; Freitag<br />

(2009), S. 222.<br />

15 Vgl. Freitag / Loroff (2011), S. 9.<br />

16 Siehe ANKOM (o. J.).<br />

17 Vgl. Hartmann et al. (2008), S. 16 ff.<br />

18 Vgl. Koch / Meerten (2010), S. 10 ff.<br />

19 Vgl. Akkreditierungsrat (2014).<br />

20 Vgl. Völk (2011), S. 153 ff.<br />

21 Minks et al. (2011), S. III.<br />

22 Inzwischen umbenannt in Deutsches<br />

Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.<br />

23 Vgl. Minks et al. (2011), S. 36 f.<br />

24 Vgl. Minks et al. (2011), S. III f.<br />

25 Vgl. Minks et al. (2011), S. 48 f.<br />

26 Vgl. Heibült / Müller (2014), S. 41.<br />

27 Vgl. Faulstich / Oswald (2010), S. 11.<br />

28 Vgl. Minks et al. (2011), S. 7 f.<br />

29 Vgl. Minks et al. (2011), S. 28.<br />

30 Vgl. Heibült / Müller (2014), S. 43.<br />

31 FachgHSchRVO § 2.<br />

32 § 7 Abs. 1 BremHSVVO und KMK<br />

(2014), S. 27.<br />

33 Dies belegen die Erfahrungen und<br />

Ergebnisse der ANKOM-Initiative, vgl.<br />

Freitag et al. (2015), S. 13.<br />

34 Vgl. KMK (2014), S. 33.<br />

35 Vgl. Nickel / Doung (2012), S. 20 f.<br />

36 Nähere Informationen unter Offene<br />

Hochschulen Bremen (o. J.).


12<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Studie<br />

›Berufsbegleitendes<br />

<strong>Studieren</strong> in Bremen‹<br />

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2


13<br />

STUDIE<br />

JESSICA HEIBÜLT<br />

SUSANNE HERMELING<br />

Zentrale Thesen, empirische Datengrundlage<br />

und methodisches Vorgehen<br />

Während Barrieren auf dem Weg zur<br />

Hochschule und notwendige Schritte für<br />

die weitere Öffnung der Institution Hochschule<br />

bereits seit Längerem Gegenstand<br />

der Forschung sind, 1 fehlt eine systematische<br />

Untersuchung von Rahmenbedingungen<br />

für <strong>berufsbegleitendes</strong> <strong>Studieren</strong>.<br />

Mit der vorliegenden Studie möchten wir<br />

dieses Forschungsfeld explorativ öffnen.<br />

Unser Schwerpunkt liegt auf der Frage<br />

der Vereinbarkeit von Studium, Beruf<br />

und Privatleben aus der Sicht von <strong>Studieren</strong>den.<br />

In der Wissensarbeit stehen Beschäftigte<br />

mehr denn je vor der Herausforderung,<br />

Lernen, Beruf und Privatleben<br />

auszubalancieren. Steigende Leistungsanforderungen,<br />

kürzere Halbwertszeiten<br />

von erworbenem Wissen sowie hohe<br />

Ansprüche an privater Selbstverwirklichung<br />

fordern Beschäftigte zunehmend<br />

heraus. Im Rahmen der Debatte um<br />

Work-Life-Balance (WLB) kann bereits auf<br />

eine Vielzahl von Untersuchungen und<br />

Empfehlungen zurückgegriffen werden.<br />

Syrek et al. machen allerdings deutlich,<br />

dass durch die zunehmenden Lernanforderungen<br />

und zahlreichen Optionen des<br />

Wissenserwerbs die Vereinbarkeit um<br />

die Komponente des Lernens erweitert<br />

werden muss. Permanentes Lernen muss<br />

mit dem Arbeitsleben und dem Privatleben<br />

vereinbart werden und erfordert<br />

deshalb neue Strategien der Work-Learn-<br />

Life-Balance (WLLB). 2<br />

Die Ergebnisse unserer Studie stützen<br />

sich auf qualitative Interviews und eine<br />

quantitative Befragung von berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den. Die subjektive<br />

Perspektive von <strong>Studieren</strong>den auf die<br />

Vereinbarkeit von Studium, Beruf und<br />

Privatleben wird mit Experteninterviews<br />

in Hochschulen einerseits und in Betrieben<br />

andererseits in Beziehung gesetzt.<br />

Die individuelle Perspektive der <strong>Studieren</strong>den<br />

wird methodisch somit um die<br />

institutionelle Perspektive von Hochschulen<br />

und Betrieben ergänzt. Individuelle<br />

und institutionelle Praxen sind jedoch<br />

nicht ohne Bezug zu der jeweils übergeordneten<br />

Makro-Ebene zu denken. In der<br />

Einleitung haben wir politische Diskurse<br />

und Beschlüsse sowie rechtliche Grundlagen<br />

skizziert, um diese Zusammenhänge<br />

zu verdeutlichen. Arbeitssoziologische<br />

Analysen von Interviewdaten hinsichtlich<br />

der Entwicklung von Arbeitsorganisation,<br />

von geschlechtsspezifischen Berufsstrukturen<br />

und privater Sorgearbeit wären darüber<br />

hinaus im Rahmen eines größeren<br />

Forschungsprojekts von Interesse. Wir<br />

stellen entsprechende Bezüge aufgrund<br />

begrenzter Kapazitäten nicht systematisch<br />

her, geben aber Hinweise auf einen<br />

weitergehenden Forschungsbedarf bei<br />

auffälligen Befunden. Konkretes Ziel der<br />

vorliegenden Studie ist es, mittelfristig<br />

zu realisierende Handlungsfelder für die<br />

Verbesserung der Studienbedingungen<br />

zu identifizieren. Diese richten sich in<br />

erster Linie an die institutionelle Ebene<br />

von Betrieben und Hochschulen sowie an<br />

politische Entscheidungsträger.<br />

Forschungsleitende Thesen<br />

und Fragestellungen<br />

Minks et al. bezeichnen <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

<strong>Studieren</strong> als die Möglichkeit, neben<br />

einer beruflichen und / oder familiären<br />

Tätigkeit ein Studium aufnehmen zu<br />

können. Der ausgeübte Beruf und das<br />

Studienfach müssen dabei in keinem<br />

fachlichen Zusammenhang zueinanderstehen.<br />

3 Da die Gruppe der berufstätigen<br />

<strong>Studieren</strong>den hinsichtlich der Studienzeiten<br />

und des Theorie-Praxis-Transfers<br />

andere Bedürfnisse hat als traditionelle<br />

<strong>Studieren</strong>de (siehe Kasten), werden ausgewiesene<br />

berufsbegleitende Studiengänge<br />

besonders gestaltet. Sie unterscheiden<br />

sich von den tradierten Vollzeitstudiengängen<br />

im zeitlichen Format sowie<br />

in Didaktik und Methodik. 4 Zu den<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den werden


14<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

per Definition auch solche <strong>Studieren</strong>de<br />

gezählt, die an regulären Studiengängen<br />

teilnehmen, auch wenn dies bislang sehr<br />

selten genutzt wird. 5<br />

Definition traditionelle/<br />

nicht traditionelle <strong>Studieren</strong>de<br />

Die Begriffe traditionelle beziehungsweise<br />

nicht traditionelle <strong>Studieren</strong>de<br />

begleiten die Diskussionen um die<br />

›Öffnung der Hochschulen‹. Der Begriff<br />

der ›nicht traditionellen <strong>Studieren</strong>den‹<br />

bezieht sich auf die Kategorie des ›nontraditional<br />

students‹ der angelsächsischen<br />

Länder. Dabei existiert international<br />

bisher keine einheitliche Definition.<br />

Teichler / Wolter (2004, S. 70 ff.) bezeichnen<br />

nicht traditionelle als <strong>Studieren</strong>de,<br />

die nicht auf geradem Weg zur Hochschule<br />

gekommen sind; die nicht die<br />

regulären schulischen Voraussetzungen<br />

für den Hochschulzugang erfüllen<br />

und die nicht in der üblichen Form<br />

eines Vollzeit- und Präsenzstudiums<br />

studieren (also Teilzeit-, Abend- und<br />

Fernstudierende). In Anlehnung daran<br />

verstehen wir traditionelle <strong>Studieren</strong>de<br />

als jene <strong>Studieren</strong>de, die entsprechende<br />

Kriterien erfüllen. In dieser Studie wird<br />

der Begriff der ›nicht traditionellen<br />

<strong>Studieren</strong>den‹ jedoch nicht verwendet,<br />

da auch berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de<br />

in Vollzeit- und Präsenzstudium in die<br />

Untersuchung einbezogen werden.<br />

Wir sprechen in unserer Untersuchung<br />

von berufsbegleitendem <strong>Studieren</strong>, wenn<br />

<strong>Studieren</strong>de während ihres Studiums<br />

mit mindestens einer halben Vollzeitstelle<br />

weiter in ihrem erlernten Beruf<br />

arbeiten oder eine darauf aufbauende<br />

komplexe Tätigkeit ausüben. Anders<br />

als die Ausübung von studentischen<br />

›Nebenjobs‹, ist die berufsfachliche<br />

oder komplexe Tätigkeit mit hohen<br />

Anforderungen verbunden, da sie mit<br />

der Übernahme von fachlicher, organisatorischer<br />

und gegebenenfalls auch<br />

personeller Verantwortung einhergeht.<br />

Das heißt, berufsfachlich Beschäftigte<br />

werden in der Regel sowohl zeitlich als<br />

auch psychologisch und organisatorisch<br />

stark in Anspruch genommen und stehen<br />

deshalb hinsichtlich der Vereinbarkeit<br />

von Studium, Beruf und Privatleben vor<br />

besonderen Herausforderungen. Ebenso<br />

ist denkbar, dass Beschäftigte, die bei<br />

komplexen Tätigkeiten eigenverantwortlich<br />

arbeiten können, Freiräume haben,<br />

die die Vereinbarkeit verbessern können.<br />

Eine daraus abgeleitete These lautet, dass<br />

sowohl hohe berufliche Anforderungen<br />

als auch selbstverantwortliches Arbeiten<br />

die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und<br />

Studium entscheidend beeinflussen.<br />

Weiterhin setzten wir voraus, dass<br />

die Berufstätigkeit einen fachlichen<br />

Bezug zum Studium hat, um Aspekte<br />

des Theorie-Praxis-Transfers bewerten<br />

zu können. Wir gehen dabei von der<br />

These aus, dass eine fachliche Tätigkeit<br />

Möglichkeiten bieten kann, Studieninhalte<br />

im Arbeitsalltag oder in Form von<br />

Projektarbeiten zu bearbeiten. Auch eine<br />

leichtere Erschließung von Studieninhalten<br />

aufgrund einschlägiger beruflicher<br />

Erfahrung, also ein Praxis-Theorie-Transfer,<br />

könnte die Vereinbarkeit verbessern.<br />

Da die Frage der Vereinbarkeit von Studium<br />

und Beruf im Mittelpunkt unserer<br />

Studie steht, interessieren uns die Rahmenbedingungen<br />

und Bewältigungsstrategien<br />

unterschiedlicher Berufsgruppen.<br />

Dabei war die Annahme leitend, dass<br />

berufsgruppenspezifische betriebliche<br />

Rahmenbedingungen vorzufinden sind,<br />

die nach Branchen, Arbeitszeitmodellen<br />

oder Betriebsgrößen differenziert werden<br />

können und sich unterschiedlich auf die<br />

Vereinbarkeit von Studium, Beruf und<br />

Privatleben auswirken. Besonders interessant<br />

waren für uns zudem die Fragen,


15<br />

STUDIE<br />

ob und in welcher Form die <strong>Studieren</strong>den<br />

von ihren Arbeitgebern unterstützt werden<br />

und ob sich die Arbeit der Befragten<br />

mit Beginn des Studiums verändert hat.<br />

Durch das zentrale Auswahlkriterium<br />

der berufsfachlichen Tätigkeit, die einen<br />

Bezug zum Studium aufweist, werden in<br />

die Untersuchung sowohl <strong>Studieren</strong>de<br />

mit als auch ohne Abitur eingeschlossen.<br />

Zudem sind <strong>Studieren</strong>de mit Berufsund<br />

/ oder mit Hochschulabschlüssen<br />

einbezogen. Durch den Mix an Bildungsprofilen<br />

unter den <strong>Studieren</strong>den sind<br />

Berufstätige verschiedener betrieblicher<br />

Hierarchieebenen in der Studie vertreten.<br />

Wir gehen davon aus, dass Angehörige<br />

unterschiedlicher Hierarchieebenen auch<br />

unterschiedliche Rahmenbedingungen<br />

vorfinden, welche die Vereinbarkeit<br />

beeinflussen können. Wir haben beispielsweise<br />

danach gefragt, welche Rolle<br />

Arbeitszeitmodelle, die Position der einzelnen<br />

Beschäftigten im Betrieb oder das<br />

Verhältnis zu Vorgesetzten und Kollegen<br />

für die Vereinbarkeit spielen.<br />

Neben dem Beruf stellt das Privatleben<br />

beziehungsweise das familiäre und<br />

soziale Umfeld der <strong>Studieren</strong>den eine<br />

entscheidende Variable der Vereinbarkeit<br />

dar. In der Studie haben wir daher<br />

Rahmendaten zu Kindern, Partnerschaft<br />

und Wohnformen erhoben. Wir nahmen<br />

an, dass die zweifache Belastung mit<br />

Beruf und Studium sich vor allem auf das<br />

Privatleben auswirken würde. Gleichzeitig<br />

vermuteten wir, dass Verständnis<br />

und Unterstützung im sozialen Umfeld<br />

als wichtig erachtet werden. Sowohl in<br />

den Interviews als auch im Fragebogen<br />

hatten die <strong>Studieren</strong>den die Möglichkeit,<br />

Probleme ebenso wie Unterstützung<br />

und Entlastung in ihrem Privatleben zu<br />

thematisieren.<br />

Eine gute Vereinbarkeit ist nicht<br />

zuletzt von den Studienangeboten und<br />

den hochschulischen Rahmenbedingungen<br />

abhängig. In den Interviews waren<br />

die <strong>Studieren</strong>den deshalb aufgefordert,<br />

die von ihnen gewählten Studienformate<br />

sowie ihr eigenes Studienverhalten zu<br />

bewerten. Darüber hinaus hatten sie die<br />

Möglichkeit, Probleme im Rahmen des<br />

Studiums zu benennen. Für die Politikberatung<br />

steht schließlich die Frage im<br />

Raum, in welcher Form sich die staatlichen<br />

Hochschulen der neuen Aufgaben<br />

annehmen und auf welche Ressourcen<br />

sie dabei zurückgreifen können.<br />

Empirische Datengrundlage<br />

In der Untersuchung haben wir uns auf<br />

Angebote der staatlichen Hochschulen<br />

beschränkt. Diese sind abhängig von<br />

öffentlicher Finanzierung und gesetzlich<br />

definierter Aufgabenstellung und damit<br />

auch ein wichtiger Bereich für die Politikberatung.<br />

Ein empirischer Vergleich<br />

zwischen privaten und staatlichen Hochschulen<br />

wird aus forschungsökonomischen<br />

Gründen in dieser Untersuchung<br />

nicht vorgenommen, aber grundsätzlich<br />

als lohnenswert erachtet. 6<br />

Bei der Auswahl der Studiengänge,<br />

in denen wir Befragungen durchgeführt<br />

haben, war es uns wichtig, dass<br />

sie das Spektrum von Berufsgruppen<br />

adressieren, für die eine Akademisierung<br />

und wissenschaftliche Weiterbildung<br />

aufgrund der Veränderungen des<br />

jeweiligen Berufsfeldes oder aufgrund<br />

guter Aufstiegsmöglichkeiten bereits<br />

seit Längerem thematisiert werden. Wir<br />

wählten deshalb Angebote für kaufmännische<br />

und technische Berufsgruppen<br />

sowie für soziale Dienstleistungsberufe<br />

aus. Die weiterbildenden Masterstudiengänge<br />

richten sich in der Regel vornehmlich,<br />

aber nicht ausschließlich nur an<br />

eine dieser Berufsgruppen. So werden<br />

beispielsweise in der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften<br />

technische oder<br />

andere Berufe angesprochen, die organisatorische<br />

oder Managementaufgaben im<br />

Betrieb übernehmen. Hier regelt also die<br />

Berufserfahrung den Zugang zum Studium<br />

ebenso wie die formale Qualifikation.<br />

Für kaufmännische Berufe (Kaufleute,<br />

Fach- und Betriebswirte) ist das Angebot<br />

an berufsbegleitenden Formaten am<br />

weitesten entwickelt, mehr als 40 Prozent<br />

aller Studiengänge liegen bundesweit<br />

im Bereich der Wirtschaftswissenschaften,<br />

werden jedoch zum größeren Teil<br />

von privaten Hochschulen angeboten. 7<br />

Angebote für technische und IT-Berufe<br />

sowie für soziale Dienstleistungsberufe<br />

(hier sind Pflege-, Gesundheits- und Erziehungsberufe<br />

gemeint) entwickeln sich<br />

langsam. Doch nicht nur in der bundesweiten<br />

Diskussion, sondern auch im Land<br />

Bremen ist für diese Berufsgruppen ein<br />

größerer Bedarf an wissenschaftlicher<br />

Weiterbildung formuliert worden. 8


16<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Der Kontakt zu <strong>Studieren</strong>den wurde<br />

über sieben Studiengänge an staatlichen<br />

Hochschulen im Land Bremen hergestellt.<br />

Für die Studie wurden Interviews<br />

mit <strong>Studieren</strong>den und Studiengangsverantwortlichen<br />

in zwei Bachelor- und vier<br />

Masterangeboten durchgeführt. Wir haben<br />

uns auf Bachelor- und Masterstudiengänge<br />

beschränkt, da diese Studiengänge<br />

aufgrund der zeitlichen Länge von zwei,<br />

drei oder mehr Jahren und der strukturierten<br />

Abschlussprüfungen in dieser Zeit<br />

besonders große organisatorische und<br />

psychologische Herausforderungen an<br />

die <strong>Studieren</strong>den stellen. Bachelor und<br />

Master bieten zudem klare Anschlussmöglichkeiten<br />

im Bildungssystem sowie<br />

Aufstiegsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt<br />

und sind deshalb mit anderen<br />

Studienmotivationen und beruflichen<br />

Perspektiven verbunden als alternative<br />

Weiterbildungen. Zwar können auch<br />

Zertifikatsstudiengänge Anschlüsse und<br />

Aufstiege ermöglichen und sind mitunter<br />

so konzipiert, dass sie in Bausteinen<br />

zu einem Hochschulabschluss führen<br />

können. Sie haben jedoch einen weniger<br />

etablierten Status in unserem Bildungssystem<br />

und auf dem Arbeitsmarkt. 9<br />

Alle sieben Studiengänge sind an der<br />

Universität und an der Hochschule Bremen<br />

angesiedelt. Nur an diesen beiden<br />

staatlichen Hochschulen können derzeit<br />

Gruppen von berufstätigen <strong>Studieren</strong>den<br />

in unserem Sinne identifiziert werden.<br />

An beiden Hochschulen gibt es bereits<br />

einen Bachelor- und verschiedene Masterstudiengänge<br />

in berufsbegleitenden Formaten.<br />

An der Hochschule Bremerhaven<br />

gibt es Pläne für die Entwicklung berufsbegleitender<br />

Studiengänge, bisher lässt<br />

sich jedoch keine nennenswerte Zahl von<br />

berufstätigen <strong>Studieren</strong>den nach unserer<br />

Definition an der Hochschule Bremerhaven<br />

ausmachen. Experteninterviews<br />

wurden jedoch auch hier durchgeführt.<br />

Diese zeigen, dass an der Hochschule ein<br />

Bedarf für die Entwicklung von berufsbegleitenden<br />

Studienformaten gesehen<br />

wird. An der Hochschule für Künste (HfK)<br />

wurden keine Interviews durchgeführt,<br />

da an der HfK bisher nur ein Zertifikatsstudium<br />

im berufsbegleitenden Format<br />

angeboten wird.<br />

In der Stichprobe sind <strong>Studieren</strong>de und<br />

Experten aus zwei Masterstudiengängen<br />

mit der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften<br />

befragt worden, die entweder<br />

kaufmännische, technische und andere<br />

Berufsgruppen adressieren. Ein Bachelorstudiengang<br />

im Bereich Berufspädagogik<br />

und ein Masterstudiengang im<br />

Bereich Mathematik / Informatik richten<br />

sich ausschließlich an technische<br />

Berufsgruppen. Ein Master- und ein Bachelorstudiengang<br />

im Bereich Pflege- und<br />

Gesundheitswissenschaften richten sich<br />

vornehmlich an Sozial- und Pflegeberufe.<br />

In den genannten Studiengängen wurden<br />

neben <strong>Studieren</strong>den auch Studiengangsverantwortliche<br />

interviewt. Ein weiterer<br />

Masterstudiengang aus der Fachrichtung<br />

der Erziehungswissenschaften, der ausschließlich<br />

in der Fragebogenerhebung<br />

berücksichtigt wurde, setzt die Qualifizierung<br />

in einem pädagogischen Beruf<br />

voraus (siehe Tabelle 1).<br />

Bei der Wahl der Studienformate<br />

haben wir eine Mischung aus Vollzeit-,<br />

Teilzeit- oder berufsbegleitenden Studienformaten<br />

angestrebt, um Hinweise<br />

darauf zu erhalten, wie sich verschiedene<br />

Formate für Berufstätige in der Praxis bewähren.<br />

Weiterhin stellten wir im Erhebungsprozess<br />

fest, dass keine Daten über<br />

die Grundgesamtheit von berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den vorliegen. Wir wissen<br />

zum Beispiel nicht, wie viele beruflich<br />

qualifizierte <strong>Studieren</strong>de neben einem<br />

regulären Vollzeitstudium oder einem<br />

Teilzeitstudium an den Bremer Hochschulen<br />

ihre berufliche Tätigkeit weiterführen.<br />

Diese Gruppe ist wahrscheinlich<br />

eher klein. Wir haben daher den Zugang<br />

zu <strong>Studieren</strong>den vor allem über solche<br />

Studiengänge gesucht, die entweder als<br />

berufsbegleitend ausgeschrieben sind<br />

oder die gezielt beruflich qualifizierte<br />

<strong>Studieren</strong>de adressieren.


17<br />

STUDIE<br />

Dual <strong>Studieren</strong>de, in deren Studienalltag<br />

<strong>–</strong> in Anlehnung an das duale Ausbildungssystem<br />

<strong>–</strong> Theorie- und Praxisphasen<br />

strukturiert ineinandergreifen, wurden<br />

nicht in unsere Stichprobe einbezogen,<br />

da sich das Format grundlegend von<br />

einem berufsbegleitenden Studium<br />

unterscheidet. Bei Letzterem sind in<br />

erster Linie die <strong>Studieren</strong>den selbst dafür<br />

verantwortlich, Studium und Beruf<br />

miteinander in Einklang zu bringen. Im<br />

Fall des dualen Studiums koordinieren<br />

Hochschulen in Kooperation mit Unternehmen<br />

eine strukturierte Studienorganisation<br />

und garantieren somit bereits<br />

eine gute Vereinbarkeit zwischen Beruf<br />

und Studium.<br />

Die Rekrutierung berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>der für Interviews und Befragungen<br />

war mit besonderen Schwierigkeiten<br />

behaftet. Das liegt besonders<br />

daran, dass in den ausgewählten Studienformaten<br />

nur eine kleine Anzahl von<br />

Menschen studiert, deren Alltag zusätzlich<br />

von Zeitmangel beherrscht ist. Es ist<br />

uns nicht in jedem Studiengang gelungen,<br />

Gruppeninterviews zu organisieren.<br />

Wir haben daher neben den drei Gruppeninterviews<br />

auch drei Einzelinterviews<br />

geführt.<br />

Um einen Einblick in betriebliche Perspektiven<br />

zu Möglichkeiten und Barrieren<br />

der Vereinbarkeit von Beruf und Studium<br />

zu bekommen, wurden vier Experteninterviews<br />

mit Personalentwicklungen von<br />

Bremer Betrieben durchgeführt. Für diese<br />

Gespräche konnten Personalverantwortliche<br />

aus dem Gesundheitsbereich, aus der<br />

Logistikbranche und aus der Metallbranche<br />

gewonnen werden.<br />

Methodisches Vorgehen<br />

Für die Untersuchung haben wir einen<br />

Mix aus qualitativen und quantitativen<br />

Methoden gewählt. Die leitfadengestützten<br />

Experteninterviews 10 mit Studiengangsverantwortlichen<br />

haben wir an den<br />

Anfang der Feldphase gesetzt, um einen<br />

Einblick in das Feld <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

<strong>Studieren</strong> und in die Gestaltung von verschiedenen<br />

Studiengängen zu erhalten.<br />

Auch Erfahrungs- und Deutungswissen<br />

der Studiengangsverantwortlichen<br />

hinsichtlich der beruflichen und betrieblichen<br />

Rahmenbedingungen von <strong>Studieren</strong>den<br />

sowie möglicher Probleme bei<br />

der Vereinbarkeit wurden einbezogen.<br />

Die Interviews wurden auf der Basis von<br />

Mitschriften protokolliert und inhaltsanalytisch<br />

ausgewertet. Die Protokolle<br />

wurden mit den Interviewpartnerinnen<br />

und Interviewpartnern abgestimmt, um<br />

Fehler in der Auswertung zu minimieren.<br />

In einem Masterstudiengang für<br />

Erziehungsberufe wurden keine Experteninterviews<br />

durchgeführt. Wir führten<br />

die quantitative Befragung dort später<br />

durch, da wir den Bereich der sozialen<br />

Dienstleistungen zu diesem Zeitpunkt in<br />

der Erhebung unterrepräsentiert sahen.<br />

Die Experteninterviews mit Personalentwicklern<br />

in Betrieben wurden ebenfalls<br />

protokolliert und inhaltsanalytisch<br />

ausgewertet. Da wir in Betrieben lediglich<br />

vier Interviews führten, können wir<br />

aus den Ergebnissen allenfalls Beispiele<br />

bezüglich besonderer Interessenlagen<br />

und Möglichkeiten von Unternehmen<br />

hinsichtlich der Förderung von berufsbegleitendem<br />

<strong>Studieren</strong> ableiten.<br />

Die qualitativen Interviews mit <strong>Studieren</strong>den<br />

setzten sich aus unterschiedlichen<br />

Teilnehmerzahlen zusammen. Für<br />

den kaufmännischen Bereich konnten<br />

wir ein Gruppeninterview mit vier Teilnehmenden<br />

sowie ein Einzelinterview,<br />

für den technischen Bereich ein Gruppeninterview<br />

mit vier Teilnehmenden<br />

und zwei Einzelinterviews und für den<br />

Bereich der sozialen Dienstleistungen ein<br />

Gruppeninterview mit zwei <strong>Studieren</strong>den<br />

auswerten. Im Bereich der sozialen<br />

Dienstleistungen gibt es für zwei Studienangebote<br />

nur quantitative Ergebnisse,


18<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

da keine Interviewteilnehmenden zur<br />

Verfügung standen und für ein Studienangebot<br />

nur qualitative Ergebnisse, da<br />

die Anzahl der <strong>Studieren</strong>den für eine<br />

quantitative Erhebung zu gering war. Es<br />

bleibt damit zu berücksichtigen, dass<br />

die Gruppe der kaufmännischen und<br />

technischen Berufe stärker repräsentiert<br />

ist, als die der sozialen Dienstleitungen<br />

(vgl. Tabelle 1).<br />

Die Gruppeninterviews sind an der<br />

Methode der Fokusgruppeninterviews<br />

orientiert. 11 Bei dieser Methode stehen<br />

weniger Gruppendynamik und soziales<br />

Verhalten im Zentrum der Analyse. Vielmehr<br />

geht es darum, durch thematische<br />

Impulse der Interviewer eine Bandbreite<br />

an subjektiven Erfahrungen zu einer bestimmten<br />

sozialen Situation zu erfassen.<br />

In unserem Fall teilen die Interviewpartner<br />

die Erfahrung des berufsbegleitenden<br />

<strong>Studieren</strong>s. Die Interviews wurden<br />

leitfadengestützt durchgeführt, transkribiert<br />

und sprachlich leicht bereinigt. Die<br />

Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.<br />

Die Einzelinterviews orientieren sich<br />

an der Methode des problemzentrierten<br />

Interviews, 12 in dem durch einen Wechsel<br />

von Frage und Antworten die forschungsleitende<br />

Problemstellung und deren<br />

Rahmenbedingung thematisiert werden.<br />

Ergänzt wird das Interview durch einen<br />

Kurzfragebogen am Ende, in dem die<br />

wichtigsten Sozialdaten aufgenommen<br />

werden. Dieser Fragebogen wurde auch<br />

am Ende der Gruppeninterviews ausgefüllt,<br />

um eine einheitliche Datengrundlage<br />

der Interviews zu gewährleisten.<br />

Die Einzelinterviews wurden ebenfalls<br />

leitfadengestützt durchgeführt, transkribiert,<br />

sprachlich leicht bereinigt und<br />

inhaltsanalytisch ausgewertet.<br />

Die qualitativen Erkenntnisse werden<br />

mit Ergebnissen einer quantitativen<br />

Fragebogenergebung unter berufstätigen<br />

<strong>Studieren</strong>den aus sechs verschiedenen<br />

Studiengängen ergänzt, es gab jedoch<br />

keinen Rücklauf aus einem Studiengang.<br />

Das Befragungsinstrument wurde nach<br />

den ersten Gruppeninterviews entwickelt,<br />

als die ersten Hinweise auf Problemlagen<br />

bei der Vereinbarkeit vorlagen. Aus einem<br />

Rücklauf von 59 Fragebögen konnten<br />

nach einer Bereinigung 13 53 Fragebögen<br />

ausgewertet werden. Die quantitativen<br />

Daten beanspruchen keine Repräsentati-<br />

Tabelle 1:<br />

Quantitative Befragung und qualitative Interviews<br />

Berufsgruppe<br />

Studiengang<br />

Soziale Dienstleistungen Fachrichtung Abschluss Format<br />

Sozial-/Pflegeberufe u.a. Medizin/Gesundheit Master (WB) berufsbegleitend<br />

Pflegeberufe Medizin/Gesundheit Bachelor Vollzeit<br />

Erziehungsberufe Erziehungswissenschaft Master (WB) berufsbegleitend<br />

Technischer Bereich<br />

IT-Berufe Mathematik/Informatik Master (kons.) Teilzeit/Vollzeit<br />

technische Berufe Berufspädagogik Bachelor berufsbegleitend/Vollzeit<br />

technische Berufe u.a. Wirtschaftswissenschaften Master (WB) berufsbegleitend<br />

Kaufmännischer Bereich<br />

kaufmännische und andere Berufe Wirtschaftswissenschaften Master (WB) berufsbegleitend<br />

keine Zuordnung möglich


19<br />

STUDIE<br />

vität. Repräsentative Erhebungen dürften<br />

bei der derzeitigen Datenlage ohnehin<br />

kaum durchführbar sein. Nur in den als<br />

berufsbegleitend ausgewiesenen Studiengängen<br />

ist die Gruppe der berufstätigen<br />

<strong>Studieren</strong>den überhaupt klar umrissen.<br />

Die Grundgesamtheit der berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den an allen Hochschulen<br />

ist nicht bekannt und auch die Hochschulen<br />

führen keine entsprechende Statistik.<br />

Der Aufruf zur Interviewteilnahme<br />

erreichte jedoch immer alle <strong>Studieren</strong>den<br />

eines Studiengangs. Die Berufstätigen<br />

unter ihnen wurden in der Einleitung des<br />

Fragebogens gesondert angesprochen. Die<br />

quantitativen Ergebnisse können somit<br />

einen explorativen Einblick in die Situation<br />

der <strong>Studieren</strong>den geben und in diesem<br />

Rahmen die qualitativen Daten sinnvoll<br />

ergänzen.<br />

1 Vgl. unter anderem Hartmann et al.<br />

(2008); Loroff et al. (2011);<br />

Minks (2011); Hanft (2013);<br />

Wolter (2013), Wolter et al. (2014).<br />

2 Vgl. Syrek et al. (2014), S. 123 f.<br />

3 Vgl. Minks et al. (2011), S. 14.<br />

4 Vgl. Wolter (2012b), S. 277.<br />

5 Vgl. Minks et al. (2011), S. 14.<br />

6 Am Institut für Arbeit und Personal der<br />

FOM Hochschule für Oekonomie und<br />

Management Essen wurden im Rahmen<br />

einer quantitativen Befragung die Antworten<br />

von 859 berufstätigen <strong>Studieren</strong>den<br />

ausgewertet. Diese <strong>Studieren</strong>dengruppe<br />

studiert ausschließlich in privaten<br />

Studiengängen, vornehmlich wirtschaftswissenschaftlicher<br />

Ausrichtung und ist<br />

mit einem Durchschnittsalter von 27,6<br />

Jahren relativ jung. Sie ist daher mit den<br />

von uns befragten <strong>Studieren</strong>den nur sehr<br />

bedingt vergleichbar. Die Befragung gibt<br />

jedoch einige interessante Einblicke in<br />

die Gestaltungsräume und Belastungen<br />

im Erwerbsleben der <strong>Studieren</strong>den.<br />

Vgl. Tegtmeier / Hellert (2015).<br />

7 Vgl. Minks et al. (2011),<br />

S. III f., S. 28, S. 38.<br />

8 Vgl. Knigge (2010a, 2010b).<br />

9 Vgl. Minks et al. (2011), S. V.<br />

10 Vgl. Bogner et al. (2002).<br />

11 Vgl. Przyborski (2008).<br />

12 Vgl. Witzel (2000).<br />

13 Wir haben unvollständige Datensätze<br />

sowie Datensätze, die<br />

nicht unserer Definition von berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den entsprachen,<br />

nicht ausgewertet.<br />

Interviews und Befragung<br />

<strong>Studieren</strong>der<br />

Studiengangsverantwortliche<br />

Personalentwicklung<br />

in Betrieben<br />

Gruppeninterviews (n=10) Einzelinterviews (n=3) Quantitative Befragung (n=53) Experteninterviews (n=11) Experteninterviews (n=4)<br />

GI3 (n=2) / 1 (n=1) Pflegebranche<br />

/ / n=9 1 (n=1)<br />

2(n=2)<br />

n=7 /<br />

GI2 (n=4) / 1 (n=2) Metallbranche<br />

I1, I2 (n=2) n=7 1 (n=1)<br />

(n=1)<br />

I3 (n=1) n=7 1 (n=1)<br />

GI1 (n=4) n=22 1 (n=2)<br />

Logistikbranche<br />

(n=1)<br />

n=1


20<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Die Perspektive von<br />

Hochschulen<br />

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇<br />

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⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇<br />

3


21<br />

STUDIE<br />

SUSANNE HERMELING<br />

Qualitative Experteninterviews<br />

Um mehrere Facetten der hochschulischen<br />

Praxis zu berücksichtigen, wurden<br />

für die Expertengespräche sechs<br />

Studiengänge an der Universität und<br />

der Hochschule Bremen ausgewählt, die<br />

Berufstätige adressieren. Darunter sind<br />

sowohl berufsbegleitende als auch Regelstudiengänge<br />

(siehe Tabelle 1 in Kapitel<br />

2). Die leitfadengestützten Interviews mit<br />

Studiengangsverantwortlichen wurden<br />

protokolliert und nach verschiedenen<br />

Themenfeldern ausgewertet. Da es vor<br />

allem darum ging, gezielte Informationen<br />

über die Praxis der Institutionen zu<br />

bekommen, verzichteten wir auf Transkriptionen<br />

von Tonbandaufnahmen.<br />

Vereinzelt fließen jedoch auch in den<br />

Expertengesprächen subjektive Beobachtungen<br />

und Deutungswissen über die<br />

Belastungen für <strong>Studieren</strong>de ein, die für<br />

unsere Auswertung hinsichtlich einer<br />

ersten Einschätzung der Belastungssituation<br />

von berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

relevant waren. Mit den Interviews gewannen<br />

wir ein klareres Bild der Interessen,<br />

Bedürfnisse und beruflichen Hintergründe<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>der.<br />

Im Mittelpunkt steht jedoch die Frage<br />

nach den Konzepten und der Didaktik,<br />

mit denen Hochschulen Berufstätige<br />

ansprechen, beraten und im Studium<br />

begleiten. Die drei berufsbegleitenden<br />

Masterstudiengänge in unserem Sample<br />

sind ausschließlich auf berufserfahrene<br />

und in der Regel vollzeiterwerbstätige<br />

<strong>Studieren</strong>de ausgerichtet. Für diese Weiterbildungsmaster<br />

werden Studiengebühren<br />

erhoben. Schon aus diesem Grund<br />

haben sie einen anderen ›Servicecharakter‹<br />

als Regelstudienangebote. Die zwei<br />

Bachelorprogramme und der konsekutive<br />

Masterstudiengang sind dagegen gebührenfrei<br />

und adressieren sowohl jüngere<br />

traditionelle <strong>Studieren</strong>de als auch berufstätige<br />

<strong>Studieren</strong>de. Die Herausforderung<br />

besteht in diesen Studienangeboten insbesondere<br />

darin, die Bedürfnisse beider<br />

Gruppen zu integrieren. Im Folgenden<br />

werden diese Studiengänge in Abgrenzung<br />

zu den Weiterbildungsmastern als<br />

›gemischte‹ Studiengänge bezeichnet.<br />

Konzeption, Zugang und Beratung <strong>–</strong><br />

Weiterbildungsmaster<br />

In die Konzeption der drei Studiengänge<br />

fließen langjährige Erfahrungen in der<br />

wissenschaftlichen Weiterbildung sowie<br />

eigene, einschlägige Berufserfahrung der<br />

Studiengangsverantwortlichen ein. Die<br />

von uns Interviewten haben keine typischen<br />

wissenschaftlichen Karrieren einer<br />

/ eines Hochschullehrenden, die sich eher<br />

durch einen durchgängigen Verbleib an<br />

der Hochschule nach Ende des Studiums<br />

auszeichnen. Die Interviewten haben vielmehr<br />

einen engen Bezug zu den beruflichen<br />

Praxisfeldern ihrer <strong>Studieren</strong>den<br />

und sind außerdem im System Hochschule<br />

verankert. Sie zeigen daher eine<br />

hohe Bereitschaft und Fähigkeit, sich in<br />

die Situation berufstätiger <strong>Studieren</strong>der<br />

hineinzuversetzen.<br />

Allen Studiengängen gingen einzelne<br />

oder zusammenhängende Angebote der<br />

wissenschaftlichen Weiterbildung voraus.<br />

Nachfragen und Rückmeldungen von<br />

Teilnehmenden und die Beobachtung<br />

der entsprechenden Berufsfelder zeigten<br />

daraufhin den Bedarf für einen vollumfänglichen<br />

Studiengang an. Von systematischen<br />

Bedarfsanalysen berichteten die<br />

Studiengangsverantwortlichen nicht. 1<br />

Zwei der Studiengänge setzen für<br />

den Zugang einen Hochschulabschluss<br />

verschiedener Fachrichtungen voraus. In<br />

dem dritten Studiengang ist dagegen die<br />

Eingangsprüfung (in der zum Beispiel<br />

mittels Rollenspielen Potenziale ausgelotet<br />

werden) relevanter bei der Auswahl<br />

als der formale Abschluss. Ausschlaggebend<br />

ist hier die Berufserfahrung. Berufseinsteigern<br />

wird meist vom Studium<br />

abgeraten, auch weil sie die zusätzliche


22<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Belastung erfahrungsgemäß nicht tragen<br />

können. Die Prüfung vermittelt außerdem<br />

ein Bild der Profile der Teilnehmenden.<br />

Diese sind meist in betrieblichen<br />

Führungspositionen oder freiberuflich in<br />

der Unternehmensberatung tätig. Über<br />

die Hälfte der <strong>Studieren</strong>den hat einen<br />

Hochschulabschluss, weitere haben eine<br />

fachschulische Aufstiegsfortbildung<br />

absolviert.<br />

Die Studiengänge werden vornehmlich<br />

über das Internet und soziale Medien,<br />

aber auch durch teilweise regelmäßige<br />

Informationsveranstaltungen beworben.<br />

Bei den bereits etablierten Studiengängen<br />

ist die Empfehlung von <strong>Studieren</strong>den<br />

oder Absolventinnen und Absolventen<br />

an Kolleginnen und Kollegen im eigenen<br />

Berufsfeld eine wichtige informelle Werbemaßnahme.<br />

Einige <strong>Studieren</strong>de sind<br />

ehemalige Teilnehmende an zertifizierter<br />

Weiterbildung der Hochschulen, die sich<br />

mit einzelnen Modulen der Studiengänge<br />

decken. Die <strong>Studieren</strong>den kommen in<br />

der Regel auf eigene Initiative und werden<br />

sehr selten von Unternehmen oder<br />

Organisationen entsendet. Im Marketing<br />

werden daher eher Menschen als Betriebe<br />

angesprochen.<br />

Alle Interviewten sind sich darin einig,<br />

dass Berufstätige einen hohen individuellen<br />

Beratungsbedarf haben. Dieser<br />

bezieht sich auf Fragen zur Studienorganisation,<br />

zu den inhaltlichen Anforderungen,<br />

aber auch auf persönliche Fragen<br />

zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium<br />

und Privatleben. Bei zwei Studiengängen<br />

sind die inhaltlich Verantwortlichen die<br />

Hauptansprechpersonen für Studieninteressierte.<br />

In einem Studiengang wird eine<br />

umfassende persönliche Beratung vor<br />

und während des Studiums durch eine<br />

Studiengangskoordinatorin angeboten.<br />

Hier werden Fragen der Studierbarkeit<br />

geklärt und ein persönlicher Studienverlaufsplan<br />

erstellt, der größtmögliche<br />

Flexibilität bei der Belegung der einzelnen<br />

Module bietet. 2<br />

Ein Brückenangebot für <strong>Studieren</strong>de<br />

zur Einführung in wissenschaftliches<br />

Arbeiten wird nur in einem Interview<br />

erwähnt. Es besteht nach Einschätzung<br />

dieser Studiengangsleitung ein hoher<br />

Bedarf, obwohl die <strong>Studieren</strong>den einen<br />

ersten Hochschulabschluss mitbringen.<br />

In der Einführung entwickeln die <strong>Studieren</strong>den<br />

außerdem realistische Vorstellungen<br />

über die Anforderungen im Studium<br />

und machen die wichtige Erfahrung,<br />

dass ihre Arbeiten kritisiert werden.<br />

Die zeitlichen Formate der Weiterbildungsmaster<br />

unterscheiden sich deutlich<br />

vom Regelstudium. Aufgrund der höheren<br />

Spezialisierung ist außerdem der Adressatenkreis<br />

für Weiterbildungsmaster<br />

kleiner als bei den Regelstudienangeboten.<br />

Die Studiengänge werden daher über<br />

die Grenzen Bremens hinaus beworben,<br />

auch die mitunter langen Anfahrtswege<br />

für Beschäftigte außerhalb Bremens<br />

werden berücksichtigt. Die Präsenzveranstaltungen<br />

der Weiterbildungsmaster<br />

werden im Block angeboten, belegen jedoch<br />

fast nie das ganze Wochenende, um<br />

wenigstens den Sonntag als Erholungstag<br />

zu erhalten.<br />

Die Präsenzzeiten stehen lange im<br />

Voraus fest, sodass ein transparenter<br />

Studienplan entsteht. Zwei Studiengänge<br />

verzichten auf Präsenzzeiten in den<br />

Schulferien. In dem dritten Studiengang<br />

richten sich die Zeiten am regulären<br />

Semester aus, da einige Veranstaltungen<br />

aus Regelstudiengängen im Programm<br />

sind.<br />

Bei den Weiterbildungsmastern der<br />

Fachrichtung Wirtschaftswissenschaft<br />

können einzelne zertifizierte Module<br />

als Weiterbildung belegt werden. Für<br />

viele ist das ein Einstieg in das gesamte<br />

Studium, zumal die dort erworbenen<br />

Kreditpunkte auf das Studium angerechnet<br />

werden. In einem der Studiengänge<br />

mit eher breiter fachlicher Ausrichtung,<br />

werden alle Module kontinuierlich neu<br />

angeboten und können so flexibel von<br />

den Masterstudierenden belegt werden.<br />

Urlaubssemester und zeitweise Exmatrikulation<br />

sind in diesem Studiengang<br />

möglich, wenn <strong>Studieren</strong>de beruflich<br />

oder privat stark belastet sind. Offensichtlich<br />

ist, dass diese hohe Flexibilität in der<br />

Studienorganisation nur dann umsetzbar<br />

ist, wenn die angebotenen Module von<br />

einer größeren <strong>Studieren</strong>dengruppe kontinuierlich<br />

nachgefragt werden. In den<br />

zwei Weiterbildungsmastern mit stärkerer<br />

fachlicher Spezialisierung ist jedoch<br />

eher von kleineren <strong>Studieren</strong>dengruppen<br />

auszugehen. Das mindert die Möglichkeiten<br />

der Studienflexibilität.


23<br />

STUDIE<br />

Anrechnung von beruflich<br />

erworbenen Qualifikationen<br />

und Kompetenzen <strong>–</strong><br />

Weiterbildungsmaster<br />

In allen drei Studiengängen können<br />

durch einschlägige Berufserfahrung oder<br />

durch Weiterbildung erworbene Kompetenzen<br />

als Kreditpunkte individuell<br />

angerechnet werden. Maximal kann auf<br />

diesem Weg ein Viertel der Studienleistungen<br />

erlassen werden. Ein Studiengangsverantwortlicher<br />

berichtet, dass<br />

eine solche Möglichkeit, die in den Informationsmaterialien<br />

genannt wird, noch<br />

nie nachgefragt wurde. In einem weiteren<br />

Studiengang wird auf ein an einer<br />

ausländischen Hochschule erprobtes Verfahren<br />

zurückgegriffen, in dem bereits<br />

erworbene Kompetenzen schriftlich dokumentiert<br />

werden. Grundsätzlich wären<br />

die Kompetenzen auch auf der Grundlage<br />

eines Gesprächs ermittelbar, doch da die<br />

Verfahren in Deutschland neu sind, dient<br />

die schriftliche Form der Qualitätssicherung.<br />

Dies macht jedoch den Prozess für<br />

<strong>Studieren</strong>de relativ aufwendig. Einige<br />

<strong>Studieren</strong>de, die die Möglichkeit hatten,<br />

sich Studienleistungen aus vorangegangener<br />

wissenschaftlicher Weiterbildung<br />

anerkennen zu lassen, zogen es vor, die<br />

entsprechenden Module im Masterprogramm<br />

trotzdem zu belegen. 3<br />

Didaktik und Theorie-Praxis-<br />

Transfer <strong>–</strong> Weiterbildungsmaster<br />

Die Weiterbildungsstudiengänge scheinen<br />

eine größere methodische Vielfalt<br />

anzuwenden, als es im Regelstudium<br />

üblich ist. Neben den üblichen Formen<br />

von Kurzvorträgen, Gruppenarbeiten und<br />

Hausarbeiten, werden auch Simulationsprogramme,<br />

Rollen- und Systemspiele<br />

genannt. In einem wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Studiengang bringen die<br />

Lehrenden, allein aufgrund ihrer beruflichen<br />

und Auslandserfahrungen eine<br />

Bandbreite von Methoden ein. Der explizite<br />

Bezug zur beruflichen Praxis scheint<br />

die Methodenvielfalt zu befördern. Hier<br />

kommen die langjährigen Erfahrungen<br />

in der wissenschaftlichen Weiterbildung<br />

für Berufstätige ins Spiel. Auch Kreutz<br />

/ Meyer weisen darauf hin, dass in der<br />

wissenschaftlichen Weiterbildung bereits<br />

seit den 1970er-Jahren ›die Orientierung<br />

an berufsbezogenen Fragen und Proble-<br />

men der Weiterbildungsteilnehmer‹ etabliert<br />

ist, während ähnliche Diskurse in<br />

der allgemeinen ›hochschuldidaktischen<br />

Perspektive‹ noch ausstehen. 4<br />

Methoden des Blended-Learning mit<br />

E-Learning-Anteilen werden allerdings<br />

nur in einem Weiterbildungsmaster umgesetzt.<br />

Die von der Studiengangsleitung<br />

und einer E-Learning-Expertin betreute<br />

Plattform wird von den <strong>Studieren</strong>den<br />

ausgiebig zum fachlichen und persönlichen<br />

Austausch genutzt. Das gute<br />

›Gruppengefühl‹ in der relativ kleinen<br />

<strong>Studieren</strong>dengruppe und die intensive<br />

Betreuung unterstützen offensichtlich<br />

die gute Nutzung des Instrumentes. Dies<br />

gelingt, obwohl die <strong>Studieren</strong>den keinen<br />

technikaffinen Berufen angehören und<br />

nicht überdurchschnittlich jung sind.<br />

Die mittels der E-Plattform erbrachten<br />

Leistungen werden im Umfang eines<br />

Studienmoduls angerechnet.<br />

In den wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Masterprogrammen berichten die<br />

Interviewten eher von einer ablehnenden<br />

Haltung der <strong>Studieren</strong>den gegenüber<br />

E-Learning. In einem Studiengang<br />

werden anrechenbare E-Learning-Anteile<br />

bereitgestellt, jedoch kaum genutzt. Der<br />

persönliche Austausch mit Lehrenden<br />

und <strong>Studieren</strong>den wird von beiden Studiengangsverantwortlichen<br />

als wesentlich<br />

attraktiver für die Berufstätigen eingeschätzt.<br />

5<br />

Die Bildung von Gruppen und Netzwerken<br />

unter den <strong>Studieren</strong>den ist bei<br />

allen Weiterbildungsmastern ein Teil des<br />

didaktischen Konzepts. Die Heterogenität<br />

der Gruppen, hinsichtlich des Alters, der<br />

Berufe und der betrieblichen Funktionen,<br />

macht nach Einschätzung der Interviewten<br />

den Austausch besonders attraktiv.<br />

So berichtet ein Interviewpartner, dass<br />

jüngere <strong>Studieren</strong>de von der Berufserfahrung<br />

älterer <strong>Studieren</strong>der profitieren. Für<br />

die älteren sei es dagegen interessant, ein<br />

Feedback von jüngeren Studienkollegen<br />

zu bekommen. Auch betriebliche Hierarchieebenen<br />

würden im Seminar aufgehoben,<br />

was zu einem besseren Verständnis<br />

aller für betriebliche Systeme beiträgt.<br />

Eine andere Studiengangsleitung stellt<br />

hohe Synergie-Effekte durch den Austausch<br />

von Berufstätigen mit <strong>Studieren</strong>den<br />

aus Regelstudiengängen fest, aus<br />

denen jeweils ein Modul in das Masterprogramm<br />

eingebettet ist. So hatten sich<br />

<strong>Studieren</strong>de aus den unterschiedlichen


24<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Studiengängen für gemeinsame Arbeiten<br />

angemeldet. In einem Weiterbildungsmaster<br />

der Wirtschaftswissenschaften<br />

wird besonders aktiv die Netzwerkbildung<br />

unter den <strong>Studieren</strong>den gepflegt.<br />

Einmal jährlich wird eine gemeinsame<br />

Auslandsreise angeboten, die im Betrieb<br />

als Bildungsurlaub beantragt werden<br />

kann. Sogar Alumni-Netzwerke der<br />

Absolventinnen und Absolventen werden<br />

durch Veranstaltungen und Exkursionen<br />

weiter gefördert. Dass der intensive<br />

Kontakt unter den <strong>Studieren</strong>den ein<br />

wichtiger Faktor für den Studienerfolg<br />

ist, bestätigen auch die Aussagen von<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den in den Interviews<br />

und der Befragung im Rahmen<br />

unserer Studie (siehe Kapitel 4).<br />

Ein Theorie-Praxis-Transfer in den<br />

Studiengängen wird insbesondere durch<br />

Hausarbeiten und Abschlussarbeiten<br />

gefördert, die mit betrieblichen Projekten<br />

verknüpft werden. Ein Interviewpartner<br />

berichtet, dass die <strong>Studieren</strong>den<br />

gerne Beispiele aus ihrer Berufspraxis in<br />

Veranstaltungen diskutieren. Ein weiterer<br />

Interviewpartner dagegen erlebt die <strong>Studieren</strong>den<br />

diesbezüglich eher als zurückhaltend,<br />

weil nach seiner Einschätzung<br />

betriebliche Interna ungern thematisiert<br />

würden. Mit bestimmten Übungen<br />

bekommen die <strong>Studieren</strong>den jedoch die<br />

Gelegenheit, ihre eigenen Aufgabenbereiche<br />

im Unternehmen zu reflektieren.<br />

Projekt- oder Masterarbeiten, in denen<br />

Anliegen der Unternehmen behandelt<br />

werden, tragen häufig einen Sperrvermerk.<br />

In diesen Fällen gibt es auch eine<br />

schriftliche Vereinbarung zwischen dem<br />

Betreuer der Arbeit und einem Vertreter<br />

oder einer Vertreterin des beschäftigenden<br />

Unternehmens.<br />

Der Theorie-Praxis-Transfer kann<br />

Vereinbarkeit fördern. Oft auch in dem<br />

Sinne, dass Vorgesetzte von <strong>Studieren</strong>den<br />

auf den Nutzen des Studiums aufmerksam<br />

werden und in der Folge mehr Unterstützung<br />

anbieten. <strong>Studieren</strong>de werden<br />

in einem Studiengang aktiv ermutigt,<br />

ihre neuen Kompetenzen bereits während<br />

des Studiums einzusetzen, auch um<br />

den eigenen Aufstieg im Unternehmen<br />

zu initiieren. Die Studiengangsverantwortlichen<br />

bieten an, im Unternehmen<br />

die Studieninhalte vorzustellen, um<br />

Möglichkeiten für einen Theorie-Praxis-<br />

Transfer aufzuzeigen. Allerdings fehlt<br />

nach Erfahrung der Studiengangsleitung<br />

in den Unternehmen oft die Bereitschaft,<br />

sich mit dem Studium von Beschäftigten<br />

zu befassen. Diese müssen daher viel<br />

Ausdauer und Eigeninitiative bei ihrer<br />

Arbeit für den Theorie-Praxis-Transfer<br />

einsetzen. 6 Ergebnisse unserer <strong>Studieren</strong>denbefragung<br />

bestätigen tatsächlich<br />

auch, dass viele <strong>Studieren</strong>de bereits<br />

während des Studiums selbsttätig einen<br />

Theorie-Praxis-Transfer leisten, indem sie<br />

Aufgaben anders bearbeiten oder mehr<br />

Verantwortung übernehmen (vergleiche<br />

Kapitel 4).<br />

Studienmotivation und<br />

berufliche Perspektiven <strong>–</strong><br />

Weiterbildungsmaster<br />

In den Interviews werden Aufstiegspläne<br />

und Wünsche nach beruflicher sowie<br />

persönlicher Weiterentwicklung als<br />

gängige Motive für die Studienentscheidung<br />

genannt. Die Verantwortlichen<br />

der bereits seit Längerem laufenden<br />

Weiterbildungsmaster im Fach Wirtschaftswissenschaften<br />

geben an, dass der<br />

Abschluss für die <strong>Studieren</strong>den in der<br />

Regel zu einem Karriereschub im eigenen<br />

Unternehmen führt. Absolventenstudien<br />

in einem anderen Studiengang belegen<br />

zudem, dass <strong>Studieren</strong>de mitunter schon<br />

vor ihrem Abschluss verantwortungsvollere<br />

Aufgaben im Betrieb übernehmen.<br />

Teilweise wechseln Absolventinnen und<br />

Absolventen in andere Unternehmen,<br />

um ihre Aufstiegspläne zu verwirklichen.<br />

Anschließende Promotionen sind grundsätzlich<br />

möglich, kommen jedoch sehr<br />

selten vor.<br />

Mit einem Weiterbildungsmaster im<br />

Bereich Medizin / Gesundheit, der sich<br />

im ersten Durchlauf befindet, sind noch<br />

keine Erfahrungen hinsichtlich des<br />

Verbleibs nach dem Abschluss gemacht<br />

worden. Der spezialisierte Master eröffnet<br />

ein Berufsbild, das aufgrund neuer<br />

gesetzlicher Regelungen und inhaltlicher<br />

Entwicklungen in den fachlichen und politischen<br />

Diskursen als zukunftsträchtig<br />

gilt. Gleichzeitig sind die Arbeitsfelder<br />

auf dem öffentlich finanzierten Arbeitsmarkt<br />

im Gesundheitswesen sehr weitgehend<br />

von der Entwicklung öffentlicher<br />

Mittelverteilung abhängig, die sowohl<br />

Einkommens- als auch Aufstiegsmöglichkeiten<br />

begrenzen können.


