ALLGÄU ALTERNATIV Sommerausgabe 2016
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Ausgabe 2/<strong>2016</strong><br />
Schutzgebühr: 4,- Euro<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz<br />
Das Allgäu macht sich stark für Holz<br />
Wasserkraft: Erfolgreiche Wiederbelebung<br />
Forschung: E-Mobil als Transporter
Auf ein Wort<br />
Weniger ist mehr<br />
Die Ansprüche an unsere Energieversorgung<br />
haben sich in den letzten Jahrzehnten<br />
grundlegend geändert. Wurde es früher nur<br />
als notwendig erachtet, dass ausreichend Energie sowohl<br />
für die privaten Haushalte als auch für die Wirtschaft<br />
vorhanden ist, legen heute immer mehr<br />
Menschen Wert auf Energieeffizienz sowie umweltund<br />
klimafreundliche Energieträger. Das Handwerk<br />
trägt einen ganz entscheidenden Teil dazu bei, diesen<br />
Ansprüchen gerecht werden zu können. Insbesondere<br />
bei den Immobilien gibt es ein enormes Einsparpotenzial,<br />
das genutzt werden muss, damit aus der Energiewende<br />
eine Erfolgsgeschichte wird und die<br />
ambitionierten Klimaziele erreicht werden können.<br />
Die energetische Sanierung des bisherigen Gebäudebestandes<br />
spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie<br />
eine energiesparende Bauweise und Ausstattung neuer<br />
Gebäude.<br />
Bei allen Diskussionen über Energiewende und<br />
Klimaschutz können wir doch eines mit Gewissheit<br />
sagen: Die sicherste, sauberste und günstigste Energie<br />
ist diejenige, die gar nicht erst verbraucht wird. In vielen<br />
privat oder geschäftlich genutzten Immobilien<br />
wird heute jedoch sehr viel mehr Energie verbraucht,<br />
als eigentlich notwendig wäre. Die Ursachen hierfür<br />
sind vielfältig und reichen von undichten Fenstern<br />
und Türen über unzureichende Dämmung bis hin zur<br />
veralteten Heizungsanlage, die mit ihrem enormen<br />
Ressourcenverbrauch nicht nur der Umwelt, sondern<br />
auch dem Geldbeutel schadet. Da die Zeit sowohl aufgrund<br />
des beschlossenen Zeitplans der Energiewende<br />
als auch mit Blick auf die Erderwärmung drängt, setzt<br />
sich das Handwerk dafür ein, die energetische Gebäudesanierung<br />
steuerlich zu fördern. Dies wäre ein wichtiges<br />
politisches Signal, das der Bedeutung einer der<br />
größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer<br />
Zeit gerecht würde und die Angst der Immobilienbesitzer<br />
vor langen Amortisationszeiten lindern könnte.<br />
Bei der Errichtung neuer Gebäude achten die<br />
meisten Bauherren heute ohnehin auf eine möglichst<br />
energiesparende Bauweise und eine saubere Stromversorgung.<br />
Lösungen von der Stange, die für jedes Bauvorhaben<br />
optimale Ergebnisse hervorbringen, gibt es<br />
jedoch nicht – im Gegenteil: Viele zu berücksichtigende<br />
Faktoren machen eine individuelle Planung unverzichtbar.<br />
Dabei ist jedoch niemand auf sich alleine gestellt,<br />
sondern kann sich an qualifizierte Energieberater<br />
aus dem Handwerk wenden, die sich dank permanenter<br />
Weiterbildung stets auf dem neuesten Stand der<br />
Technik befinden und ihren Kunden mit Rat und Tat<br />
zur Seite stehen.<br />
Die Handwerkskammer für Schwaben hat sich<br />
den Klimaschutz schon lange auf die Fahnen geschrieben<br />
und bereits im Jahr 2008 ein Netzwerk gegründet,<br />
das derzeit mehr als 750 Betriebe umfasst. Die Internetseite<br />