25<br />

STUDIE<br />

Belastungssituation der<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den <strong>–</strong><br />

Weiterbildungsmaster<br />

In den beiden Studiengängen der<br />

Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften<br />

sind die meisten <strong>Studieren</strong>den in<br />

Vollzeit erwerbstätig. Eine Reduzierung<br />

von Arbeitsstunden ist nach Erfahrung<br />

der Interviewten für viele <strong>Studieren</strong>den<br />

schon deshalb nicht möglich, weil sie<br />

neben den Studiengebühren teilweise<br />

auch Kosten für Anfahrt und Übernachtungen<br />

unter den Blocktagen tragen<br />

müssen. Ein Interviewpartner berichtet,<br />

dass <strong>Studieren</strong>de, in der Regel Leitungskräfte,<br />

oft eine Unterstützung durch<br />

den Arbeitgeber bekommen. In der Regel<br />

erstreckt sich dies auf Arbeitszeitkonten<br />

und Teilfreistellungen, selten auf eine<br />

vollständige Übernahme von Kosten. In<br />

einem weiteren Studiengang ist eine<br />

Freistellung von Beschäftigten durch<br />

Unternehmen extrem selten. In der Regel<br />

wird das Studium als ›privates Engagement‹<br />

betrachtet und nur unter der<br />

Bedingung toleriert, dass die Arbeit nicht<br />

darunter leidet. Die Haltung von Vorgesetzten<br />

kann sich jedoch ändern, wenn<br />

im Laufe des Studiums der Nutzen für<br />

die Unternehmen sichtbar wird. Es gibt<br />

auch Fälle, in denen die <strong>Studieren</strong>den<br />

ihren Arbeitgeber nicht über ihr Studium<br />

unterrichten, um nicht in den Verdacht<br />

zu geraten, weniger am Arbeitsplatz leisten<br />

zu können. In diesen Fällen entfällt<br />

der typischerweise positive, wechselseitige<br />

Nutzen, der aus Studienprojekten<br />

innerhalb des Unternehmens für beide<br />

Seiten erwächst. Insbesondere in kleineren<br />

Unternehmen bestehen häufiger<br />

Bedenken, dass Absolventen nach dem<br />

Abschluss höhere Ansprüche an Aufstieg<br />

und Einkommen stellen würden. Dass<br />

das berufsbegleitende Studium insgesamt<br />

eine Belastungsprobe darstellt, sei jedoch<br />

im Grunde Teil des Konzepts. Die späteren<br />

Führungskräfte sollen zeigen, dass<br />

sie hohen Belastungen gewachsen sind.<br />

Insbesondere die ersten beiden Semester<br />

seien etwas ›härter‹ als die nachfolgenden.<br />

Die Studiengangsleitung des Weiterbildungsmasters<br />

der Fachrichtung Medizin /<br />

Gesundheit äußert die Vermutung, dass<br />

die anfallenden Studiengebühren eine<br />

Hürde für viele Studieninteressierte<br />

darstellen. Diese gehören häufig Berufsgruppen<br />

im mittleren Einkommensbereich<br />

an. Außerdem gibt es erst nach<br />

zwei Jahren die Möglichkeit, das Studium<br />

kostenneutral abzubrechen. Eine Teilfreistellung<br />

durch einen Arbeitgeber ist<br />

bisher von einer <strong>Studieren</strong>den bekannt,<br />

die ihren Arbeitgeber offensiv mit ihrer<br />

Situation konfrontiert hatte.<br />

Konzeption, Zugang und Beratung <strong>–</strong><br />

gemischte Studiengänge<br />

Die folgende Auswertung bezieht sich<br />

auf zwei Bachelorstudiengänge und<br />

einen Masterstudiengang, die sowohl an<br />

traditionelle Vollzeitstudierende als auch<br />

an berufstätige <strong>Studieren</strong>de gerichtet<br />

sind. Das breite Altersspektrum und<br />

die sehr unterschiedlichen Lebenssituationen<br />

der <strong>Studieren</strong>den stellen die<br />

Studiengangsverantwortlichen vor die<br />

Herausforderung, alle Bedürfnisse unter<br />

einen Hut zu bringen. Zudem muss die<br />

Konzeptionierung und Durchführung<br />

der Angebote aus der Grundfinanzierung<br />

der Hochschulen gedeckt werden. 7<br />

Ein Bachelorstudiengang der Fachrichtung<br />

Berufspädagogik konnte mithilfe<br />

von Drittmitteln als <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

Angebot konzeptioniert und evaluiert<br />

werden. Das Studium kann somit in<br />

Vollzeit und berufsbegleitend studiert<br />

werden. Die letzte Variante wird von<br />

den älteren berufstätigen <strong>Studieren</strong>den<br />

genutzt. Der Planungsphase ist eine<br />

Bedarfsstudie vorausgegangen, in der<br />

auch Unternehmen befragt wurden. Ein<br />

dualer Bachelorstudiengang der Fachrichtung<br />

Medizin / Gesundheit, in dem<br />

Theorieanteile an der Hochschule und<br />

Praxisanteile ineinandergreifen, ist für<br />

dual <strong>Studieren</strong>de in Ausbildung sowie<br />

für beruflich Qualifizierte konzipiert.<br />

Diese haben bereits eine einschlägige<br />

Berufsausbildung und absolvieren die<br />

Theorieteile des Studiums. Ein konsekutiver<br />

Masterstudiengang der Fachrichtung<br />

Mathematik / Informatik kann in Vollzeit<br />

und in Teilzeit studiert werden. In der<br />

Gruppe der Berufstätigen, in der Regel<br />

sind das Teilzeitstudierende, gibt es zwei<br />

Statusgruppen. Eine Gruppe studiert mit


26<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

formaler Unterstützung ihres Arbeitgebers,<br />

der einen Kooperationsvertrag mit<br />

der Hochschule abgeschlossen hat. Die<br />

Initiative für die Kooperationen ist von<br />

mehreren Unternehmen ausgegangen,<br />

die einen hohen wissenschaftlichen Weiterbildungsbedarf<br />

für ihre Beschäftigten<br />

haben. Eine weitere kleinere Gruppe von<br />

Berufstätigen studiert in eigener Regie<br />

mit unterschiedlichen Vereinbarungen<br />

im Betrieb.<br />

Für den konsekutiven Master wird ein<br />

einschlägiger erster Hochschulabschluss<br />

vorausgesetzt. Den Zugang zu den beiden<br />

Bachelorprogrammen bekommen Studieninteressierte<br />

auch ohne Hochschulreife<br />

über die beruflichen Abschlüsse, wie<br />

eine anerkannte Berufsausbildung oder<br />

Fortbildungen zum Meister oder Techniker.<br />

Beruflich Qualifizierte mit und ohne<br />

Abitur machen in den Jahrgängen etwa<br />

ein Drittel bis die Hälfte aller <strong>Studieren</strong>den<br />

aus. Dem berufsbegleitenden Bachelorstudiengang<br />

gehen Brückenkurse in<br />

wissenschaftlichem Arbeiten und Mathematik<br />

voraus. Die Studiengangsverantwortlichen<br />

stellen fest, dass insbesondere<br />

Meister die Vorbereitung auf ein stärker<br />

reflektierendes Denken brauchen, das<br />

sich von dem in der beruflichen Bildung<br />

vermittelten Denken unterscheidet. In<br />

dem dualen Bachelorprogramm müssen<br />

beruflich Qualifizierte eine Anerkennungsprüfung<br />

ablegen und anschließend<br />

ein einjähriges Probestudium durchlaufen.<br />

Etwa 20 Prozent der Studieninteressierten<br />

bestehen die Anerkennungsprüfung<br />

nicht, während das Probestudium<br />

bisher nicht zu Abbrüchen geführt hat.<br />

Die Verantwortlichen der Bachelorstudiengänge<br />

berichten von einem hohen<br />

individuellen Beratungsbedarf von<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den vor dem<br />

Studium und währenddessen. Neben<br />

den Zugangsvoraussetzungen und den<br />

Anforderungen im Studium sind die<br />

beruflichen Perspektiven für Absolventinnen<br />

und Absolventen Gegenstand der<br />

Gespräche. Die Beratung wird von den<br />

Studiengangsverantwortlichen geleistet.<br />

Diese haben die Erfahrung gemacht, dass<br />

zentrale Beratungsstellen der Hochschulen<br />

unzureichend über Zugangsmodalitäten<br />

sowie über berufliche Perspektiven<br />

informiert sind und daher keine geeignete<br />

Anlaufstelle für beruflich qualifizierte<br />

Studieninteressierte darstellen. Einigen<br />

Studieninteressierten wurde vermut-<br />

lich in der zentralen Beratungsstelle<br />

vom Studium abgeraten. Obwohl auch<br />

Studiengangsverantwortliche mitunter<br />

vom Studium abraten, kann diese Entscheidung<br />

aus ihrer Sicht erst nach einer<br />

eingehenden Prüfung des Einzelfalls<br />

getroffen werden.<br />

Bei dem berufsbegleitenden Bachelorstudiengang<br />

werden Präsenzveranstaltungen<br />

des berufspädagogischen Teils<br />

am Abend und an den Wochenenden<br />

durchgeführt. Traditionelle Vollzeitstudierende<br />

desselben Studiengangs müssen<br />

sich auf die unorthodoxen Veranstaltungszeiten<br />

einlassen. Das birgt nach<br />

Aussage der Interviewten zu Beginn des<br />

Studiums Konfliktpotenzial zwischen den<br />

›traditionellen‹ und den berufstätigen<br />

<strong>Studieren</strong>den. Fachliche Veranstaltungen<br />

aus Regelstudiengängen, die tagsüber in<br />

der Woche stattfinden, sind ebenfalls in<br />

das Programm integriert. Das wiederum<br />

stellt ein organisatorisches Problem für<br />

die Berufstätigen dar. Der Studiengang<br />

ist somit vom Format her nicht in Gänze<br />

berufsbegleitend studierbar. Zentrales<br />

Problem ist aus Sicht der Interviewten,<br />

dass den Lehrenden im Regelstudium Anreize<br />

fehlen, um sich zeitlich oder auch<br />

didaktisch auf berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de<br />

einzustellen.<br />

Im dualen Bachelorprogramm liegen<br />

die Veranstaltungen teils verblockt und<br />

an den Wochenrändern und teils über<br />

die Woche verteilt. Mitunter beklagen berufstätige<br />

<strong>Studieren</strong>de, dass Arbeitszeiten<br />

mit Präsenzveranstaltungen kollidieren.<br />

Allerdings profitieren die Pflegeberufe<br />

nach Aussage der Interviewten von flexiblen<br />

Arbeitszeitmodellen, zum Beispiel in<br />

Schicht- und Wochenenddiensten. Viele<br />

sind in der Regel in Teilzeit beschäftigt.<br />

Um jedoch extreme Prüfungsbelastungen<br />

zu bestimmten Zeiten zu vermeiden, können<br />

die <strong>Studieren</strong>den Modulprüfungen<br />

zeitlich flexibel ablegen.<br />

Im konsekutiven Masterprogramm<br />

liegen die Veranstaltungen auch in der<br />

Teilzeitvariante innerhalb der üblichen<br />

Arbeitszeiten. Die adressierte Berufsgruppe<br />

verfügt jedoch nach Erfahrung der<br />

Interviewten in der Regel über flexible<br />

Arbeitszeitmodelle, die die Teilnahme an<br />

den Veranstaltungen ermöglicht.<br />

Die verschiedenen Formate verdeutlichen,<br />

dass es schon rein organisatorisch<br />

schwierig ist, Studiengänge für sehr<br />

heterogene Gruppen zu gestalten. Unsere


27<br />

STUDIE<br />

Befragung von berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

zeigt, dass rein berufsbegleitende<br />

Formate organisatorisch besser zu bewältigen<br />

sind als ›gemischte‹ Studiengänge<br />

(vergleiche Kapitel 4). Allerdings spricht<br />

das nicht gegen eine Öffnung des Regelstudienangebots,<br />

denn auch Berufstätige<br />

sollten eine breite Auswahl von Studienangeboten<br />

vorfinden.<br />

Anrechnung von beruflich<br />

erworbenen Qualifikationen<br />

und Kompetenzen <strong>–</strong><br />

gemischte Studiengänge<br />

Im berufsbegleitenden Bachelorstudiengang<br />

erhalten Absolventinnen und<br />

Absolventen von Fortbildungen mittels<br />

eines individuell ausgefüllten Portfolios<br />

eine Anrechnung auf Studienleistungen.<br />

Bei Technikern wird pauschal ein<br />

Sechstel der im Studium zu erwerbenden<br />

Kreditpunkte angerechnet, bei Meistern<br />

werden einzelne Bestandteile der Fortbildung<br />

berücksichtigt. Für die <strong>Studieren</strong>den<br />

reduzieren sich die verpflichtenden<br />

Präsenzveranstaltungen und Prüfungen<br />

entsprechend.<br />

Im dualen Bachelorprogramm wurde<br />

aus der für den Zugang erforderlichen<br />

Berufsausbildung in der Vergangenheit<br />

mehr als ein Drittel der Studienleistungen<br />

angerechnet. Das Studium verkürzte<br />

sich damit auf vier Semester in Vollzeit.<br />

Später wurde nur noch ein Fünftel der<br />

Studienleistungen angerechnet, da das<br />

Bundesland Niedersachsen Masterabsolventinnen<br />

und -absolventen der Berufspädagogik<br />

aufgrund der großzügigen<br />

Anrechnung nicht zum Referendariat<br />

zuließ. Die Begründung war, dass bestimmte<br />

Kenntnisse auf Hochschulniveau<br />

fehlten. Das Beispiel zeigt, dass die relativ<br />

neuen Anrechnungsverfahren zukünftig<br />

einer besseren Abstimmung zwischen<br />

Bundesländern und Hochschulen bedürfen.<br />

8<br />

Im konsekutiven Masterstudiengang<br />

werden Bachelorabschlüsse mit einer<br />

bestimmten Punktzahl vorausgesetzt.<br />

Wenn die Voraussetzungen nicht vollständig<br />

durch den vorliegenden Hochschulabschluss<br />

erfüllt werden, kann<br />

das individuell durch Kompetenzen aus<br />

einschlägiger Berufserfahrung kompensiert<br />

werden.<br />

Didaktik und Theorie-Praxis-<br />

Transfer <strong>–</strong> gemischte Studiengänge<br />

Im berufsbegleitenden Bachelorstudiengang<br />

sind die Veranstaltungen zur<br />

Berufspädagogik nicht nur zeitlich<br />

berufsbegleitend, sie unterscheiden sich<br />

auch methodisch-didaktisch deutlich von<br />

den ›berufsfernen‹ Fachveranstaltungen<br />

aus den Regelstudiengängen. Diese sind<br />

für einen Teil der berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

kulturell und inhaltlich wenig<br />

zugänglich. Lehrende der Berufspädagogik<br />

dagegen gestalten den Umgang mit<br />

der heterogenen <strong>Studieren</strong>denschaft<br />

sehr bewusst und bilden beispielsweise<br />

Tandems aus jüngeren und berufserfahrenen<br />

<strong>Studieren</strong>den, von denen beide<br />

Seiten profitieren. Von den <strong>Studieren</strong>den<br />

selbst gebildete Lerngruppen sind<br />

meist homogen, weil Treffen dann wohl<br />

zeitlich einfacher koordiniert werden<br />

können. Möglichkeiten des Online-Lernens<br />

werden bisher kaum genutzt, sind<br />

aber für eine bessere Vereinbarkeit von<br />

Arbeits- und Studienzeiten in Planung.<br />

Ein gezielter Theorie-Praxis-Transfer war<br />

eigentlich konzeptionell vorgesehen, ist<br />

aber für die Berufstätigen wohl schwer<br />

zu realisieren. Diese scheinen Beruf und<br />

Studium strikt voneinander zu trennen.<br />

Im dualen Bachelorprogramm stoßen<br />

Versuche, den Austausch zwischen ausbildungsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den und berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den zu fördern<br />

auf Widerstand. Nach Wahrnehmung der<br />

Studiengangsverantwortlichen bilden<br />

die <strong>Studieren</strong>den separate Gruppen und<br />

kommunizieren kaum miteinander.<br />

Die Nähe zur beruflichen Praxis ist im<br />

Curriculum schon aufgrund des dualen<br />

Konzepts fest verankert. Ein Austausch<br />

mit Betrieben findet außerdem einmal<br />

jährlich statt.


28<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Im Masterprogramm setzt man auf eine<br />

hohe Selbstständigkeit der <strong>Studieren</strong>den.<br />

Das wird darauf zurückgeführt, dass<br />

auch die Jüngeren fast durchgängig berufspraktische<br />

Erfahrungen in Unternehmen<br />

gesammelt haben. Der Austausch<br />

zwischen den Berufserfahrenen und<br />

den Jüngeren ist rege. Lehrende fordern<br />

die <strong>Studieren</strong>den auf, ihre beruflichen<br />

Kompetenzen im Studium einzubringen,<br />

etwa in Form von Referaten oder eigenen<br />

Projekten. Frontalunterricht wird als<br />

Methode selten angewandt. Ein weiterer<br />

Bezug zur beruflichen Praxis wird über<br />

Projekte hergestellt, die die Hochschule<br />

zusammen mit Unternehmen durchführt.<br />

Beide Seiten profitieren davon. <strong>Studieren</strong>de<br />

können sich an neuer Technik<br />

ausprobieren und die Themenstellungen<br />

umfassen komplexe Probleme. Außerdem<br />

haben zwei Drittel der Abschlussarbeiten<br />

mit Themen zu tun, die die <strong>Studieren</strong>den<br />

aus den Unternehmen mitbringen. Ein<br />

zusätzliches Lehrangebot zur Förderung<br />

von beruflichen Schlüsselkompetenzen<br />

besteht für Teilzeitstudierende des<br />

konsekutiven Masterstudiengangs, deren<br />

Unternehmen einen Kooperationsvertrag<br />

mit der Hochschule abgeschlossen haben.<br />

E-Learning wird bisher nicht systematisch<br />

genutzt. Es gibt zwar eine Lehr- und<br />

Lernplattform, wo alle Materialien und<br />

Folien zur Verfügung gestellt werden.<br />

Dies unterstützt jedoch lediglich die<br />

Präsenzlehre, denn Erklärungen und Diskussionen<br />

des Stoffs kann die Plattform<br />

nicht ersetzen. Angemessene Formen des<br />

E-Learnings erfordern einen hohen konzeptionellen<br />

und technischen Aufwand,<br />

der mit den vorhandenen Kapazitäten für<br />

den Studiengang nicht zu leisten sei. 9<br />

Belastungssituation der<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den,<br />

Studienmotivation und berufliche<br />

Perspektiven <strong>–</strong> gemischte<br />

Studiengänge<br />

Im berufsbegleitenden Bachelorstudiengang<br />

sind die Berufstätigen in der Regel<br />

in Vollzeit erwerbstätig, da aufgrund<br />

finanzieller Verpflichtungen (Haus, Familie)<br />

ein reduziertes Einkommen nicht<br />

denkbar ist. Viele haben außerdem lange<br />

Anfahrtzeiten, da sie an einen festen<br />

Wohnort gebunden sind. Anscheinend<br />

ist ein ›Nachlassen‹ in der Erwerbsarbeit<br />

für die <strong>Studieren</strong>den nicht denkbar,<br />

teilweise übernehmen diese sogar schon<br />

während des Studiums mehr Verantwortung<br />

im Betrieb. Dies kann zu einer<br />

Mehrbelastung im Betrieb führen. Unter<br />

der gesamten Situation leidet die Familie.<br />

Häufig wird beklagt, dass die Unterstützung<br />

des familiären Umfelds im Laufe<br />

des Studiums nachlässt. Einige <strong>Studieren</strong>de<br />

berichten sogar von Trennungen.<br />

Auch dass man sich durch persönliche<br />

Entwicklungen im Studium mit Partnern<br />

›auseinanderlebt‹, ist schon thematisiert<br />

worden. Die Belastungen in der Zeit der<br />

Abschlussarbeit sind besonders hoch. Da<br />

die Bearbeitungszeit der Bachelorarbeiten<br />

durch die Studienordnung festgelegt<br />

ist, müssen die Berufstätigen entsprechend<br />

vorarbeiten, um den Abschluss in<br />

der vorgeschriebenen Zeit zu absolvieren.<br />

Außerdem fordern die Mathematik und<br />

der Stil der Veranstaltungen aus den<br />

Regelstudiengängen gerade die Meister<br />

kognitiv und kulturell stark heraus. Teilweise<br />

werden Vorlesungen als komplett<br />

unverständlich bezeichnet. Eine hohe<br />

Belastung für die <strong>Studieren</strong>den ist zudem<br />

der unmittelbare Zeitkonflikt durch diese<br />

Veranstaltungen, die tagsüber stattfinden.<br />

Eine Unterstützung durch Arbeitgeber<br />

ist eher selten. Deshalb haben wohl<br />

gerade die <strong>Studieren</strong>den, die versucht<br />

hatten, ohne Wissen des Betriebes zu<br />

studieren, abgebrochen. Insbesondere in<br />

der ersten Kohorte brach ein Teil nach<br />

einem Jahr ab.


29<br />

STUDIE<br />

Hinsichtlich der beruflichen Perspektiven<br />

ist anzumerken, dass der Bachelorabschluss<br />

alleine nicht für eine höherwertige<br />

berufliche Tätigkeit qualifiziert,<br />

jedoch Aufgabenbereiche in der betrieblichen<br />

Ausbildung eröffnet. Im Anschluss<br />

besteht außerdem die Möglichkeit eines<br />

Ingenieur-Studiums auf Masterebene.<br />

Dies wird eher von Technikern genutzt.<br />

Meister dagegen entscheiden sich vor<br />

allem für den Master, der für das Berufsschullehramt<br />

qualifiziert.<br />

Das duale Bachelorprogramm der<br />

Fachrichtung Medizin / Gesundheit ist<br />

nicht als Teilzeit- oder <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

Studium konzipiert. Häufig melden<br />

Berufstätige zurück, dass Seminare mit<br />

Arbeitszeiten kollidieren. Allerdings sind<br />

die Pflegeberufe durch die Möglichkeiten<br />

des Schicht- und Wochenenddienstes<br />

zeitlich relativ flexibel. Die Studiengangsverantwortlichen<br />

vermuten, dass viele<br />

berufstätige <strong>Studieren</strong>de halbtags arbeiten.<br />

10 Von <strong>Studieren</strong>den kommen nur<br />

punktuell Anregungen für alternative<br />

Seminarzeiten, da alle unterschiedliche<br />

Arbeitszeiten haben. Bei den Berufstätigen<br />

sind Abbrüche sehr selten.<br />

Der Bachelor der Fachrichtung Berufspädagogik<br />

eröffnet den Zugang zu<br />

verschiedenen Masterstudiengängen in<br />

oder außerhalb Bremens in Abhängigkeit<br />

von den einzelnen Zugangsmodalitäten.<br />

Bei der Wahl des Schwerpunkts Lehre im<br />

Bachelorprogramm kann beispielsweise<br />

der Master Berufspädagogik absolviert<br />

werden. Perspektive ist dann der Schuldienst<br />

an berufsbildenden Schulen. Dort<br />

ist ein steigender Bedarf an Lehrkräften<br />

absehbar. Der Schwerpunkt Lehre wird<br />

bevorzugt von Berufstätigen angewählt.<br />

Womöglich sehen die Berufserfahrenen<br />

mit dem Bachelorabschluss noch wenig<br />

berufliche Entwicklungsmöglichkeiten in<br />

der pflegerischen Praxis. Der Bachelorabschluss<br />

alleine qualifiziert nicht für eine<br />

höherwertige berufliche Tätigkeit, zumal<br />

in der Pflege noch keine verbindlicheren<br />

Aufgabenfelder für Absolventinnen und<br />

Absolventen definiert wurden und dementsprechend<br />

auch keine Einkommensgruppe<br />

vorgesehen ist. Dies ist <strong>–</strong> ebenso<br />

wie in der Frühpädagogik <strong>–</strong> ein Problem<br />

des öffentlich finanzierten Arbeitsmarktes.<br />

Trotzdem formulieren die Kliniken<br />

einen Bedarf an Hochschulabsolventinnen<br />

und -absolventen.<br />

Im Masterprogramm der Fachrichtung<br />

Mathematik / Informatik stellt die Auseinandersetzung<br />

mit mathematischen Problemen<br />

besondere kognitive Ansprüche<br />

an die <strong>Studieren</strong>den. <strong>Studieren</strong>de aus der<br />

beruflichen Praxis erscheinen grundsätzlich<br />

ernsthafter, belastbarer und<br />

motivierter als traditionelle <strong>Studieren</strong>de.<br />

Das sind aus Sicht der Studiengangsleitung<br />

vorteilhafte Eigenschaften für die<br />

Bewältigung von schwierigen Fächern<br />

wie Mathematik. Einige Berufserfahrene<br />

berichten jedoch davon, dass es für sie<br />

schwierig sei, in den ›<strong>Studieren</strong>denmodus‹<br />

zurückzufinden und ganze Tage mit<br />

der intensiven Arbeit an spezifischen Problemen<br />

zu verbringen. Es kommt jedoch<br />

generell vor, dass <strong>Studieren</strong>de mathematikintensive<br />

Module nicht wählen und<br />

stattdessen andere Wahlpflichtangebote<br />

bevorzugen.<br />

Die meisten <strong>Studieren</strong>den, auch<br />

berufstätige, beginnen das Studium in<br />

Vollzeit. Manche steigen dann in den<br />

folgenden Semestern auf ein Teilzeitstudium<br />

um, wenn die Belastung sich als zu<br />

hoch erweist. Wenn die Lehrenden Überlastungen<br />

und Konzentrationsschwierigkeiten<br />

bei den <strong>Studieren</strong>den wahrnehmen,<br />

werden diese über die Möglichkeit<br />

eines Wechsels in ein Teilzeitstudium<br />

aufgeklärt. Falls im Beruf zeitweise hohe<br />

Belastungen auftreten, können Module<br />

bewusster geplant werden. Urlaubssemester<br />

werden selten genommen.<br />

Die in Kooperation mit einem Unternehmen<br />

<strong>Studieren</strong>den erscheinen<br />

insgesamt besser organisiert, als Berufstätige,<br />

die gänzlich in eigener Verantwortung<br />

studieren. Vermutlich gibt es für<br />

Vollzeitbeschäftigte einen Bedarf für ein<br />

<strong>berufsbegleitendes</strong> Studienangebot mit<br />

besonderen Studienzeiten. Die Konzeptionierung<br />

und Umsetzung ist jedoch mit<br />

den personellen Kapazitäten im Fachbereich<br />

nicht zu leisten.


30<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Teilzeitstudierende haben bisher das Masterstudium<br />

nicht abgebrochen. Die wenigen<br />

Abbrüche, die bisher zu verzeichnen<br />

waren, ergaben sich mehrheitlich aus<br />

der in den vergangenen Jahren sehr<br />

guten Arbeitsmarktlage für die Berufsgruppe.<br />

In dem einschlägigen Berufsfeld<br />

müssen sich die Fachkräfte ständig<br />

weiterbilden, daher bieten viele Unternehmen<br />

ihren hochqualifizierten Beschäftigten<br />

entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

Die <strong>Studieren</strong>den können<br />

sich im Gegenzug für eine festgelegte<br />

Zeit an die Firma binden. Der Abschluss<br />

ist nicht nur Grundlage für höherwertige<br />

Tätigkeiten in Unternehmen, sondern<br />

auch für eine Selbstständigkeit und eine<br />

wissenschaftliche Karriere. Dies erscheint<br />

einigen Absolventinnen und Absolventen<br />

insbesondere nach einigen Jahren Berufstätigkeit<br />

sehr attraktiv.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Vereinbarkeit verschiedener Lebensbereiche<br />

von berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

wird wesentlich auch von der Auseinandersetzung<br />

der Hochschulen mit der<br />

beruflichen Praxis ihrer <strong>Studieren</strong>den<br />

bestimmt. Die vorgestellten Konzeptionen<br />

von Weiterbildungsmastern und<br />

Regelstudiengängen, die neben traditionellen<br />

auch berufstätige <strong>Studieren</strong>de<br />

adressieren, zeigen ein breites Spektrum<br />

von Berufsorientierung bei der organisatorischen,<br />

curricularen und didaktischen<br />

Ausgestaltung. Deutlich wird, dass sich<br />

Akteure an staatlichen Hochschulen, je<br />

nach Fachrichtung, Adressatenkreis und<br />

hochschulischen Rahmenbedingungen,<br />

hinsichtlich des Anspruchs <strong>–</strong> sowohl<br />

akademisch bildend als auch beruflich<br />

qualifizierend zu sein <strong>–</strong> ganz unterschiedlich<br />

positionieren. An der gesamten<br />

Institution der staatlichen Hochschule<br />

ist der Diskurs um eine Annäherung<br />

von wissenschaftlicher und beruflicher<br />

Orientierung jedoch noch randständig,<br />

obwohl er von Akteuren innerhalb und<br />

außerhalb des wissenschaftlichen Feldes<br />

bereits seit Längerem geführt wird. 11 Die<br />

Berufsorientierung ist an den Fachhochschulen<br />

aufgrund ihres hohen Anteils<br />

von <strong>Studieren</strong>den mit Berufsausbildung<br />

weiter entwickelt als an den Universitäten.<br />

12 In den nächsten Jahren wird sich<br />

zeigen, wie die im Jahr 2015 initiierten<br />

BMBF-Projekte zur Öffnung von Regelstudienangeboten<br />

an der Universität und<br />

an der Hochschule Bremen in der Praxis<br />

wirksam werden. Die Berücksichtigung<br />

von unterschiedlichen Bedürfnissen<br />

einer heterogenen <strong>Studieren</strong>denschaft<br />

macht spezifische Angebote, Brückenkurse<br />

sowie Beratung, für Berufstätige<br />

unabdingbar. Auch eine Reorganisation<br />

einzelner Studiengänge wird für eine<br />

Öffnung notwendig sein.


31<br />

STUDIE<br />

1 Ein BMBF-gefördertes Projekt an der<br />

Hochschule Heilbronn zeigt beispielhaft,<br />

wie die Konzeptionierung eines berufsbegleitenden<br />

Studiengangs auf der Basis<br />

einer systematischen Bedarfsanalyse<br />

(mit Experteninterviews, Stakeholderanalyse,<br />

Geschäftsplanentwicklung<br />

etc.) gestaltet werden kann. Das setzt<br />

allerdings eine ausreichende Finanzierung,<br />

in diesem Fall Drittmittelförderung,<br />

und idealerweise die Einbettung in ein<br />

Gesamtziel der Hochschule voraus.<br />

Vgl. Köster et al. (2014).<br />

2 Ein idealtypischer Leitfaden für<br />

Beratungsgespräche findet sich in dem<br />

Bericht über das Heilbronner Modell.<br />

Ziel des Gesprächs ist es, zum einen die<br />

inhaltlichen und institutionellen Anforderungen<br />

des Studiums zu Beginn transparent<br />

zu machen. Zum anderen werden<br />

Motivation, Erwartungen, Bildungs- und<br />

Berufsbiografie der Studieninteressierten<br />

geklärt. Dabei sollen mögliche Problemlagen,<br />

die den Studienerfolg gefährden<br />

können, antizipiert werden. Vgl. Köster<br />

et al. (2014), S. 27.<br />

3 Zu den Möglichkeiten und Problemen<br />

bei Anrechnungsverfahren siehe das Interview<br />

mit Walburga Freitag in Kapitel 6.<br />

4 Vgl. Kreutz / Meyer (2015), S. 239. Vgl.<br />

auch das Interview mit Petra Boxler in<br />

Kapitel 6.<br />

5 Das bestätigt im Grunde auch unsere<br />

Befragung von <strong>Studieren</strong>den. Diese<br />

äußern den Wunsch nach einem höheren<br />

Anteil von E-Learning eher dann, wenn<br />

besondere Belastungen durch Schichtarbeit<br />

oder durch Studienveranstaltungen<br />

mitten in der Woche die Teilnahme<br />

erschweren (vgl. Kapitel 4).<br />

6 Zum gezielten Theorie-Praxis-Transfer<br />

vergleiche auch das sogenannte ›Heilbronner<br />

Modell‹. Für den berufsbegleitenden<br />

Studiengang wurden dort neben<br />

den <strong>Studieren</strong>den weitere Vertreter<br />

der beschäftigenden Unternehmen als<br />

›Betreuer‹ für ›On-the-Job-Projekte‹<br />

einbezogen. Vgl. Köster et al. (2014),<br />

S. 15 f.<br />

7 In Bremen, wie in fast allen anderen<br />

Bundesländern, dürfen staatliche Hochschulen<br />

für grundständige Studiengänge<br />

(Bachelor und konsekutive Master) keine<br />

Studiengebühren erheben.<br />

8 Vgl. zum Thema Anrechnung das Interview<br />

mit Walburga Freitag in Kapitel 6.<br />

9 Ein Beispiel aus der Hochschule Niederrhein<br />

verdeutlicht den hohen Aufwand<br />

bei der Gestaltung von E-Learning. Vgl.<br />

Bergstermann et al. (2014), S. 69 ff.<br />

10 Darauf weisen auch die Ergebnisse<br />

unserer Befragung hin (vergleiche<br />

Kapitel 4).<br />

11 Vgl. Elsholz (2015), S. 255.<br />

12 Vgl. Wissenschaftlicher Beraterkreis<br />

(2014), S. 47. Hier wird außerdem<br />

argumentiert, dass an den Universitäten<br />

mit ihrer expliziten Forschungsausrichtung<br />

und an den Fachhochschulen, die<br />

im Rahmen des Bologna-Prozesses<br />

verstärkt mit den Universitäten konkurrieren,<br />

ein ›praxisferner Wissenstyp‹<br />

(S. 58) sogar wieder verbreiteter ist.<br />

Kreutz / Meyer (2015), S. 235, vertreten<br />

die Auffassung, dass die ›Berufs- und<br />

Praxisorientierung‹ mit dem Bologna-<br />

Prozess wieder stärker ins Blickfeld<br />

gerät. Allerdings kritisieren sie, dass<br />

sich im Gegensatz zum ›Berufsmodell‹<br />

das ›Etikett ›Employability‹ durchgesetzt<br />

hat, mit der damit einhergehenden<br />

Reduzierung auf Flexibilität, Mobilität und<br />

Wettbewerbsfähigkeit.


32<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Die Perspektive von<br />

<strong>Studieren</strong>den<br />

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇<br />

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14


33<br />

STUDIE<br />

JESSICA HEIBÜLT<br />

Qualitative Interviews<br />

Qualitative Interviews mit insgesamt<br />

13 berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

ermöglichen einen tieferen Einblick in<br />

die Vereinbarkeitsproblematik. Bei der<br />

qualitativen Forschung ist dabei nicht<br />

die Zahl der Fälle entscheidend, sondern<br />

vielmehr die differenzierte Auseinandersetzung<br />

mit Kontext und Hintergründen<br />

des untersuchten Gegenstandes. 1 Die<br />

ersten qualitativen Daten dienten daher<br />

in unserer Studie als Grundlage für die<br />

Entwicklung eines Fragebogens für die<br />

quantitative Erhebung. Durch den Mix<br />

von quantitativen und qualitativen Daten<br />

können Zusammenhänge verdeutlicht<br />

und somit eine umfassendere Analyse<br />

verschiedener Aspekte von Vereinbarkeit<br />

ermöglicht werden.<br />

Beschreibung der Stichprobe<br />

Die sechs qualitativen Interviews wurden<br />

mit je unterschiedlicher Anzahl von<br />

Teilnehmenden geführt. Die Teilnehmenden<br />

der Gruppeninterviews meldeten<br />

sich freiwillig auf Initiative von Studiengangsverantwortlichen<br />

beziehungsweise<br />

zuständigen Professorinnen und<br />

Professoren, die unsere Anfrage direkt<br />

an ihre <strong>Studieren</strong>den in Seminaren oder<br />

per E-Mail weitergegeben haben. In vier<br />

Studiengängen haben wir eigenständig<br />

über E-Mail-Verteiler oder persönlich in<br />

Seminaren für die Teilnahme an Interviews<br />

geworben. Da wir nur wenige<br />

Rückmeldungen erhielten, boten wir die<br />

Möglichkeit von Einzelinterviews an,<br />

um alle Studiengänge ins Sample aufnehmen<br />

zu können. Insgesamt wurden drei<br />

Gruppeninterviews und drei Einzelinterviews,<br />

mit elf Masterstudierenden und<br />

zwei Bachelorstudierenden, geführt.<br />

Im Bereich der Sozial- und Pflegeberufe<br />

haben sich zwei Masterstudentinnen<br />

der Fachrichtung Medizin / Gesundheit<br />

für ein Gruppeninterview bereit erklärt.<br />

Unter den technischen und kaufmänni-<br />

schen Berufsgruppen sind hingegen Männer<br />

leicht überrepräsentiert. Mit <strong>Studieren</strong>den<br />

aus technischen Berufsgruppen<br />

wurden drei Interviews in zwei unterschiedlichen<br />

Studienformaten geführt.<br />

Darunter waren zwei Studenten aus<br />

einem berufspädagogischen Bachelorstudiengang<br />

in je einem Einzelinterview.<br />

Für ein Gruppeninterview stellten sich<br />

zwei Männer und zwei Frauen aus dem<br />

Fachbereich Ingenieurwissenschaften /<br />

Mathematik / Informatik zur Verfügung.<br />

Im Bereich der vorwiegend kaufmännischen<br />

Berufsgruppen wurden Interviews<br />

in zwei verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Masterstudiengängen<br />

geführt. Zum einen nahmen zwei Studenten<br />

und zwei Studentinnen an einem<br />

Gruppeninterview teil. Zum anderen<br />

stellte sich ein Student für ein Einzelinterview<br />

zur Verfügung (einen Überblick<br />

bietet Tabelle 1 in Kapitel 2). An den<br />

Interviews haben insgesamt sechs Frauen<br />

und sieben Männer teilgenommen. 2<br />

Die Teilnehmer sind zum Zeitpunkt<br />

des Interviews zwischen 24 und 52 Jahre<br />

alt. Der Median liegt bei 31 Jahren. Drei<br />

der 13 Teilnehmenden haben Kinder<br />

im Kleinkind- oder im schulpflichtigen<br />

Alter. Sieben haben das Abitur, drei die<br />

Fachhochschulreife und ein Teilnehmer<br />

die mittlere Reife absolviert. Mit Ausnahme<br />

der zwei Bachelorstudierenden<br />

haben alle Befragten bereits einen ersten<br />

Hochschulabschluss. Von diesen neun<br />

Befragten haben drei zusätzlich eine<br />

abgeschlossene Berufsausbildung. Die<br />

beiden Bachelorstudierenden haben ihren<br />

Hochschulzugang über eine Techniker-<br />

beziehungsweise Meisterfortbildung<br />

erhalten. Drei Befragte sind mit einer<br />

halben Stelle, drei mit einer Zweidrittelstelle<br />

und vier mit einer Vollzeitstelle<br />

angestellt. Ein Student ist zum Zeitpunkt<br />

der Interviews von seinem Arbeitgeber<br />

für das Studium freigestellt. Als mögliche<br />

flexible Arbeitszeitmodelle nennen die


34<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

meisten Gleitzeit oder die Möglichkeit<br />

der Absprache mit Kollegen. Nur ein<br />

Student gibt an, keine flexiblen Arbeitszeiten<br />

zu haben. Die Studienfinanzierung<br />

erfolgt bei allen über Erwerbsarbeit, fünf<br />

<strong>Studieren</strong>de geben ausschließlich diese<br />

an. In zwei Fällen werden zusätzlich der<br />

Partner, in drei Fällen die Familie, einmal<br />

ein Kredit und einmal der Arbeitgeber als<br />

finanzielle Unterstützung genannt.<br />

Durch das Zusammenbringen von Einzel-<br />

und Gruppeninterviews wurden in<br />

der Auswertung inhaltliche Unterschiede<br />

zwischen beiden Interviewformen deutlich,<br />

die in der Interpretation der Ergebnisse<br />

berücksichtigt werden müssen: In<br />

den Einzelinterviews sprachen die Interviewten<br />

sehr viel ausführlicher über ihre<br />

Probleme, besonders hinsichtlich der<br />

Auswirkungen von Zeitmangel auf ihr<br />

Privatleben. In den Gruppeninterviews<br />

wurden hingegen <strong>–</strong> durch das wiederholte<br />

Einbringen neuer Themen <strong>–</strong> besonders<br />

die unterschiedlichen Bedingungen für<br />

Vereinbarkeit unter den Teilnehmenden<br />

deutlich.<br />

In den Interviews baten wir die<br />

<strong>Studieren</strong>den einleitend, von ihrer<br />

Studienmotivation und weiter von ihrer<br />

Lebenssituation seit Beginn des Studiums<br />

zu erzählen, mit dem besonderen<br />

Fokus auf die Studiensituation, die<br />

beruflichen Rahmenbedingungen sowie<br />

besondere Umstände im Privatleben.<br />

Die nachfolgenden Themen haben sich<br />

in den Interviews insgesamt als Schwerpunkte<br />

herausgestellt. Unter ihnen<br />

lassen sich Unterschiede zwischen den<br />

drei Berufsgruppen, gewählter Fachrichtung,<br />

Geschlechtern und Altersgruppen<br />

ausmachen.<br />

Studienmotivation<br />

Als zentrale Studienmotivation für alle<br />

Befragten kann der berufliche Aufstieg<br />

über einen (weiteren) akademischen<br />

Abschluss bezeichnet werden. Dennoch<br />

unterscheidet sich die Ausprägung dieses<br />

Motivs besonders zwischen verschiedenen<br />

Altersgruppen und gewählten<br />

Fachrichtungen und wird teilweise mit<br />

anderen Motiven <strong>–</strong> wie höheren Gehaltsvorstellungen,<br />

persönlicher Weiterentwicklung<br />

oder dem Wunsch eines<br />

Tätigkeitswechsels <strong>–</strong> verbunden. Diese<br />

Beweggründe sind auch für die berufliche<br />

Perspektive der <strong>Studieren</strong>den zentral<br />

und helfen unter anderem dabei, Schwierigkeiten<br />

und Herausforderungen in der<br />

Studienzeit zu meistern. Im Folgenden<br />

werden die unterschiedlichen Motive für<br />

die Wahl der einzelnen Fachrichtungen<br />

dargestellt.<br />

Bei den <strong>Studieren</strong>den, die einen<br />

wirtschaftswissenschaftlichen Master<br />

gewählt haben, unterscheiden sich die<br />

Studienmotive nach Alter. Im Gruppeninterview<br />

sowie dem Einzelinterview<br />

wird deutlich, dass die Motive von vier<br />

jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />

und einer älteren Teilnehmerin<br />

an die Lebensphase geknüpft sind. Ein<br />

31-jähriger Student gibt an: ›Ich habe<br />

auch mich ein bisschen umgeschaut,<br />

in welchem Bereich möchte ich mich<br />

denn überhaupt weiterbilden. Und diese<br />

Überlegungszeit hat auch so sieben, acht<br />

Jahre gedauert, bis ich sage, bevor ich mit<br />

Familienplanung anfange, möchte ich<br />

meine akademische Laufbahn abschließen‹<br />

(GI1). Das Zitat unterstreicht den<br />

Wunsch, die akademische Karriere mit<br />

einem Masterabschluss abzuschließen,<br />

das Masterstudium gilt damit als letzte<br />

Weiterbildungsoption vor einer neuen<br />

Lebensphase.<br />

Auch ein 28-jähriger Student wählte<br />

einen wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Master vor allem aufgrund von Aufstiegsinteressen,<br />

auch wenn diese in<br />

einem anderen Zusammenhang stehen.<br />

Er erlebte vor allem Frustration, da das<br />

zuvor absolvierte duale Bachelorstudium<br />

im Betrieb nicht den erhofften beruflichen<br />

Aufstieg in Form eines finanziellen<br />

Nutzens bedeutete. Er berichtet im<br />

Einzelinterview: ›[Ich, Anm. d. Verf.] habe<br />

dann aber irgendwann relativ schnell,<br />

nachdem ich die Bachelorarbeit vom


35<br />

STUDIE<br />

Tisch hatte, gemerkt, dass ich irgendwie<br />

ein neues Ziel brauchte zum einen und<br />

zum anderen gab es so ein bisschen<br />

Knatsch, was die Eingliederung in den<br />

Tarifvertrag bei der Firma [anging, Anm.<br />

d. Verf.]. […] Die anderen Leute, die in der<br />

Abteilung waren, waren eine Tarifgruppe<br />

höher und ich sollte in eine niedrigere<br />

Tarifgruppe reingehen, weil ich halt<br />

dort das Bachelorstudium bei der Firma<br />

gemacht hatte und die Personalabteilung<br />

mit dem Betriebsrat das so abgesprochen<br />

hatte […]. Da hatte ich dann auch so<br />

eine Frustreaktion vielleicht auch so ein<br />

bisschen, dass ich gesagt habe, ja gut,<br />

okay, wenn ihr das so meint, dann mache<br />

ich halt noch meinen Master und dann<br />

kann ich danach halt mal gucken, ob ich<br />

dann entweder da noch bleibe oder dann<br />

habe ich mir halt auch vorgestellt, dass<br />

ich damit bessere Chancen dann auf dem<br />

Arbeitsmarkt habe‹ (I3). In diesem Fall<br />

wird deutlich, dass betriebsinterne Aufstiegsmöglichkeiten<br />

eher intransparent<br />

sind. Deutlich wird außerdem, dass ein<br />

außerbetriebliches Studium in der individuellen<br />

Verantwortung der Beschäftigten<br />

liegt. Einen Abschluss einer staatlichen<br />

Hochschule verbindet dieser <strong>Studieren</strong>de<br />

zudem mit breiteren Chancen am<br />

Arbeitsmarkt.<br />

Gleichzeitig wird deutlich, dass ein<br />

Masterabschluss als essenziell angesehen<br />

wird, um die berufliche Position im<br />

Unternehmen zu sichern. Ein 33-jähriger<br />

Student berichtet: ›Es ist eher so, sich<br />

weiterzuentwickeln, um dann nicht<br />

irgendwann vielleicht mit Mitte 40 oder<br />

so sagen zu müssen, jetzt könnte ich die<br />

entsprechende Position haben, muss aber<br />

erst mal wieder so ein Studium absolvieren,<br />

weil eine Firma das gerne haben<br />

möchte dafür, um dann schon mal vorbereitet<br />

zu sein. Das war beim Bachelor ein<br />

bisschen anders noch mal, wo man eher<br />

gesagt hat, das ist jetzt gezielter‹ (GI1).<br />

Der Wert, der hier dem Masterabschluss<br />

für das Erreichen von Führungspositionen<br />

beigemessen wird, spiegelt, dass<br />

die neuen Bachelorabschlüsse sowohl<br />

bei Arbeitgebern als auch bei Absolventinnen<br />

und Absolventen noch nicht auf<br />

vollständige Akzeptanz stoßen.<br />

Neben beruflichen Aufstiegschancen<br />

spielt die persönliche Weiterentwicklung<br />

für alle <strong>Studieren</strong>den in dieser Fachrichtung<br />

eine zentrale Rolle. Eine 48-jährige<br />

Teilnehmerin gibt neben Motiven der<br />

persönlichen Weiterentwicklung an, sich<br />

mit dem wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Masterabschluss eine alternative berufliche<br />

Tätigkeit zu erhoffen: ›Und dann war<br />

das, was ich dann gemacht habe, nicht<br />

so das, was ich so unbedingt wollte. Und<br />

in dieser Übergangsphase, als ich mich<br />

ein bisschen neu orientiert habe, habe<br />

ich gedacht, guck mal, was es so gibt an<br />

Möglichkeiten [und, Anm. d. Verf.] bin<br />

auf das […] hier aufmerksam geworden‹<br />

(GI1). Damit unterscheidet sie sich von<br />

ihren jüngeren Kommilitoninnen und<br />

Kommilitonen. Berufsbegleitende Angebote<br />

werden folglich auch dazu genutzt,<br />

alternative berufliche Pfade einzuleiten.<br />

Dies gilt besonders auch für die folgenden<br />

zwei Befragten, die in einem Bachelorformat<br />

studieren.<br />

Zwei <strong>Studieren</strong>de aus technischen<br />

Berufen verbinden mit dem Bachelor der<br />

Berufspädagogik neue berufliche Chancen:<br />

›Ich bin durch Zufall darauf gekommen,<br />

dass man berufsbegleitend studieren<br />

kann, und vor allem, mir war zu dem<br />

Zeitpunkt noch gar nicht bewusst, dass<br />

ich die Hochschulzugangsberechtigung<br />

hatte. […] Und wenn man das einmal<br />

sieht, also dass auch ein anderes Arbeiten<br />

möglich ist, dann ist das natürlich auch<br />

sehr interessant, und da ich mich beruflich<br />

verändern wollte und das gerade sich<br />

so ergeben hatte, bin ich dann eben hier<br />

mit in die Forschungslandschaft reingerutscht‹<br />

(I1). Für den zitierten <strong>Studieren</strong>den<br />

erweist sich die Möglichkeit des<br />

Studiums als glücklicher Zufall, da er<br />

sowieso bereits eine berufliche Veränderung<br />

in Richtung Ausbildungsbereich<br />

eingeleitet hatte und sich nun durch das<br />

Studium für ihn Aufstiegsmöglichkeiten<br />

in diesem neuen Bereich bieten.<br />

Der zweite Interviewte dieser Fachrichtung<br />

gibt bei der Frage nach seiner<br />

Studienmotivation zunächst beruflichen<br />

Aufstieg als Motiv an: ›[Ich, Anm. d.<br />

Verf.] wollte dann aber noch on top was<br />

machen und bin dann eben auf dieses berufsbegleitende<br />

Angebot gekommen‹ (I2).<br />

Erst im weiteren Interview wird deutlich,<br />

dass der Studienabschluss für ihn mit<br />

der Hoffnung auf eine neue berufliche


36<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Tätigkeit verbunden ist. Dieser Wunsch<br />

wird noch dadurch verstärkt, dass sein<br />

Arbeitgeber das Studium nicht unterstützt<br />

und ihn sogar gegenüber Kollegen<br />

benachteiligt, die berufsbegleitend Fortbildungen<br />

zum Techniker oder Meister<br />

absolvieren. Das Motiv des beruflichen<br />

Aufstiegs scheint zudem mit dem Bedürfnis<br />

nach persönlicher Weiterentwicklung<br />

eng verbunden zu sein: ›Ja, also erst<br />

mal ist es etwas, was ich gerne machen<br />

möchte. Also für mich, ich möchte jetzt<br />

nicht sagen, Hobby, aber ich habe das<br />

für mich irgendwie entdeckt, als ich den<br />

Techniker angefangen habe, dass mir das<br />

Spaß macht, das zu lernen oder Sachen<br />

zu lernen. Und ja, und deswegen mache<br />

ich es erst mal für mich, aber eben mit<br />

der Aussicht, dann später was anderes zu<br />

machen‹ (I2).<br />

Für die Befragten aus IT-Berufen, die in<br />

der Fachrichtung Mathematik / Informatik<br />

studieren, ist der Erwerb eines Masterabschlusses<br />

üblich und wird meist durch<br />

Professoren oder Arbeitgeber empfohlen.<br />

Die <strong>Studieren</strong>den sind oft bereits seit ihrem<br />

Praktikum im Bachelorstudium bei<br />

ihrem heutigen Arbeitgeber angestellt,<br />

sodass beide Seiten ein Interesse daran<br />

haben, dass die Tätigkeit auch während<br />

des Masterstudiums fortgeführt wird:<br />

›Ich würde gerne arbeiten wollen, aber<br />

ich würde auch gerne mich weiterbilden,<br />

und ja, Master war sowieso, stand sowieso<br />

im Spiel, ich wollte sowieso einen Master<br />

machen‹ (GI2). Außerdem geben alle <strong>Studieren</strong>den<br />

dieser Fachrichtung an, dass<br />

der Master ein notwendiges Mittel ist, um<br />

eine höhere Gehaltsstufe zu erreichen.<br />

Das Studienformat des Teilzeitstudiums<br />

kommt ihnen sehr entgegen, da sie ein<br />

Teilzeitstudium mit einer Teilzeitberufstätigkeit<br />

verbinden können.<br />

Auffällig ist, dass die zwei <strong>Studieren</strong>den<br />

im Bereich der Medizin / Gesundheit<br />

ihr Studienmotiv eher inhaltlich ableiten,<br />

sie wollen einen direkten Nutzen<br />

für ihre aktuelle Tätigkeit erreichen und<br />

beschreiben einen vorrangig inhaltlichen<br />

Anspruch an ihre Arbeit. ›[Ich, Anm. d.<br />

Verf.] wollte wissenschaftlich noch mehr<br />

Wissen in der Veränderung, was kann<br />

man für die Menschen tun, nicht nur<br />

medizinisch draufgucken‹ (GI3). Dieser<br />

Anspruch der persönlichen Entwicklung<br />

ist jedoch <strong>–</strong> wenn auch nicht vordergründig<br />

<strong>–</strong> gleichzeitig auch mit dem Ziel<br />

verbunden, diese Weiterentwicklung<br />

nach dem Studium in einer Leitungsposition<br />

auch weiterzugeben: ›Der Vorstand<br />

besteht bei uns aus vielen Ärzten. Also<br />

die bestimmen, wo es langgeht, und mir<br />

gefällt das nicht, das ist nicht [...] [der,<br />

Anm. d. Verf.] Ansatz, wie ich ihn hier<br />

an der Uni gelehrt kriege und erlebe.<br />

Also multiprofessionelles Team, alle sind<br />

gleichwertig in ihren unterschiedlichen<br />

Aufgabenbereichen, das würde ich in der<br />

Zukunft beruflich gerne gestärkt haben<br />

und auch stärken‹ (GI3).<br />

Wahrnehmung von Belastungen<br />

Da in den Interviews die Vereinbarkeit<br />

von Studium, Beruf und Privatleben thematisiert<br />

wurde, fragten wir die Teilnehmenden,<br />

in welchem dieser Bereiche sie<br />

die größte Belastung empfinden. Von den<br />

<strong>Studieren</strong>den wird in diesem Zusammenhang<br />

meist kein konkreter Bereich als besonders<br />

belastend ausgemacht, stattdessen<br />

wird vielmehr die Organisation von<br />

allen Bereichen und der generelle Mangel<br />

an Zeit als problematisch bezeichnet.<br />

Unterschiede in der Belastung lassen sich<br />

hier besonders mit Lebensphasen und<br />

familiären Verpflichtungen in Verbindung<br />

bringen. Darüber hinaus hängt die<br />

Belastungsempfindung entscheidend mit<br />

der Flexibilität des jeweiligen Arbeitgebers<br />

zusammen.<br />

Wie und in welchem Bereich Belastungen<br />

empfunden werden, hängt unter<br />

anderem von Prioritätensetzungen ab.<br />

So betonen viele <strong>Studieren</strong>de die existenzielle<br />

Bedeutung ihrer Berufstätigkeit.<br />

Ein <strong>berufsbegleitendes</strong> Studium wird<br />

bewusst gewählt, um die Berufstätigkeit<br />

weiterführen zu können: ›Und das<br />

Wichtigste ist, auch wenn es jetzt erst<br />

mal komisch klingt, schon der Beruf,<br />

weil der Beruf auch natürlich die Familie<br />

und auch das Private ernährt. […] Also für<br />

mich ist eben die Arbeit das Wichtigste<br />

und die Arbeit darf nicht zur Belastung<br />

werden‹ (I1). Dieses Zitat unterstreicht<br />

eine grundsätzliche Rangfolge der drei<br />

Lebensbereiche. Das Studium als zusätzliche<br />

neue Komponente verdrängt im<br />

besten Fall einen Teil des Berufes, zum<br />

Beispiel durch eine Stundenreduzierung.<br />

Vor allem aber wird durch das Studium<br />

die Zeit beschnitten, die vorher für das<br />

Privatleben zur Verfügung stand. Häufig<br />

wird das Gefühl geäußert, keine Freizeit<br />

mehr zu haben. Alle <strong>Studieren</strong>den geben


37<br />

STUDIE<br />

an, dass sie gerne mehr Zeit für ihr Privatleben<br />

hätten, da Abstriche besonders<br />

dort gemacht werden müssen. Hobbys<br />

und soziale Kontakte werden meist zugunsten<br />

des Studiums vernachlässigt.<br />

Die Organisation des Alltags wird<br />

als größte Belastung beschrieben, zum<br />

Beispiel in der Form, ›dass man immer<br />

diese To-do-Listen im Hinterkopf hat.<br />

Man muss jetzt das und das und das‹<br />

(GI1). Die drei Bereiche Beruf, Studium<br />

und Privatleben zu vereinbaren, scheint<br />

vielen eine durchgängige Konzentration<br />

mit wenigen oder fehlenden Erholungsphasen<br />

abzufordern. Diese Herausforderung<br />

ist für eine Befragte, die sich neben<br />

Studium und ihrer Selbstständigkeit zusätzlich<br />

um ihre Kinder kümmern muss,<br />

besonders groß: ‹Für mich persönlich ist<br />

das sozusagen, mit dem Familienpart als<br />

dritten Part, das integriert zu kriegen,<br />

auch wenn ich die Kinder mittlerweile<br />

fast erwachsen habe, so ist das doch<br />

manchmal so das Tüpfelchen, was mich<br />

persönlich auch an die Grenzen kommen<br />

lässt. Auch wenn ich jeden Teil doch auch<br />

sehr genieße, ist es einfach durch diese<br />

Taktung, die man hat, es muss dann<br />

auch irgendwie alles so passen und nicht<br />

immer passt alles, nicht immer ist man<br />

vollständig gesund oder ganz fit. Und<br />

dann wird es halt anstrengend‹ (GI1). In<br />

dem Zitat zeigt sich die Angst vor unerwarteten<br />

Problemen, wie Krankheit, die<br />

ein ›getaktetes‹ Zusammenspiel gefährden<br />

können.<br />

Ein Student beschreibt anschaulich<br />

die Beeinträchtigung aller Lebensbereiche.<br />

Er kann sich nicht mehr richtig auf<br />

seine Arbeit konzentrieren und seine<br />

Freundin, die in einer anderen Stadt<br />

wohnt und zu der er eine Wochenendbeziehung<br />

pflegt, kann er aufgrund des<br />

Studiums nicht mehr regelmäßig sehen.<br />

Er hat das Gefühl, keinem seiner Lebensbereiche<br />

gerecht zu werden: ›Man kann<br />

das halt nicht so komplett trennen, weil<br />

selbst wenn ich dann Zeit mit meiner<br />

Freundin verbringe, dann habe ich<br />

manchmal auch ein schlechtes Gewissen,<br />

dass ich nichts fürs Studium gemacht<br />

habe, und andersrum halt genau umgekehrt‹<br />

(I3). Die Folgen waren Schlafmangel,<br />

Stressrauchen und Vernachläs-<br />

sigung von Sport. Er war kurz davor, das<br />

Studium aufzugeben, das für ihn auch<br />

mit hoher finanzieller Belastung einherging.<br />

Mit emotionaler und finanzieller<br />

Unterstützung durch seinen Vater, bat er<br />

seinen Vorgesetzten um eine Freistellung<br />

für das letzte Studiensemester. Rückwirkend<br />

hat er erfahren, dass er auch seine<br />

Arbeitszeit hätte reduzieren können. Das<br />

hätte eine Krise wahrscheinlich verhindert.<br />

In den Einzelinterviews mit <strong>Studieren</strong>den<br />

der berufspädagogischen Fachrichtung<br />

wird freier über das Privatleben gesprochen<br />

als in den Gruppeninterviews.<br />

Das folgende Zitat eines jungen Vaters<br />

verdeutlicht das Zusammenspiel aller<br />

drei Bereiche bei der Gesamtbelastungsempfindung:<br />

›Hmm, die größte zeitliche<br />

Belastung würde ich auf das Studium<br />

legen. Die größte Belastung in Bezug auf<br />

Forderungen an mich, ist eher so familiär.<br />

Und Arbeit ist, na ja, ich will nicht<br />

sagen Entspannung, aber fast‹ (I2). Die<br />

gewohnte berufliche Tätigkeit wird nicht<br />

als Problem betrachtet, das Studium, das<br />

mit neuen Inhalten und vor allem Lernen<br />

verbunden ist, nimmt hingegen viel Zeit<br />

in Anspruch, die für die Familie fehlt.<br />

Das führt, so scheint es, zu Konflikten in<br />

der Familie.<br />

Wie bereits im Abschnitt zur Studienmotivation<br />

angedeutet, sind die<br />

<strong>Studieren</strong>den des Teilzeitstudiums der<br />

Fachrichtung Mathematik / Informatik<br />

relativ entspannt. Ihr Studium wird von<br />

ihren Arbeitgebern als selbstverständlicher<br />

Qualifikationsschritt angesehen.<br />

Gleichzeitig profitieren sie von der hohen<br />

zeitlichen Flexibilität der Arbeitszeiten,<br />

die sie den Zeiten für die Präsenzlehre<br />

anpassen können. Außerdem haben alle<br />

ihre Arbeitszeit reduziert. Sie bedauern<br />

zwar, dass der Beruf ein intensives<br />

Studium oder Arbeiten in Lerngruppen<br />

nicht erlaubt und konstatieren aufgrund<br />

dessen auch einen generellen<br />

Zeitmangel. Im Vergleich fühlen sich die<br />

<strong>Studieren</strong>den im Teilzeitstudium jedoch<br />

am wenigsten belastet. Auch hier gilt zu<br />

berücksichtigen, dass die Lebensphase<br />

der Interviewpartner eine entscheidende<br />

Rolle spielt. Die jüngeren <strong>Studieren</strong>den,<br />

von denen einer noch bei den Eltern<br />

wohnt, sind deutlich zufriedener mit der<br />

Vereinbarkeit der Lebensbereiche als die<br />

älteren <strong>Studieren</strong>den.


38<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Bewertung der Studienbedingungen<br />

Die Bewertung der Studienbedingungen<br />

hängt sehr vom gewählten Studienformat<br />

beziehungsweise der hochschulischen<br />

Organisation ab. Zur Sprache kommen<br />

Studienstrukturen und Beratung, die<br />

Rolle von Kommilitoninnen und Kommilitonen,<br />

der Theorie-Praxis-Transfer sowie<br />

Finanzierungsmöglichkeiten. Das Thema<br />

der Anrechnung beruflicher Qualifikationen<br />

und Kompetenzen spielte in nur zwei<br />

Fällen eine Rolle. Je nach Fachrichtungen<br />

und Studienformaten werden unterschiedliche<br />

Bewertungen abgegeben und<br />

verschiedene Schwerpunkte thematisiert.<br />

Ein berufsbegleitender Masterstudiengang<br />

der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften<br />

zeichnet sich aus Sicht der<br />

<strong>Studieren</strong>den durch sehr gute Betreuung<br />

und Studienorganisation aus. Zudem gibt<br />

es die Möglichkeit, Module flexibel zu<br />

absolvieren und somit die Chance, individuell<br />

auf berufliche oder private Veränderungen<br />

und Anforderungen reagieren<br />

zu können. Darüber hinaus wird es als<br />

wertvoll erachtet, in einem Präsenzstudium<br />

und nicht in einem Fernstudium zu<br />

studieren. Auch wenn es oft als anstrengend<br />

empfunden wird, sich abends noch<br />

für das Studium zu motivieren, wird der<br />

direkte Austausch mit Dozentinnen und<br />

Dozenten sowie mit Kommilitoninnen<br />

und Kommilitonen als Bereicherung<br />

erachtet.<br />

In Bezug auf die Berufstätigkeit wird<br />

das Studium und damit der Theorie-Praxis-Transfer<br />

ebenfalls als positiv bewertet:<br />

›Das ist schon alles ziemlich praxisorientiert,<br />

aber auch schon mit Anspruch.<br />

Es ist nicht so, dass man einfach so ein<br />

bisschen mithören muss und später wird<br />

man schon durchkommen‹ (GI1). Ein<br />

guter Theorie-Praxis-Transfer wirkt sich<br />

positiv auf die Motivation aus, da ›ein Job<br />

dahinter‹ steht, für den man das Studium<br />

absolviert. Der Nutzen des Studiums für<br />

die berufliche Weiterentwicklung wird<br />

folglich sehr geschätzt. Diese Gruppe<br />

von <strong>Studieren</strong>den unterscheidet wenig<br />

zwischen beruflicher und persönlicher<br />

Weiterentwicklung, die ihnen durch das<br />

Studium ermöglicht wird. Womöglich<br />

wird diese Haltung durch eine starke<br />

Identifikation mit Führungs- und Managementaufgaben<br />

befördert. Herausgehoben<br />

wird der Wert neuer Erfahrungen<br />

durch Veranstaltungen in englischer<br />

Sprache oder durch Auslandsreisen, an<br />

denen auch ihre Partnerinnen und Partner<br />

teilnehmen können. Darüber hinaus<br />

geben zwei <strong>Studieren</strong>de an, dass sie gerne<br />

nochmals ein ›Studentenleben‹ genossen<br />

hätten. Mit Beginn ihres Studiums<br />

mussten sie jedoch feststellen, dass durch<br />

das Studienformat mit Abend- und Wochenendveranstaltungen<br />

kein ›normales<br />

Studentenleben‹ möglich ist. Als Nachteil<br />

wird <strong>–</strong> wie bereits im vorherigen Kapitel<br />

erläutert <strong>–</strong> der psychische Stress durch<br />

das Organisieren dreier Lebensbereiche<br />

beschrieben.<br />

Ein Student eines anderen wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Masterstudiengangs<br />

beschreibt eine starke Gesamtbelastung,<br />

insbesondere durch die fehlende Unterstützung<br />

seitens seines Arbeitgebers. Die<br />

Studienstruktur schreibt Präsenzblöcke<br />

vor, die er zu Beginn ganz bewusst auswählt,<br />

weil er sich regelmäßige Abendund<br />

Wochenendveranstaltungen nicht<br />

vorstellen kann. Später ist diese zeitliche<br />

Struktur problematisch, da er sich für<br />

die Präsenzphasen Urlaub nehmen oder<br />

Überstunden aufbauen muss. Insgesamt<br />

beschreibt er vor allem inhaltliche<br />

Herausforderungen des Studiums, die<br />

aus Vereinbarkeitsproblemen resultieren:<br />

›Und dann sind zu jedem Präsenzblock<br />

sind dann noch Hausarbeiten anzufertigen<br />

und dann ist halt sich noch auf die<br />

Klausuren vorzubereiten. Und das wurde<br />

dann doch alles ganz schön viel‹ (I3). Der<br />

Zusammenhalt unter den Kommilitonen<br />

kann Belastungen jedoch teilweise<br />

kompensieren: ›Also wir helfen uns<br />

untereinander halt viel. Also gerade was<br />

die Hausarbeiten angeht, wenn man da<br />

irgendwie was zusammen machen kann,<br />

dass wir das dann halt auch zusammen<br />

machen. Wir teilen da sehr viel miteinander,<br />

oder auch mit den Klausuren, also<br />

dass man sich dann für die Klausuren<br />

zusammensetzt, […] dass man halt nicht<br />

alleine da sitzt und da alleine durchmuss‹<br />

(I3). Die Bezeichnung ›durchmüssen‹<br />

unterstreicht, wie anstrengend es<br />

für den Befragten ist, neben den Präsenzphasen<br />

zusätzliche Lernzeiten neben<br />

Beruf und Privatleben in seinen Alltag zu<br />

integrieren.


39<br />

STUDIE<br />

Die zwei <strong>Studieren</strong>den der Fachrichtung<br />

Berufspädagogik im Bachelor<br />

thematisieren die Studienstrukturen.<br />

Dass die <strong>Studieren</strong>den nicht berufspädagogische<br />

Veranstaltungen im Rahmen<br />

von regulären Studiengängen besuchen<br />

müssen und diese zu Tageszeiten in der<br />

Woche stattfinden, führt zu erheblichen<br />

organisatorischen Problemen. Insgesamt<br />

jedoch schätzen die <strong>Studieren</strong>den die<br />

Unterstützungsstrukturen, ausgewiesene<br />

Ansprechpersonen sowie die Flexibilität<br />

von Professoren, die in der Regel verständnisvoll<br />

reagieren, wenn <strong>Studieren</strong>de<br />

aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht alle<br />

Veranstaltungen wahrnehmen können.<br />

Darüber hinaus wird auch hier der Zusammenhalt<br />

zwischen den <strong>Studieren</strong>den<br />

als zentral empfunden. Beispielsweise<br />

bietet eine WhatsApp-Gruppe Hilfe und<br />

Unterstützung bei der Einhaltung von<br />

Fristen und Terminen beziehungsweise<br />

Hinweise auf die kurzfristige Absage von<br />

Veranstaltungen. Insgesamt gilt: Das ›Studium<br />

ist ein erheblicher Mehraufwand‹<br />

(I2). Das Studium wurde am Anfang ›unterschätzt‹,<br />

wird für beide aber eher als<br />

Hobby bezeichnet, da die Arbeit Priorität<br />

hat.<br />

Das Thema der Anrechnung beruflich<br />

erworbener Kompetenzen beschäftigt in<br />

unseren Interviews ausschließlich die<br />

zwei Bachelorstudierenden. Ein Berufstätiger<br />

in Schichtarbeit gibt an, dass er<br />

die Anrechnung noch nicht in Anspruch<br />

genommen hat, diese für ihn aber relevant<br />

sei, weil er bestimmte Veranstaltungen<br />

nicht besuchen müsse. Ein anderer<br />

Student berichtet, dass das Anrechnungsverfahren<br />

sehr kompliziert war: ›Ich habe<br />

ungefähr 25 bis 30 Punkte angerechnet<br />

bekommen, das ist ungefähr ein Semester.<br />

Aber nach wirklich viel Ringen und<br />

viel Arbeit‹ (I1).<br />

Die <strong>Studieren</strong>den des Teilzeitstudiums<br />

in der Fachrichtung Mathematik /<br />

Informatik bewerten den Theorie-Praxissowie<br />

den Praxis-Theorie-Transfer als<br />

sehr gut, was die Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Studium aus Sicht der <strong>Studieren</strong>den<br />

sehr unterstützt. So sind Themen der<br />

Abschlussarbeiten eng mit dem Arbeitgeber<br />

abgestimmt. Als Nachteil in der<br />

Studienorganisation wird angegeben,<br />

dass die Prüfungsphase als Vollzeitstudium<br />

angelegt ist. Das führt dazu, dass sich<br />

die <strong>Studieren</strong>den in dieser Zeit Urlaub<br />

nehmen müssen. Hier sehen sie aber eher<br />

den Arbeitgeber als die Hochschule in<br />

der Pflicht, ihnen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen<br />

entgegenzukommen.<br />

Das Masterstudium der Fachrichtung<br />

Gesundheit / Medizin wird von beiden<br />

interviewten Studienanfängerinnen als<br />

bereichernd beschrieben. Sie sprechen<br />

sehr positiv von Studienstruktur und Inhalten.<br />

Problematisiert wird die ›finanzielle<br />

Doppelbelastung‹ durch die Studiengebühren:<br />

›Und das nimmt man ja der<br />

Familie im Prinzip weg das Geld, wenn<br />

man so will, wo ich denke, ich könnte<br />

meinen Kindern jetzt auch <strong>–</strong> also ich<br />

habe insgesamt drei Kinder, einer ist halt<br />

noch zu Hause <strong>–</strong> dem könnte ich auch<br />

mal was zustecken, ne? Und dann fragen<br />

sie: […] kannst du mir das bezahlen?‘<br />

Und dann sage ich: ‚Nee, ich kann gerade<br />

nicht, ich studiere, ist teuer und so.‘ Da<br />

habe ich immer ein schlechtes Gewissen‹<br />

(GI3). Es ist naheliegend zu vermuten,<br />

dass viele Beschäftigte in Pflegeberufen<br />

größere Schwierigkeiten haben, anfallende<br />

Studiengebühren zu finanzieren,<br />

als Beschäftigte aus technischen oder<br />

kaufmännischen Berufen. Entsprechend<br />

verschärft wirken sich die finanziellen<br />

Belastungen offensichtlich auf Familien<br />

mit Kindern aus.<br />

Bewertung der betrieblichen<br />

Rahmenbedingungen<br />

Unter die Bewertung der betrieblichen<br />

Rahmenbedingungen fallen thematische<br />

Schwerpunkte wie Arbeitszeitmodelle,<br />

die Möglichkeit der Verknüpfung von<br />

Theorie und Praxis, Unterstützung durch<br />

den Arbeitgeber sowie Unterstützung<br />

durch Kolleginnen und Kollegen. Unterschiede<br />

können in diesem Zusammenhang<br />

besonders zwischen verschiedenen<br />

Berufsgruppen ausgemacht werden. Besonders<br />

entscheidend für die Bewertung<br />

und für die Vereinbarkeit insgesamt ist<br />

jedoch, ob und inwieweit der Arbeitgeber<br />

das Studium unterstützt.


40<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Für den kaufmännischen Bereich werden<br />

unterschiedliche Erfahrungen geschildert.<br />

Ein Befragter beschreibt anschaulich,<br />

wie der Versuch, das Studium mit<br />

seinem Beruf zu vereinbaren, zu einer<br />

zu großen Belastung für ihn wurde.<br />

Er berichtet zwar von Unterstützung<br />

durch seinen Vorgesetzten, jedoch auch<br />

davon, seit Beginn des Studiums nur<br />

noch Hilfstätigkeiten zu bekommen.<br />

Womöglich macht er sich Sorgen darum,<br />

seine im Betrieb erarbeitete Position zu<br />

verlieren. Darüber hinaus muss er für die<br />

Präsenzveranstaltungen Urlaub nehmen.<br />

Auch die hohen Studiengebühren muss<br />

der Student selbst tragen. Der Befragte<br />

berichtet, wie die fehlende finanzielle<br />

Unterstützung zu einer zunehmenden<br />

Belastung wurde: ›Dadurch, dass ich […]<br />

von meiner Firma nicht unterstützt werde,<br />

also weder finanziell noch über Zeitausgleich<br />

oder sonst irgendwas, musste<br />

ich mir halt wirklich für die Tage, die<br />

ich hier an der Uni war oder bin, freinehmen.<br />

[…] Das waren letztes Jahr unter<br />

der Woche 30 Tage und die habe ich<br />

alle komplett durch Überstunden quasi<br />

abgeleistet, sprich ich habe diese 30 Tage<br />

irgendwann nebenbei vorgearbeitet, um<br />

sie dann abzubauen, und während ich sie<br />

abgebaut habe, saß ich dann halt hier in<br />

der Uni und dann kamen noch die Tage<br />

dazu, in denen ich am Wochenende hier<br />

war, weil wir auch samstags und sonntags<br />

dann Vorlesungen haben. Und ja, das<br />

wurde dann letztendlich so viel‹ (I3).<br />

Dieser Fall verdeutlicht, dass die Unterstützung<br />

des Arbeitgebers <strong>–</strong> zum Beispiel<br />

über flexible Arbeitszeitmodelle oder<br />

längerfristige Bildungszeitkonten <strong>–</strong> zentral<br />

ist, um ein Studium neben dem Beruf<br />

bewältigen zu können. Ist dies nicht<br />

der Fall, so müssen Freizeit und Urlaub,<br />

Zeiten, die eigentlich für die Erholung<br />

gedacht sind, für das Studium geopfert<br />

werden. Auch die hohen Studiengebühren<br />

werden als Belastung empfunden,<br />

wenn der Arbeitgeber keine finanzielle<br />

Unterstützung anbietet. Dies ist sowohl<br />

bei dem eben genannten Studenten als<br />

auch bei den zwei Studentinnen aus den<br />

Sozial- und Pflegeberufen der Fall.<br />

Zwei andere <strong>Studieren</strong>de aus kaufmännischen<br />

Berufsgruppen erfahren hingegen<br />

Unterstützung durch ihren Arbeitgeber.<br />

Sie beschreiben eine finanzielle und<br />

organisatorische Förderung durch ihren<br />

direkten Vorgesetzten, die mit dem<br />

Studiengang und seinen Inhalten aus<br />

eigener Erfahrung vertraut sind und sich<br />

daher mit dem Studienwunsch positiv<br />

identifizieren können. Die <strong>Studieren</strong>den<br />

können ihre Arbeitszeiten flexibel organisieren,<br />

bei Bedarf kurz ihren Arbeitsplatz<br />

verlassen und selbstständig ihr Arbeitsumfeld<br />

organisieren. Außerdem bewerten<br />

sie Ratschläge von Kolleginnen und<br />

Kollegen als hilfreich für das Studium.<br />

Gleichzeitig erlegen sich beide auf, am<br />

Arbeitsplatz nicht zu häufig über ihr<br />

Studium zu sprechen, um im Kollegenkreis<br />

keinen Anlass für Neid und Konkurrenz<br />

zu geben. Insgesamt bewerten<br />

sie die Vereinbarkeit <strong>–</strong> wenn der Alltag<br />

auch als sehr anstrengend bezeichnet<br />

wird <strong>–</strong> besser als die anderen <strong>Studieren</strong>den.<br />

Dies kann wohl vor allem auf die<br />

Unterstützung und das Verständnis des<br />

Arbeitgebers zurückzuführen sein. Möglicherweise<br />

hängt die Empfindung jedoch<br />

auch mit eigenen Leistungsansprüchen<br />

und starker Aufstiegsorientierung in der<br />

<strong>Studieren</strong>dengruppe zusammen.<br />

<strong>Studieren</strong>de aus technischen Berufen<br />

erfahren in unserem Sample kaum Unterstützung<br />

durch ihren Arbeitgeber und<br />

sind dadurch mit zahlreichen Hindernissen<br />

konfrontiert. Ein Student beschreibt,<br />

dass er ›immer mal so ein paar Steine in<br />

den Weg geworfen bekommt, wie zum<br />

Beispiel dieses Entgegenkommen der<br />

Freischichten oder Ähnliches für Unterricht.<br />

Was bei anderen Kollegen vielleicht<br />

dann schon mal eher geht, geht dann<br />

bei mir nicht unbedingt‹ (I2). Er selbst<br />

führt das Verhalten seines Vorgesetzten<br />

darauf zurück, dass dieser von seinen<br />

alternativen beruflichen Plänen weiß. In<br />

der Konsequenz muss der hier zitierte<br />

Schichtarbeiter Urlaub nehmen, wenn<br />

es für das Studium notwendig ist. In<br />

Spätschichtwochen kann er jedoch an<br />

Nachmittagsveranstaltungen nicht teilnehmen.<br />

Professoren reagierten bisher<br />

aber sehr flexibel auf diese Umstände<br />

und können dadurch das Vereinbarkeitsproblem<br />

leicht abmildern.


41<br />

STUDIE<br />

Auch der zweite Student aus einem<br />

technischen Beruf erfährt bisher keine<br />

Unterstützung durch seinen Arbeitgeber.<br />

Das Studium gilt in seinem Betrieb als<br />

Freizeitbeschäftigung, wenn er nicht am<br />

Arbeitsplatz ist, muss er sich Urlaub nehmen<br />

oder sich ausstempeln. Durch dieses<br />

Verfahren hat er bis heute 50 Minusstunden<br />

angesammelt. Der <strong>Studieren</strong>de<br />

äußert die Hoffnung, dass sein Arbeitgeber<br />

den Nutzen der Weiterbildung für<br />

den Betrieb erkannt hat und in Zukunft<br />

flexiblere Verfahren anbieten wird. Eine<br />

endgültige Einigung steht allerdings<br />

noch aus. Der Befragte gibt an, mit der<br />

Personalabteilung zu verhandeln, in seiner<br />

Arbeitszeit Veranstaltungen besuchen<br />

zu dürfen. Finanzielle Herausforderungen<br />

spielen keine besondere Rolle, da für<br />

den Bachelorstudiengang keine Gebühren<br />

erhoben werden, anders als in den<br />

weiterbildenden Masterstudiengängen.<br />

<strong>Studieren</strong>de der IT-Berufsgruppe beschreiben,<br />

dass Weiterbildung in ihrem<br />

Berufsfeld zentral ist und deshalb von<br />

den Arbeitgebern gefördert wird. Vor<br />

allem in Bezug auf Arbeitszeiten und<br />

Stundenreduzierung haben sie eine gute<br />

Verhandlungsposition gegenüber ihren<br />

Arbeitgebern. In der Regel kommen<br />

die Arbeitgeber den <strong>Studieren</strong>den mit<br />

flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorganisation<br />

entgegen. Zudem arbeiten<br />

die <strong>Studieren</strong>den in Teilzeit. Trotz der<br />

eigentlich guten Rahmenbedingungen<br />

führen spezielle Anforderungen im Beruf<br />

zu Herausforderungen für diese Berufsgruppe.<br />

Eine Studentin berichtet zum<br />

Beispiel, dass sie an starre Arbeitszeiten<br />

gebunden ist, weil sie ein Projekt betreuen<br />

muss. Auch eine andere Studentin<br />

beschreibt die Herausforderung Arbeitsund<br />

Studienzeiten koordinieren zu müssen:<br />

›Ich habe vier Tage [arbeiten, Anm.<br />

d. Verf.] probiert [und, Anm. d. Verf.] drei<br />

Module, das ist unmöglich. Man hat dann<br />

überhaupt keine Freizeit, man ist müde<br />

irgendwann. Dann habe ich zwei Module<br />

behalten. Und auch von Arbeitgeberseite,<br />

das ist schön, viele arbeiten in Teilzeit.<br />

Also Entwickler, die ich sehe, [sind, Anm.<br />

d. Verf.] da entspannt und gestalten ihr<br />

Leben. Also vier Tage arbeiten und dann<br />

einen Tag frei. Das wird so verteilt. Also<br />

ich bin dann nicht die Einzige. Und im<br />

Studium sind diese zwei Module machbar,<br />

nur man hat eben wenig Freizeit.<br />

Also das ist quasi so ein Hobby (lacht).<br />

Hobby, weil […] das berufstätige Leben für<br />

mich jetzt an erster Stelle und Studium<br />

an zweiter [steht, Anm. d. Verf.]‹ (GI3).<br />

Diese klare hierarchische Ordnung der<br />

Lebensbereiche verdeutlicht nochmals<br />

die Notwendigkeit, Prioritäten zu setzen<br />

und sich nicht in jedem Lebensbereich<br />

gleich hohen Anforderungen auszusetzen.<br />

Im Vergleich kann diese Berufsgruppe<br />

jedoch durch die Flexibilität der<br />

Arbeitgeber besser auf Probleme bei der<br />

Vereinbarkeit reagieren. So hatte auch<br />

die zuletzt zitierte Studentin die Möglichkeit,<br />

verschiedene Kombinationen aus Arbeits-<br />

und Studienzeiten auszuprobieren.<br />

Auch in den Sozial- und Pflegeberufen<br />

hängt die zeitliche Flexibilität vom<br />

Arbeitgeber, der Arbeitsorganisation und<br />

der beruflichen Position ab. Eine Studentin<br />

kann sich ihre Arbeitszeiten relativ<br />

frei einteilen, muss dies nur frühzeitig<br />

mit einer Kollegin absprechen. Eine<br />

andere Studentin ist in der Regel davon<br />

abhängig, dass Kolleginnen und Kollegen<br />

mit ihr Schichten tauschen: ›Manchmal<br />

schwierig, [es, Anm. d. Verf.] ist ein <strong>Balanceakt</strong><br />

und manchmal muss ich bei der<br />

Arbeit tauschen und fragen: ‚Könnt ihr<br />

mich unterstützen, könnt ihr mir helfen?<br />

Und ich biete dafür an, dann und dann<br />

für euch zu arbeiten.‘ Und manchmal<br />

muss ich eben bei der Uni sagen: ‚Heute<br />

kann ich nicht‘‹ (G3). In beiden Fällen<br />

ist die zeitliche Flexibilität jedoch davon<br />

abhängig, ob hilfsbereite Kolleginnen<br />

und Kollegen spontan einspringen. Eine<br />

feste, verlässliche Regelung besteht nicht.<br />

Unterstützung vom Arbeitgeber ist nicht<br />

gegeben: ›Mein Arbeitgeber hat gesagt,<br />

‚ach, Sie können gerne studieren, wenn<br />

Sie das meinen, aber die Arbeit können<br />

Sie auch tun, ohne dass Sie studieren,<br />

also Kosten, Zeit ist Ihres, sehen Sie zu!<br />

Wenn Ihre Arbeitskraft nicht beeinträchtigt<br />

ist, dürfen Sie studieren.‘ Aber die<br />

finanziellen Mittel und die zeitlichen<br />

Möglichkeiten muss ich selber schaffen‹<br />

(G3). Hier deutet sich ein Konflikt an.<br />

Offensichtlich sehen die <strong>Studieren</strong>den im<br />

Studium inhaltliche Entwicklungsmöglichkeiten<br />

für ihre Arbeit und erwarten<br />

daher implizit Unterstützung für ihre<br />

Entwicklungsbereitschaft vonseiten des<br />

Betriebes. Der Arbeitgeber signalisiert<br />

jedoch, dass er keine inhaltliche Weiterentwicklung<br />

für notwendig hält und eine<br />

bezahlte Teilfreistellung nur als zusätzlichen<br />

Kostenfaktor betrachtet.


42<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Privatleben<br />

In Bezug auf das Privatleben werden<br />

vor allem Vereinbarkeitsprobleme im<br />

Zusammenhang mit der Partnerschaft,<br />

der Familie und den Hobbys thematisiert.<br />

Einig sind sich alle Befragten darin, dass<br />

das Privatleben zugunsten von Beruf und<br />

Studium vernachlässigt wird: ›Gestrichen<br />

wurde nur Freizeit meistens (lacht).<br />

Irgendwie ist das dann aber trotzdem<br />

nie einfacher geworden. […] Wenn man,<br />

glaube ich, das von Anfang an irgendwie<br />

richtig gut organisiert, dann ist das auch<br />

machbar […] Man merkt schon, dass auch<br />

irgendwie so der Freundes- und Bekanntenkreis<br />

in dieser Zeit auch ein bisschen<br />

weniger wird und man weniger Kontakt<br />

hat, weil man dann irgendwie, weiß<br />

ich nicht, mir geht es immer so, gerade<br />

zu diesen ganz stressigen Zeiten, ja, ich<br />

würde ja gerne, aber einfach keine Kraft<br />

und keine Zeit, und das, das merkt man<br />

schon.‹ In den Phasen, in denen Zeit für<br />

die Pflege sozialer Kontakte wäre, ist die<br />

Erschöpfung so groß, dass die Zeit zur<br />

Erholung genutzt wird. Die <strong>Studieren</strong>den<br />

haben keine andere Wahl als soziale<br />

Kontakte zu vernachlässigen: ›Also<br />

wenn ich nicht mehr kann oder die Zeit<br />

drängt, dann treffe ich halt keine Freundin,<br />

nehme eine Geburtstagseinladung<br />

nicht an, eher, als dass ich bei der Arbeit<br />

sage: ‚Ach, heute komme ich mal nicht‘<br />

(lacht).‹ Ein Student berichtet zudem, wie<br />

sich die Präsenzphasen am Wochenende<br />

negativ auf seine Beziehung auswirken,<br />

da er weniger Zeit mit seiner Freundin<br />

verbringen kann.<br />

Auffällig ist, dass Auswirkungen auf<br />

die Partnerschaft von Männern und<br />

Frauen unterschiedlich bewertet werden.<br />

Die Partner gelten als wichtigste Unterstützer,<br />

aber auch als besondere ›Leidtragende‹<br />

in der Studienphase. Zwei Frauen<br />

berichten, wie wichtig die Unterstützung<br />

durch ihre Männer ist, da diese viel<br />

Arbeit zu Hause übernehmen müssen.<br />

Beide sprechen durch die Versorgung<br />

kleiner Kinder beziehungsweise die<br />

Pflege eines Angehörigen neben Studium<br />

und Beruf von einer Dreifachbelastung.<br />

Jedoch beschreiben sie vor allem auch<br />

positive Effekte auf ihre Partnerschaft.<br />

Sie können die Zeit für die Partnerschaft<br />

nun bewusster planen und genießen:<br />

›Mein Mann unterstützt das völlig. Und<br />

was ihm aber wichtig ist: Wir planen die<br />

Zeiten, die wir jetzt haben, bewusster.<br />

Also wir machen einmal die Woche mindestens<br />

was Schönes, also dass wir länger<br />

spazieren gehen oder ausgehen oder wir<br />

rufen uns öfter an. […] Das sind so Zeiten,<br />

die wir bewusster planen. Man hat weniger,<br />

aber dafür bewusster.‹<br />

Daneben wird von männlichen Befragten<br />

in den Interviews beschrieben, wie<br />

Erwartungen der Partnerin zu einer zusätzlichen<br />

Belastung werden. So berichtet<br />

ein Student: ›Und ich bin verheiratet,<br />

habe keine Kinder, sonst wäre es sowieso<br />

nicht möglich, und meine Frau musste<br />

da schon sehr viel aushalten und hat da<br />

schon gesagt, wenn ich […] [weiter, Anm.<br />

d. Verf.] machen wollen würde, würde<br />

sie sich scheiden lassen, also das würde<br />

sie nicht weiter mitmachen, dass ich<br />

hier noch so quasi als Hobby nebenbei<br />

studiere, ich habe ja eine Anstellung, ist<br />

so ihr Argument. Sie sieht da nicht diese<br />

[...] persönliche Weiterentwicklung. […] Ja,<br />

die Freizeit beziehungsweise das familiäre<br />

soziale Umfeld ist oft eine Belastung,<br />

aber man muss aufpassen, dass man das<br />

nicht kommuniziert, dass das eine Belastung<br />

ist. Also ich habe gerade zu Anfang<br />

dann, ja, doch gewisse Konflikte gehabt.‹<br />

Im Zitat wird sowohl Verständnis für die<br />

Situation der Partnerin geäußert als auch<br />

die Erwartung, Verständnis für seine<br />

Wünsche zu bekommen.<br />

Auch ein weiterer Student beschreibt<br />

eine zusätzliche Belastung im Privatleben,<br />

da Zeit für die Partnerschaft mit<br />

Lernzeiten kollidiert: ›[Die, Anm. d. Verf.]<br />

Frau wartet zu Hause auf einen und<br />

versteht nicht, dass man auch mal Ruhe<br />

braucht.‹ Die Beschreibung der Partnerin<br />

als ›Fordernde‹ verdeutlicht zum einen,<br />

wie schwer es für die berufstätigen<br />

<strong>Studieren</strong>den ist, neben dem Beruf und<br />

dem Studium auch ihrem Privatleben<br />

gerecht zu werden. Zum anderen wird an<br />

dieser Stelle der Untersuchung deutlich,<br />

dass die Perspektive der Partner eine<br />

Forschungslücke darstellt. Um umfassende<br />

Erkenntnisse über Wirkungen der<br />

Dreifachbelastung auf das Privatleben<br />

verdeutlichen zu können, müssten auch<br />

Partnerinnen und Partner oder andere<br />

nahestehende Menschen in die Befragung<br />

mit einbezogen werden.


43<br />

STUDIE<br />

Bewältigungsstrategien<br />

für eine bessere Vereinbarkeit<br />

Die von uns befragten berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den versuchen, die zuvor beschriebenen<br />

Vereinbarkeitskonflikte auf<br />

ganz unterschiedliche Art zu lösen. 3 Insgesamt<br />

ist zu berücksichtigen, dass alle<br />

<strong>Studieren</strong>den die Problematik äußern,<br />

ihr Privatleben zu sehr zu beschneiden<br />

<strong>–</strong> eine ideale, zufriedenstellende Handlungsstrategie<br />

für eine ausbalancierte<br />

Vereinbarkeit hat demnach keiner der<br />

<strong>Studieren</strong>den gefunden. Die im Folgenden<br />

näher beschrieben Bewältigungsstrategien<br />

bilden daher an dieser Stelle nur<br />

den Status quo der einzelnen Berufsgruppen<br />

ab, in Kapitel 7 werden davon ausgehend<br />

weitergehende Handlungsempfehlungen<br />

diskutiert, die auch individuelle<br />

Handlungsstrategien verbessern können.<br />

1. Trennung der Lebensbereiche<br />

und Kompensation von Belastungen<br />

Die beschriebenen Strategien sind aktiv<br />

auf eine Problemlösung ausgerichtet,<br />

wie die bewusste Planung von Tätigkeiten<br />

oder auch der Verzicht auf bestimmte<br />

Tätigkeiten. 4 Eine klare und bewusste<br />

Trennung der unterschiedlichen Lebensbereiche<br />

fällt ebenfalls unter diese<br />

Strategie. In unserem Sample verfolgen<br />

<strong>Studieren</strong>de der Fachrichtung Mathematik<br />

/ Informatik sowie der Fachrichtung<br />

Gesundheit / Medizin diese Strategie. In<br />

diesem Zusammenhang ist es wichtig<br />

zu erwähnen, dass ein Theorie-Praxissowie<br />

ein Praxis-Theorie-Transfer <strong>–</strong> als<br />

Schnittpunkt zwischen Studium und<br />

Beruf <strong>–</strong> trotzdem eine zentrale Rolle für<br />

die Vereinbarkeit spielen kann und sich<br />

motivationsfördernd auswirkt.<br />

Wie bereits ausführlich beschrieben,<br />

können die <strong>Studieren</strong>den aus der Berufsgruppe<br />

der IT-Branche ihre Arbeitszeit<br />

relativ flexibel einteilen und an ein<br />

Teilzeitstudium anpassen. Sie können<br />

dadurch die drei Lebensbereiche gut<br />

voneinander trennen: ›Ja, aber wobei ich<br />

das dann schon trenne. […] Von Montag<br />

bis Mittwoch ist bei mir Arbeitszeit und<br />

Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag<br />

ist sozusagen die Zeit für die Thesis‹ (GI3).<br />

Manche können sich sogar bewusst Zeit<br />

für ihr Privatleben schaffen: ›Und das<br />

Wochenende würde ich mir generell<br />

gerne frei halten, weil es dann schon<br />

in der Woche schlaucht. […] Ja, bis jetzt<br />

funktioniert das, Gott sei Dank!‹ (G2).<br />

Andere verzichten in dieser Phase <strong>–</strong> mehr<br />

oder weniger bewusst <strong>–</strong> auf Teile des<br />

Privatlebens.<br />

Auch die Berufsgruppe der Sozial- und<br />

Pflegeberufe trennen ihre Lebensbereiche<br />

bewusst. Sie versuchen beispielsweise,<br />

besonders belastende Zeiten im Beruf<br />

oder im Studium im Privatleben zu kompensieren,<br />

indem sie sich etwas mit dem<br />

Partner oder der Familie vornehmen.<br />

Auch diese Gruppe nimmt die Belastungen<br />

in der Zeit des Studiums als ›notwendiges<br />

Übel‹ in Kauf. Dies gelingt ihnen<br />

deshalb ganz gut, weil sie ihre Arbeitszeit<br />

meist <strong>–</strong> durch hilfsbereite Kolleginnen<br />

und Kollegen <strong>–</strong> relativ flexibel einteilen<br />

können. Es bleibt in unserem Sample<br />

offen, ob dies auch anderen <strong>Studieren</strong>den<br />

dieser Berufsgruppe so gelingt.<br />

2. Setzen von Prioritäten und die<br />

Entwicklung von Lernstrategien<br />

Diese Strategie beinhaltet das Setzen von<br />

Prioritäten sowie das bewusste gedankliche<br />

Abschalten und die Konzentration<br />

auf das Positive. 5 Die Lösungsstrategien<br />

von <strong>Studieren</strong>den der Fachrichtung<br />

Wirtschaftswissenschaften beziehen<br />

sich besonders darauf, Perfektionismus<br />

abzulegen. Das heißt, sie versuchen zu<br />

akzeptieren, dass sie nur so viel investieren<br />

können, wie möglich ist. Dabei ist es<br />

ihnen wichtig, anlassbezogene Prioritäten<br />

zu setzen, ›damit kein Lebensbereich<br />

wegrutscht‹ (G1). Bei wichtigen Anlässen,<br />

wie zentralen Projekten im Betrieb,<br />

Prüfungsphasen oder einer Hochzeit<br />

im engen Freundeskreis, steht mal die<br />

Arbeit, mal das Studium und mal das Privatleben<br />

im Vordergrund. Sie versuchen<br />

sich besonders darauf zu konzentrieren,<br />

weiterhin ›an dem normalen sozialen<br />

Leben‹ (G1) teilzunehmen. Dabei wird ein<br />

Abwägen unter schwierigen Umständen<br />

für die Zeit des Studiums bewusst in<br />

Kauf genommen: ›Gut, das ist immer ein<br />

Abwägen dann auch. Dann könnte man<br />

auch sagen, gut, ich strecke das ein bisschen.<br />

Ich lasse jetzt ein Modul sein und<br />

mache das ein bisschen später. Das habe<br />

ich dann ja für mich beschlossen, das<br />

muss jetzt hier durchgezogen werden,<br />

Ende davon. Dann muss ich halt durch‹<br />

(G1).


44<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Die Bewältigungsstrategie eines <strong>Studieren</strong>den<br />

aus einem technischen Beruf<br />

ist, von der Vorstellung abzurücken, das<br />

Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen.<br />

Er hat für sich anerkannt, dass<br />

er durch die Vollzeit-Berufstätigkeit und<br />

inhaltliche Herausforderungen (zum<br />

Beispiel in Mathematik) länger braucht,<br />

um sich bestimmte Dinge anzueignen.<br />

Außerdem entwickelt er effiziente<br />

Lernstrategien, liest zum Beispiel nicht<br />

einen gesamten Text, sondern sucht sich<br />

Zusammenfassungen aus dem Internet.<br />

›Also ich sage immer, mittlerweile habe<br />

ich die 80 / 20-Methode, das heißt, ich<br />

lerne 20 Prozent und versuche 80 Prozent<br />

zu erreichen, man muss das Richtige<br />

lernen. Bei Elektrotechnik hat es nicht<br />

gereicht, da bin ich mit Pauken und<br />

Trompeten durchgefallen, dann werde<br />

ich es noch mal machen und werde mich<br />

anders organisieren. […] Weil dieses viele<br />

Lesen und Lernen ist auch berufsbegleitend<br />

nicht möglich‹ (I1). Auch hier gilt<br />

Zeitmanagement und das Setzen von<br />

Prioritäten als zentrale Strategie. Auch<br />

das bewusste Einplanen von Zeit für das<br />

Privatleben <strong>–</strong> zumindest für einen Tag<br />

in der Woche <strong>–</strong> ist wichtig, um diesen<br />

Lebensbereich nicht völlig zu vernachlässigen.<br />

Wie schwierig sich die Situation für<br />

diejenigen gestaltet, die ihr Privatleben<br />

aufgrund familiärer Pflichten nicht zumindest<br />

zeitweise zurückstellen können,<br />

zeigt folgendes Zitat eines <strong>Studieren</strong>den,<br />

der nicht von seinem Arbeitgeber<br />

unterstützt wird: ›Ich habe jetzt eine<br />

kleine Tochter und bekomme jetzt noch<br />

eine zweite, und dementsprechend<br />

möchte ich die jetzt natürlich auch nicht<br />

vernachlässigen in irgendeiner Art und<br />

Weise, was wiederum heißt, dass die<br />

Abende bei mir lang werden und die<br />

Nächte kurz‹ (I2). Dieser Student war<br />

zum Zeitpunkt des Interviews im ersten<br />

Studiensemester. Es muss infrage gestellt<br />

werden, ob diese Alltagsorganisation für<br />

ihn weiter durchzuhalten ist, ohne dass<br />

seine Gesundheit darunter leidet.<br />

3. Zurückstellen von Lebensbereichen<br />

als Krisenintervention<br />

Bei dieser Strategie geht es um das Akzeptieren<br />

des Vereinbarkeitskonfliktes. 6 Ein<br />

befragter Student aus einem kaufmännischen<br />

Beruf hat eine unbezahlte Freistellung<br />

bei seinem Arbeitgeber erwirkt,<br />

als Notbremse vor möglichem Studienabbruch.<br />

Seither ist seine Strategie<br />

darauf ausgerichtet, die Lebensbereiche<br />

neben dem Studium zurückzustellen. Er<br />

möchte ›nur noch durchkommen‹ (I3)<br />

und hat den Anspruch an gute Noten<br />

aufgegeben. Es geht lediglich um ein<br />

›Ertragen‹ der schwierigen Studiensituation,<br />

um für die bisher investierte Zeit<br />

und Energie zumindest einen Studienabschluss<br />

zu bekommen: ›Deshalb bin<br />

ich echt froh, wenn das Ganze dann bald<br />

vorbei ist‹ (I3).<br />

Wünsche<br />

Der meist genannte Wunsch, mehr Zeit<br />

für Partnerschaft, Freunde und Hobbys<br />

zu haben, weist auf das Grundproblem<br />

der mangelnden Vereinbarkeit hin: ›Ich<br />

bin diejenige, die sich nach mehr Zeit<br />

sehnt […] für diese Beziehung. Dadurch,<br />

dass wir aber beide selbstständig sind<br />

und auch an Wochenenden arbeiten,<br />

ist das eh knapp mit der Zeit. […] Aber<br />

da habe ich auch das Gefühl, dass uns<br />

einfach die Zeit fehlt‹ (GI1).<br />

Die weiteren Wünsche der <strong>Studieren</strong>den<br />

richten sich besonders an die Arbeitgeber<br />

sowie an die Hochschulen. Die<br />

Studentinnen aus Sozial- und Pflegeberufen<br />

wünschen sich hingegen vor allem<br />

strukturelle Änderungen der Finanzierungsmöglichkeiten.<br />

Wie bereits deutlich wurde, kommt<br />

den Arbeitgebern bei der Vereinbarkeit<br />

von Beruf, Studium und Privatleben<br />

die zentrale Rolle zu. Besonders häufig<br />

werden Wünsche hinsichtlich flexibler<br />

Arbeitszeitmodelle (zum Beispiel über<br />

ein Bildungsteilzeitkonto) genannt, gefolgt<br />

von einer Reduzierung der Arbeitszeit<br />

und Freistellungsmöglichkeiten: ›Es<br />

müsste eben auch andere, ja, Arbeitszeitmodelle<br />

vielleicht geben für Leute, die<br />

so etwas machen wollen. Also es gibt ja<br />

diesen neuen Tarifvertrag, wir sind ja IG-<br />

Metall-gebundener Betrieb und da gibt es<br />

ja schon den ersten Vorstoß in Richtung<br />

dieses Bildungskontos, was bei uns aber<br />

leider noch nicht eingeführt wurde. Also


45<br />

STUDIE<br />

vielleicht habe ich da im nächsten Semester<br />

ein bisschen Glück. Aber da müsste<br />

man eigentlich mehr drauf hinausarbeiten,<br />

dass es da bessere Regelungen gibt‹<br />

(I2). Ein weiterer Student beschreibt, wie<br />

ein wertschätzendes Entgegenkommen<br />

seines Arbeitgebers ihm die Studienzeit<br />

erleichtert hätte: ›Wenn ich von Anfang<br />

an auf der Arbeit weniger Stunden<br />

gehabt hätte und die Überstunden da<br />

leichter hätte aufbauen können oder<br />

mein Arbeitgeber gleich gesagt hätte, die<br />

Tage, die du in die Uni musst, wirst du<br />

so freigestellt, ja, also nicht, du musst da<br />

nicht deinen Urlaub für aufopfern, wir<br />

finden das gut, dass du dich weiterbildest,<br />

sondern geh dahin und mache, wir<br />

wissen, dass du das letztendlich auch für<br />

uns tust, weil du dich ja selber weiterbildest<br />

und wir da hoffentlich auch was von<br />

haben. Das hätte das Ganze, glaube ich,<br />

deutlich vereinfacht.‹<br />

Nur drei der Befragten geben explizit<br />

an, sich von Seite der Hochschule mehr<br />

Selbststudium über Online-Learning zu<br />

wünschen. ›Da […] [meine Arbeit, Anm. d.<br />

Verf.] wie ein zweites Zuhause für mich<br />

ist, würde ich mir schon wünschen, dass<br />

ich mehr Zeit auch dort zum Lernen hätte.<br />

Das hatte ich mir zum Beispiel heute<br />

vorgenommen. Aber es klappte nicht.<br />

Ich glaube, ich bräuchte generell mehr<br />

Zeit. Das lässt sich aber nicht ändern.<br />

Ich muss einfach mit der Zeit, die ich<br />

habe, auskommen‹ (G1). Entsprechende<br />

Forderungen resultieren, wie bei dieser<br />

Studentin, jedoch aus einem generellen<br />

Zeitmangel. Online-Lernen gilt in diesem<br />

Fall als weitere Lernstrategie, um ›Phasen<br />

des Leerlaufs‹ auf der Arbeit produktiv<br />

für das Studium zu nutzen. Insgesamt<br />

schätzen alle <strong>Studieren</strong>den die Präsenzzeiten<br />

und den Austausch mit Dozentinnen<br />

und Dozenten sowie Kommilitoninnen<br />

und Kommilitonen.<br />

Eine weitere Forderung an die Hochschulen<br />

bezieht sich auf die Studienstrukturen<br />

beziehungsweise die Studienordnungen.<br />

Wie bereits erwähnt, wünscht sich<br />

die IT-Berufsgruppe mehr Flexibilität in<br />

der Abschlussphase des Studiums, um<br />

auch in dieser Zeit arbeiten zu können,<br />

ohne Urlaub nehmen zu müssen: ›Die<br />

größte Belastung wäre dann, das mit<br />

dem Masterprojekt zu regeln, mit dem<br />

Treffen, weil es ist jetzt, glaube ich,<br />

abgemacht, dass wir uns donnerstags<br />

immer treffen. Und donnerstags arbeite<br />

ich immer, von daher ist die größte<br />

Belastung dann wirklich die Terminfindung<br />

bei den Projekten im Master‹ (GI2).<br />

Darüber hinaus besteht der Wunsch an<br />

eine ›weichere‹ Studienordnung, die den<br />

Druck für berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de<br />

reduzieren kann: ›Wenn man mal eine<br />

Vorlesung nicht besuchen kann, dann ist<br />

es halt so, dann muss ich gucken, ob ich<br />

mir das anders erarbeiten kann oder ich<br />

besuche die Vorlesung noch mal nächstes<br />

Semester. Man muss natürlich aufpassen<br />

mit den Prüfungen, teilweise ist es ja<br />

so, wenn man eine Prüfung dann nicht<br />

bestanden hat, kann man sie irgendwie,<br />

glaube ich, noch zweimal wiederholen<br />

und dann fliegt man raus. Das ist natürlich<br />

tödlich bei den berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den,<br />

ist vielleicht auch ein Punkt,<br />

wo man vielleicht über weichere Regeln<br />

nachdenken müsste‹ (I1).<br />

Die Studentinnen aus den Sozial- und<br />

Pflegeberufen, die <strong>–</strong> wie bereits beschrieben<br />

<strong>–</strong> als größte Belastung die Finanzierung<br />

des Studiums angeben, äußern<br />

deshalb strukturelle Wünsche an mehr<br />

Möglichkeiten der Studienfinanzierung,<br />

zum Beispiel über BAföG, Stipendien<br />

oder Studienkredite auch für ältere<br />

<strong>Studieren</strong>de: ›Also andere finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten<br />

wären schon<br />

noch toll. Die, die es jetzt gibt, die haben<br />

eine relativ hohe Hürde, da ranzukommen<br />

oder sind für uns gar nicht mehr<br />

möglich, weil wir schon zu alt sind‹ (G3).<br />

Eine Studentin versucht zum Zeitpunkt<br />

des Interviews, bei ihrem Arbeitgeber<br />

eine Zuzahlung zu den Studienkosten<br />

über ihr Fortbildungsbudget zu erwirken.<br />

Sie schätzt die Chancen allerdings<br />

gering ein, da ein Studium in der Regel<br />

nicht als Fortbildung gezählt wird.


46<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Zusammenfassung<br />

Aus den empirischen Ergebnissen lassen<br />

sich verschiedene Vermutungen, Fragen<br />

und Empfehlungen ableiten. Als<br />

Studienmotivation geben besonders die<br />

jüngeren Befragten im Sample an, ein<br />

<strong>berufsbegleitendes</strong> Masterstudium zu<br />

nutzen, um ihre beruflichen Chancen<br />

in ihrem Berufsfeld zu festigen und zu<br />

erhöhen, gleichzeitig verbinden sie mit<br />

der beruflichen auch eine persönliche<br />

Weiterentwicklung. Ältere <strong>Studieren</strong>de<br />

sowie <strong>Studieren</strong>de von Bachelorformaten<br />

nutzen ein <strong>berufsbegleitendes</strong> Studium,<br />

um eine alternative berufliche Perspektive<br />

einzuleiten. <strong>Studieren</strong>de der Sozialund<br />

Pflegeberufe verbinden neben einem<br />

beruflichen Aufstieg beziehungsweise<br />

Tätigkeitswechsel den inhaltlichen Anspruch,<br />

ihr Berufsfeld mit ihrem Wissen<br />

weiterentwickeln zu können.<br />

Als größte Belastung bezeichnen die<br />

<strong>Studieren</strong>den die drei Bereiche Studium,<br />

Beruf und Privatleben vereinbaren zu<br />

müssen. In dieser Konstellation ist die Erwerbsarbeit<br />

in der Regel der unflexibelste<br />

Bereich, an den Studium und Privatleben<br />

angepasst werden müssen. Dabei leidet<br />

besonders das Privatleben, da dieses<br />

aufgrund des neuen Lebensbereiches<br />

Studium zu kurz kommt. Das Privatleben<br />

aller <strong>Studieren</strong>den leidet darunter,<br />

das Studium als neuen Lebensbereich<br />

zusätzlich zu integrieren. Alle <strong>Studieren</strong>den<br />

wünschen sich mehr Zeit für ihre<br />

Freizeit und sozialen Kontakte. Teilweise<br />

wirken die Belastungen sich auch negativ<br />

auf Partnerschaften aus. Die Bewertung<br />

der privaten Rahmenbedingungen<br />

unterscheidet sich auch geschlechtsspezifisch.<br />

Als unterstützende Maßnahme in<br />

dieser Situation können unter anderem<br />

Studienprogramme genannt werden, die<br />

Partnerinnen und Partner in die Studienorganisation<br />

mit einbeziehen. Eine<br />

besondere Herausforderung ist die Vereinbarkeit<br />

aller Bereiche für <strong>Studieren</strong>de<br />

mit Kindern.<br />

Die Studienstrukturen werden je nach<br />

Angebot unterschiedlich bewertet. Eine<br />

Beratung und Begleitung während des<br />

gesamten Studienprozesses werden als<br />

wertvoll erachtet. Dabei sind besonders<br />

ausreichende Transparenz über Studienstrukturen,<br />

Präsenzzeiten und inhaltliche<br />

Anforderungen zentral. Auch eine<br />

enge Verknüpfung zwischen Theorie und<br />

Praxis erleichtert die Studienzeit sowie<br />

die Vereinbarkeit. Dabei ist außerdem<br />

wichtig, dass jede Studienphase mit<br />

dem Beruf vereinbar ist. Eine besondere<br />

Bedeutung haben außerdem die Mitstudentinnen<br />

und Mitstudenten als Gleichgesinnte<br />

sowie als Unterstützerinnen und<br />

Unterstützer im Lernprozess und bei der<br />

Organisation des Studiums. Ein Austausch<br />

sollte bewusst gefördert werden.<br />

Die Finanzierung des Studiums ist im Vergleich<br />

besonders für Befragte der Sozialund<br />

Pflegeberufe eine Herausforderung.<br />

Hier wäre strukturell mit allen beteiligten<br />

Akteuren zu überlegen, welche<br />

Finanzierungsmöglichkeiten gemeinsam<br />

entwickelt werden können.