www.klimaschutz-hwk-schwaben.de liefert<br />
Immobilienbesitzern, Bauherren und Handwerkern<br />
alle wichtigen Informationen aus den Bereichen der<br />
erneuerbaren Energien und des energieeffizienten<br />
Bauens. Neben einer Reihe von Best-Practice-Beispielen<br />
findet hier außerdem jeder den richtigen Ansprechpartner<br />
für sein individuelles Vorhaben. Mehr<br />
über das Klimaschutznetzwerk lesen Sie in dieser Ausgabe<br />
von allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>.<br />
Herzliche Grüße<br />
Eine Lanze für das Energie -<br />
spar-Programm des Hand -<br />
werks bricht HwK-Präsident<br />
Hans-Peter Rauch<br />
Foto: HwK Schwaben<br />
Ihr<br />
Hans-Peter Rauch<br />
Präsident der Handwerkskammer für Schwaben<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
3
Inhalt<br />
Impressum<br />
Verlag und Herstellung:<br />
Verlag HEPHAISTOS,<br />
EDITION <strong>ALLGÄU</strong><br />
Lachener Weg 2<br />
87509 Immenstadt-<br />
Werdenstein<br />
Tel. 08379/728616<br />
Fax 08379/728018<br />
info@heimat-allgaeu.info<br />
www.allgaeu-alternativ.de<br />
Herausgeber:<br />
Peter Elgaß<br />
Redaktion:<br />
Viola Elgaß (v.i.S.d.P.),<br />
Thomas Niehörster,<br />
Claudia Schöwe,<br />
Annette Müller,<br />
Volker Wille<br />
Gekennzeichnete Beiträge<br />
stellen die Meinung des<br />
Ver fassers, nicht aber des<br />
Verlages dar.<br />
Layout:<br />
Bianca Elgaß,<br />
Ramona Klein,<br />
Dominik Ultes<br />
Anzeigen:<br />
Sven Abend (Ltg.),<br />
Katharina Böttger<br />
Tel. 08379/728616;<br />
gültige Anzeigenpreisliste:<br />
1/2010<br />
58<br />
Vorwort Seite 3<br />
Klimaschutz<br />
Oberallgäu Seite 6<br />
Ostallgäu Seite 7<br />
Unterallgäu Seite 8<br />
Landkreis Lindau Seite 9<br />
Memmingen Seite 10<br />
Kempten Seite 11<br />
Kaufbeuren Seite 12<br />
Auszeichnung<br />
Jede Wende beginnt im Kopf Seite 14<br />
Anerkennung für Schüler Seite 17<br />
Klima macht Schule<br />
Exkursion nach Kempten Seite 19<br />
Wettbewerb<br />
Die Jugend ist gefragt Seite 20<br />
Netzwerk<br />
Handwerk und Klima Seite 22<br />
Alternativen<br />
Wind und Sonne auf der Alpe Seite 26<br />
Beratung<br />
Bündnis für Qualität Seite 32<br />
eza!-Partner<br />
Alles aus einer Hand Seite 34<br />
Vom Öl zu Holzpallets Seite 36<br />
Vor Ort<br />
Berater kommt ins Haus Seite 38<br />
Wald und Holz<br />
Unser Allgäuer Wald Seite 40<br />
Regionales Holz<br />
Auf dem richtigen Holzweg Seite 42<br />
Bankverbindung Verlag:<br />
Raiffeisenbank Oberallgäu-<br />
Süd eG, IBAN:<br />
DE97733699200007126999,<br />
BIC: GENODEF1SFO<br />
Druck und Bindung:<br />
Kastner & Callwey<br />
Medien GmbH<br />
Jahnstraße 5<br />
85661 Forstinning<br />
42<br />
Titelfotos: Peter Elgaß, Josef Gartner, ABT Sportsline<br />
4 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
68<br />
E-Mobil<br />
Huckepack mit E-Mobil Seite 58<br />
E-Mobil<br />
In Echtzeit Seite 63<br />
40<br />
Interview<br />
Blaue Briefe vom Holzforum Seite 46<br />
Interreg-Projekt<br />
Holz wird international Seite 48<br />
Holztechnik<br />
Rekord mit Holzfassade Seite 50<br />
Meldungen<br />
Ziegelwerk Klosterbeuren steht im Finale Seite 52<br />
Erstmals Nachtbusangebot der Mona Seite 52<br />
Die Wärmewende richtig planen Seite 53<br />
Quartierskonzept Stiftsstadt-Ost Seite 53<br />
Ein Luftfahrzeug für alle? Seite 53<br />