47<br />

STUDIE<br />

Da die <strong>Studieren</strong>den ihren Beruf als zentralen<br />

Bereich betrachten, um sich beruflich<br />

und persönlich weiterzuentwickeln und<br />

den Lebensunterhalt zu sichern, ist die<br />

Unterstützung des Arbeitgebers zentral für<br />

die Vereinbarkeit zwischen Studium, Beruf<br />

und Privatleben. Diejenigen <strong>Studieren</strong>den,<br />

die von Unterstützung durch ihren Arbeitgeber<br />

berichten, bewerten die Vereinbarkeit<br />

zwischen Studium, Beruf und Privatleben<br />

besser als andere. Dabei werden<br />

flexible Arbeitszeitmodelle als besonders<br />

unterstützend für die Vereinbarkeit<br />

empfunden. Neben flexiblen Arbeitszeitmodellen<br />

wie Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit<br />

oder Home-Office würden besonders<br />

Arbeitszeitkonten, Stundenreduzierung<br />

nach Bedarf oder Freistellungsoptionen die<br />

Vereinbarkeit entscheidend erleichtern.<br />

Für <strong>Studieren</strong>de aus Sozial- und Pflegeberufen<br />

ist darüber hinaus auch die finanzielle<br />

Unterstützung von zentraler Bedeutung.<br />

Die hier dargestellten Bewältigungsstrategien<br />

der <strong>Studieren</strong>den können im<br />

Zusammenhang mit der Vereinbarkeit<br />

als nicht ausreichend bezeichnet werden,<br />

um die drei Lebensbereiche angemessen<br />

und für die <strong>Studieren</strong>den zufriedenstellend<br />

miteinander zu vereinbaren. Sie sind<br />

Versuche, den Alltag besser organisieren<br />

zu können. Alle <strong>Studieren</strong>den müssen<br />

Abstriche machen. Dies gelingt besonders<br />

den <strong>Studieren</strong>den besser, die auf Unterstützung<br />

des Arbeitgebers oder besonderen<br />

Freiraum in ihrem Beruf zurückgreifen<br />

können. Bei hohen familiären Verpflichtungen<br />

und mangelnder Unterstützung<br />

am Arbeitsplatz kann der Versuch, alle<br />

Bereiche miteinander zu vereinbaren, zu<br />

Konflikten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />

führen.<br />

1 Vgl. Kruse (2014), S. 52.<br />

2 Im Anschluss an die Interviews wurde ein<br />

kurzer Fragebogen an die Teilnehmenden<br />

ausgeteilt, um die wichtigsten soziografischen<br />

Daten abbilden zu können.<br />

Leider war es aufgrund von Zeitmangel<br />

in einem Interview nicht möglich, den<br />

Fragebogen von zwei Teilnehmenden<br />

ausfüllen zu lassen. Mit Ausnahme der<br />

Angabe von Kindern, beziehen sich<br />

alle Daten deshalb nur auf 11 von 13<br />

Befragten.<br />

3 Syrek et al. (2014, S. 128 ff.) machen<br />

verschiedene Handlungsstrategien<br />

der Work-Learn-Life-Balance unter<br />

Wissensarbeitern aus. Zum Teil lassen<br />

sich die von uns vorgefundenen<br />

Handlungsstrategien auf die dort<br />

identifizierten Kategorien beziehen. So<br />

kann die von uns vorgefundene Trennung<br />

von Lebensbereichen und Kompensation<br />

der Belastungen der problemorientiert,<br />

verhaltensbezogenen Strategie zugeordnet<br />

werden. Das Setzen von Prioritäten<br />

und die Entwicklung von Lernstrategien<br />

fallen in die problemorientierte, kognitive<br />

Strategie. Das Zurückstellen von<br />

Lebensbereichen als Krisenintervention<br />

bezieht sich hingegen auf die vermeidungsorientierte,<br />

kognitive Strategie.<br />

4 Vgl. Syrek et al. (2014), S. 128.<br />

5 Nach Syrek et al. (2014), S. 128<br />

ein problemorientiertes, kognitives<br />

Verhalten.<br />

6 Vgl. Syrek et al. (2014), S. 129.


48<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

SUSANNE HERMELING<br />

JESSICA HEIBÜLT<br />

Quantitative Befragung<br />

In der quantitativen Befragung von <strong>Studieren</strong>den<br />

verschiedener Studiengänge<br />

in Bremen konnten von einem Rücklauf<br />

von 59 Fragebögen 53 Antworten ausgewertet<br />

werden. Der Fragebogen ist<br />

am Ende dieses Kapitels abgebildet. Er<br />

wurde an <strong>Studieren</strong>de der Studiengänge<br />

verteilt, die in Tabelle 1 im 2. Kapitel<br />

dargestellt sind. Nicht nur aufgrund der<br />

geringen Zahl sind die hier Befragten<br />

nicht repräsentativ für alle in Bremen<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den. Eine<br />

repräsentative Befragung wäre mit einem<br />

erheblichen Aufwand verbunden, da die<br />

Grundgesamtheit der berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den in allen Studiengängen<br />

bisher statistisch nicht erfasst ist. Die<br />

Auswertung der vorliegenden Daten gibt<br />

daher beispielhafte Einblicke in private,<br />

betriebliche und hochschulische Rahmenbedingungen<br />

für die Vereinbarkeit<br />

von Beruf, Studium und Privatleben.<br />

In der Auswertung konzentrieren wir<br />

uns vornehmlich auf auffällige Befunde,<br />

aus denen sich Unterschiede nach<br />

beruflichem Hintergrund und nach<br />

Studienformaten sowie geschlechts- und<br />

altersspezifische Differenzen ableiten<br />

lassen. Wir unterscheiden drei große Berufsgruppen:<br />

technische (einschließlich<br />

IT-Berufe), kaufmännische und soziale<br />

Dienstleistungsberufe (Erziehungs- und<br />

Pflegeberufe).<br />

Vorbildungsniveau<br />

Von den Befragten haben 35 das Abitur<br />

und acht die Fachhochschulreife erworben.<br />

Lediglich sechs Befragte haben einen<br />

mittleren Schulabschluss oder einen<br />

Hauptschulabschluss. Das spiegelt die ohnehin<br />

niedrige Quote von <strong>Studieren</strong>den<br />

ohne Abitur an den deutschen Hochschulen<br />

wider (2,6 Prozent in Deutschland,<br />

1,42 Prozent in Bremen 1 ). Die Quote der<br />

<strong>Studieren</strong>den mit Abitur und beruflicher<br />

Ausbildung liegt mit etwa 20 Prozent<br />

wesentlich höher. 2 Auffällig ist, dass alle<br />

Frauen in unserem Sample das Abitur<br />

oder die Fachhochschulreife aufweisen.<br />

Das kann unter anderem damit zusammenhängen,<br />

dass allein 13 der 19 befragten<br />

Frauen in den Branchen Gesundheit<br />

und Sozialwesen oder Erziehung und<br />

Unterricht arbeiten, in denen viele<br />

Ausbildungsberufe von Abiturientinnen<br />

absolviert werden. 3 Es ist naheliegend,<br />

dass insbesondere Abiturientinnen dem<br />

Bedarf an wissenschaftlicher Qualifizierung<br />

bei den Pflege- und Erziehungsberufen<br />

folgen, zumal gerade bei Krankenpflegekräften<br />

und Erzieherinnen eine hohe<br />

Motivation bestehen dürfte, mit einem<br />

Hochschulabschluss ein besseres Einkommen<br />

zu erzielen.<br />

Die Befragten mit Abitur sind generell<br />

jünger; unter den unter 30-Jährigen<br />

haben alle die Hochschulreife. In dieser<br />

Gruppe von 19 Befragten hat etwa die<br />

Hälfte einen Berufsabschluss. Ebenso<br />

sind halbe und Dreiviertelstellen in<br />

dieser Gruppe häufiger anzutreffen als<br />

unter den Älteren. Das hängt wahrscheinlich<br />

mit den niedrigeren finanziellen<br />

Belastungen der jüngeren <strong>Studieren</strong>den<br />

zusammen, die in dieser Stichprobe<br />

alle kinderlos sind. Wiederum entsteht<br />

hier das Bild einer spezifischen <strong>Studieren</strong>dengruppe,<br />

die bald nach ihrem<br />

Berufsabschluss und vor einer Familiengründungsphase<br />

mit einem Studium<br />

›durchstarten‹, ohne ihre Erwerbstätigkeit<br />

aufzugeben.<br />

Hinsichtlich der erworbenen Berufsabschlüsse<br />

ergibt sich folgendes Bild.<br />

Über die Hälfte der Befragten hat bereits<br />

ein Hochschulstudium absolviert und<br />

studiert demzufolge nun in einem Masterstudiengang.<br />

Fast alle Befragten mit einem<br />

Ausbildungsabschluss sowie die fünf<br />

Absolventinnen und Absolventen einer<br />

Aufstiegsfortbildung an einer Fachschule<br />

studieren in einem Bachelorprogramm<br />

(n = 16). Sieben haben keine Angabe zu


49<br />

STUDIE<br />

Abb. 1:<br />

Schul- und Berufsabschlüsse<br />

n = 53<br />

Abitur<br />

35 28<br />

Höchster<br />

Schulabschluss<br />

Fach-/<br />

Hochschule<br />

19<br />

duale<br />

Ausbildung/<br />

Berufsfachschule<br />

Berufsbildungsreife<br />

4<br />

mittlerer<br />

Schulabschluss<br />

Berufsabschluss<br />

Fachhochschulreife<br />

2<br />

4<br />

keine<br />

Angabe<br />

8 5 7<br />

18 Befragte haben Kinder, davon sechs<br />

Frauen und 12 Männer. Zwei Frauen sind<br />

alleinerziehend. Nur eine von diesen<br />

Frauen hat noch ein Kind im schulpflichtigen<br />

Alter. Beide Frauen arbeiten in<br />

Vollzeit und geben an, organisatorische<br />

Unterstützung von Freunden zu erhalten.<br />

Die Vereinbarkeit von Studium und<br />

Beruf wird von beiden als ›sehr schlecht‹<br />

beurteilt und die Anforderungen als sehr<br />

hoch. Von den Befragten mit Kindern<br />

ist niemand unter 30 Jahre alt. In der<br />

Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren<br />

haben sieben Befragte Kinder, darunter<br />

nur eine Frau. Von den über 40-Jährigen<br />

geben fünf Frauen und sechs Männer<br />

an, Kinder zu haben. Die Vermutung ist<br />

naheliegend, dass <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

<strong>Studieren</strong> in der Familienphase mit<br />

Kindern im Vorschul- und Schulalter<br />

schwierig zu bewältigen ist. Dies fällt für<br />

Frauen mehr ins Gewicht als für Männer,<br />

denn es gibt in der Stichprobe nur<br />

Männer mit Kindern im Vorschulalter.<br />

Die geschlechtsspezifische Rollenaufteilung<br />

in der Sorgearbeit zulasten der<br />

Frauen spiegelt sich also in der Befragung<br />

wider. Auffällig ist außerdem, dass die<br />

<strong>Studieren</strong>den mit Kindern nicht weniger<br />

Stunden arbeiten als <strong>Studieren</strong>de<br />

ohne Kinder. Der größere Teil hat eine<br />

Vollzeitstelle und leistet darüber hinaus<br />

Überstunden ab. Hier zeigen sich die mit<br />

Kindern verbundenen höheren finanziel-<br />

Fachschule<br />

keine<br />

Angabe<br />

ihren Berufsabschlüssen gemacht. Aufgrund<br />

möglicher Mehrfachantworten geben<br />

fünf Befragte im Sample an, sowohl<br />

eine Ausbildung als auch ein Hochschulstudium<br />

abgeschlossen zu haben. Auch<br />

die Ergebnisse der qualitativen Interviews<br />

legen nahe, dass solche langen Bildungswege<br />

unter berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

keine Seltenheit sind.<br />

Von den 34 <strong>Studieren</strong>den der Masterstudiengänge<br />

geben drei einen Berufsabschluss<br />

als höchsten Abschluss an. Das<br />

deutet darauf hin, dass die Möglichkeit<br />

des Zugangs zu weiterbildenden Masterstudiengängen<br />

auch ohne vorliegenden<br />

Bachelorabschluss bei gleichen Qualifikationen<br />

immerhin von einigen genutzt<br />

wird.<br />

Soziodemografische Merkmale<br />

der Befragten<br />

Die 53 berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

sind zum Befragungszeitpunkt zwischen<br />

23 und 59 Jahre alt. Der Mittelwert liegt<br />

bei 32 Jahren. Dabei sind die Altersgruppen<br />

der 20- bis 29-Jährigen (n = 19) sowie<br />

der 30- bis 39-Jährigen (n = 20) überrepräsentiert.<br />

Acht <strong>Studieren</strong>de sind zwischen<br />

40 und 49 Jahre alt, fünf sind über 50<br />

Jahre alt. 4 Männer sind in der Stichprobe<br />

überrepräsentiert. Insgesamt haben 19<br />

Frauen und 34 Männer an der Befragung<br />

teilgenommen.


50<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

len Belastungen, die eine Arbeitszeitreduzierung<br />

erschweren.<br />

Unterstützung im privaten Umfeld<br />

Bezüglich der Wohnsituation geben<br />

die meisten an, mit ihrem Partner oder<br />

ihrer Partnerin zusammenzuleben (n =<br />

20) beziehungsweise mit dem Partner /<br />

der Partnerin und Kindern zusammenzuleben<br />

(n = 14). Die übrigen leben allein<br />

mit ihren Kindern zusammen, in einer<br />

Wohngemeinschaft oder bei Familienangehörigen.<br />

Alleinlebend sind nur 13<br />

<strong>Studieren</strong>de.<br />

Bei der Konzeption der Untersuchung<br />

war unter anderem die Hypothese maßgeblich,<br />

dass Unterstützung im privaten<br />

Umfeld für eine gute Vereinbarkeit<br />

zwischen Studium und Beruf wichtig ist.<br />

In Abbildung 2 wird dargestellt, welche<br />

Menschen im privaten Umfeld als unterstützend<br />

empfunden werden und in Abbildung<br />

3, in welcher Form die Befragten<br />

Unterstützung erfahren. Mehrfachantworten<br />

waren jeweils möglich.<br />

Die Partnerinnen und Partner spielen<br />

insgesamt die größte Rolle bei der<br />

Unterstützung im Studium. Diese leisten<br />

vor allem Zuspruch und entlasten bei der<br />

Hausarbeit. Diejenigen, die ihre Eltern<br />

beziehungsweise einen Elternteil als Unterstützung<br />

angegeben haben, gehören<br />

eher zu den jüngeren Teilnehmenden der<br />

Befragung, von ihnen sind acht unter 30<br />

Jahre beziehungsweise 13 unter 35 Jahre<br />

alt. Insgesamt elf Befragte haben angegebenen,<br />

in ihrem privaten Umfeld keinerlei<br />

Unterstützung zu erfahren, darunter<br />

befinden sich fünf Alleinlebende sowie<br />

sieben Männer und zwei Frauen. Die bei<br />

Weitem häufigste Form der Unterstützung<br />

ist Zuspruch und Vertrauen. Auch<br />

in den Interviews berichten <strong>Studieren</strong>de,<br />

wie wichtig es ist, dass das nahe Umfeld<br />

den mit der Studienaufnahme verbundenen<br />

Zeitmangel für Partner und Familie<br />

grundsätzlich akzeptiert. <strong>Studieren</strong>de<br />

in festen Partnerschaften scheinen<br />

insgesamt gegenüber alleinlebenden im<br />

Vorteil zu sein. Zwar beschreiben einige<br />

<strong>Studieren</strong>de in den Interviews belastende<br />

Forderungen in der Partnerschaft,<br />

ebenso betont wird jedoch von vielen die<br />

unterstützende Seite. Da jedoch fast alle<br />

<strong>Studieren</strong>den erzählen, dass sie Freundeskreis,<br />

Sport oder ehrenamtliche Tätigkeiten<br />

vernachlässigen müssen, scheint der<br />

Partner oder die Partnerin im Ausgleich<br />

für einen kontinuierlichen sozialen Rückhalt<br />

zu sorgen.<br />

Bemerkenswert ist, dass 19 Befragte<br />

angaben, dass sie von Kommilitoninnen<br />

und Kommilitonen unterstützt werden.<br />

Diese werden damit auch dem privaten<br />

Bereich zugeordnet. Besonders oft genannt<br />

wird in diesen Fällen der fachliche<br />

Austausch und bei einigen die organisatorische<br />

Zuarbeit als Entlastungsform. In<br />

der Befragung geben mehr als die Hälfte<br />

der <strong>Studieren</strong>den (n = 32) an, sich mehr<br />

Zeit für den Austausch mit Studienkollegen<br />

zu wünschen. Neben dem fachlichen<br />

Austausch (n = 30, Mehrfachnennungen<br />

möglich) soll jedoch auch der persönliche<br />

Austausch (n = 24, Mehrfachnennungen<br />

möglich) eine Rolle spielen. Auch<br />

dieses Ergebnis wird in den qualitativen<br />

Interviews bestätigt. Dort werden Studienkolleginnen<br />

und Studienkollegen zum<br />

Abb. 2:<br />

Unterstützung im privaten Umfeld erhalte ich von …<br />

n = 53, Mehrfachnennungen möglich<br />

anderen Familienangehörigen<br />

Kind/Kindern<br />

niemandem<br />

Freundinnen/Freund<br />

Eltern/Elternteil<br />

Studienkollegen<br />

3<br />

4<br />

9<br />

11<br />

16<br />

19<br />

36<br />

Partnerin/Partner


51<br />

STUDIE<br />

Abb. 3:<br />

Ich erhalte Unterstützung im privaten Umfeld in folgender Form …<br />

n = 53, Mehrfachnennungen möglich<br />

Zuspruch und Vertrauen<br />

zeitliche Entlastung bei der Hausarbeit<br />

fachlicher Austausch<br />

gar nicht<br />

finanziell<br />

zeitliche Entlastung bei der Kinderbetreuung<br />

organisatorische Zuarbeit<br />

Seelsorge<br />

3<br />

3<br />

7<br />

6<br />

13<br />

12<br />

27<br />

zeitliche Entlastung bei der Betreuung<br />

einer/eines Angehörigen<br />

1<br />

1<br />

Teil als wichtige Ansprechpersonen in<br />

Krisenzeiten beschrieben. Einige beschreiben<br />

die Gruppe von <strong>Studieren</strong>den als<br />

soziales Netz, in dem sie gehalten werden<br />

und das ihnen hilft, Phasen der Anstrengung<br />

durchzuhalten.<br />

Betriebliche Rahmenbedingungen<br />

Von 53 Befragten geben 33 an, einem<br />

großen Unternehmen mit mehreren<br />

betrieblichen Standorten anzugehören,<br />

drei machten keine Angabe. Die meisten<br />

arbeiten an einem großen betrieblichen<br />

Standort mit über 500 Beschäftigten (n =<br />

20). Elf Befragte arbeiten in einem Betrieb<br />

mit unter 50 Beschäftigten. Erwartungsgemäß<br />

würde man unter den großen Unternehmen<br />

eine finanzielle Beteiligung<br />

am Studium eher erwarten. Es finden<br />

sich jedoch vier kleinere Unternehmen<br />

mit unter 250 Beschäftigten, die <strong>Studieren</strong>de<br />

(teilweise) bezahlt freistellen oder<br />

sich an direkten Kosten beteiligen. Insgesamt<br />

geben 16 <strong>Studieren</strong>de eine finanzielle<br />

Beteiligung ihres Arbeitgebers an.<br />

Die berufliche Tätigkeit der meisten<br />

Befragten ist in den personenbezogenen<br />

Dienstleistungen (n = 21) und im technischen<br />

Bereich (n = 18) angesiedelt. Kaufmännische<br />

Tätigkeiten (n = 10) sind unter<br />

den Berufsgruppen im Sample folglich<br />

unterrepräsentiert. In der Fachrichtung<br />

Wirtschaftswissenschaften wurden zwar<br />

zwei Studiengänge befragt, diese sprechen<br />

jedoch unterschiedliche Berufsgruppen<br />

mit ihrem Angebot an (siehe Abbildung<br />

1 in Kapitel 2). Gegliedert nach Branchen<br />

arbeitet die Mehrheit der Befragten im<br />

verarbeitenden Gewerbe (n = 15), in Erziehung<br />

und Unterricht (n = 11) sowie im<br />

Gesundheits- und Sozialwesen (n = 10). In<br />

der Logistik (n = 4) und in wirtschaftsbezogenen<br />

Dienstleistungen (n = 2) sind sechs<br />

Befragte beschäftigt. Die Branchen Handel<br />

und Reparatur sowie Gastgewerbe sind<br />

nur mit jeweils einem Befragten vertreten.<br />

In den qualitativen Interviews werden die<br />

Arbeitszeiten im Handel als sehr ungünstig<br />

für ein <strong>berufsbegleitendes</strong> Studium<br />

beschrieben, das könnte zu einer niedrigen<br />

Studienteilnahme von Beschäftigten<br />

dieser Branche führen. Ähnliches ist für<br />

das Gastgewerbe anzunehmen.<br />

Unter den zehn Befragten, die im<br />

Schichtbetrieb tätig sind, arbeiten bis auf<br />

eine <strong>Studieren</strong>de alle in Teilzeit, in der<br />

Regel auf halben Stellen. In dieser Gruppe<br />

sind vornehmlich Frauen, die im Gesundheits-<br />

und Sozialwesen arbeiten. Die<br />

Interviews mit Expertinnen und Experten<br />

in unserer Studie bestätigen, dass flexible


52<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Abb. 4:<br />

Folgende Personen im Betrieb sind über mein Studium informiert<br />

n = 53, Mehrfachnennungen möglich<br />

alle Kolleginnen/Kollegen<br />

mein/e direkte/r Vorgesetzte/r<br />

die Geschäftsleitung<br />

einige vertraute Kolleginnen/Kollegen<br />

niemand<br />

1<br />

12<br />

30<br />

29<br />

40<br />

Dienstpläne in dieser Branche die Vereinbarkeit<br />

mit dem Studium erleichtern. Die<br />

starren Wechselschichten im verarbeitenden<br />

Gewerbe erschweren dagegen die<br />

Teilnahme an Präsenzveranstaltungen<br />

erheblich. Auch in unserer Stichprobe<br />

sind keine in Schichtarbeit Beschäftigten<br />

aus dem verarbeitenden Gewerbe vorhanden.<br />

Alle Befragten aus dem verarbeitenden<br />

Gewerbe arbeiten im regulären<br />

Tagdienst, viele haben zudem Gleitzeitregelungen<br />

und Arbeitszeitkonten.<br />

Außerdem sind in dieser Gruppe relativ<br />

viele Führungskräfte, die möglicherweise<br />

über Gestaltungsfreiräume verfügen, die<br />

sie für die Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Studium nutzen können.<br />

Von den befragten <strong>Studieren</strong>den<br />

arbeiten 15, darunter zehn Frauen, auf<br />

Teilzeitstellen. Die meisten Befragten<br />

arbeiten damit auf Vollzeitstellen von 35<br />

bis 42 Vertragsstunden pro Woche. Gut<br />

die Hälfte der Befragten aller Berufsgruppen<br />

(n = 28) gibt an, regelmäßig Überstunden<br />

zu leisten. 18 Beschäftigte kommen<br />

damit auf eine reale Wochenarbeitszeit<br />

von über 41 bis hin zu 55 Stunden. Erstaunlicherweise<br />

ist die für das Studium<br />

aufgewendete Zeit fast genauso hoch<br />

veranschlagt wie bei den Beschäftigten<br />

mit 30 bis 40 Stunden Arbeitszeit. So ergeben<br />

sich bei den Vollzeitbeschäftigten<br />

mitunter 70 Stunden pro Woche für Beruf<br />

und Studium. Bei den Beschäftigten<br />

mit bis zu 30 Arbeitsstunden im Betrieb<br />

liegen die für das Studium aufgewende-<br />

ten Stunden höher. Nach dem Mittelwert<br />

der angegebenen Stundenzahlen für<br />

Beruf und Studium zusammen, ergibt<br />

sich für die Befragten am häufigsten eine<br />

60-Stunden-Woche.<br />

Von den <strong>Studieren</strong>den, die ihre<br />

Arbeitszeit sehr gut (n = 7) oder eher gut<br />

(n = 8) an ihr Studium anpassen können,<br />

greifen nahezu alle auf flexible Arbeitszeitmodelle<br />

zurück (n = 13), einige wenige<br />

auch auf Arbeitszeitkonten oder Home-<br />

Office. Schichtarbeit kommt in dieser<br />

Gruppe nur zweimal vor. In der Gruppe,<br />

die die Vereinbarkeit als sehr schlecht (n<br />

= 8) oder eher schlecht (n = 9) bezeichnet,<br />

können nur zwei Befragte von flexiblen<br />

Arbeitszeiten profitieren. Schichtarbeit<br />

kommt in dieser Gruppe dreimal vor. Die<br />

Stichprobe zeigt also einen sehr klaren<br />

Zusammenhang von flexiblen Arbeitszeitmodellen<br />

und guter Vereinbarkeit. Dieser<br />

Zusammenhang ist in unserer Stichprobe<br />

sogar stärker als der von reduzierten Arbeitsstunden<br />

und guter Vereinbarkeit.<br />

Unterstützung im Betrieb<br />

Unsere Studie zeigt, dass die Berufstätigkeit<br />

für die meisten berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den aus verschiedenen Gründen<br />

Priorität vor dem Studium genießt.<br />

Die Erwerbstätigkeit gilt als existenzieller<br />

und unerlässlicher Lebensbereich. Die Arbeitszeit<br />

zeitlich zu beschränken, kommt<br />

für viele, gerade ältere, <strong>Studieren</strong>de oft<br />

schon aus finanziellen Gründen nicht


53<br />

STUDIE<br />

infrage. Viele Beschäftigte wollen unter<br />

Umständen auch nicht ihre Position im<br />

Betrieb gefährden. Aufgrund der hohen<br />

Doppelbelastung sind aber gerade eine<br />

Reduzierung und Flexibilisierung von<br />

Arbeitszeiten, Freistellungen und andere<br />

gezielte Unterstützung durch die Arbeitgeber<br />

für den Studienerfolg ausschlaggebend.<br />

Der Betrieb muss also ›mitspielen‹.<br />

Nicht erstaunlich ist es deshalb, dass<br />

nur ein Befragter niemanden in seinem<br />

Betrieb über sein Studium informiert hat<br />

(vgl. Abbildung 4). Einige Studiengangsverantwortliche<br />

in den Interviews mit<br />

Expertinnen und Experten berichten,<br />

dass mitunter Beschäftigte, die einen<br />

Stellenwechsel anstreben, ihr Studium<br />

im Betrieb gar nicht erwähnen. Da sich<br />

jedoch die Rahmenbedingungen dann<br />

äußerst schwierig gestalten, ist dies wohl<br />

selten lange durchzuhalten. Im Regelfall<br />

scheinen tatsächlich alle Kolleginnen<br />

und Kollegen im Bilde zu sein und bei<br />

über der Hälfte der Befragten sind auch<br />

die Vorgesetzten und Geschäftsleitungen<br />

informiert.<br />

Um ein Bild davon zu bekommen, von<br />

wem und in welcher Form die <strong>Studieren</strong>den<br />

unterstützt werden, wurden Fragen<br />

mit verschiedenen Auswahlmöglichkeiten<br />

gestellt. In Abbildung 5 wird deutlich,<br />

dass die Vorgesetzten bei Weitem<br />

die wichtigsten Unterstützer im Betrieb<br />

sind (n = 29). Auffällig ist auch, dass zwar<br />

37 Befragte angeben, dass es in ihrem<br />

Betrieb einen Betriebs- oder Personalrat<br />

gibt, jedoch nur drei Befragte sich von<br />

ihrem Betriebsrat unterstützt sehen.<br />

In zwei von diesen drei Fällen beteiligt<br />

sich der Betrieb allerdings finanziell am<br />

Studium. Bemerkenswert ist weiterhin,<br />

dass knapp die Hälfte aller <strong>Studieren</strong>den<br />

(n = 23) gar keine Unterstützer im Betrieb<br />

hat. Trotzdem sind auch in dieser Gruppe<br />

<strong>Studieren</strong>de, die seit ihrem Studium<br />

andere Aufgaben (n = 3) oder mehr Verantwortung<br />

(n = 2) übernehmen, weitere<br />

(n = 4) bearbeiten ihre Aufgaben anders<br />

als zuvor. Sie machen also ihr Studium<br />

weitgehend selbsttätig für ihre Arbeit<br />

nutzbar.<br />

Die organisatorische Unterstützung<br />

seitens der Betriebe in unserem Sample<br />

erstreckt sich im Wesentlichen auf<br />

die zeitliche Flexibilität. Das ist für die<br />

<strong>Studieren</strong>den eine zentrale Regelung, die<br />

allerdings auch nur in 18 Fällen angegeben<br />

wurde. Betriebliche Einrichtungen<br />

(wie Kitas) als eine Antwortoption werden<br />

von keinem <strong>Studieren</strong>den als Unterstützungsform<br />

seitens des Betriebes angegeben<br />

(Abbildung 6).<br />

Inhaltliche Fragen werden im Betrieb<br />

selten bearbeitet und die Vergabe von<br />

studienrelevanten Aufgaben an <strong>Studieren</strong>de<br />

kommt in unserer Stichprobe nur<br />

zweimal vor (Abbildung 6). So scheinen<br />

also auch Vorgesetzte, die das Studium<br />

durch mehr zeitliche Flexibilität fördern,<br />

keinen gezielten Theorie-Praxis-Transfer<br />

zu schaffen. Das ist auch deshalb bemerkenswert,<br />

weil 22 Befragte angeben, dass<br />

sie seit ihrem Studium Aufgaben anders<br />

bearbeiten oder andere Aufgaben im<br />

Betrieb übernehmen, und in fünf Fällen<br />

sogar mehr Verantwortung tragen. Ein<br />

Theorie-Praxis-Transfer findet also bei 22<br />

Befragten schon während des Studiums<br />

statt, jedoch kommt in diesen Fällen<br />

wohl eher bereits erworbenes Wissen zur<br />

Anwendung, als dass Lernprozesse gezielt<br />

in die Arbeit eingebettet werden. Von den<br />

Abb. 5:<br />

Ich erhalte Unterstützung im Betrieb von …<br />

n = 53, Mehrfachnennungen möglich<br />

29<br />

23<br />

13<br />

3<br />

1<br />

Vorgesetzten<br />

niemandem Kolleginnen/ Betriebs-/Personalrat keine Antwort<br />

Kollegen


54<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Beschäftigten, die schon während des<br />

Studiums andere Aufgaben übernehmen,<br />

werden erstaunlicherweise nicht alle von<br />

ihrem Arbeitgeber durch die Übernahme<br />

direkter Kosten oder Teilfreistellungen<br />

unterstützt. Hier profitiert also zunächst<br />

nur der Betrieb von den Bildungsinvestitionen<br />

der Beschäftigten.<br />

Insgesamt 16 Befragte werden von ihren<br />

Arbeitgebern finanziell unterstützt,<br />

acht durch die Übernahme von direkten<br />

Kosten, sechs durch die Freistellung für<br />

alle Präsenzveranstaltungen und einmal<br />

durch eine Teilfreistellung. In elf Fällen<br />

kooperiert der Betrieb mit der Hochschule<br />

und beteiligt sich dann in der Regel<br />

auch finanziell. Diese kooperierenden<br />

Betriebe gehören fast ausschließlich<br />

dem Gesundheits- und Sozialwesen oder<br />

Erziehung und Unterricht an, die nutznießenden<br />

<strong>Studieren</strong>den sind damit vor<br />

allem Frauen.<br />

Wir wollten von den <strong>Studieren</strong>den<br />

außerdem wissen, ob sie von einer tarifvertraglichen<br />

oder betrieblichen Vereinbarung<br />

zur Weiterbildung profitieren.<br />

Jedoch wissen nur zwölf Befragte von<br />

einer solchen Regelung in ihrem Betrieb.<br />

Und nur ein Beschäftigter im Gesundheits-<br />

und Sozialwesen gibt an, dass ihm<br />

die Vereinbarung die Studienentscheidung<br />

erleichtert hat. Hier wird deutlich,<br />

dass formale Regelungen und Betriebsvereinbarungen<br />

oft fehlen oder intransparent<br />

sind. Und wenn es Regelungen gibt,<br />

scheinen diese in der Praxis keine große<br />

Wirksamkeit zu entfalten.<br />

Hochschulische<br />

Rahmenbedingungen<br />

Wir hatten die <strong>Studieren</strong>den gebeten,<br />

zu schätzen, wie viele Stunden sie pro<br />

Woche für das Studium aufwenden.<br />

Die Zeitangaben variieren sehr stark<br />

zwischen den Studiengängen. In den<br />

Studiengängen der Fachbereiche Medizin<br />

/ Gesundheit und Erziehungswissenschaften<br />

wenden die <strong>Studieren</strong>den 20 bis 25<br />

Stunden pro Woche auf, in den restlichen<br />

Studiengängen 15 bis 19 Stunden. Die Angaben<br />

korrespondieren deutlich mit der<br />

hohen Teilzeitquote unter den vornehmlich<br />

weiblichen <strong>Studieren</strong>den aus den<br />

pädagogischen und Pflegeberufen in den<br />

ersten beiden Studiengängen.<br />

Das Votum der <strong>Studieren</strong>den zu mehr<br />

E-Learning-Anteilen im Studium korrespondiert<br />

allerdings nicht mit dem<br />

Umfang ihrer Arbeitsstunden. Insgesamt<br />

nur 18 <strong>Studieren</strong>de wünschen sich mehr<br />

E-Learning, 23 geben ein negatives Votum<br />

ab, neun <strong>Studieren</strong>de sind sich unsicher,<br />

drei geben keine Antwort. Das in Politik<br />

und Forschung viel diskutierte E-Learning<br />

als wichtiger Ansatz, um das Studium<br />

für Berufstätige attraktiver zu gestalten,<br />

wird von unseren Befragten also eher<br />

verhalten aufgenommen. Die Gruppe,<br />

die sich mehr E-Learning wünscht, ist al-<br />

Abb. 6:<br />

Unterstützung im Betrieb erhalte ich in folgender Form …<br />

n = 53, Mehrfachnennungen möglich<br />

durch zeitliche Flexibilität<br />

gar nicht<br />

keine Antwort<br />

durch Zuspruch und Vertrauen<br />

bei inhaltlichen Fragen<br />

durch Überlassung von studienrelevanten Arbeiten<br />

Sonstiges<br />

1<br />

2<br />

6<br />

12<br />

11<br />

15<br />

18


55<br />

STUDIE<br />

tersdurchmischt und bringt unterschiedliche<br />

Bildungsvoraussetzungen mit. Ein<br />

erhöhter Bedarf an Online-Angeboten ist<br />

jedoch in zwei Studiengängen auszumachen.<br />

Zum einen in dem berufsbegleitenden<br />

Bachelorprogramm der Fachrichtung<br />

Berufspädagogik. Hier studieren Beschäftigte<br />

aus technischen Berufsgruppen, die<br />

Vollzeitstellen haben. Die Vollzeitarbeit<br />

erschwert die Teilnahme an einigen Präsenzveranstaltungen,<br />

die eigentlich Teil<br />

des Regelstudienangebots sind und damit<br />

nicht abends, sondern tagsüber stattfinden.<br />

Dass diese Veranstaltungen nicht<br />

berufsbegleitend konzipiert sind, geben<br />

die <strong>Studieren</strong>den als ihr Hauptproblem<br />

mit den Studienbedingungen an. In den<br />

freien Antworten wird das von fast allen<br />

Befragten dieses Studiengangs geäußert.<br />

In dem zweiten Bachelorstudiengang<br />

mit einem höheren Bedarf an E-Learning<br />

studieren Pflegekräfte. Diese sind zwar<br />

einerseits relativ oft in Teilzeit beschäftigt<br />

und können damit mehr Stunden<br />

für ihr Studium aufwenden; andererseits<br />

ist in dieser Gruppe Schichtarbeit an der<br />

Tagesordnung. Zwar sind die Schichten<br />

flexibel genug, um ein Studium berufsbegleitend<br />

zu bewältigen, dennoch wird die<br />

Anstrengung durch die Schichtarbeit in<br />

den freien Antworten mehrfach thematisiert.<br />

Auch Überstunden sind durch den<br />

Personalmangel in dieser Berufsgruppe<br />

keine Seltenheit. Eine teilweise Reduzierung<br />

von Präsenzzeiten im Studium<br />

könnte also für die <strong>Studieren</strong>den entlastend<br />

wirken.<br />

In den anderen berufsbegleitenden<br />

Studiengängen wird, trotz der hohen<br />

Quote an Vollzeitbeschäftigten, kaum<br />

Bedarf geäußert oder E-Learning sogar<br />

explizit abgelehnt. Eine mögliche<br />

Erklärung für die tendenzielle Ablehnung<br />

von E-Learning ist nach Aussagen<br />

in den qualitativen Interviews, die hohe<br />

Motivation, die <strong>Studieren</strong>de durch den<br />

direkten Austausch mit Dozentinnen und<br />

Dozenten sowie Kommilitoninnen und<br />

Kommilitonen erhalten. Die Anstrengung<br />

der abendlichen Präsenzveranstaltungen<br />

wird also durch die Motivation und das<br />

Wohlbefinden in der Studiengruppe aufgewogen.<br />

Nach Aussagen der <strong>Studieren</strong>den<br />

kann die Motivation, sich am Ende<br />

des Arbeitstages an einen PC zu setzen,<br />

dagegen als eher gering eingeschätzt<br />

werden.<br />

In den qualitativen Interviews wurde<br />

geäußert, dass die <strong>Studieren</strong>den generell<br />

gerne mehr Zeit für alle Lebensbereiche,<br />

so auch für das Studium beziehungsweise<br />

›das Studentenleben‹ hätten.<br />

Ebenso wünscht sich die Mehrheit der<br />

Befragten (n = 32) mehr Zeit mit ihren<br />

Kommilitoninnen und Kommilitonen für<br />

fachlichen aber auch für persönlichen<br />

Austausch. Dieser Wunsch wird von <strong>Studieren</strong>den<br />

in allen fünf Studiengängen<br />

geäußert. Die Antwort unterstreicht noch<br />

einmal die Schlüsselrolle, die die sozialen<br />

Kontakte für den Studienerfolg und die<br />

Überwindung von individuellen Krisen<br />

haben.<br />

Über die Hälfte der <strong>Studieren</strong>den<br />

bestätigt, dass sie ihre berufliche Praxis<br />

sehr gut (n = 8) oder eher gut (n = 21) in<br />

ihr Studium einbringen können. 16<br />

Befragte bewerten diesen Aspekt mit teils<br />

/ teils und nur sieben als eher oder sehr<br />

schlecht. Die Antworten deuten darauf<br />

hin, dass es den Studiengangsverantwortlichen<br />

oft gelingt, das Studium praxisnah<br />

zu gestalten. Viele <strong>Studieren</strong>de scheinen<br />

also von ihrer Berufserfahrung zu<br />

profitieren und sich damit einen Teil der<br />

Inhalte leichter erschließen zu können.<br />

Dies korrespondiert auch mit Aussagen<br />

von Studiengangsverantwortlichen in<br />

den Interviews. Auf die Frage, wie gut es<br />

gelingt, Studieninhalte in die berufliche<br />

Praxis einzubringen, antwortet die Hälfte<br />

der <strong>Studieren</strong>den mit sehr gut (n = 4) oder<br />

eher gut (n = 20). 21 Befragte sehen den<br />

Theorie-Praxis-Transfer nur teils / teils<br />

eingelöst und sieben bewerten ihn als<br />

schlecht. Zu bedenken ist hierbei, dass<br />

wohl viele berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de<br />

im Betrieb weitgehend auf sich gestellt<br />

sind, wenn es darum geht, das erlernte<br />

Wissen anzuwenden. Auffällig ist, dass in<br />

dem erziehungswissenschaftlichen Masterstudiengang<br />

der Theorie-Praxis-Transfer<br />

als besonders gut bewertet wird. Das<br />

hängt vermutlich damit zusammen, dass<br />

bei diesem Angebot eine sehr homogene<br />

<strong>Studieren</strong>dengruppe mit einem klaren<br />

Berufsbild angesprochen wird. Auch das<br />

inhaltliche Feld des Studienangebots ist<br />

klar umgrenzt.


56<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Abb. 7:<br />

In welchem dieser Bereiche empfinden Sie die größte Belastung?<br />

(n = 53)<br />

23 11 10 9<br />

Studium<br />

Beruf Privatleben keine Antwort<br />

Größte Herausforderungen<br />

und Wünsche für eine bessere<br />

Vereinbarkeit<br />

Von den drei großen Lebensbereichen<br />

empfinden die meisten Befragten das<br />

Studium als größte Herausforderung,<br />

was wohl auch damit zusammenhängt,<br />

dass es als neue Aufgabe den Lebensalltag<br />

entscheidend verändert. Die qualitativen<br />

Interviews mit <strong>Studieren</strong>den bestätigen,<br />

dass auf den Lebensbereich Beruf<br />

meist eine höhere Priorität gesetzt wird,<br />

weil dieser als existenzsichernd und<br />

unentbehrlich ausgemacht wird. Einige<br />

Befragte geben an, dass die mehrfachen<br />

Belastungen insgesamt und die Koordination<br />

der drei Lebensbereiche als<br />

größte Anstrengung wahrgenommen<br />

werden. Das Studium wird vor allem<br />

dann als Belastung empfunden, wenn<br />

sich Präsenzveranstaltungen regelmäßig<br />

mit Arbeitszeiten überschneiden, wenn<br />

Standorte von Vorlesungen wechseln und<br />

für einzelne Veranstaltungen Anfahrtszeiten<br />

anfallen. Auch die Präsenzlehre in<br />

den Abendstunden, Selbstlernzeiten und<br />

Prüfungsphasen werden von einigen als<br />

besonders belastend gekennzeichnet.<br />

Bei den Belastungen im Beruf stehen<br />

unflexible Arbeitszeiten, Schichtarbeit<br />

und hohe Anforderungen im Vordergrund.<br />

Bei Belastungen im Privatleben<br />

steht der Zeitmangel im Vordergrund,<br />

der dazu führt, dass Hobbys und soziale<br />

Kontakte vernachlässigt werden müssen.<br />

In einigen Fällen führt dieser Zeitmangel<br />

vermutlich auch zu Konflikten in der<br />

Partnerschaft oder der Familie.<br />

Oft geäußerte Wünsche für eine bessere<br />

Vereinbarkeit richten sich auf flexiblere<br />

Arbeitszeiten und teilweise Freistellungen<br />

für das Präsenzstudium seitens des<br />

Arbeitgebers. Im Studium selbst sollen<br />

vor allem Prüfungsphasen zeitlich entzerrt<br />

werden, Präsenzlehre soll möglichst<br />

im Block stattfinden, Stundenpläne<br />

sollen auf lange Sicht transparent, planbar<br />

und verlässlich sein. Diese Wünsche<br />

an die Gestaltung von Studiengängen<br />

äußern Befragte fast aller Studiengänge.<br />

Nur ein berufsbegleitender Masterstudiengang<br />

der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften<br />

erfüllt offensichtlich die<br />

Bedürfnisse der Berufstätigen nach Flexibilität<br />

einerseits und guter Planbarkeit<br />

andererseits schon sehr weitgehend.<br />

Studienfinanzierung<br />

Von den befragten <strong>Studieren</strong>den greifen<br />

20 neben der Erwerbsarbeit auf weitere<br />

Quellen zurück, um ihr Studium zu<br />

finanzieren. Das ist schon deshalb notwendig,<br />

weil viele berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de<br />

Studiengebühren tragen oder<br />

fehlendes Einkommen durch Arbeitszeitreduzierung<br />

ausgleichen müssen. In Abbildung<br />

8 wird gezeigt, dass in elf Fällen<br />

eigene Rücklagen aufgebraucht, mitunter<br />

aber auch Kredite aufgenommen oder<br />

privat Schulden gemacht werden. Nur<br />

drei <strong>Studieren</strong>de beziehen ein Stipendium<br />

oder BAföG. Neun Befragte geben<br />

lediglich Rücklagen oder Kredit, nicht<br />

aber ihre Erwerbsarbeit als Quelle für die<br />

Studienfinanzierung an, obwohl in dieser<br />

Gruppe alle eine Vollzeitstelle haben. Da


57<br />

STUDIE<br />

alle in dieser Gruppe <strong>Studieren</strong>de weiterbildender<br />

Masterstudiengänge sind,<br />

haben sie wohl allein die anfallenden<br />

Studiengebühren und nicht die Lebenshaltungskosten<br />

in ihrer Antwort berücksichtigt.<br />

Für weiterbildende Masterstudiengänge<br />

fallen durchschnittlich 15.000<br />

Euro Studiengebühren an.<br />

Die Ergebnisse unterstreichen die existenzielle<br />

Bedeutung von Erwerbsarbeit<br />

gerade für ältere <strong>Studieren</strong>de, die in der<br />

Regel nicht auf Stipendien oder andere<br />

Formen der öffentlichen Förderung zurückgreifen<br />

können.<br />

Zusammenfassung<br />

Mehrere Beobachtungen können aus der<br />

Befragung abgeleitet werden, die Hinweise<br />

auf weiteren Forschungsbedarf und<br />

Handlungsfelder geben.<br />

Geschlecht und Lebensphasen<br />

Unter den befragten <strong>Studieren</strong>den sind<br />

keine Frauen ohne Hochschulreife. Der<br />

Großteil der befragten Frauen sind Abiturientinnen<br />

aus Pflege- und Erziehungsberufen.<br />

In künftigen Untersuchungen<br />

müsste in den Blick genommen werden,<br />

ob eine geschlechtsspezifische Selektion<br />

bei <strong>Studieren</strong>den des dritten Bildungsweges<br />

besteht. Womöglich besteht ein<br />

Zusammenhang mit mangelnden ökonomischen<br />

Ressourcen oder der Belastung<br />

durch familiäre Sorgearbeit gerade bei<br />

Frauen ohne Hochschulreife. Immerhin<br />

sind Einflüsse von geschlechtsspezifischer<br />

Sorgearbeit auch in unserer Stichprobe<br />

sichtbar. Es sind zwar Männer, aber keine<br />

Frauen mit Kindern im Vorschulalter<br />

unter den Befragten. Insgesamt scheint es<br />

häufiger vorzukommen, dass Beschäftigte<br />

eher vor oder am Ende ihrer Familienphase<br />

ein Studium aufnehmen. <strong>Studieren</strong>de<br />

mit Kindern arbeiten genauso häufig in<br />

Vollzeit, wie berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de<br />

ohne Kinder. Sehr wahrscheinlich<br />

können sie aufgrund der höheren finanziellen<br />

Belastungen ihre Arbeitszeit nicht<br />

reduzieren. Die Studienentscheidung<br />

hängt sicher in hohem Maße davon ab,<br />

in welcher Lebensphase sich Männer und<br />

Frauen befinden. Daraus ergeben sich<br />

unterschiedliche Bedürfnisse hinsichtlich<br />

der Vereinbarkeit.<br />

Auffällig ist eine jüngere <strong>Studieren</strong>dengruppe<br />

mit Hochschulreife, die offensichtlich<br />

kurz nach der Berufsausbildung<br />

oder dem Bachelorabschluss ein (weiterführendes)<br />

Studium nachholt, ohne<br />

ihre Berufstätigkeit aufzugeben. Diese<br />

Gruppe arbeitet oft in Teilzeit und kann<br />

also <strong>–</strong> anders als die ältere <strong>Studieren</strong>dengruppe<br />

<strong>–</strong> ihre Erwerbstätigkeit zugunsten<br />

eines Studiums stärker einschränken.<br />

Wahrscheinlich hängt das mit geringen<br />

Abb. 8:<br />

Wie finanzieren Sie Ihr Studium?<br />

n = 53, Mehrfachnennungen möglich<br />

Einkommen aus Erwerbsarbeit<br />

Rücklagen<br />

finanzielle Unterstützung der Familie<br />

Sonstiges<br />

Kredit<br />

Finanzierung durch Arbeitgeber<br />

keine Antwort<br />

Stipendium<br />

5<br />

4<br />

4<br />

3<br />

2<br />

11<br />

40<br />

BAföG<br />

finanzielle Unterstützung des Partners/der Partnerin<br />

2<br />

1<br />

1


58<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

finanziellen Verpflichtungen in dieser<br />

kinderlosen Gruppe zusammen. Weitere<br />

Studien müssten zeigen, ob die vergleichsweise<br />

günstigen Voraussetzungen<br />

dieser Gruppe in einem höheren Studienerfolg<br />

und einer kürzeren Studiendauer<br />

münden.<br />

Privates Umfeld<br />

<strong>Studieren</strong>de werden sehr häufig von Partnerinnen<br />

und Partnern durch Zuspruch<br />

und Entlastung bei der Hausarbeit<br />

unterstützt. Hier scheinen <strong>Studieren</strong>de<br />

in festen Partnerschaften eher Vorteile<br />

gegenüber allein lebenden zu haben. Es<br />

entsteht der Eindruck, dass die empfundenen<br />

Belastungen in der Studienzeit<br />

wesentlich auch von der grundsätzlichen<br />

Akzeptanz im nahen Umfeld der <strong>Studieren</strong>den<br />

abhängen. In einem Studiengang<br />

werden Partnerinnen und Partner zum<br />

Beispiel in Informationsveranstaltungen<br />

und Studienreisen einbezogen. Dies sollte<br />

in der Konzeption zukünftiger berufsbegleitender<br />

Studienangebote berücksichtigt<br />

werden.<br />

Als wichtige Unterstützer werden<br />

außerdem Kommilitonen und Kommilitoninnen<br />

benannt. Das korrespondiert<br />

damit, dass sich viele <strong>Studieren</strong>de mehr<br />

fachlichen und persönlichen Austausch<br />

mit anderen <strong>Studieren</strong>den wünschen.<br />

Auch in Experteninterviews mit Studiengangsverantwortlichen<br />

ist dies thematisiert<br />

worden. In einigen Studiengängen<br />

ist daher der Aufbau eines Netzwerks<br />

unter den <strong>Studieren</strong>den in das didaktische<br />

Konzept eingebettet. Möglichkeiten<br />

des Austausches unter ›Gleichgesinnten‹<br />

sollten daher in allen berufsbegleitenden<br />

Studiengängen eine Rolle spielen.<br />

Rahmenbedingungen und<br />

Unterstützung im Betrieb<br />

Die Bewertung der Vereinbarkeit von<br />

Studium und Beruf hängt sehr stark an<br />

der Flexibilität von Arbeitszeitmodellen.<br />

Starre Anwesenheitspflichten und unflexible<br />

Wechselschichten erschweren die<br />

Teilnahme an Präsenzveranstaltungen<br />

erheblich. Hier bieten wohl die Branchen<br />

Handel oder verarbeitendes Gewerbe im<br />

Schichtbetrieb vergleichsweise ungünstige<br />

Voraussetzungen.<br />

Relativ wenig <strong>Studieren</strong>de arbeiten zudem<br />

auf Teilzeitstellen. Möglicherweise<br />

wäre eine Reduzierung der Arbeitszeiten<br />

für viele finanziell zu belastend oder beruflich<br />

nicht umsetzbar. Für die meisten<br />

Befragten ergibt sich mit Lern- und<br />

Arbeitszeiten eine 60-Stunden-Woche, die<br />

kaum mehr Erholungsphasen zulässt.<br />

Vorgesetzte scheinen die wesentlichen<br />

Rahmenbedingungen für eine bessere<br />

Vereinbarkeit zu schaffen, in der Regel<br />

in Form von flexibleren Arbeitszeiten. Inhaltliche<br />

Unterstützung und ein gezielter<br />

Theorie-Praxis-Transfer sind dagegen eher<br />

selten. Hier sind vor allem die Beschäftigten<br />

selbst tätig, in dem sie ihr erworbenes<br />

Wissen bei der Bearbeitung ihrer<br />

Aufgaben anwenden.<br />

Obwohl also Betriebe nicht selten<br />

schon während eines Studiums von<br />

erworbenem Wissen profitieren, ist das<br />

finanzielle Engagement in Form der<br />

Übernahme von direkten Kosten oder<br />

bezahlten Freistellungen wenig ausgeprägt.<br />

Auch tarifliche oder betriebliche<br />

Weiterbildungsvereinbarungen sind eher<br />

die Ausnahme, und wenn sie vorhanden<br />

sind, scheinen sie auf Studienentscheidungen<br />

und eine bessere Vereinbarkeit<br />

wenig Wirkung zu zeigen. Hier besteht<br />

auf betrieblicher Seite noch bedeutender<br />

Handlungsspielraum.


59<br />

STUDIE<br />

Rahmenbedingungen<br />

in den Hochschulen<br />

Weniger als die Hälfte der Befragten<br />

wünscht sich höhere Anteile von E-Learning<br />

als Bestandteil des Studiums und<br />

etwa die Hälfte der <strong>Studieren</strong>den lehnt<br />

dies ausdrücklich ab. Gründe für einen<br />

höheren Bedarf an E-Learning liegen<br />

nach den Ergebnissen unserer Befragung<br />

wohl vor allem in der zeitlichen<br />

Organisation eines Studiums begründet.<br />

Wenn das Studienformat vollständig<br />

berufsbegleitend konzipiert ist, wird die<br />

Präsenzlehre auch von Vollzeitbeschäftigten<br />

dem E-Learning vorgezogen. Der<br />

Austausch mit Studienkolleginnen und<br />

Studienkollegen scheint hier ausschlaggebend<br />

zu sein, weil er die Motivation<br />

stark erhöht. Grundsätzlich wünschen<br />

sich die <strong>Studieren</strong>den aller Studiengänge<br />

sogar noch mehr Zeit für fachlichen und<br />

ebenso für persönlichen Austausch mit<br />

anderen <strong>Studieren</strong>den. Dies sollte in der<br />

didaktischen Konzeption von berufsbegleitenden<br />

Studiengängen berücksichtigt<br />

werden.<br />

Viele <strong>Studieren</strong>de können nach eigenen<br />

Angaben berufliche Inhalte in das<br />

Studium einbringen. Etwa die Hälfte der<br />

<strong>Studieren</strong>den berichtet auch von einem<br />

gelungenen Theorie-Praxis-Transfer. Das<br />

korrespondiert damit, dass viele <strong>Studieren</strong>de<br />

angeben, ihre Aufgaben bereits<br />

in der Studienzeit anders zu bearbeiten<br />

als zuvor. Diese Bemühungen können<br />

seitens der Hochschulen noch stärker<br />

unterstützt werden, zum Beispiel indem<br />

Möglichkeiten für die <strong>Studieren</strong>den<br />

bestehen, sich darüber auszutauschen, in<br />

welcher Form sie Studieninhalte für die<br />

Arbeit nutzbar machen.<br />

Da die meisten berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

der existenziellen Erwerbstätigkeit<br />

Priorität vor dem Studium einräumen,<br />

werden Belastungen im Studium<br />

vermutlich stärker empfunden. Daher<br />

richten sich Änderungswünsche der<br />

<strong>Studieren</strong>den auch noch häufiger an die<br />

Hochschulen als an die Betriebe. Wichtig<br />

sind organisatorische Rahmenbedingungen<br />

bei der Gestaltung von Prüfungsphasen<br />

und von Präsenzveranstaltungen,<br />

diese sollten beispielsweise im Block<br />

liegen und lange Zeit im Voraus verlässlich<br />

planbar sein.<br />

1 Im Land Bremen wurden 2013<br />

406 <strong>Studieren</strong>de ohne Abitur gezählt.<br />

Vgl. <strong>Studieren</strong> ohne Abitur (o. J.):<br />

Daten-Monitoring<br />

[Zugriff am 15.01.2016].<br />

2 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />

(2014), S. 126.<br />

3 Vgl. BIBB (2014), S. 228.<br />

4 Ein <strong>Studieren</strong>der hat keine<br />

Altersangabe gemacht.