Bei Herz & Lang Strom tanken Seite 54<br />
Green-Tec Award: Rennergy landet vorne Seite 55<br />
Von Energy Consulting Allgäu zu ECA Concept Seite 55<br />
Pioniere<br />
Mit Kalk ging es los Seite 64<br />
Wasserkraft<br />
Neue Turbinen an der Iller Seite 68<br />
Lindau Seite 72<br />
Wangen Seite 74<br />
Selbstversorger<br />
Test im Inselnetz Seite 78<br />
Medienversorgung<br />
Gas und Glas Seite 82<br />
Bioenergie<br />
Erneuerbare sollen wachsen Seite 84<br />
Brennstoffzelle<br />
Galileo kommt ins Haus Seite 86<br />
Umwelt<br />
LBV lobt die Stadt Kempten Seite 88<br />
Themenvorschau Seite 90<br />
Redaktions- und Anzeigenschluss für die nächste Ausgabe ist der 29. September <strong>2016</strong><br />
74<br />
Fotos: Dominik Ultes, Hochschule Kempten, Volker Wille<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
5
Klimaschutz<br />
Fotos: Landratsamt Landkreis Oberallgäu<br />
Oberallgäu<br />
Manfred Berktold<br />
Wir stellen Ihnen die Klimaschutzbeauftragten der Landkreise<br />
und kreisfreien Städte im Allgäu vor und zeigen, was sie leisten.<br />
Den Anfang macht Manfred Berktold, der im Oberallgäu dafür<br />
sorgt, dass die gesteckten Ziele erreicht werden.<br />
Manfred Berktold treibt als<br />
Klimaschutzbeauftragter den<br />
Klimaschutz im Oberallgäu<br />
voran<br />
Info<br />
Mitte des Jahres soll ein Ex -<br />
terner die Stelle des Klima -<br />
schutzbeauftragten über neh -<br />
men, der dann konkret und<br />
ausschließlich für die Thematik<br />
zuständig ist.<br />
Im Landkreis Oberallgäu sorgt Manfred Berktold<br />
als Klimaschutzbeauftragter dafür, dass vermehrt<br />
Energie aus regionalen regenerativen Quellen genutzt<br />
wird. Immer vor Augen hat er dabei das Ziel des<br />
Landkreises: Bis 2022 sollen 70 Prozent der benötigten<br />
Energiemenge mittels erneuerbarer Energien gedeckt<br />
werden. Berktold ist kein hauptberuflicher Klimaschutzbeauftragter,<br />
denn nebenbei ist er weiterhin<br />
Sachgebietsleiter für den Bürgerservice. Der Übergang<br />
in seine »Nebentätigkeit« war fließend und begann bereits<br />
2010. Damals wurde mit der Ausarbeitung des<br />
Klimaschutzkonzeptes begonnen, und zu dem Zeitpunkt<br />
war er auch Sachgebietsleiter für die Hauptverwaltung.<br />
Dadurch war er für die Verwaltung der<br />
kommunalen Liegenschaften verantwortlich, die Bestandteil<br />
des Klimaschutzkonzeptes sind. So kam<br />
Manfred Berktold über das Liegenschaftsmanagement<br />
an die Stelle des Klimaschutzbeauftragten. Um das gesetzte<br />
Ziel bis 2022 auch wirklich zu erreichen, wurde<br />
im April 2013 das Klimaschutzkonzept beschlossen.<br />
Die verschiedenen Projekte darin sind vier Bereichen<br />
zugeordnet: »Nachhaltig Bauen & Sanieren«, »Erneuerbare<br />
Energien«, Energieeffizienz« und »Mobilität«.<br />
Dazu gibt es noch übergeordnete Aufgaben, in denen<br />
es hauptsächlich darum geht, dass der Landkreis als<br />
Vorbild agiert.<br />
Erfolgreiche Arbeit<br />
In diesem Bereich laufen aktuell auch einige Projekte<br />
wie etwa die Teilnahme am European Energy<br />
Award. Damit möchte der Landkreis die mit dem<br />
Klimaschutzkonzept begonnene Arbeit fortsetzen<br />
und sich immer weiter verbessern. Das Vorhaben<br />
scheint erfolgreich zu sein, denn Ende letzten Jahres<br />
gewann das Oberallgäu den Award. Damit war es der<br />