60<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Fragebogen für die Studie:<br />

›Berufsbegleitendes <strong>Studieren</strong> im Land Bremen‹<br />

Zunächst bitten wir Sie um<br />

allgemeine Angaben zu Ihrer<br />

Person.<br />

1. Ich bin …<br />

weiblich<br />

männlich<br />

2. Ich bin geboren im Jahr …<br />

Nennen Sie bitte Ihr Geburtsjahr im Format jjjj<br />

3. Ich besitze die<br />

Staatsangehörigkeit von …<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

Deutschland<br />

EU-Mitgliedsstaat<br />

Nicht-EU-Staat<br />

4. Sind Sie in Deutschland<br />

geboren?<br />

ja (weiter mit Frage 6)<br />

nein<br />

5. Wann sind Sie in die<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

gezogen?<br />

Nennen Sie bitte das Jahr im Format jjjj<br />

6. Sind Ihre Eltern oder ein<br />

Elternteil nach Deutschland<br />

zugewandert?<br />

ja<br />

nein<br />

7. Welcher ist Ihr höchster<br />

Schulabschluss?<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden<br />

Antworten<br />

Hauptschulabschluss<br />

bzw. Berufsbildungsreife<br />

Realschulabschluss<br />

bzw. mittlerer Schulabschluss<br />

Fachhochschulreife<br />

Abitur<br />

anderer Schulabschluss,<br />

und zwar:<br />

8. Welche /n beruflichen<br />

Abschluss / Abschlüsse<br />

haben Sie?<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

Lehre / Berufsfachschule<br />

Meister / Techniker / Fachschule<br />

Fachhochschule / Hochschule<br />

anderer Abschluss,<br />

und zwar:<br />

9. Bitte machen Sie eine<br />

Angabe zu Ihrer derzeitigen<br />

Wohnsituation:<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden<br />

Antworten<br />

Ich lebe alleine<br />

Ich lebe mit meiner /<br />

meinem Partner / in<br />

zusammen<br />

Ich lebe mit meiner /<br />

meinem Partner / in<br />

und meinen Kindern<br />

zusammen<br />

Ich lebe in einer<br />

Wohngemeinschaft<br />

Ich lebe bei meinen Eltern<br />

keines davon, sondern:<br />

10. Haben Sie Kinder?<br />

ja<br />

nein (weiter mit Frage 13)<br />

11. Wie alt sind Ihre Kinder?<br />

12. Sind Sie alleinerziehend?<br />

ja<br />

nein<br />

13. Wie viele Kinder leben<br />

in Ihrem Haushalt?<br />

14. Unterstützung bei der<br />

Realisierung meines<br />

Studiums erhalte ich in<br />

meinem privaten Umfeld<br />

von:<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

mein / e Partner / in<br />

Freundin / nen / Freund / en<br />

meinen Eltern /<br />

einem Elternteil<br />

meinem Kind /<br />

meinen Kindern<br />

einem / r oder mehreren<br />

Studienkolleg / inn / en<br />

niemandem<br />

anderen, und zwar:<br />

15. Ich erhalte in meinem<br />

privaten Umfeld<br />

Unterstützung in folgender<br />

Form:<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

finanziell<br />

durch fachlichen Austausch<br />

durch organisatorische<br />

Zuarbeit bei<br />

Studienangelegenheiten<br />

durch zeitliche Entlastung<br />

bei der Hausarbeit<br />

durch zeitliche Entlastung<br />

bei der Kinderbetreuung<br />

durch zeitliche Entlastung<br />

bei der Betreuung einer/<br />

eines Angehörigen<br />

durch Zuspruch und<br />

Vertrauen<br />

gar nicht<br />

Sonstiges, und zwar:


61<br />

STUDIE<br />

Im folgenden Abschnitt<br />

bitten wir Sie um Angaben zu<br />

Ihrer Erwerbsarbeit und<br />

Ihrem betrieblichen Umfeld.<br />

16. Gehört Ihr Betrieb<br />

einem größeren Unternehmen<br />

mit mehreren betrieblichen<br />

Standorten an?<br />

ja<br />

nein<br />

17. Wie viele Beschäftigte<br />

arbeiten an Ihrem<br />

betrieblichen Standort?<br />

1 <strong>–</strong> 9<br />

10 <strong>–</strong> 49<br />

50 <strong>–</strong> 249<br />

250 <strong>–</strong> 499<br />

500 <strong>–</strong> 1.000<br />

über 1.000<br />

18. In welcher Branche sind<br />

Sie tätig?<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten<br />

verarbeitendes Gewerbe<br />

(Industrie und verarbeitendes<br />

Handwerk)<br />

Baugewerbe<br />

Handel/Reparatur<br />

Logistik<br />

wirtschaftsbezogene<br />

Dienstleistungen<br />

Gesundheits- und<br />

Sozialwesen<br />

Erziehung und Unterricht<br />

Gastgewerbe<br />

sonstige personenbezogene<br />

Dienstleistungen<br />

öffentliche Verwaltung/<br />

Organisationen ohne<br />

Erwerbszweck<br />

andere, und zwar:<br />

19. Meine berufliche<br />

Tätigkeit liegt in<br />

folgendem Bereich<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten<br />

technischer Bereich<br />

kaufmännischer Bereich<br />

personenbezogene<br />

Dienstleistungen<br />

anderer Bereich, und zwar:<br />

20. Ich bin formal …<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten<br />

angestellt<br />

verbeamtet<br />

selbstständig (weiter mit Frage 24)<br />

21. Gibt es in Ihrem Betrieb<br />

einen Betriebsrat<br />

beziehungsweise einen<br />

Personalrat?<br />

ja<br />

nein<br />

22. Gilt in Ihrem Betrieb eine<br />

Vereinbarung zur<br />

Weiterbildung?<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten<br />

nein (weiter mit Frage 24)<br />

ja, und zwar<br />

(z. B. Betriebsvereinbarung,<br />

tarifvertragliche Vereinbarung …)<br />

23. Hat die Vereinbarung<br />

zur Weiterbildung Ihre<br />

Entscheidung für ein<br />

Studium erleichtert?<br />

ja<br />

nein<br />

24. Wie viele Stunden<br />

umfasst Ihre vertragliche<br />

Wochenarbeitszeit?<br />

25. Wie viele Stunden<br />

umfasst Ihre tatsächlich<br />

geleistete Wochenarbeitszeit?<br />

26. In welchem Arbeitszeitsystem<br />

arbeiten Sie<br />

überwiegend?<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

regulärer Tagdienst<br />

Schicht-Betrieb<br />

Bereitschaftsdienst<br />

Sonstiges, und zwar:<br />

27. Haben Sie flexible<br />

Arbeitszeiten?<br />

ja<br />

nein<br />

28. Ich kann meine Arbeitszeiten<br />

flexibel an die<br />

Studienzeiten anpassen.<br />

sehr schlecht eher schlecht<br />

teils / teils eher gut<br />

sehr gut<br />

mit Hilfe von<br />

(z. B. Gleitzeit, angespartem Arbeitszeitkonto<br />

...)<br />

29. Tragen Sie<br />

Führungsverantwortung?<br />

Falls ja, geben Sie bitte an, für wie viele<br />

Beschäftigte Sie Verantwortung tragen<br />

ja, und zwar für<br />

Beschäftigte<br />

nein<br />

30. Können Ihre Aufgaben<br />

vertretungsweise von einem<br />

Kollegen/einer Kollegin<br />

oder mehreren Kolleg/innen<br />

übernommen werden?<br />

ja<br />

nein<br />

31. Folgende Personen im<br />

Betrieb sind über mein<br />

Studium informiert:<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

alle Kolleginnen und Kollegen<br />

einige vertraute Kolleginnen<br />

und Kollegen<br />

mein/e direkte/r Vorgesetzte/r<br />

die Geschäftsleitung<br />

niemand<br />

Sonstige, und zwar


62<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

32. Mein Betrieb kooperiert<br />

mit meiner Hochschule.<br />

ja<br />

nein<br />

33. Unterstützung bei der<br />

Realisierung meines<br />

Studiums erhalte ich in<br />

meinem Betrieb von:<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

von Kolleg / innen<br />

von Vorgesetzten<br />

vom Betriebsrat/<br />

Personalrat<br />

niemandem<br />

von anderen, und zwar:<br />

34. Im Betrieb werde ich bei<br />

meinem Studium in<br />

folgender Form unterstützt:<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

bei inhaltlichen Fragen<br />

durch zeitliche Flexibilität<br />

durch betriebliche<br />

Einrichtungen<br />

(z. B. Kita, Weiterbildungszentrum<br />

…)<br />

wenn ja, welche?<br />

durch Überlassung von<br />

studienrelevanten Aufgaben<br />

durch Zuspruch und<br />

Vertrauen<br />

gar nicht<br />

Sonstiges, und zwar:<br />

35. Mein Betrieb unterstützt<br />

mein Studium finanziell.<br />

ja<br />

nein (weiter mit Frage 37)<br />

36. Mein Betrieb unterstützt<br />

mein Studium finanziell<br />

durch …<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

bezahlte Freistellung für<br />

alle Studienveranstaltungen<br />

bezahlte Freistellung<br />

für einige Veranstaltungen<br />

Übernahme von direkten<br />

Kosten (z. B. Studiengebühren)<br />

Sonstiges, und zwar:<br />

37. Hat sich Ihre Arbeit im<br />

Betrieb seit dem Studium<br />

verändert?<br />

ja<br />

nein (weiter mit Frage 39)<br />

38. Wie hat sich Ihre Arbeit<br />

seit dem Studium<br />

verändert?<br />

Mehrere Antworten möglich<br />

ich übernehme jetzt<br />

andere Aufgaben<br />

ich übernehme<br />

mehr Verantwortung<br />

ich bearbeite<br />

meine Aufgaben anders<br />

Sonstiges, und zwar:<br />

Bitte machen Sie zum<br />

Schluss noch einige Angaben zu<br />

Ihrer Studiensituation.<br />

39. In welchem Fachsemester<br />

befinden Sie sich?<br />

bitte tragen Sie eine Zahl ein<br />

40. In welcher Fächergruppe<br />

ist Ihr Studiengang<br />

angesiedelt?<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden<br />

Antworten<br />

Ingenieurwissenschaften<br />

Rechts-, Wirtschaftsund<br />

Sozialwissenschaften<br />

Erziehungswissenschaften /<br />

Berufspädagogik<br />

Humanmedizin /<br />

Gesundheitswissenschaften<br />

Mathematik, Informatik,<br />

Naturwissenschaften<br />

Sprach- und<br />

Kulturwissenschaft<br />

Kunst, Kunstwissenschaft<br />

Sport<br />

Agrar-, Forst- und<br />

Ernährungswissenschaften<br />

41. Welchen Studienabschluss<br />

streben Sie aktuell an?<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden<br />

Antworten<br />

Bachelor<br />

Master<br />

Zertifikatsabschluss<br />

42. An welcher Hochschule<br />

studieren Sie?<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden<br />

Antworten<br />

Universität Bremen<br />

Hochschule Bremen<br />

Hochschule Bremerhaven<br />

43. Welches zeitliche Format<br />

hat Ihr Studium?<br />

Bitte wählen Sie eine der<br />

folgenden Antworten<br />

regulärer Vollzeitstudiengang<br />

Studium in Teilzeit<br />

berufsbegleitender<br />

Studiengang<br />

44. Wie viele Stunden<br />

wenden Sie durchschnittlich<br />

pro Woche für Ihr Studium<br />

auf?<br />

inkl. Lernzeiten und Zeit für die Teilnahme<br />

an Lehrveranstaltungen


63<br />

STUDIE<br />

45. Würden Sie gerne mehr<br />

Studienarbeiten über<br />

Online-Learning erledigen?<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten<br />

ja<br />

nein<br />

weiß nicht<br />

46. Würden Sie gerne mehr<br />

Zeit mit Studienkolleg / inn /<br />

en verbringen?<br />

ja<br />

nein (weiter mit Frage 48)<br />

47. Wenn Sie mehr Zeit mit<br />

Ihren Studienkolleg / inn / en<br />

hätten, wofür würden Sie<br />

diese Zeit nutzen?<br />

mehrere Antworten möglich<br />

für fachlichen Austausch<br />

für persönlichen Austausch<br />

Sonstiges, und zwar:<br />

48. Ich kann meine berufliche<br />

Praxis in das Studium<br />

einbringen:<br />

sehr schlecht<br />

eher schlecht<br />

teils / teils<br />

eher gut<br />

sehr gut<br />

49. Ich kann das Gelernte<br />

aus dem Studium in<br />

meiner beruflichen Praxis<br />

anwenden:<br />

sehr schlecht<br />

eher schlecht<br />

teils / teils<br />

eher gut<br />

sehr gut<br />

<br />

50. Wie finanzieren Sie Ihr<br />

Studium?<br />

(gemeint sind Lebensunterhalt und direkte<br />

Kosten) mehrere Antworten möglich<br />

Rücklagen<br />

Einkommen aus<br />

Erwerbsarbeit<br />

finanzielle Unterstützung<br />

des Partners / der Partnerin<br />

finanzielle Unterstützung<br />

der Familie<br />

Kredit<br />

BAföG<br />

Stipendium<br />

Sonstiges, und zwar:<br />

51. In welchem der folgenden<br />

Bereiche empfinden<br />

Sie persönlich die größte<br />

Belastung?<br />

Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten<br />

Studium<br />

Beruf<br />

Privatleben<br />

Und zwar aus folgendem<br />

Grund:<br />

bitte verwenden Sie bei Bedarf<br />

auch die Rückseite<br />

52. Welche Wünsche haben<br />

Sie persönlich für eine<br />

bessere Vereinbarkeit<br />

zwischen Studium, Beruf und<br />

Familie?<br />

bitte verwenden Sie bei Bedarf<br />

auch die Rückseite<br />

Herzlichen Dank für Ihre<br />

Teilnahme!


64<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Die Perspektive von<br />

Betrieben<br />

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇<br />

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5


65<br />

STUDIE<br />

SUSANNE HERMELING<br />

Qualitative Experteninterviews<br />

Um schlaglichtartige Einblicke in die Perspektive<br />

von Arbeitgebern zu bekommen,<br />

wurden vier Interviews mit Personalverantwortlichen<br />

aus den Branchen Pflege,<br />

Logistik und verarbeitendes Gewerbe<br />

(Metall) geführt. Für die Gespräche<br />

wurden Unternehmen ausgewählt, die<br />

aus verschiedenen Gründen eine langfristig<br />

ausgerichtete Personalentwicklung<br />

mit Aus- und Weiterbildung betreiben.<br />

Alle befragten Betriebe gehören Unternehmen<br />

mit verschiedenen Standorten<br />

und jeweils über 5.000 Beschäftigten<br />

im gesamten Unternehmen an, sodass<br />

entsprechende Ressourcen für eine unternehmensweite<br />

Personalentwicklung<br />

aufgewendet werden können. In allen<br />

befragten Unternehmen ist außerdem<br />

Schichtarbeit neben anderen Arbeitszeitmodellen<br />

für einen (Groß-)Teil der<br />

Beschäftigten die Regel. Im Mittelpunkt<br />

der protokollierten Interviews standen<br />

Fragen nach dem Bedarf der Unternehmen<br />

an hochqualifizierten Fachkräften<br />

und nach den verschiedenen Formen von<br />

Unterstützung, die berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de<br />

von ihrem Arbeitgeber erhalten<br />

können.<br />

Logistikdienstleister<br />

Der befragte Logistikdienstleister gehört<br />

in der Branche zu den eher größeren<br />

Unternehmen mit internationalen<br />

Standorten, hat sich jedoch sein Selbstverständnis<br />

als Mittelständler bewahrt.<br />

Aufgrund der Kundenstruktur mit<br />

teilweise besonderen Gütern sind hohe<br />

Qualitätsstandards einzuhalten, die gut<br />

qualifiziertes Personal erfordern. Da<br />

die Logistikbranche bei vielen Fachkräften<br />

keinen guten Ruf genieße, sei das<br />

Unternehmen bemüht, die Arbeitsplätze<br />

attraktiv zu gestalten. Die vom Unternehmen<br />

angebotenen Weiterbildungs- und<br />

Entwicklungsmöglichkeiten sollen unter<br />

anderem auch Nachteile in der Vergütung<br />

und bei den Arbeitszeiten kompensieren.<br />

Das Unternehmen ermittelt<br />

individuelle Qualifizierungsbedarfe in<br />

regelmäßigen Mitarbeitergesprächen<br />

und mittels (Selbst-)Beurteilungen der<br />

Beschäftigten. Es gibt ein differenziertes<br />

betriebsinternes Weiterbildungsangebot<br />

und für einige Kurse werden externe<br />

Bildungsanbieter beauftragt.<br />

Im Lagerbereich, arbeiten zumeist<br />

Beschäftigte ohne (Fach-)Hochschulreife,<br />

zumindest Logistikmeister haben jedoch<br />

einen Abschluss, der dem Abitur als<br />

Hochschulzugang gleichgestellt ist. Im<br />

kaufmännischen Bereich gibt es mehr<br />

Abiturientinnen und Abiturienten. Das<br />

Unternehmen entsendet regelmäßig<br />

kaufmännische Auszubildende in ein<br />

duales Studienprogramm an einer kooperierenden<br />

Hochschule. Ein Studium von<br />

Beschäftigten im Lagerbereich ist der Personalentwicklung<br />

bisher nicht bekannt.<br />

Im Gespräch sind die Gründe dafür nicht<br />

erörtert worden, doch wahrscheinlich<br />

sind mehrere Faktoren ursächlich für die<br />

›Studierabstinenz‹ im Lager. Festzustellen<br />

ist in jedem Fall, dass die Schichtarbeit<br />

und schlecht planbare Dienstpläne<br />

im Lager ungünstige organisatorische<br />

Rahmenbedingungen für ein <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

Studium darstellen. Außerdem<br />

ist die Vergütung kaum hoch genug, um<br />

neben den üblichen Lebenshaltungskosten<br />

beispielsweise noch Studiengebühren<br />

zu tragen. Berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de<br />

in dem befragten Unternehmen rekrutieren<br />

sich also aus dem kaufmännischen<br />

Bereich.


66<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Eine Förderung durch das Unternehmen<br />

ist an festgelegte Prozesse gebunden.<br />

Beschäftigte wählen in der Regel berufsbezogene<br />

Studiengänge an verschiedenen<br />

Hochschulen und bewerben sich um eine<br />

Unterstützung. Im ersten Schritt durchlaufen<br />

die Studieninteressierten ein<br />

Assessment, das dazu dient, einzuschätzen,<br />

ob die fachlichen und persönlichen<br />

Fähigkeiten sowie Rahmenbedingungen<br />

für einen Studienerfolg vorliegen. Das<br />

Unternehmen beteiligt sich bei einem<br />

positiven Ergebnis je nach individueller<br />

Vereinbarung mit (Teil-)Freistellungen<br />

für das Präsenzstudium, mit flexibleren<br />

Arbeitszeitregelungen und mit einer<br />

teilweisen Übernahme von Studiengebühren.<br />

Einige Studiengänge werden komplett<br />

finanziert. Im Gegenzug verpflichten<br />

sich geförderte Beschäftigte, eine<br />

bestimmte Zeit nach dem Abschluss im<br />

Unternehmen zu bleiben. Ansonsten greifen<br />

Rückzahlungsklauseln. Im Gespräch<br />

mit dem Personalmanagement am<br />

jeweiligen betrieblichen Standort klären<br />

die <strong>Studieren</strong>den, wie die Vereinbarkeit<br />

von Studium und Beruf verbessert werden<br />

kann, zum Beispiel auch durch die<br />

Nutzung von Bildungsurlaub oder durch<br />

zeitliche Entlastung in Prüfungsphasen.<br />

Im letzten Fall werden oft Vertretungen,<br />

etwa durch Auszubildende, organisiert.<br />

Deutlich wird, dass die Förderung<br />

von berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

individuell unterschiedlich ausfällt und<br />

auf Vereinbarungen mit den einzelnen<br />

Beschäftigten beruht. Auf zentraler<br />

Ebene und mithilfe einer Prognose über<br />

den erwartbaren Studienerfolg wird über<br />

eine finanzielle Beteiligung des Unternehmens<br />

entschieden. Arbeitsorganisatorische<br />

Fragen werden dagegen mit dem<br />

Personalmanagement am betrieblichen<br />

Standort geklärt. Die Kommunikation<br />

mit Personalverantwortlichen und direkten<br />

Vorgesetzten gestaltet sich jedoch<br />

vermutlich unkompliziert, wenn die oder<br />

der <strong>Studieren</strong>de auch offiziell vom Unternehmen<br />

unterstützt wird.<br />

Führungskräfte im Unternehmen<br />

bekommen außerdem den Auftrag,<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de durch<br />

einen gezielten Theorie-Praxis-Transfer zu<br />

unterstützen, indem sie zum Beispiel geeignete<br />

Aufgaben übertragen, die sich an<br />

Studieninhalten orientieren. Nicht selten<br />

wird den <strong>Studieren</strong>den damit schon während<br />

des Studiums mehr Verantwortung<br />

anvertraut. Dies kann, wie die Interviews<br />

mit <strong>Studieren</strong>den im Rahmen unserer<br />

Studie bestätigen, einen besonderen Anreiz<br />

für die <strong>Studieren</strong>den bieten und dem<br />

Studium unmittelbaren Sinn verteilen.<br />

Die Ergebnisse unserer quantitativen Befragung<br />

deuten darauf hin, dass es durch<br />

die Übernahme größerer Verantwortung<br />

während des Studiums mitunter auch zu<br />

Überlastungen kommen kann (vergleiche<br />

Kapitel 4).<br />

Aus Sicht der Beschäftigten kann es<br />

problematisch sein, dass sie von ihren<br />

Abteilungsleitungen für eine Förderung<br />

empfohlen werden müssen, da die Kosten<br />

für Weiterbildung von den Abteilungen<br />

getragen werden. Damit sinkt potenziell<br />

die Bereitschaft von Führungskräften,<br />

solche Weiterbildungen zu fördern, die<br />

Beschäftigte für andere Abteilungen im<br />

Unternehmen qualifiziert und damit<br />

letztlich zu Abwanderungen führen.<br />

Damit eine abteilungsübergreifende Personalentwicklung<br />

dennoch in der Praxis<br />

umgesetzt werden kann, vermittelt man<br />

den Abteilungsleitungen in Gesprächen,<br />

dass auch sie die Chance haben hochqualifizierte<br />

Kräfte aus anderen Abteilungen<br />

für ihren Bereich zu gewinnen.<br />

Einmal pro Jahr gibt es einen Tag, an<br />

dem Abteilungsleitungen hochqualifizierte<br />

Nachwuchskräfte aus dem gesamten<br />

Unternehmen kennenlernen können.<br />

Solche Veranstaltungen fördern den Blick<br />

über die Grenzen des eigenen Bereichs<br />

hinaus. Davon profitiert nach Erfahrung<br />

der Interviewten die unternehmensweite<br />

Personalentwicklung.


67<br />

STUDIE<br />

Verarbeitendes Gewerbe (Metall)<br />

Das Unternehmen der Metallbranche hat<br />

mehrere, auch internationale Standorte.<br />

Aufgrund des stabilen gewerkschaftlichen<br />

Organisationsgrads ist der Betriebsrat<br />

in die Ausgestaltung von betrieblicher<br />

Weiterbildung und Personalentwicklung<br />

stark eingebunden. Individuelle<br />

Qualifikationsbedarfe werden in Mitarbeitergesprächen<br />

ermittelt. Aufgrund<br />

kontinuierlich steigender Arbeitsproduktivität<br />

bei gleichbleibender oder<br />

zeitweise sinkender Auftragslage werden<br />

kaum Neueinstellungen vorgenommen.<br />

Stattdessen werden Beschäftigte der<br />

Stammbelegschaft durch langfristige<br />

und systematische Personalentwicklung<br />

weiterqualifiziert. Viele Beschäftigte wollen<br />

im Unternehmen bleiben, sich aber<br />

weiterentwickeln. Das kann als Potenzial<br />

genutzt werden. Allerdings kommen<br />

auch wenig neue Erfahrungen und<br />

Perspektiven durch neue Beschäftigte in<br />

den Betrieb. Ein (Vollzeit-)Studium oder<br />

eine Aufstiegsfortbildung wird daher<br />

auch deshalb positiv gesehen, weil es den<br />

Beschäftigten ermöglicht, außerhalb des<br />

Betriebes Erfahrungen zu sammeln.<br />

Höhere Anforderungen an die Qualifikation<br />

gibt es häufig bei den einfachen<br />

Tätigkeiten. Die leistungsstärksten unter<br />

den dort arbeitenden Facharbeitern streben<br />

jedoch häufig in andere Tätigkeitsfelder,<br />

sodass für die einfachen Tätigkeiten<br />

unter Umständen nicht genügend<br />

Beschäftigte mit Entwicklungspotenzial<br />

verbleiben. Insgesamt ist ein Trend zur<br />

Höherqualifizierung zu beobachten. Es<br />

werden inzwischen mehr Techniker- als<br />

Meisterfortbildungen absolviert und immer<br />

mehr Beschäftigte streben ein Hochschulstudium<br />

an. Wenn Stellen reduziert<br />

werden, dann sind es oft nicht die<br />

strategisch wichtigen Stellen mit hohen<br />

Qualifikationsanforderungen, stattdessen<br />

sind viele einfache Tätigkeiten ausgelagert<br />

worden, zum Beispiel im kaufmännischen<br />

Bereich. Die Umstrukturierung der<br />

Arbeit durch Automatisierung und Digitalisierung<br />

mündet in deutlich höheren<br />

Anforderungen. So reagiert man inzwischen<br />

auf Störungen in der maschinellen<br />

Produktion eher mit Ursachenforschung<br />

als mit ›Manpower‹. Je höher entwickelt<br />

die Technik ist, desto anfälliger werden<br />

die Systeme, die qualifiziert und professionell<br />

überwacht werden müssen.<br />

Der Betrieb engagiert sich nicht in dualen<br />

Studienprogrammen, da diese weder<br />

die hohen praktischen Anteile einer<br />

Ausbildung noch die anspruchsvollen<br />

theoretischen Anteile eines Studiums<br />

bieten können. Eine duale Ausbildung<br />

mit einer anschließenden fachlichen<br />

Vertiefung durch eine Fortbildung oder<br />

ein Studium wird vom Betrieb eindeutig<br />

bevorzugt. Es bestehen Kontakte zu<br />

staatlichen Hochschulen außerhalb<br />

Bremens, die für das Unternehmen<br />

relevante Studiengänge anbieten. Seit<br />

einigen Jahren werden ausgewählte junge<br />

Absolventinnen und Absolventen technischer<br />

Ausbildungsberufe (Mechatronik,<br />

Industriemechanik, Elektronik) gefördert,<br />

die einen Hochschulabschluss anstreben.<br />

Durch eine betriebliche Vereinbarung ist<br />

geregelt, dass sich Auszubildende gegen<br />

Ende ihrer Ausbildungszeit für eine<br />

Förderung bewerben können. Ausbilder<br />

sprechen Empfehlungen aus. Das Interesse<br />

ist relativ hoch, weil bis zu 50 Prozent<br />

der Auszubildenden die schulische<br />

Hochschulzugangsberechtigung mitbringen.<br />

Gefördert wird der Lebensunterhalt<br />

während eines Vollzeitstudiums. Alle<br />

Geförderten haben ein Rückkehrrecht<br />

und verpflichten sich vertraglich, einige<br />

Jahre nach Abschluss des Studiums im<br />

Unternehmen zu bleiben. In den Semesterferien<br />

arbeiten viele der Geförderten<br />

vergütet im Betrieb und führen dort für<br />

das Studium relevante Projektarbeiten<br />

durch. Direkt nach Studienabschluss<br />

bekommen die Absolventinnen und<br />

Absolventen fachadäquate Stellen, da die<br />

Förderung sehr zielgerichtet und nur mit<br />

der Perspektive auf eine zukünftig zu<br />

besetzende Stelle erfolgt. Die Bewerberinnen<br />

und Bewerber wissen in der Regel,<br />

wohin sie gehen wollen. Über die Vergabe<br />

einer bestimmten Stelle wird jedoch erst<br />

gegen Ende des Studiums entschieden.


68<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Deutlich wird in dem Gespräch, dass für<br />

technische Berufsgruppen in der Stammbelegschaft<br />

ein hoher Bedarf an wissenschaftlicher<br />

Qualifizierung besteht.<br />

Der Betrieb hat dazu ein regelrechtes<br />

Programm zur finanziellen und arbeitsorganisatorischen<br />

Unterstützung und für<br />

einen gezielten Theorie-Praxis-Transfer<br />

aufgelegt. Die Form eines berufsbegleitenden<br />

Studiums wird jedoch bisher<br />

nicht genutzt. Das liegt zum einen an<br />

fehlenden passenden Studienangeboten.<br />

Berufsbegleitende Ingenieurstudiengänge<br />

sind dem Unternehmen nicht bekannt.<br />

Mit einer privaten Hochschule wurden<br />

lediglich einmal Gespräche geführt über<br />

die Möglichkeit, dort berufsbegleitende<br />

Ingenieurstudiengänge durchzuführen.<br />

Zum anderen ist durch die Schichtarbeit<br />

ein <strong>berufsbegleitendes</strong> Studium wohl ohnehin<br />

erschwert. Auch die Teilnahme an<br />

Regelstudiengängen in Teilzeit, wie es an<br />

der Hochschule Bremen angeboten wird,<br />

wurde aus diesem Grund bisher nicht<br />

genutzt. Womöglich hat sich jedoch<br />

für das Unternehmen die Variante des<br />

durch den Betrieb geförderten Vollzeitstudiums<br />

bewährt, auch weil ein ganzes<br />

Studium neben der Berufstätigkeit als<br />

zu belastend angesehen wird. Denn<br />

Aufstiegsfortbildungen zum Techniker<br />

oder Meister werden sehr wohl schon seit<br />

Jahren durch den Betrieb unterstützt und<br />

berufsbegleitend durchgeführt. Als nachteilig<br />

erweist sich die Situation damit für<br />

ältere berufserfahrene Studieninteressierte,<br />

die nicht von den Fördermöglichkeiten<br />

profitieren, die Ausgebildeten nach<br />

dem Abschluss zur Verfügung stehen. Für<br />

ältere Beschäftigte würde sich die Reduzierung<br />

des Einkommens auf die Höhe eines<br />

monatlichen Stipendiums aufgrund<br />

höherer finanzieller Verpflichtungen<br />

wohl ohnehin schwierig gestalten. Das legen<br />

unsere Interviews mit <strong>Studieren</strong>den<br />

und mit Studiengangsverantwortlichen<br />

nahe (vergleiche Kapitel 3 und 4).<br />

Im Verwaltungsbereich des Betriebes<br />

ist die Situation anders. Dort gibt es jedes<br />

Jahr einige Beschäftigte, die auf eigene<br />

Verantwortung ein <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

Studium an privaten Hochschulen<br />

absolvieren. Durch die Gleitzeitregelung<br />

besteht für die <strong>Studieren</strong>den nicht<br />

die Notwendigkeit, ihre Arbeitszeit zu<br />

reduzieren. Einige Beschäftigte absolvieren<br />

das Studium, ohne ihre Vorgesetzten<br />

zu informieren. Das hängt nicht selten<br />

von der Haltung der unterschiedlichen<br />

Vorgesetzten ab, das heißt davon, ob<br />

eine Abteilungsleitung nur die Bedarfe<br />

an Hochschulabsolventen im eigenen<br />

Bereich im Blick hat oder die Bedarfe im<br />

gesamten Unternehmen im Blick hat.<br />

Früher haben einige Auszubildende während<br />

der Berufsausbildung ein Studium<br />

begonnen. Diese Form hat sich nicht<br />

bewährt und stellte selbst für Jahrgangsbesten<br />

eine Überforderung dar.<br />

Gesundheits- und Pflegebranche<br />

Durch das rasche Wachstum des Gesundheits-<br />

und Pflegesektors muss die<br />

Personalentwicklung mit einem regelrechten<br />

Fachkräftemangel umgehen.<br />

Darüber hinaus besteht ein Trend zur<br />

Akademisierung. Aus diesem Grund<br />

findet momentan eine Neuordnung der<br />

Berufsbilder statt. Dabei steht die Frage<br />

im Mittelpunkt, wie die Aufgaben unter<br />

Ärztinnen und Ärzten und dem Pflegepersonal<br />

anders verteilt werden können.<br />

Insgesamt wird eine höhere Durchlässigkeit<br />

mit entsprechenden Aufstiegschancen<br />

zwischen verschiedenen Stufen der<br />

beruflichen Aus- und Weiterbildung bis<br />

hin zu wissenschaftlicher Qualifizierung<br />

angestrebt. Kooperationen im Bereich der<br />

Aus- und Weiterbildung sollen systematisiert<br />

werden. Bildungseinrichtungen<br />

mit Angeboten für alle Berufsgruppen<br />

im Unternehmen sind in Planung. Durch<br />

Umstrukturierungen und Krankenhausreorganisation<br />

gibt es neben Pflegeweiterbildungen<br />

einen großen Bedarf für<br />

gesamtorganisatorische Führungsaufgaben.<br />

Es werden Beschäftigte benötigt, ›die<br />

wissen, wie ein Krankenhaus funktioniert‹.<br />

Die Personalentwicklung beobachtet<br />

die Entwicklung einzelner Beschäftigter,<br />

auch durch regelmäßige Gespräche<br />

mit Stationspflegeleitungen. Fachliche<br />

Weiterbildungen werden empfohlen<br />

und wenn die oder der Beschäftigte als<br />

geeignet wahrgenommen wird, werden<br />

die Kosten für eine Weiterbildung vollständig<br />

übernommen. Die Beschäftigten<br />

verpflichten sich im Fall einer Förderung,<br />

für eine bestimmte Zeit im Unternehmen<br />

zu bleiben. Auch für ein Studium wird


69<br />

STUDIE<br />

unter Umständen eine bezahlte (Teil-)<br />

Freistellung gewährt und weitere Kosten<br />

übernommen. Das hängt jedoch immer<br />

von individuellen Vereinbarungen ab.<br />

Aufgrund des hohen Fachkräftebedarfs<br />

in der Pflege ist der Arbeitgeber jedoch<br />

bemüht, individuelle Lösungen zu unterstützen.<br />

Ohnehin arbeiten viele Beschäftigte<br />

in Teilzeit und aufgrund des hohen<br />

Frauenanteils gehört eine arbeitsorganisatorische<br />

Flexibilität für eine bessere<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur<br />

etablierten Praxis im Unternehmen. Individuelle<br />

Lösungen für die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Studium müssen vor Ort<br />

mit direkten Vorgesetzten ausgehandelt<br />

werden. Außerdem bestehen unter Umständen<br />

Abhängigkeiten vom Team, mit<br />

dem individuelle Arbeitszeiten abgesprochen<br />

werden. Schätzungsweise studieren<br />

etwa zehn Prozent der Beschäftigten in<br />

berufsbegleitenden oder in Vollzeitstudiengängen<br />

in oder außerhalb von Bremen.<br />

Die Interviewten führen mehrere<br />

Beispiele an von Beschäftigten, die mit<br />

Teilfreistellungen oder gänzlich ohne<br />

Unterstützung ein Präsenz- oder auch<br />

ein Fernstudium absolvieren. Es wird die<br />

Vermutung geäußert, dass sich beruflich<br />

Qualifizierte ohne Abitur häufiger nicht<br />

für ein Studium entscheiden, selbst wenn<br />

die formalen Voraussetzungen vorliegen,<br />

da in den Pflegewissenschaften für die<br />

Literaturarbeit gute Englisch-Kenntnisse<br />

erforderlich sind. 1<br />

Die größten Probleme im Gesundheitsund<br />

Pflegebereich bestehen für Beschäftigte<br />

bei der tariflichen Absicherung und<br />

der beruflichen Perspektive nach einem<br />

Studium. Es gibt keine Garantie auf eine<br />

höhere Eingruppierung nach einem Studium.<br />

Die Eingruppierung erfolgt nach<br />

hierarchischer Position und nicht nach<br />

dem Grad der Qualifizierung. Das Unternehmen<br />

steht deshalb immer wieder<br />

vor der Frage, wie Beschäftigte auf der<br />

gleichen Position, aber mit unterschiedlicher<br />

Qualifizierung eingruppiert werden<br />

sollen. Es hat sich mittlerweile durchgesetzt,<br />

dass Leitungspositionen nur<br />

von Personal mit Hochschulabschlüssen<br />

besetzt werden. Insgesamt jedoch gibt es<br />

bisher keine klar definierten Einsatzbereiche<br />

für wissenschaftlich qualifiziertes<br />

Pflegepersonal im Unternehmen. 2 Auch<br />

im Bereich der pflegepädagogischen<br />

Lehrkräfte gibt es Probleme, Personal<br />

zu finden. Hier ist die tarifvertragliche<br />

Eingruppierung von akademischen und<br />

nicht akademischen Lehrkräften erst<br />

spät geregelt worden, weshalb viele zur<br />

Konkurrenz gingen.<br />

Bemerkenswert ist die hohe Studierneigung<br />

bei dem Pflegepersonal, trotz<br />

teilweise unklarer Bildungsrenditen in<br />

Form von höherer Vergütung und Aufstieg.<br />

Insofern scheint die inhaltliche und<br />

organisatorische Weiterentwicklung des<br />

Pflegebereichs mit allen sich potenziell<br />

bietenden Entwicklungsmöglichkeiten<br />

einen starken Einfluss auf Bildungsentscheidungen<br />

zu haben. Gleichzeitig steht<br />

eine Bandbreite an Studienmöglichkeiten<br />

für Pflegekräfte zur Verfügung.<br />

Möglicherweise verbindet ein Teil der<br />

<strong>Studieren</strong>den mit einem akademischen<br />

Abschluss außerdem eine ›Exit-Option […]<br />

als Möglichkeit, aus der Pflegetätigkeit<br />

‚am Bett‘ in andere Tätigkeitsbereiche in<br />

und auch außerhalb der Pflege zu wechseln‹<br />

3 . Rein organisatorisch begünstigen<br />

außerdem die flexiblen Arbeitszeitmodelle<br />

ein <strong>berufsbegleitendes</strong> <strong>Studieren</strong>.<br />

Obwohl, wie aus unserer Befragung von<br />

<strong>Studieren</strong>den hervorgeht (vergleiche Kapitel<br />

4), die Schichtarbeit eine besondere<br />

Belastung darstellt, die selbst Teilzeitbeschäftigten<br />

das Studium erschwert.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die ausgewerteten Experteninterviews<br />

wurden in Betrieben geführt, die in der<br />

Personalentwicklung sehr engagiert sind.<br />

Es ist davon auszugehen, dass berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>de in diesen Unternehmen<br />

vergleichsweise gute Chancen auf<br />

eine Unterstützung durch ihren Arbeitgeber<br />

haben. Gleichzeitig wird deutlich,<br />

dass verschiedene betriebliche Prozesse<br />

die Vereinbarkeit von Studium und Beruf<br />

beeinflussen. Nicht nur das Interesse des<br />

Arbeitgebers an bestimmten Qualifikationen<br />

ist dabei entscheidend, außerdem<br />

können die Haltung von direkten<br />

Vorgesetzten sowie Arbeitsorganisation<br />

und Arbeitszeitmodelle die Förderung<br />

eines berufsbegleitenden Studiums ermöglichen<br />

oder erschweren. Die tatsächlich<br />

geleistete Unterstützung ist in der<br />

Regel das Ergebnis eines individuellen<br />

Aushandlungsprozesses und beruht auf


70<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Einzelfällen. Dabei dürfte es sich für viele<br />

Arbeitgeber rentieren, einheitliche und<br />

transparente Regelungen für die Förderung<br />

berufsbegleitenden <strong>Studieren</strong>s zu<br />

schaffen. Denn ein Bedarf an berufserfahrenem<br />

und gleichzeitig wissenschaftlich<br />

qualifiziertem Personal wird arbeitgeberseitig<br />

formuliert.<br />

So ergibt eine Befragung des Deutschen<br />

Industrie- und Handelskammertages<br />

von 2.000 Unternehmen, was diese<br />

sich von Hochschulabsolventinnen und<br />

-absolventen wünschen: nämlich berufspraktische<br />

Erfahrungen und Schlüsselkompetenzen,<br />

die vor allem in der<br />

beruflichen Praxis erworben werden. 4<br />

Noch nicht einmal die Hälfte äußert sich<br />

zufrieden mit der Praxistauglichkeit oder<br />

den fachlichen Kompetenzen neu eingestellter<br />

traditioneller Hochschulabsolventinnen<br />

und -absolventen. Es werden sogar<br />

Bedenken hinsichtlich einer allgemein<br />

zunehmenden Studierneigung auf Kosten<br />

der dualen Ausbildung geäußert. Die<br />

duale Ausbildung wird nach wie vor als<br />

grundlegende Säule für die Deckung des<br />

eigenen Fachkräftebedarfs definiert. 5 Die<br />

Beschäftigungsfähigkeit von Hochschulabsolventinnen<br />

und -absolventen steht<br />

also für viele Unternehmen auf dem Prüfstand.<br />

Problematisch erscheint in diesem<br />

Zusammenhang, dass vor allem die<br />

Hochschulen als verantwortlich für eine<br />

stärkere berufspraktische Qualifizierung<br />

von <strong>Studieren</strong>den angesehen werden.<br />

Sechzig Prozent der Unternehmen sehen<br />

die Hochschulen in der Verantwortung,<br />

<strong>Studieren</strong>de ›auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten‹<br />

und nur 28 Prozent sehen sich<br />

selbst in der Pflicht ›Absolventen nachzuqualifizieren‹.<br />

6<br />

Bei der Umsetzung von berufsbegleitenden<br />

<strong>Studieren</strong>s scheinen die meisten<br />

Unternehmen eine ähnliche Erwartungshaltung<br />

an die Hochschulen zu haben.<br />

An den Hochschulen sollen berufsbegleitende<br />

Studiengänge, spezifische<br />

Beratungsangebote und Brückenkurse<br />

für berufstätige <strong>Studieren</strong>de entstehen.<br />

In einer gemeinsamen Erklärung des<br />

Deutschen Industrie- und Handelskammertages<br />

und der Hochschulrektorenkonferenz<br />

zur Durchlässigkeit zwischen<br />

beruflicher und hochschulischer Bildung<br />

werden nur für die Hochschulen Handlungsempfehlungen<br />

ausgesprochen, während<br />

die Gestaltung von betrieblichen<br />

Rahmenbedingungen unberührt bleibt. 7<br />

Betriebliche Rahmenbedingungen, das<br />

zeigt unsere Studie, sind jedoch ebenso<br />

grundlegend für die Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Studium wie das Angebot der<br />

Hochschulen. Und es steht eine Reihe<br />

von Instrumenten zur Verfügung, um<br />

Beschäftigten ein Studium zu ermöglichen.<br />

8 An ihrer Gestaltung sind Gewerkschaften,<br />

Betriebs- und Personalräte mit<br />

beteiligt.<br />

So haben sich die DGB-Gewerkschaften<br />

in den vergangenen Jahren verstärkt dem<br />

Thema der lebensphasenorientierten<br />

Arbeitszeitgestaltung angenommen.<br />

Unter frauenpolitischen Aspekten ist eine<br />

bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

in den Diskursen bereits etabliert 9<br />

und von Arbeitgebern längst aufgegriffen<br />

worden 10 . Die Vereinbarkeit von Beruf<br />

und individueller Weiterbildung spielte<br />

dagegen in der Debatte der Tarifpartner<br />

bisher eine untergeordnete Rolle. Nach<br />

der Beschäftigtenbefragung der IG Metall<br />

im Jahr 2013 11 , an der sich mehr als eine<br />

halbe Million Beschäftigte beteiligten,<br />

hat das Instrument der Bildungsteilzeit<br />

als Forderung für eine lebensphasenorientierte<br />

Arbeitszeitpolitik an Bedeutung<br />

gewonnen. 12 Der Qualifizierungstarifvertrag<br />

der IG Metall 13 berücksichtigt<br />

einerseits individuelle Bedürfnisse<br />

der Beschäftigten, zum Beispiel nach<br />

temporären Arbeitszeitreduzierungen.<br />

Andererseits sollen meist individuelle<br />

Vereinbarungen einzelner Beschäftigter


71<br />

STUDIE<br />

mit ihren Arbeitgebern durch mitbestimmte<br />

und transparente Regelungen<br />

ersetzt werden, damit ›Erwerbsverläufe<br />

mit schwankenden Arbeitszeiten ohne<br />

große Einkommens- und Sicherheitsverluste<br />

und frei von Existenzangst gelebt<br />

werden können‹ 14 . Aufgaben der betrieblichen<br />

Interessenvertretung liegen darin,<br />

im Betrieb Vereinbarungen zu treffen<br />

und alle Beschäftigtengruppen aktiv zu<br />

begleiten. 15<br />

1 Auch in unserer quantitativen Befragung<br />

hatten alle <strong>Studieren</strong>den der Fachrichtung<br />

Medizin / Gesundheit Abitur.<br />

2 Studiengangsleitungen der Fachrichtung<br />

Medizin / Gesundheit schilderten ebenfalls<br />

die Problematik im Rahmen unserer<br />

Expertinneninterviews (vgl. Kapitel 3).<br />

3 Benedix/Medjedovic (2014), S. 39.<br />

4 Vgl. DIHK (2015), S. 10.<br />

5 Interessant ist in diesem Zusammenhang,<br />

dass die Unternehmen auch die<br />

›Praxistauglichkeit‹ von dual <strong>Studieren</strong>den<br />

zwar etwas besser, aber nicht<br />

signifikant positiver beurteilen<br />

(vgl. DIHK 2015, S. 12) als die von<br />

Bachelorabsolventen aus Vollzeitstudiengängen.<br />

Obwohl Interesse am Ausbau<br />

dieser Studienform, insbesondere auf<br />

Masterebene, bekundet wird<br />

(vgl. DIHK 2015, S. 21), unterstreichen<br />

viele Unternehmen die Bedeutung der<br />

traditionellen dualen Berufsausbildung<br />

<strong>–</strong> unter anderem auch als eine dem<br />

Studium vorausgehende Qualifikation<br />

(vgl. DIHK 2015, S. 10, 16, 19). In einer<br />

qualitativen Studie des Instituts für Arbeit<br />

und Wirtschaft der Universität Bremen<br />

über Aufstiegswege in Logistikberufen,<br />

äußern sich einige Unternehmensvertreter<br />

hinsichtlich des Akademisierungstrends<br />

ebenfalls besorgt und<br />

beschreiben die steigende Anzahl von<br />

Bachelorabschlüssen als unübersichtlich<br />

und hinsichtlich ihrer Qualität oft<br />

schwer einschätzbar (unveröffentlichtes<br />

Papier von Ulf Benedix, IAW Universität<br />

Bremen).<br />

6 Vgl. DIHK (2015), S. 19.<br />

7 Vgl. DIHK / HRK (2008).<br />

8 Neben den vornehmlich von uns in den<br />

Blick genommenen Arbeitszeitregelungen<br />

oder Theorie-Praxis-Transfer stellen<br />

Gronewold und Hiestand in diesem<br />

Band weitere betriebliche Instrumente<br />

zur Verbesserung der ›Work-Learn-Life-<br />

Balance‹ vor.<br />

9 Vgl. zum Beispiel ver.di (2015).<br />

10 Ein Beispiel ist das Audit Beruf und<br />

Familie, Informationen sind online verfügbar<br />

unter www.berufundfamilie.de /<br />

index.html [Zugriff am 03.02.2016].<br />

11 Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung<br />

online verfügbar unter<br />

www.igmetall.de / docs_13_6_18_<br />

Ergebnis_Befragung_final_51c49e<br />

134f92b4922b442d7ee4a00465d<br />

8c15626.pdf<br />

[Zugriff am 03.02.2016].<br />

12 Vgl. Hofmann / Smolenski (2015),<br />

S. 470.<br />

13 Zum Qualifizierungstarifvertrag<br />

der IG Metall und dem Instrument<br />

der Bildungsteilzeit, siehe auch das<br />

Kapitel 7 Handlungsfelder in diesem<br />

Band.<br />

14 Hofmann / Smolenski (2015), S. 471.<br />

15 Vgl. Hofmann / Smolenski (2015),<br />

S. 471.


72<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Literaturverzeichnis<br />

z Akkreditierungsrat (2014):<br />

Rundschreiben des Akkreditierungsrats vom<br />

19.12.2014. Online verfügbar unter:<br />

www.akkreditierungsrat.de/fileadmin/Seiteninhalte/<br />

AR/Sonstige/AR_Rundschreiben_Anrechnung.pdf<br />

[Zugriff am 20.11.2015].<br />

z ANKOM (o. J.):<br />

online verfügbar unter www.ankom.his.de<br />

[Zugriff am 20.11.2015].<br />

z Autorengruppe Bildungsberichterstattung<br />

(2014) (Hrsg.):<br />

Bildung in Deutschland 2014. Gefördert mit Mitteln<br />

der Ständigen Konferenz der Kultusminister der<br />

Länder und des Bundesministeriums für Bildung<br />

und Forschung, Bertelmann Verlag, Bielefeld 2014.<br />

z Benedix, Ulf/Medjedovic, Irena (2014):<br />

Gute Arbeit und Strukturwandel in der Pflege.<br />

Gestaltungsoptionen aus Sicht der Beschäftigten.<br />

Eine Publikation von IAW Institut für Arbeit und<br />

Wirtschaft der Universität Bremen und Arbeitnehmerkammer<br />

Bremen. Ausgabe 6, Februar 2014,<br />

Reihe Arbeit und Wirtschaft in Bremen. Online<br />

verfügbar unter www.iaw.uni-bremen.de/ccm/<br />

publications/monographien-sammelbaende/<br />

gute-arbeit-und-strukturwandel-in-der-pflegegestaltungsoptionen-aus-sicht-der-beschaeftigten;<br />

jsessionid=F0E101B7F895A83286BBB10CCB61AFA5/<br />

[Zugriff am 05.02.2016].<br />

z Bergstermann, Anna et al. (2014):<br />

Kompetenzentwicklung und Heterogenität.<br />

Ausgestaltung von Studienformaten an der Schnittstelle<br />

von Theorie und Praxis Handreichung der<br />

wissenschaftlichen Begleitung des Bund-Länder-<br />

Wettbewerbs Aufstieg durch Bildung: offene<br />

Hochschulen, März 2014. Online verfügbar unter<br />

www.docplayer.org/11324958-Ausgestaltung-vonstudienformaten-an-der-schnittstelle-von-theorieund-praxis.html<br />

[Zugriff am 26.01.2016].<br />

z BIBB <strong>–</strong> Bundesinstitut für<br />

Berufsbildung (2014):<br />

Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2014.<br />

Informationen und Analysen zur Entwicklung der<br />

beruflichen Bildung.<br />

z BMBF <strong>–</strong> Bundesministerium für<br />

Bildung und Forschung (2014):<br />

Auftakt zur 2. Wettbewerbsrunde des Bund-<br />

Länder-Wettbewerbs Aufstieg durch Bildung:<br />

offene Hochschulen. Dokumentation, Berlin,<br />

7. Oktober 2014 <strong>–</strong> Dokumentation. Online verfügbar<br />

unter https://www.bmbf.de/files/Dokumentation_<br />

7._Oktober_2014.pdf [Zugriff am 13.11.2015].<br />

z Bogner, Alexander/Littig,<br />

Beate/Menz, Wolfgang (2002):<br />

Das Experteninterview. Theorie, Methode,<br />

Anwendung. Opladen: Leske und Budrich.<br />

z Bremische Bürgerschaft,<br />

Landtag (2009).<br />

Drucksache 17/713 vom 09.03.09,<br />

Antrag der Fraktion der CDU. Anrechnung von<br />

Weiterbildungsveranstaltungen auf das<br />

Lehrdeputat. Online verfügbar unter<br />

www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/<br />

wp17/land/drucksache/D17L0713.pdf.<br />

z Bremische Bürgerschaft,<br />

Landtag (2010):<br />

Drucksache 17/1479. Kleine Anfrage der Fraktion<br />

der SPD vom 17. August 2010. Berufsbegleitendes<br />

und duales Studium sowie wissenschaftliche<br />

Weiterbildung. Online verfügbar unter<br />

www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/<br />

wp17/land/drucksache/D17L1479.pdf.<br />

z BremHG (2007):<br />

Bremisches Hochschulgesetz vom 09.05.2007<br />

(Brem.GBl., S. 339 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz<br />

vom 22.06.2010 (Brem.GBl., S. 375 ff.).<br />

z DIHK <strong>–</strong> Deutscher Industrie- und<br />

Handelskammertag (2015):<br />

Kompetent und praxisnah <strong>–</strong> Erwartungen der<br />

Wirtschaft an Hochschulabsolventen. Ergebnisse<br />

einer DIHK Online-Unternehmensbefragung.<br />

Online verfügbar unter www.dihk.de/themenfelder/<br />

aus-und-weiterbildung/schule-hochschule/hochschule/<br />

umfragen-und-prognosen [Zugriff am 03.02.2016].<br />

z DIHK <strong>–</strong> Deutscher Industrie- und<br />

Handelskammertages/HRK <strong>–</strong><br />

Hochschulrektorenkonferenz (2008):<br />

Für mehr Durchlässigkeit zwischen beruflicher<br />

Bildung und Hochschulbildung! Gemeinsame<br />

Erklärung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages<br />

(DIHK) und der Hochschulrektorenkonferenz<br />

(HRK) vom 14.10.2008. Online<br />

verfügbar unter www.hrk.de/uploads/tx_<br />

szconvention/081014_HRK_DIHK_Endfassung.pdf<br />

[Zugriff am 27.01.2016].


73<br />

STUDIE<br />

z Dittmann, Christian/Gronewold,<br />

Julia K. (2015):<br />

Berufsbegleitende Studienkonzepte im MINT-Bereich.<br />

Die Verbindung beruflichen und akademischen<br />

Wissens als zentrale Herausforderung der Studiengangskonzeption.<br />

In: Elsholz, Uwe (Hrsg.): Beruflich<br />

Qualifizierte im Studium. Analysen und Konzepte<br />

zum Dritten Bildungsweg. Bielefeld, S. 163<strong>–</strong>175.<br />

z Elsholz, Uwe (2015):<br />

Überwindung der Trennung zwischen beruflicher<br />

und akademischer Bildung? Bildungstheoretische,<br />

bildungspolitische und didaktische<br />

Herausforderungen. In: Elsholz, Uwe (Hrsg.):<br />

Beruflich Qualifizierte im Studium. Analysen<br />

und Konzepte zum Dritten Bildungsweg.<br />

Bielefeld, S. 245<strong>–</strong>259.<br />

z Faulstich, Peter/Oswald, Lena (2010):<br />

Wissenschaftliche Weiterbildung, Arbeitspapier 200.<br />

Hrsg.: Hans-Böckler-Stiftung, Januar 2010. Online<br />

verfügbar unter: www.boeckler.de/pdf/p_arbp_200.<br />

pdf [Zugriff am 20.11.2015].<br />

z Freitag, Walburga (2009):<br />

Hochschulen als Orte lebenslangen Lernens in<br />

Europa? Anrechnung von außerhalb der<br />

Hochschulen erworbenen Kompetenzen auf<br />

Hochschulstudiengänge. In: Alheit, P./von Felden,<br />

H. (Hrsg.): Lebenslanges Lernen und erziehungswissenschaftliche<br />

Biographieforschung. Konzepte<br />

und Forschung im europäischen Diskurs,<br />

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften,<br />

S. 217<strong>–</strong>229.<br />

z Freitag, Walburga (2012):<br />

Zweiter und Dritter Bildungsweg in die<br />

Hochschule. Arbeitspapier 253 der Hans-Böckler-<br />

Stiftung, Düsseldorf: HBS.<br />

z Freitag, Walburga/Loroff,<br />

Claudia (2011):<br />

Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf<br />

Hochschulstudiengänge (ANKOM) <strong>–</strong> Einführung<br />

und Überblick. In: Freitag, Walburga et al. (Hrsg.):<br />

Gestaltungsfeld Anrechnung. Hochschulische und<br />

berufliche Bildung im Wandel, Münster/New York/<br />

München/Berlin: Waxmann Verlag, S. 9<strong>–</strong>17.<br />

z Freitag, Walburga et al. (2015):<br />

Übergangsgestaltung als Zukunftsthema <strong>–</strong><br />

Einführung und Überblick. In: Freitag, Walburga<br />

et al. (Hrsg.): Übergänge gestalten. Durchlässigkeit<br />

zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung<br />

erhöhen. Münster/New York: Waxmann Verlag,<br />

S. 13<strong>–</strong>27.<br />

z Handelsblatt (2007):<br />

Arbeitgeber fordern Chance zum Studium auch<br />

für Gesellen, 01.09.2007 www.handelsblatt.com/<br />

politik/deutschland/fachkraeftemangel-arbeitgeberfordern-chance-zum-studium-auch-fuer-gesellen/<br />

v_microsite/2855664.html [Zugriff am 20.11.2015].<br />

z Hanft, Anke (2013):<br />

Lebenslanges Lernen an Hochschulen <strong>–</strong><br />

Strukturelle und organisatorische Voraussetzungen.<br />

In: Hanft, Anke/Brinkmann, Katrin (Hrsg.):<br />

Offene Hochschulen. Die Neuausrichtung der<br />

Hochschulen auf Lebenslanges Lernen.<br />

Münster/New York: Waxmann Verlag, S. 13<strong>–</strong>29.<br />

z Hartmann, Ernst A. et al. (2008):<br />

Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer<br />

Bildung <strong>–</strong> wozu, wie, warum und für wen?<br />

In: Buhr, Regina et al. (Hrsg.): Durchlässigkeit<br />

gestalten! Wege zwischen beruflicher und<br />

hochschulischer Bildung, Münster/New York/<br />

München/Berlin: Waxmann Verlag, S. 13<strong>–</strong>20.<br />

z Heibült, Jessica (2015):<br />

Lernerfahrungen auf dem dritten Bildungsweg.<br />

Eine Charakterisierung beruflich qualifizierter <strong>Studieren</strong>der.<br />

Unter Mitarbeit von Eva Anslinger<br />

und Moritz Müller. Düsseldorf: HBS. Im Erscheinen.<br />

z Heibült, Jessica/Müller,<br />

Moritz (2014):<br />

Der dritte Bildungsweg an die Universität <strong>–</strong><br />

Übergangserfahrungen von beruflich<br />

qualifizierten <strong>Studieren</strong>den. In: Zeitschrift für<br />

Beratung und Studium 2/2014, S. 40<strong>–</strong>44.<br />

z Hermeling, Susanne (2011):<br />

Durchlässigkeit zwischen beruflicher und<br />

Hochschulbildung. In: Bericht zur Lage der<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Lande<br />

Bremen 2011, S. 109<strong>–</strong>115, online verfügbar unter:<br />

www.arbeitnehmerkammer.de/publikationen/<br />

jahrespublikationen-bericht-zur-lage-derarbeitnehmerinnen-und-arbeitnehmer-imlande-bremen.html<br />

[Zugriff am 30.10.2015].<br />

z Hochschule Bremen (o.J.):<br />

online unter: www.hs-bremen.de/internet/de/<br />

studium/studierendenservice/studienorganisation/<br />

teilzeit/ [Zugriff am 19.10.2015].<br />

z Hofmann, Jörg/Smolenski,<br />

Tanja (2015):<br />

Sozialstaat 4.0 <strong>–</strong> Tarifbindung und Arbeitszeit<br />

entscheiden. In: WSI-Mitteilungen 06/2015,<br />

S. 466<strong>–</strong>472.<br />

z IG Metall (o.J.):<br />

Tarifliche Bildungsteilzeit. Wir für mehr Bildung.<br />

Online verfügbar unter www.igmetall.de/docs_<br />

themenheft_32069-56804_ansicht_ad-<br />

25f04dd012178efdcf6ffa95b8afeeb171d116.pdf.<br />

[Zugriff am 07.01.2016].<br />

z iw-dienst (2015):<br />

Studium und Beruf: Vieles geht, aber längst nicht<br />

alles. In: iw-dienst Nr. 17, 23. April 2015, S. 4<strong>–</strong>5.


74<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

z Kamm, Caroline/Otto, Alexander (2013):<br />

Studienentscheidungen und Studienmotive nichttraditioneller<br />

<strong>Studieren</strong>der. In: Knigge-Illner et al.<br />

(Hrsg.) Zeitschrift für Beratung und Studium,<br />

H. 2/2013, Bielefeld: UVW UniversitätsVerlagWebler,<br />

S. 40<strong>–</strong>46.<br />

z Knigge, Gisela (2010a):<br />

Einschätzung von Nachfrage <strong>–</strong> Online-Befragung<br />

zur 2. regionalen Arbeitstagung der Länder Niedersachsen<br />

und Bremen zur Verbesserung der Durchlässigkeit<br />

für beruflich qualifizierte Hochschulbewerberinnen<br />

und Hochschulbewerber, 16.4.2010,<br />

Universität Bremen, online verfügbar unter<br />

www.lernenvorort.bremen.de/sixcms/media.php/13/<br />

RAD_2_Ergebnisse_Onlinebefragung.pdf.<br />

z Knigge, Gisela (2010b):<br />

Ergebnis der Befragungen von Hochschulen,<br />

Kammern, Weiterbildungsträgern, Betrieben und<br />

Fachverbänden zur 2. regionalen Arbeitstagung<br />

der Länder Niedersachsen und Bremen zur<br />

Verbesserung der Durchlässigkeit für beruflich<br />

qualifizierte Hochschulbewerberinnen und<br />

Hochschulbewerber. Universität Bremen (in Druck<br />

als Tagungshandout).<br />

z Koch, Johannes/Meerten, Egon (2010):<br />

Berufsorientierte Weiterbildung in Bachelorstudiengängen<br />

realisieren. Ein struktureller Ansatz<br />

zur Optimierung der Durchlässigkeit zwischen<br />

Berufsbildung und Hochschule. In: BWP 2/2010,<br />

S. 10<strong>–</strong>13.<br />

z Köster, Kathrin et al. (2014):<br />

Gesteigerte Effizienz und Effektivität bei der<br />

Entwicklung und Umsetzung von berufsbegleitenden<br />

Studienprogrammen. BMBF. Online verfügbar<br />

unter www.hs-heilbronn.de/6222432/<br />

Gesteigerte-Effizienz-und-Effektivitaet-inberufsbegleitenden-Studienprogrammen-31_03_<br />

2014.pdf [Zugriff am 26.01.2016].<br />

z Kreutz, Maren/Meyer, Rita (2015):<br />

›Große Schatten werfen ihre Ereignisse hinter sich‹ <strong>–</strong><br />

Alte und neue Herausforderungen einer berufsbezogenen<br />

Didaktik an Hochschulen. In: Elsholz,<br />

Uwe (Hrsg.): Beruflich Qualifizierte im Studium.<br />

Analysen und Konzepte zum Dritten Bildungsweg.<br />

Bielefeld, S. 231<strong>–</strong>244.<br />

z Kruse, Jan (2014):<br />

Qualitative Interviewforschung: Ein<br />

integrativer Ansatz. Weinheim, März 2014.<br />

z KMK <strong>–</strong> Kultusministerkonferenz (2002):<br />

Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens<br />

erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf<br />

ein Hochschulstudium. Beschluss der Kultusministerkonferenz<br />

vom 28.06.2002. Online verfügbar<br />

unter: www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen<br />

_beschluesse/2002/2002_06_28-Anrechnung-<br />

Faehigkeiten-Studium-1.pdf [Zugriff am 19.11.2015].<br />

z KMK <strong>–</strong> Kultusministerkonferenz (2009):<br />

Hochschulzugang für beruflich qualifizierte<br />

Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung.<br />

Beschluss der KMK vom 06.03.2009.<br />

Online abrufbar unter: www.kmk.org/fileadmin/<br />

veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_03_<br />

06-Hochschulzugang-erful-qualifizierte-Bewerber.pdf<br />

[Zugriff am: 19.11.2015].<br />

z KMK <strong>–</strong> Kultusministerkonferenz (2014):<br />

Hochschulzugang für beruflich qualifizierte<br />

Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung.<br />

Stand August 2014. Online verfügbar unter:<br />

www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen<br />

_beschluesse/2014/2014_08_00-Synopse-<br />

Hochschulzugang-berufl_Qualifizierter.pdf<br />

[Zugriff am: 19.11.2015].<br />

z Leuvener Kommuniqué (2009):<br />

Bologna-Prozess 2020 <strong>–</strong> der Europäische Hochschulraum<br />

im kommenden Jahrzehnt. Kommuniqué<br />

der Konferenz der für die Hochschulen zuständigen<br />

europäischen Ministerinnen und Minister,<br />

Leuven/Louvain-la-Neuve, 28. und 29. April 2009.<br />

Online abrufbar unter: www.ehea.info/Uploads/<br />

LEUVEN/2009_Leuven_Louvain-la-Neuve_Kommunique_April09_DE.pdf<br />

[Zugriff am 22.09.2015].<br />

z Loroff, Claudia/Stamm-Riemer,<br />

Ida/Hartmann, Ernst A. (2011):<br />

Anrechnung: Modellentwicklung, Generalisierung<br />

und Kontextbedingungen. In: Freitag, Walburga<br />

et al. (Hrsg.): Gestaltungsfeld Anrechnung.<br />

Hochschulische und berufliche Bildung im Wandel,<br />

Münster/New York/München/Berlin: Waxmann<br />

Verlag, S. 77<strong>–</strong>117.<br />

z Minks, Karl-Heinz (2011):<br />

Lebenslanges Lernen und Durchlässigkeit <strong>–</strong><br />

demographische und sozioökonomische Herausforderungen.<br />

In: Freitag, Walburga et al. (Hrsg.):<br />

Gestaltungsfeld Anrechnung. Hochschulische und<br />

berufliche Bildung im Wandel, Münster/New York/<br />

München/Berlin: Waxmann Verlag, S. 21-34.<br />

z Minks, Karl-Heinz/Netz,<br />

Nicolai/Völk, Daniel (2011):<br />

Berufsbegleitende und duale Studiengänge in<br />

Deutschland: Status quo und Perspektiven.<br />

HIS Forum Hochschule 11/2011, Hannover.<br />

z Nickel, Sigrun/Duong, Sindy (2012):<br />

<strong>Studieren</strong> ohne Abitur: Monitoring der Entwicklungen<br />

in Bund, Ländern und Hochschulen. CHE, Arbeitspapier<br />

Nr. 157. Gütersloh: CHE. Online abrufbar<br />

unter: www.che.de/downloads/CHE_AP157_<strong>Studieren</strong>_ohne_Abitur_2012.pdf<br />

[Zugriff am 21.10.2015].


75<br />

STUDIE<br />

z Offene Hochschulen Bremen (o.J.):<br />

online unter: www.offene-hochschulen-bremen.de<br />

[Zugriff am 11.01.2016].<br />

z Przyborski, Aglaja (2008):<br />

Fokussierte Interviews/Fokusgruppeninterviews.<br />

In: Przyborski, Aglaja/Wohlrab-Sahr, Monika (2008):<br />

Qualitative Sozialforschung, München: Oldenbourg<br />

Verlag, S. 145<strong>–</strong>155.<br />

z <strong>Studieren</strong> ohne Abitur (o.J.):<br />

online verfügbar unter www.studieren-ohne-abitur.<br />

de/web/laender/bremen/ [Zugriff am 20.11.2015].<br />

z Syrek, Christine et al. (2014):<br />

Wie Work-Learn-Life-Balance gelingen kann: Handlungsstrategien<br />

zur Förderung der Vereinbarkeit.<br />

In: Antoni, Conny et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Balance<br />

in der Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 123<strong>–</strong>148.<br />

z Tegtmeier, Patrizia/Hellert,<br />

Ulrike (2015):<br />

Wie gelingt die Erholung bei einem Studium<br />

neben dem Beruf? In: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft<br />

01/2015, S. 13<strong>–</strong>21.<br />

z Teichler, Ulrich/Wolter, Andrä (2004):<br />

Zugangswege und Studienangebote für nichttraditionelle<br />

<strong>Studieren</strong>de. In: die hochschule 2/2004,<br />

Konditionen des <strong>Studieren</strong>s. journal für wissenschaft<br />

und bildung. Hrsg. von HoF Wittenberg <strong>–</strong> Institut<br />

für Hochschulforschung an der Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg, S. 64<strong>–</strong>80.<br />

z ver.di (2015):<br />

Frauenpolitisches Tarifforum. Webseite verfügbar<br />

unter www.frauen.verdi.de/themen/<br />

entgeltgleichheit/++co++83ef8f42-284d-11e4-<br />

9acb-525400248a66 [Zugriff am 03.02.2016].<br />

z Völk, Daniel. (2011):<br />

Wissenschaftliche Qualifizierung und Anrechnung<br />

beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge<br />

aus betrieblicher Perspektive. In: Freitag, Walburga<br />

et al. (Hrsg.): Gestaltungsfeld Anrechnung.<br />

Hochschulische und berufliche Bildung im Wandel,<br />

Münster/New York/München/Berlin: Waxmann<br />

Verlag, S. 145<strong>–</strong>160.<br />

z Wissenschaftlicher Beraterkreis<br />

der Gewerkschaften IG Metall<br />

und ver.di (2014):<br />

Berufs-Bildungs-Perspektiven 2014. Leitlinien für<br />

eine gemeinsame duale, schulische und hochschulische<br />

berufliche Bildung, April 2014. Online verfügbar<br />

unter www.bildungspolitik.verdi.de/politikfelder/<br />

weiterbildungspolitik/wissenschaftlicher-beraterkr<br />

eis/++co++204d2f6a-08d3-11e4-970d-52540059119e<br />

[Zugriff am 26.01.2016].<br />

z Witzel, Andreas (2000):<br />

Das problemzentrierte Interview. Forum für<br />

qualitative Sozialforschung, H. 1/2000 (www.<br />

qualitative-research.net/index.php/fqs/article/<br />

download/1132/2520, Download am: 18.05.2015).<br />

z Wolter, Andrä (2012a):<br />

Die Öffnung für Berufstätige als Beitrag zur<br />

Diversität der Hochschule. In: journal hochschuldidaktik,<br />

Jahrgang 23, Heft 1<strong>–</strong>2, S. 23<strong>–</strong>25.<br />

z Wolter, Andrä (2012b):<br />

Studium neben dem Beruf <strong>–</strong> eine Realisierungsform<br />

lebenslangen Lernens an Hochschulen. In: Kerres,<br />

Michael et al. (Hrsg.): Studium 2020: Positionen<br />

und Perspektiven zum lebenslangen Lernen<br />

an Hochschulen, Münster: Waxmann, S. 271<strong>–</strong>284.<br />

z Wolter, Andrä (2013):<br />

Übergang aus dem Schulsystem heraus. Übergänge<br />

zwischen Schule, beruflicher Bildung und Hochschule<br />

<strong>–</strong> Entwicklungen und Herausforderungen aus<br />

der Sicht der empirischen Bildungsforschung.<br />

In: Bellenberg, Gabriele/Forell, Matthias (Hrsg.):<br />

Bildungsübergänge gestalten. Ein Dialog zwischen<br />

Wissenschaft und Praxis, Münster/New York/<br />

München/Berlin: Waxmann, S. 45<strong>–</strong>61.<br />

z Wolter, Andrä et al. (2014):<br />

Durchlässigkeit zwischen beruflicher und<br />

akademischer Bildung als mehrstufiges Konzept:<br />

Bilanz und Perspektiven. In: Beiträge zur<br />

Hochschulforschung 36, H. 4, S. 8<strong>–</strong>39.<br />

z Wolter, Andrä et al. (2015):<br />

Nicht-traditionelle <strong>Studieren</strong>de in Deutschland:<br />

Werdegänge und Studienmotivation. In: Elsholz,<br />

Uwe (Hrsg.): Beruflich Qualifizierte im Studium.<br />

Analysen und Konzepte zum Dritten Bildungsweg.<br />

W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld, S. 11<strong>–</strong>33.


76<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Expertinneninterviews<br />

und Ergebnisse aus<br />

Forschungsprojekten<br />

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6


77<br />

STUDIE<br />

Die Herausforderung Studienangebote<br />

für Berufstätige umzusetzen<br />

Interview mit Dr. Petra Boxler<br />

Frau Dr. Boxler leitet seit zehn Jahren die<br />

Akademie für Weiterbildung der Universität<br />

Bremen beziehungsweise eine ihrer<br />

beiden Vorgängereinrichtungen, das Zentrum<br />

für Weiterbildung der Universität.<br />

Sie war Koordinatorin des bremischen<br />

Landesprogramms ›Offene Hochschulen‹<br />

und leitet nun das Projekt ›konstruktiv‹<br />

(›Konsequente Orientierung an neuen<br />

Zielgruppen strukturell in der Universität<br />

Bremen verankern‹). ›konstruktiv‹<br />

wird im Rahmen des Bundesprogramms<br />

›Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen‹<br />

vom Bundesministerium für<br />

Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.<br />

Berufsbegleitende Bachelorstudiengänge<br />

findet man an staatlichen<br />

Hochschulen kaum. Im Land Bremen<br />

gibt es nur einen einzigen an der<br />

Universität. Woran liegt das?<br />

An den Hochschulen fehlen ganz einfach<br />

die Ressourcen. Die bestehenden Bachelorstudiengänge<br />

platzen angesichts der<br />

hohen <strong>Studieren</strong>denzahlen oft aus allen<br />

Nähten, das heißt, das Lehrpersonal ist<br />

vollständig mit der Durchführung dieser<br />

Studiengänge ausgelastet. Aus der knappen<br />

Grundfinanzierung können daher<br />

keine zusätzlichen berufsbegleitenden<br />

Bachelor-Studiengänge aufgelegt werden.<br />

Solche Angebote können aber auch<br />

nicht aus Teilnahmeentgelten finanziert<br />

werden, weil aufgrund der Gebührenfreiheit<br />

des Erststudiums auch für berufsbegleitende<br />

Bachelorstudiengänge keine<br />

Entgelte erhoben werden dürfen. Also<br />

besteht hier eine Finanzierungslücke.<br />

Vermuten Sie, dass die Nachfrage<br />

nach berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen<br />

vonseiten Berufstätiger<br />

steigen würde, wenn es ein<br />

entsprechendes Angebot gäbe?<br />

Der Bedarf ist da, nicht flächendeckend,<br />

aber in bestimmten Bereichen. So haben<br />

in den letzten Jahren private Hochschulen<br />

ihr Angebot an berufsbegleitenden<br />

Bachelorstudiengängen stark ausgebaut.<br />

Eine Nachfrage sehe ich vor allem in<br />

Bereichen, in denen sich durch einen<br />

Bachelorabschluss echte Aufstiegsmöglichkeiten<br />

oder bessere berufliche Perspektiven<br />

ergeben. Dies ist zum Beispiel<br />

im kaufmännischen Bereich oder im<br />

IT-Bereich der Fall. Hier würden auch<br />

berufsbegleitende Angebote staatlicher<br />

Hochschulen sicher auf Interesse stoßen.<br />

Schwieriger ist es in Berufsfeldern, in<br />

denen die Akademisierung noch nicht so<br />

weit fortgeschritten ist, zum Beispiel in<br />

der frühkindlichen Bildung. Auch hier<br />

gibt es einen hohen Bedarf an wissenschaftlicher<br />

Weiterbildung. Allerdings<br />

eröffnen sich für eine Erzieherin oder<br />

einen Erzieher auch durch ein weiterbildendes<br />

Zertifikatsstudium oder einen<br />

Bachelorabschluss nicht ohne Weiteres<br />

neue berufliche Möglichkeiten. Dies<br />

wirkt sich natürlich auf die Teilnahme<br />

an entsprechenden Angeboten aus.<br />

An der bestehenden Nachfrage nach<br />

berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen<br />

bei privaten Hochschulen zeigt<br />

sich übrigens noch etwas anderes: Diese<br />

Studienangebote sind kostenpflichtig.<br />

Menschen, die einen Bachelorabschluss<br />

erwerben wollen, ohne dafür ihre Berufstätigkeit<br />

aufzugeben, sind also bereit, für<br />

ihr Studium zu bezahlen. Allerdings werden<br />

so alle diejenigen ausgeschlossen, die<br />

hierzu finanziell nicht in der Lage sind.


78<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Bei der Finanzierung von Studienangeboten<br />

für Berufstätige scheint<br />

also ein ungeklärtes Problem zu sein,<br />

was Aufgabe des Staates und was<br />

Aufgabe der Privatpersonen ist.<br />

Richtig. Noch deutlicher wird das bei<br />

den Masterstudiengängen. Wo endet die<br />

Erstausbildung? Diejenigen, die direkt<br />

nach dem Bachelor ein Masterstudium<br />

beginnen, bekommen das vom Staat<br />

finanziert. Diejenigen, die erst in den<br />

Beruf einsteigen und nach einigen Jahren<br />

einen Master machen wollen, müssen<br />

sich entscheiden: Entweder sie wählen<br />

einen konsekutiven Vollzeitstudiengang<br />

ohne Studiengebühren, der aber vom<br />

zeitlichen Format her mit der Berufstätigkeit<br />

nicht zu vereinbaren ist. Oder sie<br />

zahlen hohe Teilnahmeentgelte für einen<br />

weiterbildenden Masterstudiengang<br />

und erhalten dafür ein berufsbegleitend<br />

studierbares Angebot.<br />

Das heißt, diejenigen, die nach<br />

dem Bachelorabschluss erst einmal<br />

berufstätig sein wollen, werden<br />

bestraft.<br />

Ja. Die Weiterbildung an den Hochschulen<br />

kostet, und zwar auch für diejenigen,<br />

die nie einen staatlich finanzierten Masterstudienplatz<br />

in Anspruch genommen<br />

haben. Das ganze System orientiert sich<br />

in seiner Finanzierungslogik noch sehr<br />

an klassischen Bildungsbiografien: Zuerst<br />

wird studiert, dann folgt die Berufstätigkeit.<br />

Denjenigen, die zwischen Bachelor<br />

und Master und dann eben auch begleitend<br />

zum Masterstudium berufstätig<br />

sind, wird dieses System nicht gerecht.<br />

Ebenso wenig denjenigen, die ihre Hochschulzugangsberechtigung<br />

über den Weg<br />

einer Berufsausbildung plus Berufstätigkeit<br />

plus Fortbildung und nicht über die<br />

Schule erwerben.<br />

In Ihrem Projekt ›konstruktiv‹<br />

arbeiten Sie an einer Öffnung der<br />

Hochschulen für diese sogenannten<br />

neuen Zielgruppen.<br />

Ja. Wir konzentrieren uns im Projekt<br />

›konstruktiv‹ auf Personen, die berufstätig<br />

sind oder Familienpflichten nachkommen<br />

und einen Master- oder Zertifikatsabschluss<br />

erwerben wollen. Diese Gruppe<br />

wächst, denn Studium, Berufstätigkeit,<br />

Weiterbildung und Familienphasen<br />

werden heutzutage auf vielfältige Weise<br />

kombiniert. Auch viele <strong>Studieren</strong>de, die<br />

heute in den bestehenden konsekutiven<br />

Vollzeitstudiengängen eingeschrieben<br />

sind, gehören eigentlich zur Zielgruppe<br />

von ›konstruktiv‹. Sie haben nur einen<br />

individuellen Weg gefunden, um sich mit<br />

den Rahmenbedingungen des Vollzeitstudiums<br />

zu arrangieren. Im Projekt befassen<br />

wir uns zum Beispiel mit der Frage,<br />

wie man Module aus regulären konsekutiven<br />

Masterstudiengängen nutzen<br />

kann, um Angebote für Berufstätige zu<br />

schaffen. Dadurch wollen wir ein breites,<br />

flexibles Qualifizierungsangebot schaffen,<br />

was sonst nicht möglich wäre. Wir<br />

versuchen zum Beispiel, Hochschullehrende<br />

dazu zu bewegen, einzelne Module<br />

raumzeitlich flexibler zu gestalten. Dies<br />

heißt nicht automatisch, dass die Module<br />

nun alle abends, am Wochenende oder in<br />

Blockform stattfinden müssen. Es kann<br />

auch bedeuten, verstärkt auf digitale Medien<br />

zurückzugreifen, um einen höheren<br />

Anteil an selbst gesteuertem Lernen zu<br />

erreichen und die Zahl der Präsenztermine<br />

zu verringern.<br />

Und welchen Schwierigkeiten<br />

begegnen Sie dabei?<br />

Wir müssen sehr viel Überzeugungsarbeit<br />

leisten, um Hochschullehrende<br />

zu bewegen, ihre Veranstaltungen zu<br />

flexibilisieren und auch <strong>Studieren</strong>de in<br />

den Blick zu nehmen, die parallel zum<br />

Studium arbeiten oder familiäre Pflichten<br />

haben. Selbst gesteuert zu lernen,<br />

ist allerdings auch für die <strong>Studieren</strong>den<br />

häufig ungewohnt. Hier sind besondere<br />

Selbstlernstrategien gefragt, über die<br />

gerade Berufstätige oft schon verfügen.<br />

Dann müssen weiterbildende Masterund<br />

Zertifikatsstudienangebote kostendeckend<br />

gestaltet sein. Zwar ist die Weiterbildung<br />

neben Forschung und Lehre die


79<br />

STUDIE<br />

dritte Aufgabe der Hochschulen, doch<br />

sind keine Lehrkapazitäten für diese<br />

Aufgabe vorgesehen. Die grundständige<br />

Lehre geht vor und verbraucht angesichts<br />

der hohen Auslastung der Universität alle<br />

vorhandenen Kapazitäten. Die Lehre in<br />

der Weiterbildung muss also de facto zusätzlich<br />

erbracht werden. Zwar bieten wir<br />

den Lehrenden eine Vergütung an, doch<br />

ist das für diese nicht besonders attraktiv.<br />

Die Lehrenden haben sehr wenig Zeit<br />

und die Honorare sind nicht so hoch, um<br />

finanziell wirklich lukrativ zu sein.<br />

Führt das nicht häufig dazu,<br />

dass man auf hochschulexterne<br />

Lehrkräfte zurückgreifen muss?<br />

Wir setzen externe Lehrende ein. Aber<br />

dem sind enge Grenzen gesetzt. Denn:<br />

Wir machen Studien- und Weiterbildungsangebote,<br />

in denen die <strong>Studieren</strong>den<br />

ECTS-Punkte und Abschlüsse auf<br />

Basis von Prüfungsordnungen erwerben<br />

können. Das heißt zum Beispiel, es<br />

können in der Regel nur Professoren<br />

oder Professorinnen unserer Universität<br />

Modulverantwortliche sein, weil uns die<br />

interne Qualitätssicherung sehr wichtig<br />

ist.<br />

Wir haben im Rahmen unserer<br />

Studie von einigen berufstätigen<br />

<strong>Studieren</strong>den gehört, dass sie sich<br />

weichere Prüfungsordnungen<br />

wünschen, die die besonderen Umstände<br />

ihrer Studienbedingungen<br />

berücksichtigen.<br />

Es ist denkbar, zum Beispiel längere<br />

Bearbeitungszeiten für Abschlussarbeiten<br />

vorzusehen. Wir werden jedoch bei den<br />

weiterbildenden Master- und Zertifikatsstudienangeboten<br />

keine Abstriche bei der<br />

Qualität machen. Unsere Weiterbildungsangebote<br />

sollen den hohen Qualitätsanspruch<br />

der Universität Bremen widerspiegeln.<br />

Es muss zum Beispiel auch die<br />

Möglichkeit geben, eine Prüfung bei unzureichenden<br />

Leistungen endgültig nicht<br />

zu bestehen. Dies gilt auch, wenn die<br />

<strong>Studieren</strong>den zahlende Kunden sind. Es<br />

ist wichtig, dass ein Abschluss in einem<br />

weiterbildenden Masterstudium genauso<br />

viel wert ist wie der Abschluss eines<br />

konsekutiven Masters. Beide berechtigen<br />

schließlich hinterher zur Promotion.<br />

An welcher Stelle sollten Probleme<br />

zuerst behandelt werden?<br />

Die Landesausschüsse für Weiterbildung<br />

und für Berufsbildung haben schon vor<br />

einigen Jahren in ihren Empfehlungen<br />

festgestellt, dass der erleichterte Hochschulzugang<br />

für beruflich Qualifizierte<br />

wenig weiterhilft, wenn ein <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

Bachelorstudienangebot<br />

fehlt. Nur wenige Berufstätige können es<br />

sich leisten, für ein Vollzeitstudium aus<br />

dem Beruf auszusteigen. Hier stellt sich<br />

das bereits angesprochene Problem der<br />

Finanzierung.<br />

Darüber hinaus ist wichtig, dass die<br />

Hochschulen die sogenannten nicht<br />

traditionellen <strong>Studieren</strong>den stärker in<br />

den Blick nehmen. Wie schon erwähnt,<br />

gibt es viele <strong>Studieren</strong>de, die nicht in das<br />

übliche Bild passen, weil sie nebenbei in<br />

größerem Umfang arbeiten, weil sie Kinder<br />

haben oder ihren ersten Abschluss<br />

im Ausland erworben haben. Mit dieser<br />

Heterogenität gilt es umzugehen. Von unterschiedlichen<br />

Formaten, differenzierter<br />

Didaktik, mehr Wahlmöglichkeiten im<br />

Curriculum und dazu passenden Beratungsangeboten<br />

könnten alle <strong>Studieren</strong>den<br />

profitieren.<br />

Also müsste ein Diversitätskonzept<br />

entwickelt und umgesetzt<br />

werden?<br />

Genau. Und der andere Strang ist ein<br />

Konzept für lebenslanges Lernen. Ein Studienabschluss<br />

reicht längst nicht mehr<br />

als Basis für ein ganzes Berufsleben. Die<br />

wissenschaftliche und technologische<br />

Entwicklung verläuft heute so rasant,<br />

dass auch die Hochschulen gefragt sind.<br />

In der Weiterbildung sind heterogene<br />

Zielgruppen und die Anforderungen<br />

des lebenslangen Lernens längst Alltag.<br />

Deshalb kann die Weiterbildung eine Art<br />

Testgelände sein, von dem die Universität<br />

als Ganzes profitieren kann.<br />

Das Interview wurde geführt von<br />

Susanne Hermeling


80<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Anrechnung beruflicher Kompetenzen<br />

auf Hochschulstudiengänge<br />

Interview mit Dr. Walburga Freitag<br />

Frau Dr. Freitag leitete die wissenschaftliche<br />

Begleitung der BMBF-Initiative<br />

›ANKOM <strong>–</strong> Übergänge von der beruflichen<br />

in die hochschulische Bildung‹ am<br />

Deutschen Zentrum für Hochschul- und<br />

Wissenschaftsforschung; sie ist dort die<br />

Leiterin des Arbeitsbereichs ›Lebenslanges<br />

Lernen‹.<br />

Kompetenzen, die in staatlich<br />

anerkannter Aus- und Fortbildung<br />

erworben wurden, können unter<br />

bestimmten Bedingungen als gleichwertige<br />

Studienleistungen anerkannt<br />

werden. Für <strong>Studieren</strong>de kann sich<br />

unter Umständen die Studienzeit um<br />

ein bis drei Semester verkürzen oder<br />

das Studienvolumen verringert sich.<br />

Für die Anrechnung können sich<br />

die Hochschulen für unterschiedliche<br />

Verfahren entscheiden. Es gibt<br />

pauschale und individuelle Anrechnungsverfahren.<br />

Was sind die wesentlichen<br />

Vor- und Nachteile beider<br />

Verfahren?<br />

Bei der Anwendung eines sogenannten<br />

›pauschalen Anrechnungsverfahrens‹<br />

wird bei Vorliegen eines bestimmten Ausoder<br />

Fortbildungsabschlusses eine zuvor<br />

ermittelte Zahl an Credits ohne individuelle<br />

Prüfung, also ›pauschal‹ angerechnet.<br />

Wer zum Beispiel an der Hochschule<br />

Bremen ›Angewandte Therapiewissenschaften‹<br />

studieren möchte, kann als<br />

ausgebildete Logopädin eine Anrechnung<br />

von drei Semestern des Bachelorstudiengangs<br />

beantragen. Das hat für <strong>Studieren</strong>de<br />

ganz offensichtliche Vorteile. Sie<br />

stellen einen Antrag, und sofern es für<br />

die Aus- oder Weiterbildung eine Gleichwertigkeitsbestimmung<br />

gibt, können die<br />

Credits angerechnet werden.<br />

Pauschale Verfahren sind allerdings<br />

sehr aufwendig in der Entwicklung. Im<br />

Vorfeld muss ein Äquivalenzvergleich<br />

stattfinden <strong>–</strong> also die Bestimmung von<br />

Gleichwertigkeit oder Gleichartigkeit<br />

zwischen den Lernergebnissen des<br />

beruflichen und des hochschulischen<br />

Bildungsgangs. Aufseiten der beruflichen<br />

Bildung hat man es mit Aus-, Fort- oder<br />

Weiterbildungsordnungen zu tun. Diese<br />

sind zwar zunehmend auch kompetenzorientiert<br />

formuliert und es werden<br />

immer häufiger die Lernziele ausgewiesen,<br />

allerdings müssen die Dokumente<br />

›übersetzt‹ und Lernergebnisse denen der<br />

Hochschulmodule zugeordnet werden;<br />

nur so kann eine Grundlage für den Vergleich<br />

geschaffen werden.<br />

Wenn die Verantwortlichen des<br />

Studiengangs in Kooperation mit den<br />

beruflichen Bildungsträgern einen Äquivalenzvergleich<br />

vorgenommen und dies<br />

dokumentiert haben, muss die Möglichkeit<br />

der pauschalen Anerkennung noch<br />

von den Hochschulgremien abgesegnet<br />

werden; das heißt, sie muss Eingang<br />

in die Ordnungen der Hochschule finden.<br />

Dies ist in der Regel kein Problem,<br />

schwieriger ist es, die Ressourcen für<br />

den Kompetenzäquivalenzvergleich zu<br />

erhalten und die Ergebnisse transparent<br />

und valide darzustellen.<br />

Bei der individuellen Anrechnung,<br />

dem zweiten entwickelten Verfahren,<br />

muss keine Festlegung auf ein oder zwei<br />

Abschlüsse erfolgen, sondern es kommt<br />

potenziell eine größere Zahl von fachverwandten<br />

Abschlüssen in Betracht und<br />

<strong>–</strong> dies ein großer Vorteil <strong>–</strong> neben formal<br />

erworbenen Lernergebnissen können<br />

auch sogenannte non-formal und informell<br />

erworbene Lernergebnisse angerechnet<br />

werden, also kleinere Zertifikate<br />

und Berufserfahrung. Das ist im Sinne<br />

der Durchlässigkeit ein klarer Vorteil.<br />

Die Verantwortlichen des Studiengangs<br />

verwenden für das individuelle<br />

Verfahren ein Portfolio, eine Art Mappe.<br />

Hierin wird festgelegt, wie die Person, die<br />

um Anrechnung nachfragt, die Kompetenzen<br />

dokumentieren muss, die sie an-


81<br />

STUDIE<br />

gerechnet bekommen möchte. Dies kann<br />

in Form von Zeugnissen, Arbeitsproben<br />

oder schriftlichen Ausarbeitungen<br />

erfolgen. Auch das individuelle Verfahren<br />

muss in den Ordnungen festgelegt<br />

werden; nur so werden alle <strong>Studieren</strong>den<br />

über die Möglichkeit informiert und können<br />

es gegebenenfalls nutzen. Die Hochschulen<br />

können mit dem Verfahren bis<br />

zu einem gewissen Grad experimentieren,<br />

da es wenig festgelegte Verfahrensabläufe<br />

gibt. Das kann sowohl Vor- als auch<br />

Nachteile für alle Beteiligten bergen und<br />

ist anspruchsvoll.<br />

In jedem Fall steckt der größte Arbeitsaufwand<br />

in der Durchführung des<br />

Verfahrens selbst, denn der Äquivalenzvergleich<br />

muss für jede Person individuell<br />

erfolgen. Damit sind die <strong>Studieren</strong>den<br />

gefordert, sich mit dem Modulhandbuch<br />

des Studiengangs auseinanderzusetzen<br />

und in Form des Portfolios niederzulegen,<br />

welche Lernergebnisse sie bereits<br />

erworben haben und nach Möglichkeit<br />

auch noch performieren können. In der<br />

Praxis liegt schon ein Problem darin, dass<br />

nicht alle Modulhandbücher gleichermaßen<br />

verständlich für Außenstehende<br />

geschrieben sind. Und möglicherweise<br />

ergeben sich als Ergebnis des Verfahrens<br />

Anrechnungsmöglichkeiten für mehrere<br />

und verschiedene Module und Seminare.<br />

Das heißt, die Studiengangsverantwortlichen<br />

müssen die Unterlagen an die<br />

Lehrenden in den Modulen weitergeben<br />

und deren Urteil einholen. Es sind in der<br />

Regel mehrstufige Verfahren, in deren<br />

Verlauf möglicherweise zusätzlich mündliche<br />

oder schriftliche Tests verlangt<br />

werden. Der Aufwand, der insgesamt entstehen<br />

kann, wird von <strong>Studieren</strong>den als<br />

hoch beurteilt und führt <strong>–</strong> so Ergebnisse<br />

unserer wissenschaftlichen Begleitung <strong>–</strong><br />

auch zu Frustration oder Ablehnung des<br />

Verfahrens.<br />

Was die Methodik angeht, ist problematisch,<br />

dass die Ansprüche der Reliabilität<br />

und Validität immer noch in den<br />

Kinderschuhen stecken. Die Methoden<br />

entwickeln die Studiengänge in Eigenregie<br />

und es gibt leider derzeit keine Ressourcen,<br />

um die angewandten Verfahren<br />

systematisch zu untersuchen. Unterschiede<br />

betreffen womöglich die Arten der<br />

Anweisung für die einzelnen Schritte<br />

oder die Dokumentation der Verfahren.<br />

Einige haben vielleicht standardmäßig<br />

ein Gespräch eingebaut, andere verzichten<br />

darauf.<br />

In solchen Experimentierphasen werden<br />

kreative Lösungen entwickelt, die als<br />

Modelle guter Praxis nachahmenswert<br />

sind. An der Alice Salomon Hochschule<br />

Berlin beispielsweise sind sowohl<br />

pauschale als auch individuelle Anrechnungsmöglichkeiten<br />

entwickelt worden.<br />

Um den Arbeitsaufwand für die Beratung<br />

und Durchführung möglichst gering<br />

zu halten, wird über das Verfahren im<br />

Rahmen eines eigenen Studienmoduls<br />

informiert. Dieses wird zudem dafür genutzt,<br />

Reflexionsphasen anzuregen. Die<br />

<strong>Studieren</strong>den setzen sich damit auseinander,<br />

aus welcher beruflichen Position<br />

sie kommen, welche Kompetenzen sie<br />

mitbringen, welche Studienschwerpunkte<br />

sie im Studium wählen wollen und<br />

welche berufliche Position sie mit dem<br />

Studienabschluss anstreben. Auf Grundlage<br />

einer solchen Vorbereitung können<br />

<strong>Studieren</strong>de dann auch das individuelle<br />

Verfahren bewältigen. Die Zuständigen<br />

der Studiengänge erhalten ihrerseits<br />

durch diese Seminare einen Eindruck<br />

von den Erfahrungen und individuellen<br />

Zielen der <strong>Studieren</strong>den und können<br />

sich gleichzeitig mit dem Lernstand der<br />

<strong>Studieren</strong>den vertraut machen.<br />

Im Vergleich mit den individuellen<br />

Verfahren scheint eine pauschale<br />

Anrechnung für Studieninteressierte<br />

zunächst einmal eine höhere Transparenz<br />

und Sicherheit zu bieten.<br />

Zeichnen sich für die kaufmännischen,<br />

die technischen und die sozialen<br />

Dienstleistungsberufe eigene<br />

Trends hinsichtlich der Möglichkeiten<br />

pauschaler Anrechnung ab?<br />

In der Betriebswirtschaftslehre (BWL) ist<br />

die Entwicklung schon weiter gediehen,<br />

da das Studienfach traditionell für<br />

viele beruflich Qualifizierte attraktiv ist.<br />

In der BWL haben etwa 30 Prozent der<br />

<strong>Studieren</strong>den eine Berufsausbildung.<br />

So werden an mehreren Hochschulen<br />

die Fortbildungsabschlüsse Fachwirt<br />

mit 20 bis 30 Kreditpunkten und der<br />

zur Betriebswirtin mit 60 Kreditpunkten<br />

auf ein Bachelorstudium angerechnet.<br />

Bei ersten Abschlüssen der beruflichen<br />

Bildung, wie zum Beispiel Industriekaufleuten,<br />

werden in der Regel nicht über<br />

10 Kreditpunkte angerechnet.


82<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Das Interesse an der Anwendung von<br />

Anrechnungsverfahren ist auch bei den<br />

Sozial- und Gesundheitsberufen groß. In<br />

den Sozialberufen hat es in den vergangenen<br />

10 bis 15 Jahren starke Akademisierungs-<br />

und Professionalisierungsprozesse<br />

gegeben. Viele neue Studiengänge im<br />

Bereich der Kindheitspädagogik und<br />

im Bereich Pflege und Gesundheit sind<br />

entstanden. Obschon es Schnittmengen<br />

zwischen verschiedenen Studienangeboten,<br />

zum Beispiel der Kindheitspädagogik<br />

gibt, werden Ergebnisse, die in einer<br />

Hochschule entwickelt wurden, nicht<br />

auf vergleichbare Studiengänge anderer<br />

Hochschulen übertragen. Der Spill-over-<br />

Effekt ist gering.<br />

Nicht unerheblich ist bei der Anrechnung,<br />

auf welches Niveau des Deutschen<br />

Qualifikationsrahmens die Aus- oder<br />

Weiterbildung eingeordnet wurde. Da die<br />

Erzieherinnenausbildung an Fachschulen<br />

stattfindet, hat man den Abschluss<br />

im Deutschen Qualifikationsrahmen auf<br />

Stufe 6 angesiedelt; der Abschluss in der<br />

Gesundheits- und Krankenpflege gilt als<br />

Ausbildung und wurde entsprechend auf<br />

Niveau 4 eingeordnet. Die Einordnungen,<br />

die in Teilen auf politischen Entscheidungen<br />

und weniger auf wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen gründen, haben somit<br />

großen Einfluss auf das Anrechnungsgeschehen.<br />

Bei den technischen Studiengängen<br />

ist die Anrechnungspraxis meiner<br />

Wahrnehmung nach sehr stark abhängig<br />

von dem Engagement einzelner Hochschullehrender.<br />

So werden zum Beispiel<br />

in den Fächern Maschinenbau und<br />

Mechatronik an der Hochschule Aalen<br />

in Baden-Württemberg pauschale Anrechnungsmöglichkeiten<br />

für fachaffine<br />

Fortbildungsabschlüsse mit einschlägiger<br />

Berufserfahrung angewendet. Ein hohes<br />

Engagement hängt mitunter auch damit<br />

zusammen, dass es für manche staatlichen<br />

Hochschulen einen Anreiz gibt,<br />

Bachelorstudiengänge für beruflich Qualifizierte<br />

als Weiterbildung anzubieten<br />

und eine Zielgruppe für weiterbildende<br />

und somit kostenpflichtige Studiengänge<br />

zu erschließen.<br />

An einer Hochschule in Bremen<br />

haben Studiengangsverantwortliche<br />

die Erfahrung gemacht, dass bei den<br />

<strong>Studieren</strong>den mit den klassischen<br />

Fortbildungsabschlüssen Meister<br />

und Techniker in der Regel größere<br />

Unterschiede bei den Mathematikkenntnissen<br />

vorliegen. Wurden im<br />

Rahmen der ANKOM-Projekte ähnliche<br />

Erfahrungen gemacht, die sich<br />

dann auf die Anrechnungsverfahren<br />

auswirkten?<br />

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass<br />

Mathematik kein Studienbereich ist, bei<br />

dem es um Anrechnung geht. Es studieren<br />

überhaupt nur sehr, sehr wenige<br />

<strong>Studieren</strong>de mit beruflicher Ausbildung<br />

Mathematik oder Physik. Mathematikkenntnisse<br />

sind aber in vielen anderen<br />

Studiengängen ein großes Thema, was<br />

damit zu tun hat, dass das Fach in vielen<br />

Studiengängen, zum Beispiel auch im<br />

Ingenieurstudium oder der Sozialen<br />

Arbeit wichtig ist, der letzte Mathematikunterricht<br />

bei den <strong>Studieren</strong>den mit beruflicher<br />

Aus- und Fortbildung aber sehr<br />

oft schon länger zurückliegt. Auch eine<br />

Abiturientin, deren Schulabschluss fünf<br />

Jahre zurückliegt, steht vor ähnlichen<br />

Problemen wie ein Meister, der vor fünf<br />

Jahren seine Fortbildung absolviert hat.<br />

In der Meisterfortbildung, so die Erfahrung<br />

aus den ANKOM-Projekten, scheint<br />

es eine stärkere Spreizung der Inhalte<br />

und Lernergebnisse zu geben als in der<br />

Technikerfortbildung der Fachschulen.<br />

Die Meisterfortbildung von heute ist<br />

zudem nicht vergleichbar mit der von vor<br />

15 Jahren. In einem ANKOM-Projekt hat<br />

die Prüfung für den Abschluss der Optometriemeisterin<br />

eine so große Varianz<br />

der Kompetenzen ergeben, sodass keine<br />

pauschale Anrechnung möglich gemacht<br />

werden konnte.<br />

Neben der möglicherweise unterschiedlichen<br />

Ausrichtung von Fortund<br />

Weiterbildungen spielt es ja<br />

auch eine Rolle, wie Institutionen<br />

mit den Ergebnissen der Anrechnung<br />

umgehen. Wie weit sind unsere<br />

Bundesländer darin, die bestehenden<br />

Anrechnungsmodelle mit gegenseitiger<br />

Anerkennung zu honorieren? Im<br />

konkreten Fall eines Bremer berufspädagogischen<br />

Studiengangs wurden<br />

Absolventinnen in Niedersachsen


83<br />

STUDIE<br />

nicht für Referendariate zugelassen,<br />

weil man in Niedersachsen der Ansicht<br />

war, dass ihr Abschluss unvollständig<br />

war, und zwar aufgrund der<br />

vorher erhaltenen Anrechnung von<br />

beruflich erworbenen Kompetenzen<br />

auf die Studienleistungen. Die Konsequenz<br />

war, dass die Absolventinnen<br />

die nach Ansicht der niedersächsischen<br />

Behörde fehlenden Kompetenzen<br />

›nachstudieren‹ mussten und der<br />

Studiengang in Bremen die Anrechnungsmöglichkeiten<br />

für weitere<br />

Jahrgänge deutlich eingeschränkt<br />

hat. Wie ist das zu bewerten?<br />

Einen solchen Fall habe ich noch nie<br />

gehört. Möglicherweise gibt es bei der<br />

Einstellung in den Schuldienst in Niedersachsen<br />

besondere Anforderungen. Mir<br />

sind andere Fälle bekannt, in denen verschiedene<br />

rechtliche Ebenen in Konflikt<br />

miteinander geraten. Im Rahmen eines<br />

Programms der Robert Bosch Stiftung<br />

zum Beispiel haben deutsche Krankenpflegekräfte<br />

im europäischen Ausland<br />

einen Masterabschluss erworben. Ihre<br />

Ausbildung wurde dort jeweils als Äquivalent<br />

zum Bachelorabschluss anerkannt.<br />

In Deutschland wurden diese Absolventinnen<br />

dann nicht zur Promotion zugelassen,<br />

weil ihnen der Bachelorabschluss<br />

nach deutschem Recht fehlte. Auch eine<br />

Beschäftigung als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter ist nicht möglich ohne Bachelorabschluss.<br />

Möglicherweise stellt ein Wechsel<br />

der Hochschule <strong>Studieren</strong>de vor<br />

ähnliche Probleme?<br />

Oder kann man darauf bauen, dass<br />

die aufnehmenden Hochschulen vorher<br />

angerechnete berufliche Kompetenzen<br />

ebenfalls anerkennen?<br />

Leider liegen uns über solche Fälle gar<br />

keine Daten oder Informationen vor.<br />

Meine Hypothese ist, dass es auch nicht<br />

so häufig zu Hochschulwechseln bei<br />

<strong>Studieren</strong>den mit beruflicher Ausbildung<br />

kommt. Im Prinzip wäre es aber nicht<br />

verwunderlich, wenn es Probleme gäbe.<br />

Denn die Anrechnung bezieht sich ja in<br />

der Regel nicht nur auf die ersten Semester,<br />

sondern auf den gesamten Zeitraum<br />

des Studiengangs.<br />

Noch eine Frage dazu, die vielleicht<br />

für uns noch Zukunftsmusik ist.<br />

Wenn <strong>Studieren</strong>de aufwendige<br />

individuelle Anrechnungsverfahren<br />

in Kauf nehmen, welche Möglichkeiten<br />

werden sie in Zukunft haben,<br />

darin auch non-formal und informell<br />

erworbene Kompetenzen geltend zu<br />

machen?<br />

Das ist eine berechtigte Frage. Die<br />

Anrechnung informell und non-formal<br />

erworbener Kompetenzen steckt an deutschen<br />

Hochschulen immer noch in den<br />

Kinderschuhen. Sie erfordert aufseiten<br />

der Hochschule viel Know-how. Solange<br />

die Durchführung der Verfahren in der<br />

Hand der Hochschule bleibt und nicht<br />

zentralisiert wird, werden auch nur wenige<br />

Hochschulen dazu in der Lage sein.<br />

Mit zunehmender Lebens- und Berufserfahrung,<br />

immer heterogener werdenden<br />

Lebensverläufen und kulturellen<br />

Herkünften steigt hingegen der Bedarf<br />

an Anrechnung informell und informal<br />

erworbenen Kompetenzen.<br />

Das Interview wurde geführt von<br />

Susanne Hermeling<br />

Literatur<br />

z Freitag, Walburga K. et al. (Hrsg.):<br />

Übergänge gestalten <strong>–</strong> Durchlässigkeit zwischen<br />

beruflicher und hochschulischer Bildung erhöhen,<br />

2015. Online verfügbar www.ankom.dzhw.eu /<br />

publikationen / pdf / uebergaenge_gestalten.pdf<br />

(Zugriff 16.10.2015).<br />

z Freitag, Walburga Katharina (2014):<br />

Die Anrechnung außerhochschulisch erworbener<br />

Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge <strong>–</strong><br />

ein Beitrag zur Schaffung durchlässiger Bildungswege.<br />

In: Handbuch Qualität in Studium und<br />

Lehre 47 (G 3.2): S. 105<strong>–</strong>128.<br />

z Arbeitsmaterialien zur Entwicklung, Umsetzung<br />

und Qualitätssicherung von Anrechnungsverfahren<br />

unter www.ankom.dzhw.eu / archiv


84<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

DR. CLAUDIA FENZL<br />

DR. ROLAND TUTSCHNER<br />

Zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher<br />

und hochschulischer Bildung <strong>–</strong> Konzeption und<br />

Durchführung eines berufsbegleitenden Studiengangs<br />

an der Universität Bremen<br />

Einleitung<br />

Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher<br />

und hochschulischer Bildung ist ein<br />

wichtiges Thema im Bildungsdiskurs des<br />

letzten Jahrzehnts. Dies dokumentieren<br />

nicht nur die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) zum Zugang<br />

beruflich Qualifizierter ohne schulische<br />

Hochschulzugangsberechtigung 1 und zur<br />

Anrechnung beruflicher Qualifikationen,<br />

die außerhalb des Hochschulwesens<br />

erworben wurden 2 , sondern auch eine<br />

Reihe hochschulpolitischer Initiativen<br />

des Bundesministeriums für Bildung<br />

und Forschung (BMBF), die sich auf die<br />

Durchlässigkeit zwischen beruflicher<br />

und hochschulischer Bildung richten.<br />

Parallel zu diesen Entwicklungen<br />

und Initiativen hat sich im zurückliegenden<br />

Jahrzehnt eine beinahe unübersichtliche<br />

Anzahl von Studienformaten<br />

etabliert, die sich an Studieninteressenten<br />

mit beruflichem Hintergrund<br />

richten. Im Einzelnen wären hier<br />

berufsintegrierte oder praxisintegrierte<br />

duale Studiengänge, 3 Fernstudiengänge,<br />

berufsbegleitende Studiengänge, die<br />

vornehmlich an Wochenenden und / oder<br />

Abenden stattfinden, oder Studienformate,<br />

die blockmäßig organisiert sind, zu<br />

nennen. Deren Adressaten sind vornehmlich<br />

Absolventinnen und Absolventen<br />

beruflicher Ausbildungen und beruflicher<br />

Weiterbildungsabschlüsse, wie zum<br />

Beispiel Meisterinnen und Meister und<br />

Technikerinnen und Techniker. Im<br />

wissenschaftlichen Diskurs werden diese<br />

<strong>Studieren</strong>dengruppen, die nicht über<br />

die traditionelle Hochschulzugangsberechtigung,<br />

also das Abitur verfügen, als<br />

nicht traditionell <strong>Studieren</strong>de bezeichnet.<br />

Trotz der durch die KMK-Beschlüsse<br />

deutlich erweiterten Zugangsmöglichkeiten<br />

zu Hochschulen und Universitäten ist<br />

die Quote der nicht traditionell <strong>Studieren</strong>den<br />

in Deutschland im internationalen<br />

Vergleich immer noch sehr niedrig<br />

und liegt lediglich zwischen zwei und<br />

drei Prozent. 4 Auffällig ist auch, dass<br />

nicht traditionell <strong>Studieren</strong>de bei ihrer<br />

Studienwahl wirtschafts- und sozialwissenschaftliche<br />

Studienfächer gegenüber<br />

MINT-Fächern (das heißt Mathematik,<br />

Informatik, Naturwissenschaft und<br />

Technik) favorisieren. 5 Eine Erklärung für<br />

die geringe Zahl von nicht traditionell<br />

<strong>Studieren</strong>den in naturwissenschaftlichtechnischen<br />

Studiengängen könnte die<br />

meist signifikante inhaltliche und theoretische<br />

Diskrepanz zur beruflichen<br />

Aus- und Weiterbildung sein, denn in<br />

Bezug auf Inhalt und Niveau unterscheiden<br />

sich die MINT-Studiengänge deutlicher<br />

von beruflichen Ausbildungsgängen<br />

als im wirtschaftswissenschaftlichen,<br />

sozialpädagogischen und pflegerischen<br />

Bereich.<br />

Es ist deshalb von großem empirischen<br />

Interesse, herauszufinden, welche<br />

Erfahrungen diese <strong>Studieren</strong>den in technisch<br />

ausgerichteten und berufsbegleitend<br />

organisierten universitären Studiengängen<br />

machen. Welche Konsequenzen<br />

dies für die Konzeption und Durchführung<br />

solcher Studiengänge hat, wird am<br />

Beispiel des berufsbegleitenden Bachelorstudiengangs<br />

›Berufliche Bildung‹ mit<br />

den beruflichen Fachrichtungen Elektrotechnik-Informationstechnik<br />

sowie<br />

Metalltechnik-Fahrzeugtechnik‹ gezeigt,<br />

der seit dem Wintersemester 2012 / 2013<br />

an der Universität Bremen studiert werden<br />

kann und der sich insbesondere an<br />

nicht traditionelle <strong>Studieren</strong>de richtet. 6<br />

Im ersten Teil dieses Aufsatzes wird<br />

zunächst der berufsbegleitend organisierte<br />

Studiengang ›Berufliche Bildung‹<br />

vorgestellt. Im zweiten Teil werden ausgewählte<br />

Ergebnisse der studiengangbe-


85<br />

STUDIE<br />

gleitenden Evaluation präsentiert. Dabei<br />

wird aus den Erfahrungen mit den nicht<br />

traditionell <strong>Studieren</strong>den abgeleitet, vor<br />

welchen Herausforderungen die Organisatoren<br />

und Lehrenden in einem solchen<br />

Studiengang stehen.<br />

Der berufsbegleitende Studiengang<br />

›Berufliche Bildung‹<br />

Mit dem eingangs erwähnten Erlass der<br />

KMK von 2009 erhielten Absolventinnen<br />

und Absolventen beruflicher Aufstiegsfortbildungen<br />

ohne Abitur eine allgemeine<br />

Hochschulzugangsberechtigung. 7<br />

Damit haben sich die Hochschulen<br />

formal für Meisterinnen und Meister,<br />

Technikerinnen und Techniker, Personen<br />

mit gleichgestellten Abschlüssen<br />

sowie für beruflich Qualifizierte mit<br />

Berufserfahrung geöffnet. Zulassungsvoraussetzungen<br />

für das Studium sind<br />

demnach das Abitur, die Meisterprüfung,<br />

der Technikerabschluss sowie andere<br />

berufliche Weiterbildungsabschlüsse wie<br />

›Technischer Fachwirt‹ und ›Technischer<br />

Betriebswirt‹. Auf diese <strong>Studieren</strong>dengruppen<br />

mit beruflichem Hintergrund<br />

ist der seit dem Wintersemester 2012 / 13<br />

akkreditierte berufsbegleitende Bachelorstudiengang<br />

›Berufliche Bildung‹ vorwiegend<br />

ausgerichtet.<br />

Berufsbegleitendes<br />

Veranstaltungsangebot<br />

Um für Berufstätige attraktiv zu sein,<br />

muss der neue Studiengang neben einer<br />

beruflichen Vollzeittätigkeit berufsbegleitend<br />

studierbar sein. Deshalb wurde<br />

das Veranstaltungsangebot zeitlich so<br />

umstrukturiert, dass die Mehrzahl der<br />

Veranstaltungen am späten Nachmittag<br />

und in den frühen Abendstunden (16-20<br />

Uhr) sowie in Blockveranstaltungen an<br />

Wochenenden studiert werden kann.<br />

In die berufsbegleitende Zeitstruktur<br />

konnten einzelne fachwissenschaftliche<br />

Module, das heißt sogenannte Importveranstaltungen,<br />

welche in den ingenieurwissenschaftlichen<br />

Fachbereichen<br />

stattfinden, eingebettet werden. Diese<br />

klassischen ingenieurwissenschaftlichen<br />

Pflichtveranstaltungen wie Mathematik<br />

und Technische Mechanik finden normalerweise<br />

zu den Kernstudierzeiten, also<br />

zwischen 8:00 und 16:00 Uhr statt und<br />

sind deshalb für berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de<br />

kaum belegbar. Es wurde deshalb<br />

versucht, den Studienverlaufsplan so<br />

zu konzipieren, dass nur an einem oder<br />

eineinhalb Tagen pro Woche fachwissenschaftliche<br />

Studienanteile, das heißt die<br />

Importveranstaltungen, auf dem Studienplan<br />

stehen.<br />

Das berufsbegleitende Studium führt<br />

nach sechs Semestern zum Bachelorabschluss<br />

(Bachelor of Science, B. Sc.) als<br />

ersten Abschluss und bietet den Absolventen<br />

anschließend die Möglichkeit, ein<br />

Masterstudium aufzunehmen (Lehramt<br />

an berufsbildenden Schulen / Master of<br />

Education oder Ingenieurwissenschaften /<br />

Master of Science).<br />

Der berufsqualifizierende Abschluss<br />

des Bachelorstudiums zielt auf berufliche<br />

Tätigkeiten, die in den Feldern der Berufsausbildung<br />

und Personalentwicklung<br />

liegen. Als mögliche berufliche Beschäftigungsfelder<br />

können genannt werden:<br />

z Koordination der betrieblichen Ausbildung<br />

in Unternehmen oder in überbetrieblichen<br />

Bildungseinrichtungen der<br />

Wirtschaft und der Kammern,<br />

z Konzeption und Durchführung von<br />

Schulungsmaßnahmen, Maßnahmen<br />

der Anpassungsqualifizierung in Unternehmen<br />

sowie in Bildungseinrichtungen<br />

der Wirtschaft und der Kammern,<br />

z Aus- und Fortbildungstätigkeiten an Bildungseinrichtungen<br />

der Wirtschaft und<br />

der Kammern (z. B. in überbetrieblichen<br />

Ausbildungsgängen, in der Meisterausbildung,<br />

in der beruflichen Anpassungsfortbildung)<br />

sowie im Rahmen der<br />

internationalen Zusammenarbeit,<br />

z Beratungs- und Entwicklungstätigkeit<br />

in der Lehrmittelbranche (für Lehrbücher<br />

und Lehrmedien etc.).<br />

Wird als Berufsziel das Lehramt an berufsbildenden<br />

Schulen gewählt, muss im<br />

Masterstudium das zweite Unterrichtsfach<br />

studiert werden.<br />

Anrechnung beruflicher<br />

Lernergebnisse<br />

Ein wichtiges Element des berufsbegleitenden<br />

Studiums im Studiengang<br />

›Berufliche Bildung‹ ist die Anrechnung<br />

beruflicher Lernergebnisse. Wie die<br />

veränderte Zeitstruktur soll die Anrechnung<br />

von beruflichen Lernergebnissen<br />

dazu beitragen, die doppelte Erbringung<br />

von Lernergebnissen zu vermeiden sowie<br />

das Studium für Akteure aus der beruflichen<br />

Praxis attraktiver zu machen, den


86<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Workload zu verringern und den Zugang<br />