erste Landkreis in Bayern, der den Preis für seine<br />
herausragende Energie- und Klimaschutzpolitik erhalten<br />
hat.<br />
Ein weiteres vielversprechendes Projekt, das<br />
momentan läuft, ist die kommunale Energieallianz,<br />
die 2013 mit zehn Gemeinden startete und heute<br />
knapp über 20 umfasst. Im Rahmen dieses Zusammenschlusses<br />
erhalten Gemeinden Unterstützung bei<br />
ihrer kommunalen Energiepolitik und verpflichten<br />
sich im Gegenzug zur Umsetzung verschiedener<br />
Maßnahmen wie etwa der Einführung einer Energiebuchhaltung<br />
mit monatlichen Verbrauchsaufzeichnungen.<br />
Ein weiteres Projekt, bei dem alle mitmachen<br />
können, ist beispielsweise der Stromsparwettbewerb,<br />
der zusammen mit den Allgäustrom-Partnern<br />
und eza! ins Leben gerufen wurde. Teilnehmen<br />
können Bürger, Betriebe, Behörden und Firmen –<br />
wer von ihnen am meisten spart, wird belohnt. Zur<br />
Berechnung werden die prozentualen Einsparungen<br />
2015/16 denen der letzten Abrechnungsperiode<br />
2014/15 gegenübergestellt. Damit werden alle animiert,<br />
etwas für den Klimaschutz zu tun, denn prämiert<br />
werden nicht nur die ersten drei Plätze, sondern<br />
es warten noch Sachgewinne auf die anderen<br />
Teilnehmer.<br />
(cs)<br />
Dass der Landkreis in Sachen<br />
Klimaschutz erfolgreich ist, zeigt<br />
der Gewinn des European<br />
Energy Award<br />
6<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Klimaschutz<br />
Ostallgäu<br />
Johannes Fischer<br />
Der Landkreis Ostallgäu setzt sich bereits seit Jahren aktiv mit<br />
der Thematik des Klimaschutzes auseinander und hat ein klares<br />
Ziel vor Augen. Für dessen Verwirklichung, setzt sich der Klimaschutzbeauftragte<br />
Johannes Fischer ein.<br />
Fotos: Landratsamt Ostallgäu, Andreas Neukam<br />
Seit dreieinhalb Jahren besetzt Johannes Fischer<br />
die Stelle des Klimaschutzbeauftragten<br />
im Ostallgäu, doch auch davor war ihm die<br />
Thematik nicht ganz unbekannt. Er absolvierte zunächst<br />
eine landwirtschaftliche Ausbildung mit abschließender<br />
Meisterprüfung. Bereits damals machte<br />
er sich Gedanken hinsichtlich des Umwelt- und Klimaschutzes.<br />
Nachdem er sein Abitur nachgeholt hatte,<br />
studierte er Wirtschaftsingenieurswesen und Maschinenbau.<br />
Anschließend arbeitete Johannes Fischer vier<br />
Jahre für eine Photovoltaikfirma – seine damaligen<br />
Aufgaben waren eher technisch ausgerichtet, und er<br />
war beispielsweise für Projektplanungen verantwortlich.<br />
Da zu der Zeit das Ende des Solarbooms bereits<br />
abzusehen war, schaute er sich nach etwas Neuem um,<br />
und so kam es zur Bewerbung auf die Stelle des Klimaschutzbeauftragten.<br />
Nun kümmert er sich darum,<br />
dass der Masterplan des Ostallgäus umgesetzt wird: Er<br />
bringt Leute zusammen, die etwas bewegen können,<br />
und ebnet den Weg für klimaschutzrelevante Aktivitäten.<br />
Weiterhin ist die Neufassung des Masterplans<br />
eine seiner Aufgaben, denn manche Projekte sind veraltet<br />
und müssen überarbeitet werden. Bei den angedachten<br />
Projekten des Landkreises prüft er, ob sie<br />
umsetzbar sind. Er legt detaillierte Inhalte fest, überlegt,<br />
wer bei der Umsetzung helfen kann, und klärt die<br />
Finanzierung.<br />
Verschiedenste Projekte<br />
Aktuell laufen mehrere Projekte im Ostallgäu wie<br />