zum Studium zu erleichtern.<br />

Um die Anrechnungspotenziale zu ermitteln,<br />

wurden nach dem Oldenburger<br />

Modell 8 mithilfe des ›Module Level Indicator‹<br />

(MLI) Äquivalenzvergleiche zwischen<br />

den Modulen des Studiengangs und den<br />

Veranstaltungen der beruflichen Fortbildungsabschlüsse<br />

Meister (Kfz-Technik),<br />

staatlich geprüfter Techniker (Maschinentechnik)<br />

und des Berufspädagogen (IHK)<br />

durchgeführt. Als Ergebnis der Äquivalenzvergleiche<br />

wurden folgende pauschale<br />

Anrechnungspotenziale ermittelt:<br />

z Kfz-Meistern mit dem Studienschwerpunkt<br />

Metall- und Kfz-Technik werden<br />

pauschal 15 CP (Kreditpunkte) angerechnet.<br />

z Technikern, die den Schwerpunkt<br />

Maschinentechnik absolviert haben,<br />

werden im Studienschwerpunkt Metall-<br />

/ Fahrzeugtechnik 22 CP pauschal<br />

angerechnet.<br />

z Der Abschluss Geprüfte / r Berufspädagoge<br />

/ in (IHK) wird mit 30 CP auf das<br />

Bachelorstudium angerechnet.<br />

Neben der pauschalen Anrechnung von<br />

beruflichen Lernergebnissen auf ausgewählte<br />

Studienmodule, wird auch die<br />

sogenannte individuelle Anrechnung, die<br />

über Portfolien und Fachgespräche zur<br />

Anrechnung von beruflichen Lernergebnissen<br />

führt, praktiziert. Durch die<br />

Kombination aus pauschaler und individueller<br />

Anrechnung kommen einzelne<br />

Meister aus dem Feld der Kfz-Technik auf<br />

eine Anrechnungssumme von über 30<br />

CP, Techniker des Schwerpunkts Maschinentechnik<br />

haben ein Anrechnungsvolumen<br />

von über 50 CP erreicht.<br />

Besonderheiten des Studienmodells:<br />

zwei Abschlüsse und<br />

›Triales Modell‹<br />

Im Studiengang ›Berufliche Bildung‹<br />

können zwei Abschlüsse erreicht<br />

werden, der Bachelor of Science sowie<br />

der Abschluss der Aufstiegsfortbildung<br />

Berufspädagoge (IHK). Der Fortbildungsabschluss<br />

Berufspädagoge (IHK) kann<br />

erreicht werden, wenn <strong>Studieren</strong>de<br />

des Studiengangs zwei der sechs Fortbildungsmodule<br />

beim bfw Oldenburg 9<br />

absolvieren, am Modul zur Prüfungsvorbereitung<br />

teilnehmen und die Abschlussprüfung<br />

bei der IHK Oldenburg absolvieren.<br />

Aus der ersten Studienkohorte<br />

haben fünf <strong>Studieren</strong>de die Fortbildung<br />

zu Berufspädagogen (IHK) erfolgreich<br />

abgeschlossen.<br />

Auf eine weitere Besonderheit des<br />

berufsbegleitenden Studiengangs, die<br />

den <strong>Studieren</strong>den mit beruflichem Hintergrund<br />

entgegenkommt, soll an dieser<br />

Stelle eingegangen werden. Der Studiengang<br />

wurde als ›Triales Modell‹ konzipiert,<br />

welches in der ersten Projektphase<br />

des vom BMBF geförderten Projektes BP@<br />

KOM entwickelt und dessen universitäre<br />

Realisierung weiterhin durch das BMBF<br />

unterstützt wird. Das Studienmodell wird<br />

als ›Triales Modell‹ bezeichnet, da das<br />

Studium an drei Lernorten (Universität,<br />

Weiterbildungseinrichtung und Betrieb)<br />

stattfindet. Das bedeutet, dass Studienleistungen<br />

sowohl an der Universität, bei<br />

kooperierenden Weiterbildungsträgern,<br />

wie dem HandWERK Bremen 10 und dem<br />

bfw Oldenburg sowie in Betrieben (zum<br />

Beispiel über betriebliche Praxisprojekte)<br />

erbracht werden können. Durch die<br />

Verknüpfung der drei Lernorte soll ein<br />

möglichst enger Bezug zur beruflichen<br />

Praxis hergestellt und aufrechterhalten<br />

werden. An der Universität und bei den<br />

Bildungsträgern werden jeweils Module<br />

angeboten, die Teil des regulären Studiums<br />

sind. An den sogenannten Projektseminaren<br />

sind Betriebe sowie die Universität<br />

beteiligt; die Verantwortung für die<br />

Leistungserbringung liegt aus sachlichwissenschaftlichen<br />

und aus rechtlichen<br />

Gründen aufseiten der Universität.<br />

Ergebnisse der Evaluation <strong>–</strong><br />

Herausforderungen in Hinblick<br />

auf die Konzeption und<br />

Organisation des Studiengangs<br />

Der Studiengang ›Berufliche Bildung‹<br />

wird seit seiner Einführung im Jahr 2012<br />

fortlaufend evaluiert. Hierbei werden<br />

neben den <strong>Studieren</strong>den selbst auch die<br />

Dozentinnen und Dozenten der Universität<br />

sowie der kooperierenden Weiterbildungsträger<br />

befragt. Es kommen neben<br />

Einzel- und Gruppeninterviews auch<br />

Evaluationsworkshops und insbesondere<br />

studienbegleitend angelegte Fragebogenerhebungen<br />

(Panelerhebungen) zum<br />

Einsatz, bei denen die <strong>Studieren</strong>den über<br />

die Dauer ihres Studiums wiederholt<br />

befragt werden. Im Folgenden werden<br />

aus den Evaluationsergebnissen die<br />

Anforderungen, die an Konzeption und


87<br />

STUDIE<br />

Organisation des berufsbegleitenden Studiengangs<br />

›Berufliche Bildung‹ zu stellen<br />

sind, abgeleitet.<br />

Umgang mit einer heterogenen<br />

Zielgruppe<br />

Von den 81 <strong>Studieren</strong>den, die zwischen<br />

den Wintersemestern 2012 / 2013 und<br />

2014 / 2015 das Studium ›Berufliche<br />

Bildung‹ aufgenommen haben, besitzen<br />

etwa zwei Drittel eine schulische<br />

Hochschulzugangsberechtigung, etwa<br />

die Hälfte dieser Abiturientinnen und<br />

Abiturienten hat darüber hinaus eine<br />

Berufsausbildung. Ein Drittel aller <strong>Studieren</strong>den<br />

(24 Personen) sind beruflich<br />

Qualifizierte ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung.<br />

Diese nicht traditionell<br />

<strong>Studieren</strong>den sind vorwiegend mit<br />

einem Meisterabschluss an die Universität<br />

gekommen (18 Personen), fünf sind<br />

staatlich geprüfte Techniker und eine<br />

weitere Person befindet sich nach einer<br />

Berufsausbildung im Probestudium.<br />

Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass<br />

sich nahezu alle <strong>Studieren</strong>den einem<br />

der folgenden drei <strong>Studieren</strong>dentypen<br />

zuordnen lassen:<br />

z <strong>Studieren</strong>de mit traditionellem<br />

Hochschulzugang ohne Berufserfahrung<br />

sind in der Regel etwa 20 Jahre<br />

alt, studieren in Vollzeit und erfahren<br />

überwiegend finanzielle Unterstützung<br />

entweder durch Eltern oder BAföG.<br />

Viele haben einen Nebenjob.<br />

z Beruflich qualifizierte <strong>Studieren</strong>de<br />

mit traditionellem Hochschulzugang<br />

haben in der Regel nach dem Abitur<br />

eine Berufsausbildung gemacht. Sie<br />

sind in den mittleren Zwanzigern und<br />

studieren ebenfalls in Vollzeit. Sie<br />

sind ausschließlich für ihren eigenen<br />

Lebensunterhalt zuständig und finanzieren<br />

diesen über BAföG, Rücklagen<br />

oder Nebenjobs.<br />

z Die nicht traditionell <strong>Studieren</strong>den<br />

sind in der Regel männlich. Sie sind<br />

etwa 40 Jahre alt und haben überwiegend<br />

Familie, häufig mit mehreren<br />

Kindern. In vielen Fällen kommen<br />

finanzielle Verpflichtungen wie abzuzahlendes<br />

Wohneigentum hinzu. Sie<br />

sind voll berufstätig, eine Reduzierung<br />

der Erwerbstätigkeit kommt aufgrund<br />

der finanziellen Verantwortung für die<br />

Familien nicht infrage.<br />

Die hier typisiert dargestellten Gruppen<br />

von <strong>Studieren</strong>den sind demnach nicht<br />

nur in Hinblick auf ihre Hochschulzugangsberechtigung<br />

und ihre bisherigen<br />

Lern- und Berufserfahrungen heterogen.<br />

Sie sind in unterschiedlichen Lebensphasen,<br />

tragen in verschiedenem Maße<br />

Verantwortung für andere, verbinden<br />

unterschiedliche Ziele und Lebensentwürfe<br />

mit ihrem Studium und organisieren<br />

ihr Leben in unterschiedlichen<br />

Zeitstrukturen. Eine solch heterogene<br />

Zielgruppe erfordert in Bezug auf die<br />

Studienorganisation und -konzeption<br />

eine hohe Flexibilität sowie ein hohes<br />

Maß an Information und Beratung und<br />

viel individuelle Betreuung.<br />

Anpassung der Lehre an die<br />

neuen Veranstaltungszeiten<br />

Vorlesungen und Seminare für berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>de durchzuführen,<br />

bedeutet nicht nur die organisatorische<br />

Verschiebung der Lehrveranstaltungen<br />

auf den Nachmittag. Zunächst gibt es<br />

eine Reihe von Widerständen gegen eine<br />

solche Verschiebung, da sie ungewohnt<br />

für die Lehrenden ist und weil ihr die<br />

Vollzeitstudierenden, als Mehrheit der<br />

<strong>Studieren</strong>den, ablehnend gegenüberstehen.<br />

Dass die sogenannten Importveranstaltungen<br />

aus den Ingenieurwissenschaften<br />

nicht berufsbegleitend<br />

angeboten werden können, verschärft<br />

diese Situation noch, da zum Teil zweigeteilte<br />

Studientage mit Vorlesungen<br />

am Vormittag und am Abend absolviert<br />

werden müssen. Den berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>den wiederum bereitet die<br />

Teilnahme an Importveranstaltungen<br />

große Schwierigkeiten, da diese in der<br />

Regel vormittags, also zu ihren üblichen<br />

Arbeitszeiten stattfinden.<br />

Eine besondere Herausforderung<br />

innerhalb der berufsbegleitend angebotenen<br />

Lehrveranstaltungen ist die Anwendung<br />

geeigneter Lern- und Lehrmethoden.<br />

Die berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>den<br />

haben zu Beginn der Nachmittags- oder<br />

Abendveranstaltungen einen vollständigen<br />

Arbeitstag hinter sich und sind oft<br />

entsprechend erschöpft. Die Dozentinnen<br />

und Dozenten beschreiben in den<br />

Interviews, dass sie daher stets versuchen,<br />

eine gute Balance aus aktivierenden und<br />

eher regenerativen Phasen herzustellen<br />

und dabei gleichzeitig die Heterogenität<br />

der Teilnehmenden zu berücksichtigen.


88<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Ähnliches gilt für Blockveranstaltungen<br />

am Wochenende, die anders zu konzipieren<br />

sind als wöchentlich stattfindende<br />

Seminare.<br />

Umgang mit unterschiedlichen<br />

Vorkenntnissen zu Studienbeginn<br />

Die Vorläufer des Studiengangs ›Berufliche<br />

Bildung‹ waren konzeptionell auf<br />

den Kenntnisstand von Abiturientinnen<br />

und Abiturienten ausgerichtet <strong>–</strong> dies<br />

gilt letztlich trotz der zusätzlichen<br />

Zielgruppe auch für das Curriculum<br />

und den Standard-Studienverlauf des<br />

aktuellen Studiengangs. Einerseits verfügen<br />

die beruflich Qualifizierten über<br />

viele Erfahrungen in Hinblick auf ihr<br />

Berufsbild und die Fachrichtung ihres<br />

Studiengangs, andererseits bringen sie<br />

weit weniger Wissen und Kompetenzen<br />

aus ihrer Schulzeit mit, die zudem oft<br />

noch viele Jahre zurückliegt. Diesen<br />

Voraussetzungen wird durch die bereits<br />

beschriebenen Angebote der pauschalen<br />

und individuellen Anrechnung beruflicher<br />

Lernergebnisse Rechnung getragen.<br />

Dort, wo den nicht traditionell <strong>Studieren</strong>den<br />

Vorkenntnisse fehlen, müssen<br />

im Studium Unterstützungsmaßnahmen<br />

angeboten werden. Zur Identifikation<br />

der signifikantesten Schwierigkeiten<br />

wurden daher die <strong>Studieren</strong>den nach<br />

ihrer Selbsteinschätzung sowie nach<br />

›Hürdenfächern‹ befragt. Ergänzt wurde<br />

dies durch die Einschätzung der Lehrenden.<br />

Die nicht traditionell <strong>Studieren</strong>den<br />

selbst benannten einerseits die ingenieurwissenschaftlichen<br />

Veranstaltungen als<br />

Hürdenfächer, allen voran das Fach Mathematik,<br />

andererseits sahen sie Schwierigkeiten<br />

im Umgang mit Texten, sowohl<br />

beim Lesen wissenschaftlicher Texte als<br />

auch beim Schreiben eigener Arbeiten.<br />

Die Dozentinnen und Dozenten ergänzten<br />

diese Selbsteinschätzung noch durch<br />

den Aspekt, dass es den nicht traditionell<br />

<strong>Studieren</strong>den schwerfiele, Sachverhalte<br />

aus mehreren Perspektiven zu betrachten<br />

und infrage zu stellen sowie nicht eindeutige<br />

Ergebnisse zu akzeptieren.<br />

Um diese Schwierigkeiten zu meistern,<br />

wurden zwei Brückenkurse etabliert: ein<br />

Vorbereitungskurs zu mathematischen<br />

Grundlagen sowie ein Kurs zur ›Einführung<br />

in das wissenschaftliche Arbeiten‹.<br />

Das Curriculum des Brückenkurses<br />

›Einführung in das wissenschaftliche<br />

Arbeiten‹ ist seit seiner Implementierung<br />

immer wieder angepasst und stärker<br />

auf die Zielgruppe der nicht traditionell<br />

<strong>Studieren</strong>den zugeschnitten worden.<br />

In Hinblick auf das Fach Mathematik<br />

zeigte sich jedoch, dass der Brückenkurs<br />

trotz vieler Teilnehmender und guter<br />

Bewertung nicht ausreichte, um die <strong>Studieren</strong>den<br />

auf die Importveranstaltung<br />

›Mathematik I‹ in den ingenieurwissenschaftlichen<br />

Fachbereichen vorzubereiten,<br />

die Durchfallquote insbesondere<br />

der nicht traditionell <strong>Studieren</strong>den blieb<br />

hoch. Hierbei spielte unter anderem eine<br />

Rolle, dass der Dozent einer Mathematikveranstaltung<br />

für Produktionstechnik<br />

und Wirtschaftsingenieurwesen kaum<br />

die Möglichkeit hat, auf die Besonderheiten<br />

einer kleinen Teilgruppe von<br />

<strong>Studieren</strong>den der ›Beruflichen Bildung‹<br />

einzugehen. Mittlerweile werden<br />

Erfahrungen mit einem eigenen Mathematikangebot,<br />

bestehend aus den<br />

Veranstaltungen ›Grundlagen der Mathematik‹<br />

und ›Mathematik I‹ innerhalb des<br />

Studiengangs gesammelt. Es stellt sich<br />

der Herausforderung, einerseits Teilnehmende<br />

mit unterschiedlichen Vorkenntnissen<br />

zu berücksichtigen, andererseits<br />

ein maßgeschneidertes Curriculum für<br />

angehende Berufsschullehrer in technischen<br />

Fächern umzusetzen.<br />

Umgang mit beruflich geprägten<br />

Denk- und Arbeitsweisen<br />

Insbesondere für die nicht traditionell<br />

<strong>Studieren</strong>den sind die wissenschaftlichen<br />

Denk- und Arbeitsweisen an der Universität<br />

in der Regel eine neue Herausforderung.<br />

Bereits die Selbstorganisation<br />

des Studiums, zum Beispiel die Zusammenstellung<br />

des eigenen Studienplans<br />

oder die Anmeldung zur Prüfung fällt<br />

ihnen zu Studienbeginn relativ schwer.<br />

Sich den eigenen Lernprozess selbst zu<br />

strukturieren, wissenschaftliche Texte<br />

auf Grundlage einer eigenen Fragestellung<br />

auszuwählen oder mit unterschiedlichen<br />

Zugängen zu einem Thema<br />

zurechtzukommen, bleibt während des<br />

gesamten Bachelorstudiums eine große<br />

Herausforderung. Auch beim Erstellen<br />

eigener wissenschaftlicher Arbeiten fällt<br />

es den nicht traditionell <strong>Studieren</strong>den<br />

schwer, geeignete Fragestellungen zu entwickeln,<br />

mit unterschiedlichen Quellen<br />

umzugehen oder den Text entsprechend<br />

wissenschaftlicher Konventionen zu<br />

strukturieren. Erste Bachelorarbeiten


89<br />

STUDIE<br />

nicht traditionell <strong>Studieren</strong>der der ersten<br />

Kohorte lassen vermuten, dass sechs<br />

Semester des Bachelorstudiums nicht<br />

ausreichen, um den Umgang mit wissenschaftlichen<br />

Denk- und Arbeitsweisen<br />

ausreichend zu üben.<br />

Für die Dozentinnen und Dozenten als<br />

Lehrende und Prüfende resultiert hieraus<br />

eine besondere Anforderung. Während<br />

sie einerseits berichten, dass die Lehrveranstaltungen<br />

selbst durch die berufliche<br />

Erfahrung der nicht traditionell <strong>Studieren</strong>den<br />

bereichert werden, sind universitäre<br />

Prüfungen, Abschlussarbeiten und<br />

Bewertungen auf akademische Maßstäbe<br />

ausgerichtet. Es ist demnach Aufgabe der<br />

Dozentinnen und Dozenten, den beruflich<br />

Qualifizierten einen Übergang zu<br />

wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen<br />

zu ermöglichen und gegebenenfalls<br />

zu erleichtern.<br />

Angebot einer individuellen<br />

Studienberatung<br />

Trotz der bisher benannten Belastungen<br />

und Herausforderungen, mit denen nicht<br />

traditionell <strong>Studieren</strong>de im Studiengang<br />

›Berufliche Bildung‹ konfrontiert sind,<br />

studiert der größte Teil dieser Gruppe<br />

erfolgreich. So ist zum einen die Abbrecherquote<br />

dieser <strong>Studieren</strong>dengruppe geringer<br />

als die der traditionell <strong>Studieren</strong>den<br />

und es ist trotz der hohen Belastung<br />

durch Erwerbsarbeit, Familie und Studium<br />

zwei beruflich Qualifizierten der<br />

ersten Kohorte gelungen, ihr Bachelorstudium<br />

innerhalb der Regelstudienzeit<br />

abzuschließen. Mit günstigen Rahmenbedingungen<br />

und geeigneten Studienstrategien<br />

ist ein erfolgreiches Studium also<br />

auch für nicht traditionell <strong>Studieren</strong>de<br />

möglich. Im Rahmen der Evaluation<br />

des Studiengangs wird versucht, diese<br />

Rahmenbedingungen und Strategien zu<br />

identifizieren. Es zeichnet sich bereits<br />

ab, dass eine unterstützende Haltung des<br />

Arbeitgebers und der Familie, geeignete<br />

Arbeitszeitmodelle sowie eine gegenseitige<br />

Unterstützung der <strong>Studieren</strong>den von<br />

Bedeutung sind.<br />

Solche Erfahrungen sollen Studieninteressierten<br />

und Studienanfängerinnen<br />

und Studienanfängern frühzeitig verfügbar<br />

gemacht werden. Hierzu werden<br />

geeignete Konzepte für eine Studienberatung<br />

entwickelt, die die interindividuell<br />

unterschiedlichen Rahmenbedingungen<br />

und (Berufs-)Biografien insbesondere der<br />

nicht traditionell <strong>Studieren</strong>den berücksichtigt.<br />

Fazit<br />

Am Beispiel des berufsbegleitend organisierten<br />

Studiengangs ›Berufliche Bildung‹<br />

der Universität Bremen wurde gezeigt,<br />

mit welchen besonderen Herausforderungen<br />

nicht traditionell <strong>Studieren</strong>de im<br />

Universitätsstudium konfrontiert sind<br />

und welche Konsequenzen dies für die<br />

Konzeption und Durchführung eines<br />

berufsbegleitenden technischen Studiengangs<br />

haben muss. Neben organisatorischen<br />

Elementen wie der berufsbegleitenden<br />

Zeitstruktur des Studiums oder der<br />

Anrechnung beruflicher Lernergebnisse<br />

auf das Studium wurden weitere Bedingungen<br />

identifiziert, die für den Studienerfolg<br />

nicht traditionell <strong>Studieren</strong>der<br />

von Bedeutung sind. Im Einzelnen sind<br />

dies auf den spezifischen Wissensstand<br />

von <strong>Studieren</strong>den mit beruflichem<br />

Hintergrund zugeschnittene Brückenkurse<br />

in Hürdenfächern wie zum Beispiel<br />

Mathematik, die intensive Beschäftigung<br />

mit universitären Arbeits- und Denkweisen<br />

zu Beginn des Studiums und auf<br />

die heterogene Zusammensetzung der<br />

<strong>Studieren</strong>dengruppen ausgerichtete<br />

didaktische und curriculare Konzepte.<br />

Darüber hinaus benötigen nicht traditionell<br />

<strong>Studieren</strong>de Angebote individuell<br />

zugeschnittener Studienberatung sowie<br />

eine intensive beratende Unterstützung<br />

in den ersten Studiensemestern, um sich<br />

schneller im neuen universitären Umfeld<br />

zurechtzufinden.<br />

1 Vgl. KMK (2009).<br />

2 Vgl. KMK (2002).<br />

3 Vgl. Wissenschaftsrat (2013).<br />

4 Vgl. Dahm / Kerst (2013).<br />

5 Vgl. Baethge u. a. ( 2014).<br />

6 Die Umstellung des Studiengangs auf<br />

die berufsbegleitende Struktur sowie<br />

prozessbegleitende Evaluation wird<br />

über das Projekt BP@KOM durch das<br />

BMBF gefördert. Unterstützt wird die<br />

Implementierung der berufsbegleitenden<br />

Studienstruktur auch von der Bremer<br />

Initiative ›Offene Hochschulen‹.<br />

7 Vgl. KMK (2009).<br />

8 Vgl. Müskens / Tutschner / Wittig (2009).<br />

9 Berufsfortbildungswerk Gemeinnützige<br />

Bildungseinrichtung des DGB GmbH<br />

(bfw).<br />

10 Das HandWERK ist das Kompetenzzentrum<br />

der Handwerkskammer Bremen.


90<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Literatur<br />

z Baethge, Martin u. a. (2014):<br />

Zur neuen Konstellation zwischen Hochschulbildung<br />

und Berufsausbildung. Forum Hochschule 3 / 2014.<br />

DZHW.<br />

z Dahm, Günther / Kerst, Christian (2013):<br />

Immer noch eine Ausnahme <strong>–</strong> nicht-traditionelle<br />

<strong>Studieren</strong>de an deutschen Hochschulen.<br />

In: ZBS 2 / 2013, S. 34<strong>–</strong>39.<br />

z KMK <strong>–</strong> Kultusministerkonferenz<br />

(2002):<br />

Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens<br />

erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten auf<br />

ein Hochschulstudium. Beschluss der Kultusministerkonferenz<br />

vom 28.6.2002. Online-Zugriff:<br />

www.kmk.org / fileadmin / pdf / ZAB /<br />

Hochschulzugang_Beschluesse_der_KMK /<br />

AnrechaussHochschule.pdf (22.8.2015).<br />

z KMK <strong>–</strong> Kultusministerkonferenz<br />

(2009):<br />

Hochschulzugang für beruflich qualifizierte<br />

Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung.<br />

Beschluss der Kultusministerkonferenz<br />

vom 06.03.2009. Online-Zugriff: www.kmk.org /<br />

fileadmin / veroeffentlichungen_beschluesse /<br />

2009 / 2009_03_06-Hochschulzugang-erfulqualifizierte-Bewerber.pdf<br />

(22.8.2015).<br />

z Müskens, Wolfgang / Tutschner, Roland /<br />

Wittig, Wolfgang (2009):<br />

Improving Permeability through Equivalence<br />

Checks: an Example from Mechanical Engineering in<br />

Germany. In: Tutschner, Roland / Wittig, Wolfgang /<br />

Rami, Justin (eds.) (2009): Impuls Band 38. Herausgeber:<br />

Nationale Agentur Bildung für Europa beim<br />

Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />

S. 10<strong>–</strong>33.<br />

z Wissenschaftsrat (2013):<br />

Empfehlungen zur Entwicklung des Dualen<br />

Studiums, S. 9. Online-Zugriff:<br />

www.wissenschaftsrat.de / download / archiv /<br />

3479-13.pdf (22.8.2015).


91<br />

STUDIE<br />

DR. JULIA K. GRONEWOLD<br />

STEFANIE HIESTAND<br />

Arbeiten, Lernen und Leben in Balance?!<br />

Instrumente für Betriebe zur Verbesserung<br />

der Life-Learn-Work-Balance<br />

In aller Kürze:<br />

Die Vereinbarkeit der drei Bereiche<br />

Arbeit, Lernen und Leben spielt mit<br />

Blick auf die gesamtgesellschaftlichen<br />

Entwicklungsprozesse (zum Beispiel<br />

Demografie, Fachkräftesicherung,<br />

Veränderungen im Bildungssystem etc.)<br />

in vielen verschiedenen Feldern eine<br />

zentrale Rolle, so beispielsweise auch im<br />

Rahmen des berufsbegleitenden <strong>Studieren</strong>s.<br />

Im folgenden Beitrag wird auf Basis<br />

der Ergebnisse eines vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung (BMBF)<br />

geförderten Forschungs- und Praxisprojekts<br />

(ALLWiss) die Vereinbarkeit der Trias<br />

Arbeiten <strong>–</strong> Lernen <strong>–</strong> Leben aus betrieblicher<br />

Perspektive fokussiert. Es wird die<br />

Entwicklung von der Work-Life- zu der<br />

Work-Learn-Life-Balance (WLLB) skizziert<br />

und daraus abgeleitete Balance fördernde<br />

Instrumente vorgestellt. Ziel des Beitrags<br />

ist es, deutlich zu machen, dass WLLB<br />

ein Thema ist, welches nicht ausschließlich<br />

aus individueller, sondern auch aus<br />

betrieblicher Perspektive zu gestalten<br />

ist. Dies gilt im Besonderen dann, wenn<br />

Beschäftigte einer langfristig angelegten<br />

Weiterbildung (zum Beispiel einem berufsbegleitenden<br />

Studium) nachgehen.<br />

Arbeiten <strong>–</strong> Lernen <strong>–</strong> Leben<br />

in der Wissensarbeit <strong>–</strong> das Projekt<br />

ALLWiss<br />

Durch Veränderungen in der Arbeitswelt,<br />

demografische Entwicklungen und<br />

gewandelte Lebensmodelle haben sich<br />

tief greifende Veränderungsprozesse in<br />

den Sphären Arbeiten, Lernen und Leben<br />

ergeben. Als Folge dessen werden Beschäftigte<br />

mit sehr unterschiedlichen Vereinbarkeitsproblematiken<br />

konfrontiert: Mit<br />

den modernen Arbeitsstrukturen gehen<br />

verstärkte Anforderungen an Selbststeuerung,<br />

Selbstkontrolle und Selbstvermarktung<br />

der eigenen Arbeitskraft einher. 1<br />

Eine klare Grenzziehung zwischen<br />

Arbeits- und Freizeit sowie zwischen<br />

Arbeitsmitteln und privaten Ressourcen<br />

wird für die Beschäftigten nicht zuletzt<br />

durch betriebliche Rahmenbedingungen,<br />

wie Vertrauensarbeitszeit oder mobiles<br />

Arbeiten, immer schwieriger. 2 Die zunehmende<br />

Komplexität von Arbeitsprozessen<br />

erfordert zudem, dass sich Beschäftigte<br />

kontinuierlich <strong>–</strong> und ein Leben lang <strong>–</strong><br />

weiterbilden, um so beschäftigungsfähig<br />

zu bleiben. Ein ausgewogenes Gleichgewicht<br />

zwischen diesen drei Bereichen<br />

<strong>–</strong> im Sinne einer Work-Learn-Life-Balance<br />

<strong>–</strong> herzustellen und zu erhalten, ist eine<br />

der zentralen gesellschaftlichen, betrieblichen<br />

und individuellen Herausforderungen<br />

moderner Arbeitsgestaltung und<br />

-politik.<br />

Vor diesem Hintergrund untersuchte<br />

das interdisziplinäre Forschungs- und<br />

Praxisprojekt ›Arbeiten <strong>–</strong> Lernen <strong>–</strong> Leben<br />

in der Wissensarbeit‹ (ALLWiss) im Zeitraum<br />

von August 2009 bis April 2013 die<br />

Vereinbarkeit von Arbeiten, Lernen und<br />

Leben in der Wissensarbeit und prägte<br />

den Begriff der Work-Learn-Life-Balance<br />

(WLLB). Das ALLWiss-Projekt wurde vom<br />

Bundesministerium für Bildung und<br />

Forschung (BMBF) sowie aus Mitteln des<br />

Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.<br />

Ein interdisziplinäres Team der Berufsund<br />

Betriebspädagogik, der Betriebswirtschaftslehre<br />

und der Arbeits- und<br />

Organisationspsychologie untersuchte in<br />

Zusammenarbeit mit Unternehmen aus<br />

der IT-Branche die vielfältigen Herausforderungen<br />

bezüglich des Themenkomplexes<br />

Work-Learn-Life-Balance und<br />

entwickelte praxisorientierte Lösungen<br />

für die Erhaltung des Gleichgewichts<br />

der Bereiche Arbeit <strong>–</strong> Lernen <strong>–</strong> Leben. Im<br />

Fokus standen<br />

z die Suche nach Faktoren, die eine Balance<br />

der drei Bereiche fördern beziehungsweise<br />

deren Imbalance verhindern;<br />

z die Ermittlung von individuellen, sozialen<br />

und organisationalen Handlungs-


92<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

strategien zur Aufrechterhaltung dieser<br />

Balance<br />

z sowie die Entwicklung von Instrumenten<br />

und Gestaltungshilfen für die unternehmerische<br />

Praxis, die eine verbesserte<br />

Vereinbarkeit der Trias ermöglichen<br />

sollen.<br />

Im Rahmen des Projekts wurde die<br />

WLLB-Thematik vor allem in Hinsicht auf<br />

kleine und mittelständische Unternehmen<br />

diskutiert. Diese Fokussierung war<br />

Voraussetzung und Ziel des Projekts, das<br />

angesichts der oben genannten Veränderungen<br />

in der Arbeitswelt einen Beitrag<br />

zur Stärkung und Weiterentwicklung<br />

personalentwicklungsrelevanter Themen<br />

leisten wollte. Im Kontext der Vereinbarkeitsthematik<br />

rücken auch andere Felder<br />

in den Fokus: Beispielsweise können<br />

Personalentwicklungsabteilungen und<br />

Betriebe im Rahmen des berufsbegleitenden<br />

<strong>Studieren</strong>s zu Kooperationspartnern<br />

von Hochschulen werden; dann gilt<br />

es, das berufsbegleitende Studium, im<br />

Sinne einer betrieblichen Personalentwicklungsmaßnahme,<br />

in die Weiterentwicklung<br />

des jeweiligen Beschäftigten<br />

sinnvoll, das heißt WLLB-orientiert, zu<br />

integrieren.<br />

Von der Work-Life- zu einer<br />

Work-Learn-Life-Balance<br />

Die gegenwärtig stattfindenden Veränderungen<br />

von Arbeit, wie zum Beispiel<br />

Subjektivierung und Digitalisierung<br />

von Arbeit, bedingen eine zunehmende<br />

Auflösung beziehungsweise Entgrenzung<br />

von Strukturen betrieblich organisierter<br />

Arbeit. Neue Kooperationsformen, wie<br />

enthierarchisiertes und projektorientiertes<br />

Arbeiten in abteilungsübergreifenden<br />

Gruppen und eine selbstverantwortliche<br />

Arbeits- und Lerngestaltung sind die<br />

Folge. Dies hat wiederum Auswirkungen<br />

auf die Arbeitsbedingungen, die oftmals<br />

durch Ad-hoc-Aufgaben und geringe<br />

Standardisierung gekennzeichnet sind.<br />

Statistiken des Gesundheitswesens zeigen<br />

zudem, dass in den letzten Jahren vor<br />

allem psychische Belastungen, die auf<br />

arbeitsbezogenen Stress zurückzuführen<br />

sind, stetig zugenommen haben. 3 Als<br />

eine zentrale Stressquelle erweist sich die<br />

ständige Erreichbarkeit und die damit<br />

einhergehende Auflösung der Grenzen<br />

zwischen den Sphären Privatleben und<br />

Arbeit. So werden beispielsweise auch in<br />

der Freizeit arbeitsbezogene Ideen gesammelt<br />

sowie berufliche E-Mails gelesen und<br />

bearbeitet. Grenzziehungen zwischen<br />

Arbeits- und Freizeit sowie zwischen<br />

Arbeits- und Wohnort erodieren. 4<br />

In Bezug auf das Lernen kann für<br />

moderne Arbeit, die wissensintensiv und<br />

komplex ist, festgestellt werden, dass<br />

Beschäftigte das Lernen als integralen<br />

Bestandteil ihrer Arbeit betrachten. Für<br />

sie ist es Voraussetzung und Herausforderung<br />

zugleich: Einerseits wird Lernen<br />

mit Arbeiten gleichgesetzt, andererseits<br />

besteht die Notwendigkeit, zwischen<br />

Lern- und Arbeitsprozess zu differenzieren.<br />

5 Dies ist vor allem dann der Fall,<br />

wenn Beschäftigte berufsbegleitend<br />

studieren, denn das Studium findet in<br />

der Regel außerhalb des Arbeitsortes<br />

statt. Dennoch sind berufsbegleitende<br />

Studiengänge häufig durch eine starke<br />

Praxisorientierung gekennzeichnet,<br />

sodass wiederum eine Nähe zur Arbeitstätigkeit<br />

entstehen kann. Die aktive und<br />

bewusste Gestaltung der Lernprozesse<br />

in und außerhalb des Betriebes ist somit<br />

ohne eine persönliche Systematisierung<br />

des Prozesses schwierig. 6<br />

Moderne Arbeit bringt in ihrer Struktur<br />

(zum Beispiel durch große Handlungsspielräume)<br />

zwar grundsätzlich<br />

förderliche Voraussetzungen für das Lernen<br />

mit, jedoch resultieren daraus auch<br />

Lernhindernisse. Beispielsweise besteht<br />

häufig keine ausreichende Verknüpfung<br />

von formellem und informellem Lernen<br />

sowie eine mangelnde Eindeutigkeit zwischen<br />

Arbeits- und Lernorganisationsformen.<br />

7 Diese drückt sich einerseits in dem<br />

Verhältnis von Arbeiten und Lernen aus,<br />

wie dies eine befragte Person im ALLWiss-<br />

Projekt formuliert:<br />

›In der Zeit, wenn sie neue Dinge lernen,<br />

können sie nicht arbeiten! Weil da lernen<br />

sie ja! Das ist schon immer ein Problem,<br />

seinem Vorgesetzten klarzumachen,<br />

okay, es ist hier jetzt einfach mal<br />

Zeit, in was Neues zu investieren, sei es,<br />

dass man sich 14 Tage mal was Neues<br />

anschaut. Das ist schon ein Punkt, der<br />

schwierig ist. Weil 14 Tage kriegen sie<br />

nicht so ohne Weiteres. Das sind 14<br />

Tage, die sie nicht produktiv sind, sondern<br />

nur kosten‹ (05TMK, S. 23).<br />

Andererseits wird eine stärkere Organisation<br />

und Strukturierung von Arbeiten<br />

und Lernen gefordert:


93<br />

STUDIE<br />

›Ich würde mir eine Person wünschen<br />

oder eine ganze Abteilung wünschen,<br />

die dann nichts anderes macht, wie<br />

das ganze Jahr über alle Funktionen<br />

im Haus, angefangen vom Chef, der<br />

muss genauso lernen, bis zum kleinsten<br />

Mitarbeiter in der Logistik alles im Blick<br />

hält.‹ (02SGJ, S. 14).<br />

Hinsichtlich Beschäftigter, die parallel<br />

zu ihrer Berufstätigkeit einem Studium<br />

nachgehen, trifft diese Schwierigkeit in<br />

besonderem Maße zu. Sie benötigen organisationale<br />

Strukturen und Prozesse, die<br />

Zeit für ein reflektiertes Lernen und Arbeiten<br />

bieten und ermöglichen. 8 Zeit für<br />

bewusstes Lernen, was ein ausdrückliches<br />

Zurückziehen aus der Arbeitstätigkeit bedingt,<br />

ist jedoch häufig nicht vorhanden.<br />

Darüber hinaus spielt die ökonomische<br />

Nutzbarmachung eine zentrale Rolle: Der<br />

Erfolg eines Lernprozesses stellt sich für<br />

die Organisation erst dann ein, wenn ein<br />

Nutzen in Bezug auf die ökonomischen<br />

Interessen generiert wird. Ein <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

Studium ist jedoch auf einen<br />

längeren Zeitraum ausgelegt, sodass sich<br />

der Nutzen daraus für den Betrieb erst<br />

zu einem späteren Zeitpunkt ergibt. Die<br />

Zeit als beeinträchtigender Faktor sowie<br />

das Paradigma der betrieblichen Verwertbarkeit<br />

des Lernens kristallisieren sich<br />

somit als zentrale Herausforderungen im<br />

Zusammenhang mit Lernen und Arbeiten<br />

in der modernen Arbeit heraus. 9<br />

Die beschriebenen Entgrenzungstendenzen<br />

machen deutlich, dass das Lernen<br />

in der Arbeit einen zentralen Stellenwert<br />

einnimmt und es neben der Vereinbar-<br />

keit von Arbeiten und Leben auch um die<br />

Vereinbarkeit von Arbeiten und Lernen<br />

geht. Betriebe sind in dieser Hinsicht<br />

gefordert Strukturen bereitzustellen, die<br />

die Vereinbarkeit von Arbeiten, Lernen<br />

und Leben ermöglichen. Vor diesem<br />

Hintergrund kann es in der modernen<br />

Arbeit nicht mehr nur um eine Work-<br />

Life-, sondern um eine Work-Learn-<br />

Life-Balance gehen.<br />

Das WLLB-Rahmenmodell<br />

Das WLLB-Rahmenmodell basiert auf<br />

dem Job-Demands-Resources-Modell. 10<br />

Das Modell bietet in seiner ursprünglichen<br />

Version zum einen die Möglichkeit,<br />

das vorhandene Potenzial sinnerfüllter,<br />

persönlichkeitsförderlicher und innovationsförderlicher<br />

Wissensarbeit zu<br />

nutzen. Zum anderen können damit die<br />

aus Überforderung und Belastung hervorgehenden<br />

destabilisierenden Risiken<br />

für Beschäftigte und Unternehmen in<br />

wissensintensiven Branchen deutlich<br />

gemacht werden, um dadurch eine<br />

Vermeidung eben jener Risiken zu erreichen.<br />

Im Rahmen des ALLWiss-Projekts<br />

wurde das Job-Demands-Resource-Modell<br />

um Aspekte des beruflichen Lernens<br />

und Privatlebens erweitert sowie um die<br />

Work-Learn-Life-Handlungsstrategien<br />

und -Maßnahmen ergänzt. 11 Das WLLB-<br />

Rahmenmodell bietet damit einen<br />

Erklärungsansatz, wie eine ausgewogene<br />

Work-Learn-Life-Balance gelingen kann.<br />

Folgende Abbildung veranschaulicht<br />

das WLLB-Rahmenmodell:<br />

Abb. 1:<br />

WLLB-Rahmenmodell<br />

Anforderungen / Belastungen<br />

Arbeit<br />

Lernen<br />

(Privat-)Leben<br />

Ressourcen<br />

Arbeit<br />

Lernen<br />

(Privat-)Leben<br />

WLLB-Handlungsstrategien /<br />

Maßnahmen<br />

Auswirkungen (Individuum)<br />

Befinden<br />

Einstellung<br />

Verhalten<br />

Quelle: Vgl. Antoni et al. (2014), S. 108


94<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Im Modell wird ersichtlich, dass die<br />

WLLB-Handlungsstrategien und -Maßnahmen<br />

die Anforderungen und Ressourcen<br />

der einzelnen Beschäftigten beeinflussen<br />

und letztlich Auswirkungen auf das<br />

Befinden, die Einstellungen und das<br />

Verhalten des Individuums haben. Da<br />

der Einzelne innerhalb der Organisation<br />

in Arbeitsgruppen, Teams oder Abteilungen<br />

agiert, beeinflussen die WLLB-<br />

Handlungsstrategien und -Maßnahmen<br />

indirekt auch die Arbeitsgruppen und<br />

haben letztlich auch Auswirkungen auf<br />

die Organisation als Ganzes. Dies gilt<br />

sowohl für individuelle WLLB-Handlungsstrategien<br />

als auch für organisationale<br />

WLLB-Instrumente und -Maßnahmen. 12 Es<br />

wird deutlich, dass es um das komplexe<br />

Zusammenspiel verschiedener Dimensionen<br />

geht: Arbeits-, Lern- und Lebenszeit,<br />

Leistung und Anerkennung, Anforderungen<br />

und Kompetenzen, Belastungen<br />

und Ressourcen. Daraus folgt: WLLB ist<br />

kein Zustand, sondern ein dynamisches<br />

Verhältnis, in das Veränderungen und<br />

Flexibilitätserfordernisse der Arbeitswelt,<br />

aber auch der privaten Lebenswelt und<br />

des individuellen Lernens eingehen. Dieses<br />

Verhältnis muss immer wieder neu<br />

justiert werden.<br />

Work-Learn-Life-Balance in der<br />

betrieblichen Praxis <strong>–</strong> Instrumente<br />

und Gestaltungshilfen<br />

Die Vereinbarkeit der drei Bereiche ist<br />

nicht eindimensional zu betrachten, da<br />

es durch die vielgestaltigen Formen von<br />

Arbeit, Lebensentwürfen und Lernbiografien<br />

zu den unterschiedlichsten Konstellationen<br />

der Bereiche Arbeiten, Lernen<br />

und Leben kommen kann. Ein Beschäftigter,<br />

der beispielsweise ein <strong>berufsbegleitendes</strong><br />

Studium aufgenommen hat,<br />

wird andere Strategien der Vereinbarkeit<br />

favorisieren, als ein Beschäftigter, welcher<br />

gerade eine Familie gegründet hat<br />

oder einer Pflegetätigkeit im Privatleben<br />

nachkommen muss. Balance wird also<br />

subjektiv sehr unterschiedlich bewertet<br />

und ist abhängig von der jeweiligen<br />

Lebensphase oder -situation. 13 Vor diesem<br />

Hintergrund konnten im Rahmen des<br />

ALLWiss-Projekts folgende vier unterschiedliche<br />

Work-Learn-Life-Balance-<br />

Typen analysiert werden:<br />

z WLLB-Typ I <strong>–</strong> strikte Trennung<br />

z WLLB-Typ II <strong>–</strong> kleine Überschneidungen<br />

z WLLB-Typ III <strong>–</strong> große Überschneidungen<br />

z WLLB-Typ IV <strong>–</strong> völlige Überschneidung<br />

Die verschiedenen Typen zeigen, dass<br />

WLLB kein starrer Zustand ist, sondern<br />

als dynamischer Prozess zu verstehen<br />

und zu gestalten ist. In Abhängigkeit<br />

bestimmter Faktoren, wie zum Beispiel<br />

Dauer der Betriebszugehörigkeit, Karriere-<br />

und Lebensplanungen, Identifikation<br />

mit Unternehmen, haben die Personen<br />

des jeweiligen Typus unterschiedlichste<br />

Strategien zur Erhaltung ihrer WLLB<br />

entwickelt <strong>–</strong> von einer strikten Trennung<br />

bis hin zu einer völligen Entgrenzung<br />

der drei Bereiche. 14 Die Typisierung<br />

liefert für die betriebliche Praxis erste<br />

Handlungsansätze, da diese Strategien<br />

sowohl individuell als auch sozial oder<br />

organisational angelegt sind 15 und damit<br />

in der betrieblichen Ablauf- und Organisationsstruktur<br />

Berücksichtigung finden<br />

können. Zudem dient die Typisierung<br />

als Reflexionsbasis für Personalentwicklungsinstrumente,<br />

wie Trainings,<br />

Workshops und Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgespräche.<br />

Darüber hinaus wurden in dem Projekt<br />

ALLWiss zur konkreten Gestaltung<br />

gemeinsam mit den Akteuren in den<br />

Unternehmen verschiedene Instrumente<br />

zur Verbesserung der Vereinbarkeit von<br />

Arbeit, Lernen und Leben entwickelt, die<br />

auf unterschiedlichen Ebenen und mit<br />

unterschiedlichen Intentionen ansetzen.<br />

16<br />

Der WLLB-UnternehmensCheck<br />

Der WLLB-UnternehmensCheck kann<br />

als strukturiertes beziehungsweise<br />

standardisiertes Befragungsinstrument<br />

eingesetzt werden, um herauszufinden,<br />

wie die Vereinbarkeit von Arbeit, Lernen<br />

und Privatleben im Unternehmen aktuell<br />

eingeschätzt wird. Der WLLB-UnternehmensCheck<br />

macht deutlich, was sich in<br />

Bezug auf die WLLB der Beschäftigten als<br />

förderlich und was sich als hinderlich<br />

erweist. Das Instrument kann sowohl zur<br />

Einzelbefragung (Führungskräfte, Mitarbeiter,<br />

Betriebs- oder Personalrat) als auch<br />

zur Befragung von Gruppen oder für das<br />

gesamte Unternehmen eingesetzt werden.<br />

Zudem bietet es sich als ›Einstiegs-


95<br />

STUDIE<br />

instrument‹ an, um sich dem Thema<br />

WLLB systematisch zu nähern. Auf Basis<br />

der Ergebnisse des UnternehmensChecks<br />

kann dann entschieden werden, ob im<br />

nächsten Schritt beispielsweise eine<br />

WLLB-Teamanalyse durchgeführt wird.<br />

Die Fragen des UnternehmensChecks<br />

orientieren sich<br />

z am WLLB-Status (also an den aktuellen<br />

Konstellationen und Herausforderungen).<br />

Hier wird zum Beispiel gefragt:<br />

Welche besonderen WLLB-Konstellationen<br />

gibt es Ihrer Meinung nach in<br />

Ihrem Unternehmen? Wie erleben die<br />

Beschäftigten Ihrer Meinung nach die<br />

Auswirkungen der Vereinbarkeitsanforderungen<br />

von Arbeit, Lernen (berufliche<br />

Weiterbildung / Entwicklung) und<br />

(Privat-)Leben in Ihrem Unternehmen?<br />

z an den WLLB-Ursachen (das heißt an<br />

den wahrgenommenen Belastungen<br />

und Ressourcen). Beispielsweise wird<br />

gefragt: Welche Anforderungen stellen<br />

Arbeit, Lernen / berufliche Entwicklung<br />

und (Privat-)Leben und deren Vereinbarkeit<br />

Ihrer Meinung nach an die Beschäftigten?<br />

Über welche Mittel (individuell,<br />

Team, Unternehmen) verfügen die<br />

Beschäftigten Ihrer Meinung nach, um<br />

Vereinbarkeit herzustellen?<br />

z und an der WLLB-Ausstattung (das heißt<br />

an vorhandenen und genutzten Maßnahmen,<br />

Lösungen und Veränderungsprozessen).<br />

Beispielfragen für diesen<br />

Bereich lauten: Welche Maßnahmen<br />

gibt es Ihrer Kenntnis nach in Ihrem<br />

Unternehmen, die zur besseren Verein-<br />

barkeit von Arbeit, Lernen und (Privat-)<br />

Leben der Beschäftigten beitragen?<br />

Welche Prozesse, Hilfsmittel etc. gibt es<br />

Ihrer Kenntnis nach in Ihrem Unternehmen<br />

hinsichtlich der besseren Vereinbarkeit<br />

von Arbeit, Lernen und (Privat-)<br />

Leben der Beschäftigten?<br />

Die Auswertung der Ist-Situation erfolgt<br />

elektronisch, wobei das Ergebnis in Form<br />

eines Ampelsystems dargestellt wird. 17<br />

Die WLLB-Teamanalyse<br />

Die WLLB-Teamanalyse ist ein beteiligungsorientiertes<br />

Verfahren, bei dem<br />

die Beschäftigten Ursachen und Lösungsstrategien<br />

für WLLB-Probleme erörtern.<br />

Durch die Teamanalyse werden zum<br />

Beispiel Stressfaktoren in der Arbeit, Probleme<br />

mit ›Werkzeugen‹ in der täglichen<br />

Arbeit, Faktoren der Arbeitsplatz(un)<br />

zufriedenheit oder Faktoren, die zu einer<br />

Imbalance von Arbeit, Lernen und Privatleben<br />

führen, beschrieben und analysiert.<br />

Ziel ist es, dass Unternehmen dieses Instrument<br />

auch zur betrieblichen Organisationsentwicklung<br />

nutzen können.<br />

Daher wurden im Rahmen des ALLWiss-<br />

Projektes Beschäftigte zu Moderatoren<br />

ausgebildet, die die einzelnen Workshops<br />

über die Projektlaufzeit hinaus anleiten<br />

und begleiten. Die WLLB-Teamanalyse<br />

kann sowohl ›prophylaktisch‹ als auch<br />

›kurativ‹ in Teams eingesetzt werden. Sie<br />

gliedert sich in fünf moderierte Workshops:<br />

Abb. 2:<br />

Teamanalyseworkshops<br />

1. WS<br />

2. WS<br />

3. WS<br />

4. WS<br />

5. WS<br />

Matrix Scoring<br />

Folgen/<br />

Ursachenanalyse<br />

Lösungsfindung Lösungsumsetzung Evaluation<br />

Quelle: Eigene Darstellung


96<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Ziel des ersten Workshops ist es, aktuelle<br />

WLLB-Probleme innerhalb des Teams<br />

zu identifizieren, wie beispielsweise<br />

ständige Arbeitsunterbrechungen durch<br />

E-Mails, Anrufe und Anfragen von<br />

Kollegen. Im zweiten Workshop stehen<br />

die Folgen und die Ursachen der zuvor<br />

identifizierten Probleme im Vordergrund:<br />

So folgen zum Beispiel aus den<br />

stetigen Arbeitsunterbrechungen Zeitdruck,<br />

Konzentrationsschwierigkeiten<br />

und Einschränkung der konzeptionellen<br />

und kreativen Arbeitsanteile. Dies kann<br />

wiederum zu Frust und zu Belastungen<br />

in der Kommunikation zwischen den<br />

Teammitgliedern führen. Als Ursache<br />

lassen sich zum Beispiel eine fehlende<br />

Priorisierung und ein nicht abgestimmtes<br />

kollektives Zeitmanagement identifizieren.<br />

Im Fokus des dritten Workshops<br />

steht die Findung von teamspezifischen<br />

Lösungsmöglichkeiten. Hierbei werden<br />

gemeinsam Indikatoren erarbeitet, an<br />

denen das Team zusammen und jedes<br />

Mitglied individuell die jeweiligen<br />

Lösungsmöglichkeiten beurteilen kann.<br />

Der vierte Workshop dient der konkreten<br />

Lösungsumsetzung, das heißt, es werden<br />

gemeinsam Maßnahmen erarbeitet und<br />

ein Aktionsplan aufgestellt: Beispielsweise<br />

könnten die Folgen und Ursachen<br />

von Arbeitsunterbrechungen durch konkrete<br />

Maßnahmen, wie die Festlegung<br />

bestimmter Zeitlots für die Bearbeitung<br />

von E-Mails und konzeptioneller Arbeit,<br />

Teil eines solchen Aktionsplanes sein.<br />

Aber auch die Klärung von Verantwortlichkeiten<br />

und der Ausbau von Handlungs-<br />

und Entscheidungsspielräumen<br />

können weitere Maßnahmen darstellen.<br />

Durch eine teamspezifische Bearbeitung<br />

lassen sich teamspezifische Maßnahmen<br />

partizipativ entwickeln, welche auf<br />

hohe Akzeptanz und Engagement bei<br />

der Umsetzung stoßen. Diese Phase der<br />

WLLB-Teamanalyse bietet insofern ein<br />

hohes Potenzial für betriebliche (Prozess-)<br />

Innovationen und die Organisationsentwicklung.<br />

Im letzten Workshop wird<br />

der Prozess der Maßnahmenumsetzung<br />

evaluiert, das heißt, die Teammitglieder<br />

bewerten den Umsetzungsstand sowie die<br />

Qualität der Umsetzung (hier erweisen<br />

sich die zuvor festgelegten Indikatoren<br />

als hilfreich). Darüber hinaus wird der<br />

gesamte WLLB-Teamanalyseprozess reflektiert.<br />

Diese kollektive Reflexion 18 fördert<br />

sowohl individuelle als auch kollektive<br />

Lernprozesse, da auf diese Weise<br />

implizite Erfahrungen bewusst werden<br />

und für zukünftige Arbeitshandlungen<br />

nutzbar werden. Zudem stößt diese<br />

kollektive Reflexion eine verbesserte und<br />

effektive Kommunikation innerhalb des<br />

Teams an.<br />

Das WLLB-Mitarbeitergespräch<br />

Für das WLLB-Mitarbeitergespräch wurde<br />

ein WLLB-basierter Fragenkatalog entwickelt,<br />

der als Grundlage für Mitarbeitergespräche<br />

in der Personalentwicklung<br />

eingesetzt wird. Der Fragenkatalog kann<br />

für unterschiedlichste Gespräche (Beurteilungs-,<br />

Entwicklungs- und Zielvereinbarungsgespräche)<br />

eingesetzt werden.<br />

Ziel ist jedoch immer, dass die Fragen aus<br />

dem WLLB-Fragenkatalog auf eine individuelle<br />

und angemessene Vereinbarkeit<br />

der Bereiche Arbeiten, Lernen und Leben<br />

gerichtet sind, um dadurch die Reflexion<br />

über die persönliche Work-Learn-Life-<br />

Balance anzustoßen. 19 Der Fragenkatalog<br />

leistet damit einerseits Unterstützung<br />

bei der Abklärung und Optimierung der<br />

betrieblichen Rahmenbedingungen für<br />

das Lernen und Arbeiten, andererseits<br />

werden mögliche Hindernisse im beruflichen<br />

und im privaten Kontext benannt<br />

und Ressourcen der Beschäftigten identifiziert<br />

und mobilisiert.<br />

Um für die Vereinbarkeitsthematik im<br />

Allgemeinen und hinsichtlich der Fragen,<br />

die sich auf den privaten Bereich der<br />

Beschäftigten beziehen, im Besonderen<br />

zu sensibilisieren, wurde im Rahmen des<br />

Projekts ein Workshop mit den Führungskräften<br />

durchgeführt. In diesem Workshop<br />

wurde zum einen dargelegt, dass es<br />

bei dem WLLB-Mitarbeitergespräch nicht<br />

in erster Linie um die Leistungskontrolle<br />

der Beschäftigten geht, sondern um<br />

deren Weiterentwicklung. Zum anderen<br />

erfolgte eine Sensibilisierung und Erarbeitung<br />

von Umgangsstrategien hinsichtlich<br />

privater Themen der Beschäftigten,<br />

die bei der Durchführung des WLLB-<br />

Mitarbeitergesprächs einfließen können<br />

und durchaus auch sollen: Beispielsweise<br />

können angespannte familiäre Verhältnisse,<br />

wie die Pflege eines Angehörigen,<br />

Probleme in Partnerschaft oder Kindererziehung,<br />

Ursachen für die Belastungssituationen<br />

und Lernhindernisse sein und<br />

sich auf die Arbeitstätigkeit auswirken.<br />

Im Workshop wurden solche Situationen


97<br />

STUDIE<br />

und mögliche Abgrenzungsstrategien<br />

und Gesprächskompetenzen besprochen,<br />

um im WLLB-Mitarbeitergespräch<br />

adäquat reagieren zu können. Deutlich<br />

wurde dabei, dass eine Führungskraft<br />

nicht verantwortlich für die Klärung<br />

privater Schwierigkeiten ist, dennoch<br />

über diesbezügliche Probleme informiert<br />

werden muss, damit effektive Maßnahmen<br />

zur Unterstützung des jeweiligen<br />

Beschäftigten ausgewählt und gemeinsam<br />

vereinbart werden können. 20<br />

Das WLLB-Mitarbeitergespräch umfasst<br />

zwei Teile: Im ersten Teil erfolgt ein Rückblick<br />

auf die vergangene Arbeitsperiode.<br />

Hier wird beispielsweise gefragt: Welche<br />

Vereinbarungen wurden für den zurückliegenden<br />

Zeitraum getroffen? Bei dieser<br />

Frage kann auch das Protokoll des letzten<br />

Mitarbeitergesprächs als Grundlage<br />

dienen. Es wird darüber gesprochen, was<br />

erreicht wurde und was nicht und worin<br />

die Gründe für die Nicht-Erreichung<br />

liegen. Weiter wird zum Beispiel gefragt:<br />

Was ist seit dem letzten Gespräch gut<br />

gelungen und was nicht?<br />

Im zweiten Teil des Gesprächs wird<br />

entlang folgender vier Themenbereiche<br />

auf die derzeitige und zukünftige Arbeitssituation<br />

eingegangen:<br />

z Arbeitsaufgaben: Es werden Fragen zur<br />

Planung, Organisation und Erfüllung<br />

der Arbeitsaufgaben und zu Überforderung<br />

oder Unterforderung bei den<br />

Aufgaben sowie zu benötigten Qualifikationen<br />

und Kompetenzen gestellt.<br />

z Arbeits- und Lernkultur: Es werden<br />

Fragen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes,<br />

zu technischen Hilfsmitteln und<br />

Arbeitsmaterialien, Arbeitszeitregelungen<br />

und -modellen sowie Fragen zu<br />

körperlichen Belastungen und gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen gestellt.<br />

z Zusammenarbeit und Führung: In<br />

diesem Themenkomplex richten sich<br />

die Fragen auf die Zusammenarbeit mit<br />

Kollegen und anderen Abteilungen,<br />

den Informationsaustausch und die<br />

Kommunikation sowie auf die Rolle als<br />

Führungskraft.<br />

z Veränderungs- und Entwicklungsperspektiven:<br />

Mit Blick auf die Zukunft<br />

werden durch die Fragen mögliche<br />

betriebliche Veränderungen besprochen<br />

und über die weitere Kompetenzentwicklung<br />

und die Karriereperspektiven<br />

beraten.<br />

Zwar sollten alle vier Themenbereiche im<br />

WLLB-Mitarbeitergespräch berücksichtigt<br />

werden, jedoch haben die jeweiligen<br />

Gesprächspartner (Führungskraft und<br />

Mitarbeiter) die Möglichkeit, Schwerpunkte<br />

im Gespräch zu setzen, sodass<br />

eine individuelle Förderung der Work-<br />

Learn-Life-Balance des Mitarbeiters fokussiert<br />

werden kann.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Ziel des ALLWiss-Projekts war die Entwicklung,<br />

Erprobung und Verbreitung<br />

von wirksamen Work-Learn-Life-Interventionen<br />

in Form von Instrumenten für<br />

verschiedene Handlungsfelder, damit Unternehmen<br />

und Beschäftigte den wachsenden<br />

Anforderungen an eine Balance<br />

von Flexibilität und Stabilität in der<br />

Arbeits- und Lebenswelt begegnen können.<br />

Es zeigte sich, dass der Rückgriff auf<br />

Strategien und Angebote zur Ausbalancierung<br />

der Trias Arbeiten, Lernen und<br />

Leben von der individuellen Lebensphase,<br />

in der sich ein Beschäftigter aktuell<br />

befindet, abhängig ist. Beschäftigte, die<br />

beispielsweise einer längerfristigen Weiterbildung<br />

wie einem berufsbegleitenden<br />

Studium nachgehen, werden andere<br />

Strategien der Vereinbarkeit favorisieren<br />

als Beschäftigte, die gerade ein Haus<br />

bauen, eine Familie gegründet haben<br />

oder einer Pflegetätigkeit im Privatleben<br />

nachkommen. So kann zum Beispiel die<br />

Möglichkeit, Gleitzeit oder Home Office<br />

in Anspruch zu nehmen für Beschäftigte<br />

mit Kindern dazu dienen, Arbeiten,<br />

Lernen und Leben besser miteinander zu<br />

verbinden. Beschäftigte ohne Kinder und<br />

mit einem Partner in Vollzeitbeschäftigung<br />

werden hingegen eine solche Maßnahme<br />

eher nicht in Anspruch nehmen<br />

wollen, da diese nicht zu der aktuellen<br />

Lebenssituation passt. 21<br />

Bezogen auf die Thematik des berufsbegleitenden<br />

<strong>Studieren</strong>s sind Unternehmen,<br />

deren Beschäftigte eine solche Form<br />

der Weiterqualifizierung gewählt haben,<br />

gefordert, das Studium als wissenschaftliche<br />

Weiterbildung und damit als langfristige<br />

Personalentwicklungsmaßnahme zu<br />

begreifen und entsprechend zu fördern.<br />

Hier deutet sich ein Paradigmenwechsel<br />

in Bezug auf die Haltung zu dem Verhältnis<br />

von Weiterbildung und betrieblichem<br />

Nutzen dieser Weiterbildung an: Die<br />

Sichtweise, dass mit einer Weiterbildung


98<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

ein direkter unmittelbarer Nutzen im<br />

ökonomischen Sinn verbunden sein<br />

muss, kann vor dem Hintergrund einer<br />

langfristigen Ausrichtung der Personalund<br />

Organisationsentwicklung sowie der<br />

gesellschaftspolitischen Veränderungen<br />

(Globalisierung und Digitalisierung, demografischer<br />

Wandel, Fachkräfteengpässe<br />

etc.) nicht aufrechterhalten werden.<br />

Im Kontext des berufsbegleitenden<br />

<strong>Studieren</strong>s und der Thematik der Vereinbarkeit<br />

von Arbeiten, Lernen und Leben<br />

kann Folgendes konstatiert werden:<br />

Damit die WLLB von beruflich qualifizierten<br />

<strong>Studieren</strong>den erhalten werden kann,<br />

wäre beispielsweise darauf zu achten,<br />

dass betriebliche Freistellungsregelungen<br />

eingehalten werden oder die Arbeit lernförderlich<br />

gestaltet wird, indem Arbeit<br />

und Lernen gezielt verbunden werden.<br />

Dies kann zum Beispiel durch Projektarbeiten<br />

aus dem Studium, welche gleichzeitig<br />

einen direkten Bezug zur beruflichen<br />

Tätigkeit aufweisen, gelingen.<br />

Auch Hochschulen beziehungsweise<br />

Anbieter von berufsbegleitenden Studiengängen<br />

sind gefordert, sich mit der<br />

beschriebenen Vereinbarkeitsthematik<br />

auseinanderzusetzen. Berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>de nehmen zum Beispiel andere<br />

Betreuungszeiten in Anspruch als Vollzeitstudierende.<br />

E-Mails und Anfragen<br />

gilt es auch am Wochenende beziehungsweise<br />

außerhalb üblicher Arbeitszeiten<br />

zu beantworten und auch Semester- und<br />

Prüfungszeiten sind mit den Arbeitszeiten<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>der<br />

abzustimmen. Dies bedeutet zum einen,<br />

dass sich auch die WLLB von Lehrenden<br />

und Koordinatoren in berufsbegleitenden<br />

Studiengängen verändert, da sich Betreuungszeiten<br />

und Unterstützungsleistungen<br />

(zum Beispiel die Organisation der<br />

Prüfungsvorbereitung) entgrenzen. Zum<br />

anderen berührt die WLLB-Thematik die<br />

Programmentwicklung der berufsbegleitenden<br />

Studiengänge: Um eine gelungene<br />

Vereinbarkeit der Trias Arbeit, Lernen<br />

und Leben für beruflich Qualifizierte zu<br />

ermöglichen, sind in den Curricula und<br />

Prüfungsordnungen Strukturen und<br />

Maßnahmen zu etablieren, die ein zeitlich<br />

flexibles <strong>Studieren</strong> erlauben.<br />

1 Vgl. exemplarisch Voß / Pongratz (1998).<br />

2 Vgl. exemplarisch Moldaschl/Voß (2002).<br />

3 Vgl. exemplarisch Lohmann-Haislach<br />

(2012).<br />

4 Vgl. Hiestand / Haunschild (2014), S. 43.<br />

5 Vgl. Müller (2015).<br />

6 Vgl. Müller / Meyer (2014), S. 82 f.<br />

7 Vgl. Hartz (2004); Rohs (2007).<br />

8 Vgl. Müller / Meyer (2014), S. 83.<br />

9 Vgl. Salman (2009).<br />

10 Vgl. Bakker / Demerouti (2007).<br />

11 Vgl. Antoni et al. (2014).<br />

12 Vgl. Antoni et al. (2014), S. 107.<br />

13 Vgl. Syrek et al. (2011).<br />

14 Vgl. dazu ausführlich Antoni et al.<br />

(2014), S. 149 ff.<br />

15 Vgl. Syrek et al. (2014).<br />

16 Die Instrumente und die entsprechenden<br />

Handreichungen können auch unter<br />

www.allwiss.de eingesehen werden.<br />

17 Vgl. ausführlich Antoni et al. (2014),<br />

S. 241 ff.<br />

18 Vgl. Müller (2015).<br />

19 Vgl. Berger et al. (2014).<br />

20 Vgl. Berger et al. (2014), S. 263.<br />

21 Vgl. exemplarisch Müller (2015).


99<br />

STUDIE<br />

Literatur<br />

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Consequences associated with work-to-family<br />

conflict: A review and agenda for future research.<br />

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S. 278<strong>–</strong>308.<br />

z Antoni, C. H. / Apostel, E. / Syrek, C. (2014):<br />

Work-Learn-Life-(Im)Balance in der Wissensarbeit:<br />

Ein empirisch fundierter Erklärungsansatz. In:<br />

Antoni, C. H. et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Balance<br />

in der Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 101<strong>–</strong>122.<br />

z Bakker, A. B. / Demerouti, E. (2007):<br />

The Job-Demands-Resource model: State of the art.<br />

Journal of Managerial Psychology, 22 (3), S. 309<strong>–</strong>328.<br />

z Berger, A. / Apostel, E. / Friederich, P. (2014):<br />

Das WLLB-Mitarbeitergespräch <strong>–</strong> Gesprächsführungshilfe<br />

um Aspekte der Work-Learn-Life-Balance systematisch<br />

in Mitarbeitergespräche einzubinden. In:<br />

Antoni, C. H. et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Balance<br />

in der Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 257<strong>–</strong>274.<br />

z Hartz, S. (2004):<br />

Biographizität und Professionalität. Eine Fallstudie<br />

zur Bedeutung von Aneignungsprozessen in<br />

organisatorischen Modernisierungsstrategien.<br />

Wiesbaden.<br />

z Härtwig, C. / Hoff, E. / Schraps, U. (2009):<br />

Veränderungen der Lebensgestaltung bei Frauen<br />

und Männern im IT-Bereich. In: Ver.di <strong>–</strong> Vereinte<br />

Dienstleistungsgewerkschaft (Hrsg.): Hochseilakt.<br />

Leben und Arbeiten in der IT-Branche. (S. 65<strong>–</strong>80).<br />

Verfügbar unter: www.verdi-gute-arbeit.de/upload/<br />

m4a3775bb92212_verweis1.pdf [Stand: 01.10.15].<br />

z Hiestand, S. / Haunschild, A. (2014):<br />

Die Entgrenzung von Arbeit, Lernen und Leben<br />

in der Wissensarbeit <strong>–</strong> Tendenzen, Belastungen und<br />

Vereinbarkeitsproblematik. In: Antoni, C. H.<br />

et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Balance in der<br />

Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 39<strong>–</strong>55.<br />

z Lohmann-Haislach, A. (2012):<br />

Stressreport Deutschland 2012, Psychische Anforderungen,<br />

Ressourcen und Befinden. Verfügbar unter:<br />

www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/Gd68.<br />

pdf?__blob= publicationFile [Stand: 01.10.15].<br />

z Moldaschl, M. / Voß, G. G. (Hrsg.) (2002):<br />

Subjektivierung von Arbeit. München und Mering:<br />

Hampp.<br />

z Müller, J. K. (2015):<br />

Reflexion als Voraussetzung für Kompetenz- und<br />

Organisationsentwicklung in der wissensintensiven<br />

Arbeit, Detmold.<br />

z Müller, J. K. / Meyer, R. (2014):<br />

Individuelle Kompetenzentwicklung und betriebliche<br />

Organisationsentwicklung als Faktoren der Work-<br />

Learn-Life-Balance. In: Antoni, C. H. et al. (Hrsg.):<br />

Work-Learn-Life-Balance in der Wissensarbeit.<br />

Wiesbaden, S. 81<strong>–</strong>97.<br />

z Rohs, M. (2007):<br />

Zur Theorie formellen und informellen Lernens<br />

in der IT-Weiterbildung. Hamburg.<br />

z Salman, Y. (2009):<br />

Bildungseffekte durch Lernen im Arbeitsprozess.<br />

Verzahnung von Lern- und Arbeitsprozessen zwischen<br />

ökonomischer Verwertbarkeit und individueller<br />

Entfaltung am Beispiel des IT-Weiterbildungssystems.<br />

Bielefeld.<br />

z Syrek, C. et al. (2011):<br />

Entwicklung und Validierung der Trierer Kurzskala<br />

zur Messung von Work-Life-Balance (TSK_WLB).<br />

Diagnostica 57 (3), S. 134<strong>–</strong>145.<br />

z Syrek, C. J. et al. (2014):<br />

Wie Work-Learn-Life-Balance gelingen kann:<br />

Handlungsstrategien zur Förderung der<br />

Vereinbarkeit. In: Antoni, C.H. et al. (Hrsg.):<br />

Work-Learn-Life-Balance in der Wissensarbeit.<br />

Wiesbaden, S. 123<strong>–</strong>148.<br />

z Voß, G. G. / Pongratz, H.J. (1998):<br />

Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform<br />

der Ware Arbeitskraft? Kölner Zeitschrift für<br />

Soziologie und Sozialpsychologie, 50 (1), S. 131<strong>–</strong>158.


100<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Handlungsfelder<br />

und Informationen<br />

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇<br />

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⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇<br />

7


101<br />

STUDIE<br />

Handlungsfelder<br />

Die Öffnung der Hochschulen für<br />

Berufstätige berührt viele Politikfelder.<br />

Verschiedene Maßnahmen in diesen Politikfeldern<br />

müssten ineinandergreifen,<br />

um mehr Berufstätigen ein Studium zu<br />

ermöglichen. Bildungspolitisch richtet<br />

sich der Blick darauf, wie Hochschulen<br />

ihre Angebote didaktisch, zeiträumlich<br />

und adressatengerecht für berufstätige<br />

Studieninteressierte gestalten. Oder wie<br />

eine größere Durchlässigkeit zwischen<br />

beruflicher und hochschulischer Bildung<br />

geschaffen werden kann, zum Beispiel<br />

durch die Anrechnung beruflicher Kompetenzen<br />

auf Studienleistungen. Damit<br />

sich die Hochschulen in diesen Bereichen<br />

stärker engagieren, müssen hochschulpolitische<br />

Entscheidungen für eine bessere<br />

Ausstattung getroffen werden. Erst wenn<br />

es sich die staatlichen Hochschulen<br />

leisten können, mehr finanzielle und personelle<br />

Ressourcen zu investieren, kann<br />

die offene Hochschule für Berufstätige<br />

realisiert werden. Eine sozialpolitische<br />

Fragestellung ist es, diejenigen Studieninteressierten<br />

zu fördern, die trotz einer<br />

Erwerbstätigkeit die Kosten eines Studiums<br />

nicht selbst tragen können. Beschäftigungspolitisch<br />

steht zur Debatte, wie<br />

große sowie mittlere und kleinere Unternehmen<br />

mit Bedarf an hochqualifizierten<br />

Fachkräften, studierende Beschäftigte<br />

unterstützen und ihnen mehr Freiräume<br />

für langfristige Qualifizierungen schaffen<br />

können.<br />

Handlungsfeld Betriebe<br />

Beschäftigte, die sich neben ihrem Beruf<br />

für ein Studium entscheiden, sind hoch<br />

motiviert und interessiert an beruflicher<br />

Weiterentwicklung. Sie können neben ihrer<br />

Berufserfahrung und firmeninternem<br />

Wissen auch wissenschaftliche Kenntnisse<br />

in die Arbeit einbringen. Größere<br />

Offenheit für die individuellen Studienentscheidungen<br />

von Beschäftigten kann<br />

sich daher für Unternehmen auszahlen.<br />

Große Unternehmen setzen in ihren<br />

Personalentwicklungsprogrammen oft<br />

vor allem auf unternehmensinterne<br />

Weiterbildung. Für sie kann es sich<br />

lohnen, ihren Blick weiter zu öffnen für<br />

das Angebot an staatlichen Hochschulen,<br />

das neue inhaltliche Impulse geben<br />

kann, zum Beispiel in den Bereichen der<br />

Forschung und Entwicklung und der<br />

Unternehmensorganisation. Umfangreiche<br />

Förderprogramme, wie das Daimler<br />

Academic Programs können sich in der<br />

Regel nur Großunternehmen leisten.<br />

Doch auch in mittleren und kleineren<br />

Unternehmen sollte die Studienförderung<br />

Bestandteil der Personalentwicklung<br />

sein. Unsere Studie zeigt, dass<br />

mitunter <strong>Studieren</strong>de schon vor ihrem<br />

Abschluss mit anspruchsvolleren Aufgaben<br />

im Betrieb betraut werden. Ist das<br />

Studium eines oder einer Beschäftigten<br />

von so hoher Relevanz für den Betrieb,<br />

sollte eine finanzielle Beteiligung seitens<br />

des Arbeitgebers selbstverständlich sein.<br />

Dieser kann direkte Kosten übernehmen<br />

oder Beschäftigte für Veranstaltungen<br />

bezahlt freistellen.<br />

Arbeitszeitregelungen<br />

und Bildungsteilzeit<br />

Eine Förderung durch flexible Arbeitszeitregelungen<br />

ist entscheidend für<br />

studierende Beschäftigte. In welcher<br />

Form sich Unternehmen in verschiedenen<br />

Branchen engagieren, hängt natürlich<br />

davon ab, wie stark das betriebliche<br />

Interesse an der wissenschaftlichen<br />

Qualifizierung ist. Vorbildhaft ist daher<br />

der Qualifizierungstarifvertrag der<br />

Metall- und Elektroindustrie. Hier ist<br />

vorgesehen, dass sich die Arbeitgeber bei<br />

betrieblich zweckmäßiger Entwicklungsqualifizierung<br />

mit bezahlter Freistellung<br />

im Umfang von 50 Prozent der Weiterbildungszeit<br />

beteiligen. Bei persönlicher beruflicher<br />

Weiterbildung, die als betrieblich<br />

geeignet eingestuft wird, ohne dass<br />

ein aktueller Bedarf im Betrieb besteht,


102<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

absolvieren die Beschäftigten die Weiterbildung<br />

gänzlich außerhalb ihrer Arbeitszeit.<br />

Regelungen für Bildungsteilzeit<br />

über einen Zeitraum von bis zu sieben<br />

Jahren sind in beiden Fällen vorgesehen.<br />

In einer Variante bekommen Beschäftigte<br />

über sieben Jahre einen reduzierten<br />

Lohn und können so für die Dauer der<br />

Qualifizierung auf Teilzeit umsteigen.<br />

Entscheidend ist dabei, dass sie das Rückkehrrecht<br />

auf eine Vollzeitstelle haben.<br />

Der Qualifizierungstarifvertrag wird<br />

jedoch erst in Form von betrieblichen<br />

Vereinbarungen gelebte Praxis. Dabei ist<br />

das Engagement von Arbeitgebern und<br />

Betriebsräten gefragt, damit Bildungsteilzeit<br />

in den Betrieben umgesetzt werden<br />

kann. Das beginnt mit der regelmäßigen<br />

Ermittlung von betrieblichen und individuellen<br />

Qualifizierungsbedarfen. Außerdem<br />

sollten Verfahren zur Führung von<br />

Bildungskonten (Zeit), Ansparguthaben<br />

(zum Beispiel Weihnachtsgeld), Wechsel<br />

in Teilzeit und Rückkehr in Vollzeit vereinbart<br />

werden. Die genauen Inhalte und<br />

die Form einer Bildungsvereinbarung<br />

müssen von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern<br />

im Betrieb festgelegt<br />

werden. Die Tarifvereinbarungen sehen<br />

vor, dass der Betriebsrat in Betrieben mit<br />

über 200 Beschäftigten bei individuellen<br />

Konflikten intervenieren und eine<br />

Konfliktlösung herbeiführen kann. Das<br />

Modell der Bildungsteilzeit bietet den<br />

Beschäftigten sowohl finanzielle als auch<br />

Beschäftigungssicherheit. Für Unternehmen<br />

sind die tariflichen Regelungen<br />

ein Anlass, ihre Personalentwicklung zu<br />

optimieren. 1<br />

Betriebs- und Personalräte sollten Beschäftigte<br />

mit Qualifizierungsinteressen<br />

in den Unternehmen gezielt ansprechen,<br />

informieren und unterstützen. Häufig<br />

werden im Falle von längerfristiger<br />

Weiterbildung individuelle Vereinbarungen<br />

getroffen, bei denen Beschäftigte die<br />

Unterstützung ihrer Interessenvertretung<br />

gut gebrauchen können. Wenn Betriebe<br />

eine längerfristige Qualifizierung<br />

finanziell unterstützen, müssen sich die<br />

Beschäftigten häufig verpflichten, für<br />

eine bestimmte Zeit im Unternehmen zu<br />

bleiben. Verlassen die Beschäftigten das<br />

Unternehmen früher als vereinbart, greifen<br />

in der Regel Rückzahlungsklauseln.<br />

Diese sind grundsätzlich rechtswirksam,<br />

solange die Regelung verhältnismäßig ist.<br />

Die Höhe des Rückzahlungsbetrags muss<br />

sich ebenfalls mit der Zeit vermindern.<br />

Auch in diesen Fragen sind Interessenvertretungen<br />

in der Beratung von Beschäftigten<br />

gefragt.<br />

Mitunter sind neben einer temporären<br />

Reduzierung von Arbeitszeit weitere Vereinbarungen<br />

nötig. Der Schichtbetrieb<br />

etwa macht es <strong>Studieren</strong>den oft unmöglich,<br />

Präsenzzeiten im Studium regelmäßig<br />

einzuhalten. Hier sollte ein Wechsel<br />

ermöglicht werden, zum Beispiel in<br />

die Frühschicht, wenn hauptsächlich<br />

Abendveranstaltungen an der Hochschule<br />

stattfinden.<br />

Vereinbarkeit von Studium<br />

und Beruf fördern<br />

Der Beitrag von Gronewold und Hiestand<br />

in diesem Band zeigt, dass Betriebe mit<br />

einer Reihe von Maßnahmen Belastungsfaktoren<br />

abbauen können, damit<br />

Beschäftigte Freiräume und Konzentrationsfähigkeit<br />

für eigene Lernprozesse<br />

entwickeln. Belastungen und ineffiziente<br />

Arbeitsprozesse im Unternehmen sollten<br />

analysiert und in Teams sowie individuell<br />

bearbeitet werden. Auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten<br />

hinsichtlich der Bearbeitung<br />

von Aufgaben und der Zeiteinteilung<br />

können studierende Beschäftigte<br />

wesentlich unterstützen.<br />

Ein Motivationsfaktor für die Beschäftigten<br />

ist es, wenn frühzeitig geklärt<br />

wird, welche Entwicklungsmöglichkeiten<br />

im Unternehmen für sie mit dem Studienabschluss<br />

verbunden sein können. Auch<br />

hier können sich Vorgesetzte engagieren<br />

und möglicherweise Kontakte zu anderen<br />

Unternehmensbereichen herstellen. Das<br />

setzt natürlich voraus, dass im gesamten<br />

Unternehmen eine Kultur gefördert<br />

wird, die die Entwicklungsfähigkeit von<br />

Beschäftigten positiv wertet.<br />

Ist das betriebliche Interesse an Studieninhalten<br />

hoch, kann auch ein gezielter<br />

Theorie-Praxis-Transfer gelingen. So kann<br />

zum Beispiel die Abschlussarbeit einer<br />

<strong>Studieren</strong>den mit einem betrieblichen<br />

Thema oder Projekt verknüpft werden.<br />

Vorgesetzte sollten sich hier aufgeschlossen<br />

zeigen, da die Beschäftigten und der<br />

Betrieb gleichermaßen profitieren.


103<br />

STUDIE<br />

Handlungsfeld Hochschulpolitik<br />

Die erweiterten Hochschulzulassungsregelungen<br />

für <strong>Studieren</strong>de ohne Abitur<br />

führen bisher nicht zu einer deutlich<br />

höheren Teilnahme von beruflich<br />

Qualifizierten. Insgesamt sind studieninteressierte<br />

Berufstätige, ob mit oder<br />

ohne Abitur, angewiesen auf adressatengerechte<br />

Studienangebote. Diese können<br />

aber nur geschaffen werden, wenn<br />

die staatlichen Hochschulen mit den<br />

notwendigen Ressourcen ausgestattet<br />

werden. Die Gestaltung und Umsetzung<br />

berufsbegleitender Bachelorstudiengänge<br />

ist an den staatlichen Hochschulen eine<br />

Seltenheit, weil die Finanzierung für den<br />

zusätzlichen Aufwand extra aufgebracht<br />

werden muss. So konnte auch der einzige<br />

berufsbegleitende Bachelorstudiengang<br />

an der Universität Bremen nur mithilfe<br />

von Drittmitteln des BMBF konzipiert<br />

und umgesetzt werden. In der Politik<br />

ist dieses Dilemma bekannt. Auch der<br />

Bremer Senat räumt ein, dass die Schaffung<br />

berufsbegleitender Angebote für die<br />

Hochschulen mit einem ›Mehraufwand‹<br />

verbunden ist. Der Senat erkennt auch<br />

an: ›Die Hochschulen sind derzeit noch<br />

durch den zu bewältigenden Ansturm<br />

der geburtenstarken Jahrgänge und der<br />

doppelten Abiturientenjahrgänge auf die<br />

Studienplätze hoch belastet.‹ 2 Diese hohe<br />

Auslastung der Hochschulen wird sich<br />

aufgrund der allgemein stark erhöhten<br />

Studierneigung auf absehbare Zeit nicht<br />

verändern. Dennoch wird keine nachhaltige<br />

Lösung für den Mangel an Ressourcen<br />

angeboten und weiterhin setzt das<br />

Land Bremen lediglich auf die Einwerbung<br />

von Drittmitteln, vornehmlich im<br />

Bundeswettbewerb ›Offene Hochschule‹.<br />

In der aktuellen Förderrunde 2014 ist<br />

es allen vier staatlichen Hochschulen in<br />

Bremen gelungen, eine Projektförderung<br />

für die Öffnung von Teilen des Regelstudienangebots<br />

oder für einzelne Studienprogramme<br />

zu bekommen. Wie die<br />

Verstetigung der in den nächsten Jahren<br />

entstehenden Strukturen gewährleistet<br />

werden kann, muss nun ernsthaft diskutiert<br />

werden.<br />

Die Finanzierung von berufsbegleitenden<br />

Masterstudiengängen soll nach<br />

§ 109 (2) BremHG über Studiengebühren<br />

erfolgen, weil die Formate nach<br />

dem Bremischen Hochschulgesetz der<br />

Weiterbildung zugeordnet werden. Hin-<br />

sichtlich der Standards gibt es bei den<br />

berufsbegleitenden Studiengängen keine<br />

Unterschiede zu den gebührenfreien<br />

konsekutiven Masterstudiengängen. Die<br />

sich hieraus ergebenden Widersprüche<br />

sind ungelöst. Warum sollen Bachelorabsolventen,<br />

die in ihrer Phase der Berufstätigkeit<br />

einen Masterabschluss erwerben,<br />

Studiengebühren zahlen, während Bachelorabsolventen,<br />

die einen Masterstudiengang<br />

in Vollzeit absolvieren, nichts<br />

bezahlen? Eine politische Diskussion<br />

muss nochmals darüber geführt werden,<br />

welcher sachlichen Logik die Finanzierungsregelungen<br />

folgen sollen.<br />

Die Realisierung von hochwertigen<br />

Weiterbildungsangeboten ist auch von<br />

der Verfügbarkeit von wissenschaftlichem<br />

Lehrpersonal abhängig (vgl. das<br />

Interview mit Petra Boxler in Kapitel 6).<br />

Ein Engagement von Lehrenden in der<br />

Weiterbildung wird allerdings nicht auf<br />

das Lehrdeputat angerechnet. Das macht<br />

es schwierig für Hochschullehrende, die<br />

in der Regel ausgelastet sind, Lehre in<br />

weiterbildenden Studienangeboten zu<br />

leisten. Nur in Schleswig-Holstein können<br />

Hochschulen bis zu zehn Prozent ihrer<br />

Lehrkapazitäten für wissenschaftliche<br />

Weiterbildung aufwenden (vgl. § 59 (1)<br />

SchlesHG). Eine ähnliche Regelung sollte<br />

im Land Bremen bei der nächsten Hochschulgesetzesnovellierung<br />

beschlossen<br />

werden. Schließlich gehört die Weiterbildung<br />

nach § 4 und § 16 BremHG zu den<br />

grundständigen Aufgaben von Hochschulen<br />

und Hochschullehrenden. Konsequenterweise<br />

müssen daher die praktischen<br />

Voraussetzungen für die Erfüllung<br />

dieser Aufgaben geschaffen werden. 3<br />

Handlungsfeld Hochschulen<br />

Adressatengerechte Beratung,<br />

Anrechnung, Studienformate und<br />

Didaktik<br />

Berufsbegleitende Studienformate für<br />

Berufsgruppen mit einem hohen Bedarf<br />

an wissenschaftlicher Weiterbildung<br />

sollten sowohl auf Bachelor- als auch auf<br />

Masterebene an den staatlichen Hochschulen<br />

etabliert werden. Diese zeichnen<br />

sich dadurch aus, dass die Präsenzveranstaltungen<br />

auf die gängigen Arbeitszeiten<br />

der Berufsgruppen abgestimmt sind. Bei<br />

Bedarf werden auch Blended-Learning-Angebote<br />

und selbst gesteuerte Lerneinheiten<br />

integriert. Einzelne Studienmodule


104<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

sollten entsprechend flexibel anwählbar<br />

sein, damit intensive und weniger intensive<br />

Studienphasen den wechselnden<br />

Anforderungen im Beruf und im Privatleben<br />

angepasst werden können.<br />

Eine Auseinandersetzung des Hochschulpersonals<br />

mit berufspädagogischer<br />

Didaktik kann es zudem unterstützen, in<br />

einem wissenschaftsbasierten Studium<br />

berufspraktische Bezüge herzustellen.<br />

Das gilt zum Beispiel auch für Fächer wie<br />

Mathematik. Die Lehre ist in der Regel<br />

auf <strong>Studieren</strong>de ausgerichtet, die ihr<br />

Abitur gerade hinter sich haben. So bietet<br />

beispielsweise die Hochschule Bremerhaven<br />

erfolgreich spezielle Module von<br />

Mathematik und technischer Mechanik<br />

für <strong>Studieren</strong>de ohne Abitur an. Solche<br />

Angebote und Brückenkurse gerade für<br />

Grundlagenfächer bieten sich an allen<br />

Hochschulen an, um den Studienerfolg<br />

von Berufstätigen zu erhöhen.<br />

Eine strukturelle Öffnung des Regelstudienangebots<br />

wird in Bremen seit<br />

Jahren diskutiert und ist in jedem Fall<br />

sinnvoll, damit auch Berufstätige in Zukunft<br />

größere Wahlmöglichkeiten haben.<br />

Mit der Modularisierung von Studiengängen<br />

im Rahmen des Bologna-Prozesses<br />

sind jedoch noch keine genügenden Voraussetzungen<br />

für die geplante Öffnung<br />

geschaffen. An der Universität Bremen<br />

und an der Hochschule Bremen sind<br />

im Jahr 2015 zwei vom BMBF geförderte<br />

Projekte (konstruktiv und HSBflex) gestartet.<br />

Beide Projekte setzen sich mit der<br />

zunehmenden Heterogenität der <strong>Studieren</strong>denschaft<br />

auseinander und beziehen<br />

nicht nur die Bedürfnisse von Berufstätigen,<br />

sondern auch von <strong>Studieren</strong>den mit<br />

Familienpflichten in ihre Konzeptionen<br />

ein.<br />

An der Hochschule Bremen soll die Beratung<br />

und die Anerkennung beruflicher<br />

Kompetenzen adressatengerecht gestaltet<br />

werden. Beides ist für einen Einstieg in<br />

das Studium wichtig. Eine umfassende<br />

Beratung im Vorfeld und während des<br />

Studiums sollte nicht nur in den zentralen<br />

Studienberatungen der Hochschulen,<br />

sondern auch in den einzelnen Studiengängen<br />

geleistet werden. Für diese<br />

Aufgabe muss das Hochschulpersonal<br />

entsprechend geschult werden, denn<br />

Studienfinanzierung, Hochschulzulassung<br />

und Studienrahmenbedingungen<br />

sind für Berufstätige oft anders als für<br />

traditionelle <strong>Studieren</strong>de.<br />

Die Etablierung von Anrechnungsverfahren<br />

ist in jedem Fall aufwendig, aber<br />

die einzige Möglichkeit für Berufstätige,<br />

Redundanzen zu vermeiden und ihre<br />

Studiendauer zu verkürzen. Die pauschale<br />

Anrechnung auf Studienleistungen<br />

aufgrund definierter Berufsabschlüsse<br />

ist für die <strong>Studieren</strong>den am wenigsten<br />

aufwendig und transparent. Damit aber<br />

auch Berufserfahrungen und andere<br />

informell erworbene Kompetenzen angerechnet<br />

werden können, empfiehlt sich<br />

eine Kombination aus pauschalen und<br />

individuellen Anrechnungsverfahren<br />

(vgl. das Interview mit Walburga Freitag<br />

in Kapitel 6).<br />

Außerdem ist an der Hochschule und<br />

der Universität Bremen geplant, Studienmodule<br />

aus ausgewählten Regelstudiengängen<br />

als berufsbegleitend studierbar<br />

zu gestalten. Teilweise müssen die<br />

Module neu entwickelt und E-Learning-<br />

Anteile integriert werden. Der Erfolg der<br />

Projekte HSBflex und konstruktiv hängt<br />

wesentlich auch davon ab, wie die kooperierenden<br />

Einrichtungen und Fakultäten<br />

die neuen Maßnahmen unterstützen. Der<br />

Verlauf sollte unterstützend evaluiert<br />

werden, damit neue Strukturen verstetigt<br />

werden und in die Konzeption anderer<br />

Studiengänge einfließen können.<br />

Außerdem sollten die Prüfungsordnungen<br />

der einzelnen Studiengänge<br />

zeitlich entzerrt werden, damit für<br />

berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de eine übermäßige<br />

Leistungsverdichtung in der Zeit<br />

der Abschlussarbeit vermieden wird. So<br />

sollten beispielsweise für Teilzeitstudierende<br />

an der Hochschule Bremen andere<br />

zeitliche Rahmenbedingungen zugrunde<br />

gelegt werden als für Vollzeitstudierende.<br />

Grundsätzlich sollten alle Hochschulen<br />

es berufstätigen <strong>Studieren</strong>den ermöglichen,<br />

das Regelstudium in Teilzeit zu<br />

absolvieren. Berufstätige können so ihr<br />

Studium strukturierter planen. Außerdem<br />

fallen für <strong>Studieren</strong>de, die Regelstudienzeiten<br />

wegen ihrer Erwerbstätigkeit<br />

überschreiten, keine Langzeitstudiengebühren<br />

an. Das Bremische Hochschulgesetz<br />

sieht diese Möglichkeit nach § 55 (4)<br />

BremHG vor. Sie wird jedoch bisher nur<br />

von der Hochschule Bremen angewendet.<br />

Als ›Weiterbildungsstudierende‹<br />

können sich Berufstätige an der Universität<br />

Bremen für ein Modulstudium<br />

einschreiben und so einen Einblick<br />

in einen Studiengang bekommen. Die


105<br />

STUDIE<br />

allgemeinen Prüfungsordnungen für die<br />

wissenschaftliche Weiterbildung der Universität<br />

lassen es zu, dass auf diese Weise<br />

pro Studienjahr bis zu zehn Kreditpunkte<br />

als Studienleistung erworben werden.<br />

Weiterbildungsstudierende zahlen eine<br />

Gebühr, müssen jedoch keinen Semesterbeitrag<br />

entrichten. Auch für andere<br />

Hochschulen in Bremen wäre dies ein<br />

gangbarer Weg, um ein ›Schnupperstudium‹<br />

zu ermöglichen.<br />

Daneben bietet das Gasthörerstudium<br />

potenziell Möglichkeiten für Berufstätige,<br />

erste Erfahrungen mit dem für sie<br />

interessanten Regelstudienangebot zu<br />

machen. Allerdings können Dozentinnen<br />

und Dozenten an der Universität Bremen<br />

die Teilnahme von Gasthörenden für<br />

ihre Veranstaltungen ablehnen, wenn<br />

diese stark ausgelastet sind. Außerdem<br />

ist es nicht vorgesehen, dass Gasthörende<br />

Studienleistungen erbringen. In Niedersachsen<br />

dagegen können auch Gasthörende<br />

Kreditpunkte erwerben, die später<br />

auf Studiengänge anrechenbar sind. Die<br />

Einzelheiten regeln die Hochschulen<br />

selbst. Sie erheben, je nach Aufwand,<br />

Gebühren für die Erbringung von Studienleistungen<br />

(vgl. § 13 (5) NHG). Die<br />

Fakultäten entscheiden in der Regel über<br />

die Anrechnung.<br />

Mit ähnlichen Regelungen an den<br />

Bremer Hochschulen könnten Berufstätige<br />

ausloten, ob die Anforderungen im<br />

Regelstudium neben der Berufstätigkeit<br />

für sie zu bewältigen sind.<br />

Handlungsfeld Studienfinanzierung<br />

Insbesondere ältere berufstätige <strong>Studieren</strong>de<br />

können es sich aufgrund familiärer<br />

oder anderer finanzieller Verpflichtungen<br />

(Kinder, Immobilienerwerb etc.)<br />

nicht leisten, Arbeitszeit während des<br />

Studiums zu reduzieren. Dies betrifft<br />

ganz besonders Arbeitnehmerinnen und<br />

Arbeitnehmer in besonders gering entlohnten<br />

Berufen. Diese Gruppen wären<br />

in besonderem Maße auf eine finanzielle<br />

Entlastung in Form einer Studienförderung<br />

angewiesen, auch um bei Bedarf in<br />

zeitlich besonders belastenden Phasen<br />

ihre Arbeitszeit ohne finanzielles Risiko<br />

reduzieren zu können. Sowohl beim<br />

BAföG als auch bei Stipendien besteht<br />

jedoch ein Anspruch auf Förderung nur<br />

innerhalb bestimmter Altersgrenzen.<br />

Darüber hinaus gibt es kaum finanzielle<br />

Förderungen für berufsbegleitende Studienangebote.<br />

Da es unter anderem eine<br />

bildungspolitische Forderung ist, neue<br />

Zielgruppen für ein Hochschulstudium<br />

zu gewinnen, ist eine politische Diskussion<br />

darüber wünschenswert, welche Fördermöglichkeiten<br />

für berufstätige und<br />

berufsbegleitende <strong>Studieren</strong>de geschaffen<br />

werden können, die sich ein Studium<br />

neben dem Beruf finanziell nicht leisten<br />

können.<br />

Der Staat ist auf Ebene des Bundes und<br />

der Länder beim Thema Studienfinanzierung<br />

gefordert, nochmals genau zu<br />

prüfen, welche Gruppen bisher überhaupt<br />

nicht auf öffentliche Förderung<br />

zurückgreifen können. Lücken in der<br />

Förderstruktur müssten insbesondere für<br />

die Berufsgruppen geschlossen werden,<br />

die in der Regel über kein hohes Einkommen<br />

verfügen.<br />

1 Vgl. IG Metall (o. J.): Zugriff am<br />

07.01.2016.<br />

2 Bremische Bürgerschaft (2010), S. 4.<br />

3 Die Fraktion der CDU hat im Jahr 2009<br />

einen entsprechenden Antrag gestellt,<br />

der von der Bürgerschaft abgelehnt<br />

wurde. Vgl. Bremische Bürgerschaft<br />

(2009).


106<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

Informationen zur Studienfinanzierung<br />

BAföG<br />

Durch die Altersgrenze sind viele ältere<br />

<strong>Studieren</strong>de bereits von einer Förderung<br />

ausgeschlossen. Anspruch auf BAföG<br />

hat demnach nicht, wer bei Beginn des<br />

Bachelorstudiums das 30. Lebensjahr<br />

sowie bei Beginn des Masterstudiums<br />

das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat.<br />

<strong>Studieren</strong>de des zweiten Bildungsweges<br />

sind von dieser Regelung ausgenommen,<br />

wenn sie unverzüglich nach Erhalt ihrer<br />

Zugangsvoraussetzung mit dem Studium<br />

beginnen. <strong>Studieren</strong>de des dritten<br />

Bildungsweges sind von der Altersgrenze<br />

ausgenommen 1 und können damit<br />

grundsätzlich eine BAföG-Förderung<br />

erhalten.<br />

Allerdings werden gerade berufstätige<br />

<strong>Studieren</strong>de häufiger als traditionelle<br />

<strong>Studieren</strong>de von einer Anrechnung des<br />

eher geringen Vermögensfreibetrags<br />

betroffen sein. Bei einem Bruttoverdienst<br />

von 5.500 Euro in zwölf Monaten werden<br />

monatlich 40,13 Euro auf den Bedarf<br />

angerechnet beziehungsweise vom Förderungsbetrag<br />

abgezogen. Dieser Betrag gilt<br />

für Alleinstehende. Auch Vermögen (zum<br />

Beispiel Sparbücher, Wertpapierdepots,<br />

Bausparverträge, Eigentumsanteile an<br />

Grundstücken / Häusern) ist bis auf eine<br />

Rücklage von 5.200 Euro zur Finanzierung<br />

des Studiums einzusetzen. Der<br />

Freibetrag erhöht sich für jedes Kind und<br />

/ oder den Ehegatten oder eingetragenen<br />

Lebenspartner um jeweils 1.800 Euro. 2<br />

Das bedeutet, dass bereits ab einem<br />

niedrigen mittleren Einkommen kein<br />

Anspruch mehr auf BAföG besteht.<br />

Von Nachteil für die in diesem Projekt<br />

untersuchte Zielgruppe ist außerdem,<br />

dass BAföG nach § 2, Absatz (5) nicht<br />

für berufsbegleitende Studiengänge<br />

oder Teilzeitstudiengänge gewährt<br />

wird. Eine Förderung wird nur gewährt,<br />

wenn ›die Ausbildung die Arbeitskraft<br />

des Auszubildenden im Allgemeinen<br />

voll in Anspruch nimmt‹. 3 Darüber<br />

hinaus sind ausschließlich konsekutive<br />

Masterstudiengänge förderfähig, wenn<br />

diese auf einem Bachelorstudiengang<br />

aufbauen und der Auszubildende außer<br />

dem Bachelorstudiengang noch keinen<br />

Studiengang abgeschlossen hat. 4 Wer vor<br />

einem Masterstudiengang also bereits ein<br />

Diplom absolviert hat, kann keine Förderung<br />

mehr erhalten. Weiterbildungsmaster<br />

sind aus diesem Grund ebenfalls<br />

von einer Förderung ausgeschlossen,<br />

da sie nicht zwangsweise einen Bachelorabschluss,<br />

sondern oft eine berufliche<br />

Qualifikation voraussetzen.<br />

Stipendien<br />

Auch die Förderung über Stipendien ist<br />

für berufsbegleitend <strong>Studieren</strong>de <strong>–</strong> besonders<br />

für ältere <strong>–</strong> kompliziert. Begabtenförderwerke<br />

haben in der Regel eine<br />

Altersgrenze für die Förderung. Darüber<br />

hinaus richten sich die meisten Stipendien<br />

an Vollzeitstudierende. Im Folgenden<br />

werden Stipendien vorgestellt, die berufsbegleitend<br />

<strong>Studieren</strong>de in Anspruch<br />

nehmen können.<br />

Aufstiegsstipendium<br />

Nur ein Förderprogramm des Bundes<br />

richtet sich <strong>–</strong> neben Vollzeitstudierenden<br />

<strong>–</strong> auch speziell an Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer, die berufsbegleitend<br />

studieren wollen. Es gilt ausschließlich<br />

für das Erststudium und setzt keine<br />

Altersgrenze voraus, allerdings muss der<br />

Antrag bis zum zweiten Studiensemester<br />

gestellt worden sein. Voraussetzung dafür<br />

ist eine mindestens zweijährige Berufserfahrung<br />

sowie ein Berufsabschluss mit<br />

der Note 1,9 oder besser. Die Förderung<br />

erfolgt einkommensunabhängig für die<br />

gesamte Dauer des Studiums und beträgt<br />

monatlich 750 Euro für Vollzeitstudierende.<br />

Zusätzlich wird eine Betreuungspauschale<br />

für Kinder gewährt. <strong>Studieren</strong>de<br />

in einem berufsbegleitenden Studiengang<br />

erhalten jährlich 2.000 Euro. 5


107<br />

STUDIE<br />

Deutschlandstipendium<br />

Die Stipendien in Höhe von monatlich<br />

300 Euro, die auch an den Bremer<br />

Hochschulen beantragt werden können, 6<br />

werden je zur Hälfte vom Bund und<br />

von privaten Förderern, Stiftungen und<br />

Unternehmen getragen. Das heißt, die<br />

Bundesregierung unterstützt eine private<br />

Spende von 150 Euro monatlich mit<br />

zusätzlichen 150 Euro. Das Stipendium<br />

ist unabhängig vom Bezug von BAföG<br />

oder der Einkommenssituation. Zu den<br />

Förderkriterien zählen neben besonderen<br />

Erfolgen an Schule und / oder Universität<br />

auch das gesellschaftliche Engagement,<br />

zum Beispiel in Vereinen oder in der<br />

Hochschulpolitik, in kirchlichen oder politischen<br />

Organisationen, in der Familie<br />

oder in einer sozialen Einrichtung. Berücksichtigt<br />

wird auch die Überwindung<br />

besonderer biografischer Hürden, die<br />

sich aus der familiären oder kulturellen<br />

Herkunft ergeben. Die konkrete Ausgestaltung<br />

der Auswahlverfahren liegt in<br />

der Verantwortung der Hochschulen. 7<br />

Studienstipendium der<br />

Hans-Böckler-Stiftung<br />

In den Fördergrundsätzen wird betont,<br />

dass das Studium engagierter und begabter<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

durch die Vergabe von Studienbeihilfen<br />

gefördert werden soll. <strong>Studieren</strong>de<br />

des zweiten und dritten Bildungsweges<br />

sollen dabei besonders gefördert werden.<br />

Eine wichtige Voraussetzung für ein<br />

Stipendium ist gewerkschaftliches oder<br />

gesellschaftspolitisches Engagement.<br />

Die Stiftung setzt keine Altersgrenze<br />

voraus. Ein Studium neben dem Beruf ist<br />

nicht ausgeschlossen, allerdings muss<br />

das Studium in Vollzeit erfolgen und im<br />

Schnitt 30 ECTS-Punkte pro Semester<br />

der Regelstudienzeit erbracht werden. 8<br />

Berufsbegleitende Formate werden damit<br />

nicht explizit unterstützt. Die Zahlungen<br />

richten sich nach den BAföG-Richtlinien,<br />

das bedeutet, es handelt sich um einen<br />

Höchstsatz von 597 Euro und einer<br />

Studienkostenpauschale von 300 Euro<br />

monatlich. 9<br />

Kredite<br />

Bildungskredit<br />

Die Bundesregierung bietet zusammen<br />

mit dem Bundesverwaltungsamt und<br />

der KfW-Bankengruppe den Bildungskredit<br />

an. Das zinsgünstige Darlehen<br />

können auch <strong>Studieren</strong>de unabhängig<br />

vom eigenen Einkommen sowie dem<br />

von Eltern und Ehepartner erhalten.<br />

Allerdings ebenso wie beim BAföG nur<br />

bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres.<br />

Darüber hinaus gilt der Bildungskredit<br />

ausschließlich für die Schlussphase einer<br />

Ausbildung oder eines Studiums etwa für<br />

ein Zusatz-, Ergänzungs-, Aufbau- oder<br />

Fernstudium. Voraussetzung ist allerdings<br />

ein Studium in Vollzeit. Teilzeitund<br />

berufsbegleitende Studiengänge sind<br />

nicht förderfähig. Der Kredit weist aufgrund<br />

einer vom Bund übernommenen<br />

Garantie einen günstigen Zinssatz auf. 10<br />

Studienkredit der KfW-Bank<br />

Der Studienkredit der KfW-Bank hingegen<br />

ist zwischen dem 18. und dem 44.<br />

Lebensjahr möglich, ebenfalls unabhängig<br />

vom Einkommen der Eltern oder des<br />

Partners / der Partnerin. Antragstellende<br />

können anders als beim Bildungskredit<br />

in Teilzeit, Vollzeit oder berufsbegleitend<br />

studieren. Dieser Kredit bietet sich<br />

<strong>–</strong> aufgrund seiner Förderbedingungen<br />

<strong>–</strong> folglich besonders für die Gruppe der<br />

berufsbegleitenden <strong>Studieren</strong>den an.<br />

Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass<br />

es sich im Vergleich zum Bildungskredit<br />

durch eine fehlende Garantie, um keinen<br />

günstigen Kredit handelt. 11<br />

Kosten steuerlich absetzen<br />

Wenn <strong>Studieren</strong>de die Kosten für das<br />

Studium selbst tragen müssen, greifen<br />

zumindest Steuererleichterungen. Ein<br />

<strong>berufsbegleitendes</strong> Studium kann als<br />

Fortbildungsaufwand in unbegrenzter<br />

Höhe abgesetzt werden, wenn es einen<br />

Berufsbezug hat und eine abgeschlossene<br />

Berufsausbildung oder ein Erststudium<br />

vorausgegangen ist. Was in einem Jahr<br />

erstattet wird, richtet sich nach dem<br />

Zahlungsprinzip. Das heißt, wurden auf<br />

einmal 14.000 Euro für Studiengebühren<br />

vom Konto abgebucht, ist das der abzieh-


108<br />

BALANCEAKT BERUFSBEGLEITENDES STUDIEREN<br />

bare Betrag. Es ist allerdings abhängig<br />

vom Steuersatz, wie viel zurückerstattet<br />

wird. Ist der Steuersatz niedrig, etwa<br />

15 Prozent, werden auch nur 15 Prozent<br />

erstattet. Ist der Steuersatz hoch, etwa<br />

42 Prozent, so werden auch 42 Prozent<br />

der Kosten erstattet. Auch hier haben also<br />

<strong>Studieren</strong>de mit niedrigeren Einkommen<br />

Nachteile gegenüber besser verdienenden.<br />

Kosten werden außerdem nur<br />

erstattet, wenn auch Steuern entrichtet<br />

wurden.<br />

1 Rechtsgrundlage online verfügbar<br />

unter: www.bafög.de / de / -10-alter-<br />

226.php [Zugriff am 06.01.2016].<br />

2 Rechtsgrundlage online verfügbar unter:<br />

www.stw-bremen.de / de /<br />

studienfinanzierung /<br />

einkommensberechnungfreibetr%C3%A4ge<br />

[Zugriff am 06.01.2016].<br />

3 Rechtsgrundlage online verfügbar unter:<br />

www.bafög.de / de / -2-<br />

ausbildungsstaetten--216.php<br />

[Zugriff am 06.01.2016].<br />

4 Rechtsgrundlage online verfügbar unter:<br />

www.bafög.de / de / -7-erstausbildungweitere-ausbildung-222.php<br />

[Zugriff am 06.01.2016].<br />

5 Weitere Informationen online unter:<br />

www.bmbf.de / de / dasaufstiegsstipendium-882.html<br />

[Zugriff am 11.01.2016].<br />

6 Beispielhaft ist hier auf das<br />

Antragsverfahren der Universität<br />

Bremen verwiesen:<br />

www.uni-bremen.de /<br />

deutschlandstipendiat.html<br />

[Zugriff am 11.01.2016].<br />

7 Informationen online abrufbar unter:<br />

www.deutschlandstipendium.de / de /<br />

1684.php [Zugriff am 11.01.2016].<br />

8 Nähere Informationen unter:<br />

www.boeckler.de/4373.htm<br />

[Zugriff am 11.01.2016].<br />

9 Nähere Informationen unter:<br />

www.boeckler.de / 4374.htm<br />

[Zugriff am 11.01.2016].<br />

10 Nähere Informationen unter:<br />

www.bva.bund.de / DE / Organisation /<br />

Abteilungen / Abteilung_BT /<br />

Bildungskredit / bildungskredit_node.<br />

html [Zugriff am 11.01.2016].<br />

11 Nähere Informationen online unter:<br />

www.kfw.de / inlandsfoerderung /<br />

Privatpersonen / <strong>Studieren</strong>-Qualifizieren /<br />

Direkt-zum-KfW-Studienkredit /<br />

[Zugriff am 11.01.2016].


Orte und Zeiten für Beratung<br />

Die Beratungszeiten<br />

weichen teilweise von<br />

den Öffnungszeiten ab <strong>–</strong><br />

bitte erfragen Sie diese<br />

telefonisch oder bei<br />

Ihrem nächsten Besuch<br />

oder informieren Sie<br />

sich im Internet<br />

Geschäftsstelle Bremen<br />

Bürgerstraße 1<br />

28195 Bremen<br />

Telefon: 0421·36301-0<br />

Telefax: 0421·36301-89<br />

info@arbeitnehmerkammer.de<br />

www.arbeitnehmerkammer.de<br />

❚ Allgemeine Öffnungszeiten<br />

Montag bis Donnerstag<br />

Freitag<br />

8.00<strong>–</strong>18.30 Uhr<br />

8.00<strong>–</strong>13.00 Uhr<br />

Geschäftsstelle Bremerhaven<br />

Barkhausenstraße 16<br />

27568 Bremerhaven<br />

Telefon: 0471·92235-0<br />

Telefax: 0471·92235-49<br />

bhv@arbeitnehmerkammer.de<br />

Martin-Donandt-Platz<br />

Lloydstraße/VHS<br />

H<br />

P<br />

Straßenbahn<br />

2, 3, 4, 6, 8<br />

Bus 24, 25<br />

Parkhaus<br />

Violenstraße<br />

❚ Allgemeine Öffnungszeiten<br />

Montag bis Donnerstag<br />

Freitag<br />

8.00<strong>–</strong>18.30 Uhr<br />

8.00<strong>–</strong>13.00 Uhr<br />

Zoo am<br />

Meer<br />

Deutsches<br />

Auswandererhaus<br />

Bürgermeister-Smidt-Straße<br />

H<br />

Bus 505, 506<br />

Martin-<br />

Donandt-Platz<br />

502, 508, 509<br />

Lloydstraße/<br />

VHS<br />

Geschäftsstelle Bremen-Nord<br />

Lindenstraße 8<br />

28755 Bremen<br />

Telefon: 0421·66950-0<br />

Telefax: 0421·66950-41<br />

nord@arbeitnehmerkammer.de<br />

❚ Allgemeine Öffnungszeiten<br />

Montag und Donnerstag<br />

Dienstag und Mittwoch<br />

Freitag<br />

8.00<strong>–</strong>18.30 Uhr<br />

8.00<strong>–</strong>16.30 Uhr<br />

8.00<strong>–</strong>13.00 Uhr<br />

H<br />

Bus 91/92, 94<br />

(Fährgrund)


Schriftenreihe der Arbeitnehmerkammer bremen<br />

<strong>Balanceakt</strong><br />

<strong>berufsbegleitendes</strong> <strong>Studieren</strong><br />

Beruflich aufsteigen, sich weiterentwickeln, inhaltlich etwas anderes<br />

machen <strong>–</strong> all das sind Motive von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern,<br />

sich im Verlauf ihres Berufslebens noch mal für ein<br />

Studium zu entscheiden. In vielen Berufsbereichen steigt der Bedarf<br />

an wissenschaftlicher Qualifizierung. Die staatlichen Hochschulen<br />

sind daher aufgefordert, ihre Angebote für Berufstätige auszubauen.<br />

Die vorliegende Studie rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie<br />

Rahmenbedingungen an Hochschulen und in Betrieben gestaltet<br />

werden sollten, damit Beschäftigte ein Studium künftig besser<br />

mit dem Beruf und dem Privatleben vereinbaren können.<br />

www.arbeitnehmerkammer.de<br />

Studie

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