etwa die »Energiesparclubs« an den Grundschulen des<br />
Landkreises. In deren Rahmen lernen die Schüler der<br />
dritten Klasse mehr über »Energiesparen«. Die Kinder<br />
sollen sich interaktiv mit dem Thema auseinandersetzen.<br />
Ein weiteres Projekt, das im März dieses Jahres<br />
angelaufen ist, dreht sich um die Beratung und Begleitung<br />
bei Sanierungsvorhaben durch Experten. Obwohl<br />
es erst so kurz läuft, kann schon ein positives Fazit<br />
gezogen werden, denn es gibt eine nennenswerte<br />
Nachfrage, was zeigt, dass der Bedarf da ist. Weiterhin<br />
leistet der Landkreis viel Informationsarbeit rund um<br />
den Klimaschutz. So gibt es eine Wanderausstellung<br />
an Gymnasien zu dem Thema – anders, als man es<br />
kennt: Sie ist mehr bildlich als textlich aufgestellt, 34<br />
großformatige Bilder von einem renommierten Naturfotografen<br />
sollen die Schüler auf einer emotionalen<br />
Ebene ansprechen. Weiterhin gibt es eine Informationsbroschüre<br />
mit dem Titel »Besonders sparsame<br />
Haushaltsgeräte«. Interessierte Bürger können darin<br />
vor der Neuanschaffung von Waschmaschinen, Kühlschränken<br />
und anderen Geräten die Verbrauchsdaten<br />
überprüfen. Eine weitere Maßnahme, die für den Klimaschutz<br />
getroffen wird: Johannes Fischer darf sich<br />
die Bebauungspläne der Kommune ansehen. So kann<br />
er Änderungsvorschläge machen, was aus seinem<br />
Blickwinkel hinsichtlich des Klimaschutzes sinnvoll<br />
wäre. Im Ostallgäu wird aber auch vorausgedacht, und<br />
so stehen für die kommende Arbeit schon zwei<br />
Schwerpunkte fest. Zum einen die Anpassung an das<br />
Klima, denn es wird sich ändern. Und zum anderen<br />
soll die Energieeffizienz der Unternehmen angegangen<br />
werden. Hier müssen Wege der Ansprache gefunden<br />
werden, damit sich Unternehmen auf das Projekt<br />
einlassen. Johannes Fischer wird also auch zukünftig<br />
viel zu tun haben.<br />
(cs)<br />
Johannes Fischer war schon<br />
vorher mit der Thematik<br />
Klimaschutz vertraut<br />
Beim Energiesparclub lernen<br />
die Kleinen spielerisch mehr<br />
darüber, wie Energie<br />
eingespart werden kann<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
7
Klimaschutz<br />
Fotos: Landratsamt Landkreis Unterallgäu<br />
Unterallgäu<br />
Andrea Ruprecht<br />
Die Klimaveränderung ist eine der größten Herausforderungen<br />
unserer Zeit. Der Landkreis Unterallgäu stellt sich ihr mit einem<br />
integrierten Klimaschutzkonzept. Dass dieses auch umgesetzt<br />
wird, dafür sorgt die Klimaschutzmanagerin.<br />
Andrea Ruprecht ist die<br />
Klimaschutzbeauftragte des<br />
Landkreises Unterallgäu.<br />
Zusammen mit ihrer Kollegin will<br />
sie das Klimaschutzkonzept<br />
umsetzen<br />
»Mehr Bäume für den<br />
Klimaschutz« hieß es wieder am<br />
internationalen Tag des Baumes<br />
Andrea Ruprecht ist seit 2014 dafür verantwortlich,<br />
dass die im Klimaschutzkonzept<br />
gesetzten Ziele bis zum Jahr 2021 erreicht<br />
werden. Zusammen mit ihrer Kollegin Susanne Ruf<br />
treibt sie den Klimaschutz im Landkreis aktiv voran.<br />
Ruprecht ist schon lange im »grünen« Bereich tätig<br />
– zunächst studierte sie an der Fachhochschule in<br />
Freising Landschaftsplanung und -architektur und<br />
war nach Abschluss des Studiums in diesem Feld<br />
tätig. Seit 2009 ist sie im Landratsamt beschäftigt, zunächst<br />
in der Naturschutzbehörde, wo sie freiberuflich<br />
die Ausgleichsflächen des Landkreises erfasste<br />
und bewertete. Danach wechselte sie ins Bauamt,<br />
und Ende 2013 bewarb sie sich erfolgreich auf die<br />
ausgeschriebene Stelle als Klimamanagerin.<br />
In dieser Funktion ist sie nun dafür verantwortlich,<br />
dass das Klimaschutzkonzept nicht eine Ansammlung<br />
von Zielen bleibt, sondern dass diese auch<br />
umgesetzt werden. Zu dem Zweck wurden viele<br />
Maßnahmen für den Landkreis erarbeitet, und Ruprecht<br />
sieht sich und ihre Kollegin als Schnittstelle<br />
zwischen der Regierung von Schwaben und den einzelnen<br />
Gemeinden. Mit zu ihren Aufgaben zählen<br />
die Wissensverbreitung, die Motivierung von Bürgern,<br />
die Weitergabe von Informationen und die Vernetzung<br />
von Klimaschutzakteuren der 52 Gemeinden<br />
im Landkreis. Es sollen alle ins Boot geholt werden,<br />
damit der Klimaschutz in der Region weiter vorankommt.<br />
Viele abgeschlossene Projekte<br />
Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit sieht Andrea<br />
Ruprecht in der Bildung, vor allem in der der Kinder,<br />
aber auch der der Erwachsenen. Aus diesem Grund<br />
wurden mehrere Projekte ins Leben gerufen und bereits<br />
erfolgreich abgeschlossen wie etwa »PrimaKlimaKids«.<br />
Das ist eine landesweite Bildungsinitiative<br />
für Kindergärten und Grundschulen, die vom Bund<br />
Naturschutz durchgeführt wurde und dieses Jahr erneut<br />
stattfindet. Ein weiteres gelungenes Projekt ist<br />
das 2015 fertiggestellte Energiespardorf. Unter Anleitung<br />
des Bund Naturschutz haben Berufsschüler<br />
aus Mindelheim ein reales Modell eines Dorfes nachgebaut.<br />
Damit können nun verschiedene Energieerzeugungsformen<br />
und Energieverbrauchssituationen<br />
simuliert und komplexe Zusammenhänge anschaulich<br />
dargestellt werden. Die Einsatzmöglichkeiten<br />
sind vielfältig, wie etwa in Bildungseinrichtungen<br />
oder politischen Gremien in den Gemeinden des<br />
Landkreises.<br />
Ein weiteres abgeschlossenes Projekt, das dieses<br />
Jahr wiederholt wurde, ist »Mehr Bäume für den Klimaschutz«.<br />
Mit der landkreisweiten Aktion soll auf<br />
die Bedeutung von Bäumen hingewiesen werden.<br />
Die Maßnahme findet immer am internationalen Tag<br />
des Baumes statt, und um den zu würdigen, pflanzen<br />
die Fachstellen Klimaschutz und Gartenkultur am<br />
Landratsamt den jeweiligen Baum des Jahres – dieses<br />
Jahr war es die Winterlinde.<br />
(cs)<br />
8<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Klimaschutz<br />
Landkreis Lindau<br />
Steffen Riedel<br />
Der Landkreis Lindau beschäftigt seit Anfang Oktober 2015 einen<br />
Klimaschutzmanager, und der ist kein Unbekannter in der Region –<br />
die Rede ist von Steffen Riedel. In seiner neuen Funktion wird er versuchen,<br />
die Energiewende weiter zu beschleunigen.<br />
Fotos: Landratsamt Landkreis Lindau<br />
Steffen Riedel trat am 1. Oktober 2015 die neu<br />
geschaffene Stelle als Klimaschutzmanager<br />
im Landkreis Lindau an. Im Zuge des Bewerbungsverfahrens<br />
hatte er sich gegen 80 andere Kandidaten<br />
durchgesetzt, und mit Blick auf seine Vita ist die<br />
Entscheidung nachvollziehbar. Der gelernte Versorgungsingenieur<br />
beschäftigte sich schon mit den Themen<br />
Energiewende und Klimaschutz, als diese noch<br />
für die Mehrheit der Bevölkerung unbekannt waren.<br />
Weiterhin war er jahrelang Kreisrat der Fraktion<br />
Bündnis 90/Die Grünen sowie bereits Klimaschutzbeauftragter<br />
für den Landkreis. Bis zum Antritt seiner<br />
neuen Stelle war Riedel außerdem von 1999 an Fachbereichsleiter<br />
im eza! Energie- und Umweltzentrum<br />
Allgäu. Nach wie vor ist der Klimaschutzmanager Vorsitzender<br />
des Fördervereins Erneuerbare Energien<br />
(FEE) sowie Dozent für Gebäudeenergietechnik an<br />
der Hochschule Kempten, zertifizierter Energieauditor<br />
und Autor verschiedener Fachpublikationen. Er war<br />
bereits an zahlreichen Energieprojekten des Landkreises<br />
beteiligt, und das größte war wohl die Verabschiedung<br />
des Klimaschutzkonzeptes im Jahr 2013. Nun<br />
muss er als Klimaschutzmanager dafür sorgen, dass<br />
die darin enthaltenen Maßnahmen umgesetzt werden,<br />
und bisher befindet er sich auf einem guten Weg. Mit<br />
Hilfe des Konzeptes soll der Klimaschutz im Landkreis<br />
Lindau systematisch vorangetrieben werden, indem<br />
darauf geachtet wird, wo Energie eingespart werden<br />
kann und in welchem Umfang erneuerbare Energien<br />
eingesetzt werden können. Im Klimaschutzkonzept<br />
sind sechs Handlungsfelder aufgeführt, und für jedes<br />
gibt es ein strategisches Leitziel.<br />
Taten statt Worte<br />
Um diese Ziele zu erreichen, wurden 28 Maßnahmen<br />
beschlossen, die jeweils den Handlungsfeldern<br />
zugeordnet wurden. Noch kein Jahr nach Arbeitsbeginn<br />
kann Steffen Riedel bereits Taten sprechen<br />
lassen, denn einige Projekte sind bereits abgeschlossen<br />
oder auf den Weg gebracht worden. So war beispielsweise<br />
als Projekt aufgelistet, dass sich der Landkreis<br />
zum Bezug von grünem Strom verpflichtet. Seit dem<br />
1. Januar <strong>2016</strong> liefern nun die Stadtwerke Lindau CO2-<br />
freien Strom in das Landratsamt, in die Landkreisliegenschaften<br />
und an alle Schulen. Außerdem werden<br />
derzeit alle Liegenschaften des Landkreises mit Geräten<br />
zur automatischen Erfassung des Energie- und<br />
Wasserverbrauchs ausgestattet, damit der Verbrauch<br />
von Strom, Gas und Wasser besser kontrolliert werden<br />
kann. Weiterhin werden im Rahmen eines Wettbewerbes<br />
die Schüler an den Schulen in der Aufwandsträgerschaft<br />
des Landkreises dieses Jahr wieder für ihre<br />
Klimaschutz- und Energiesparbemühungen prämiert.<br />
Eine weitere Maßnahme, die bald umgesetzt wird, betrifft<br />
die Förderung der Elektromobilität, denn noch<br />
in diesem Jahr werden im Landkreis Lindau zwei<br />
Fahrzeuge aus dem Fuhrpark gegen Elektroautos getauscht.<br />
Dies sind nur einige Projekte, die auf den Weg<br />
gebracht oder bereits abgeschlossen wurden. Derzeit<br />
laufen noch weitere Maßnahmen, und über den aktuellen<br />
Stand der Umsetzung des Maßnahmenkatalogs<br />
informiert auch das Landratsamt Lindau. (cs)<br />
Steffen Riedel kümmert sich<br />
nun hauptamtlich um den<br />
Klimaschutz im Landkreis<br />
Lindau<br />
Ein weiteres Projekt: der<br />
Stromsparcheck für Haushalte<br />
mit niedrigem Einkommen soll<br />
<strong>2016</strong> fortgeführt werden
Klimaschutz<br />
Memmingen<br />
Stephan Pawelke<br />
Fotos: Stadt Memmingen<br />
Die kreisfreie Stadt Memmingen widmet sich seit Jahren dem<br />
Thema Energie und stellt sich den Herausforderungen, die der<br />
Klimawandel mit sich bringt. Der Energiebauftragte kämpft<br />
sozusagen an vorderster Front.<br />
Schon seit gut fünf Jahren ist<br />
Stephan Pawelke der Energiebeauftragte<br />
von Memmingen<br />
Das Berufsbildungszentrum<br />
wird nachhaltig beheizt – mit<br />
einer Hackschnitzelanlage<br />
Bereits im Jahr 1999 wurde die Stelle des Energiebeauftragten<br />
in Memmingen geschaffen,<br />
und seit Herbst 2011 ist nun Stephan Pawelke<br />
für das Energiemanagement der Stadtverwaltung verantwortlich.<br />
An seinem beruflichen Werdegang sieht<br />
man, dass die Thematik für ihn nicht unbekannt ist. Zunächst<br />
absolvierte er eine Ausbildung zum Sanitär-,<br />
Heizungs- und Klimainstallateur und danach eine<br />
Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker. Anschließend<br />
war er Projektleiter für Gebäudetechnik<br />
mit Fokus auf Wartung und Sanierung für Großkunden.<br />
Darüber hinaus arbeitete er als Fachlehrer für<br />
Anlagenmechaniker an der Berufsschule Krumbach,<br />
bevor er dann die Stelle als Energiebeauftragter antrat.<br />
Auch in dieser Position qualifiziert er sich weiter, er<br />
schloss noch 2015 eine Weiterbildung zum Kommunalen<br />
Energiewirt ab. Das Aufgabenspektrum von Stephan<br />
Pawelke ist breit gefächert und umfasst<br />
verschiedenste Formen der effizienten Energienutzung.<br />
Dazu gehört zum Beispiel die Mitarbeit im Contracting-Projekt:<br />
In 31 Liegenschaften wurden die<br />
Heizungs- und Regeltechnik erneuert und insgesamt<br />
acht Mini-Blockheizkraftwerke installiert. Während<br />
der 15-jährigen Laufzeit wird der Energieverbrauch<br />
laufend extern kontrolliert. Weiterhin berät er externe<br />
Planer, wie die energetischen Anforderungen der Stadt<br />
umgesetzt werden können. Auch für die Betreuung<br />
der Klimaschutzseiten auf der städtischen Homepage<br />
ist er verantwortlich und aktualisiert regelmäßig die<br />
Daten. Zum Beispiel werden in Memmingen seit 1996<br />
die Energieverbräuche der kommunalen Gebäude monatlich<br />
bilanziert, um Auffälligkeiten sofort festzustellen<br />
und Störungen kurzfristig beheben zu lassen.<br />
Alle profitieren<br />
Eine andere Maßnahme, die die Stadt seit 2001<br />
jährlich durchführt, ist das »Fifty/Fifty«-Projekt an<br />
Schulen. Die Schüler und Lehrer achten auf einen sparsamen<br />
Energie- und Wassereinsatz und melden beispielsweise<br />
undichte Toilettenspülungen sofort dem<br />
Hausmeister. Die Hälfte der eingesparten Energiekos -<br />
ten wird direkt an die Schulen ausgezahlt. Zehn Prozent<br />
der Ausschüttungen fließen dann in einen Soli-<br />
Fonds, damit auch kleinere Schulen, die nicht so viel<br />
einsparen können und deswegen weniger Geld bekommen,<br />
energetische Verbesserungen finanzieren können.<br />
Über die Verwendung der Mittel entscheiden<br />
jährlich die Energiebeauftragten der Schulen auf einer<br />
gemeinsamen Sitzung. Ein weiteres Projekt, das seit<br />
2008 realisiert wird, ist ÖKOPROFIT®. Es richtet sich<br />
an die heimischen Betriebe, die im Zuge ihrer Teilnahme<br />
Maßnahmen in den Bereichen Strom, Wärme,<br />
Emissionen, Wasser, Abfall und mehr erarbeiten. Mit<br />
diesen sollen dann die Umwelt entlastet und Kosten<br />
gesenkt werden. Dass das Projekt erfolgreich ist, zeigt<br />
ein Blick auf die Zahlen: So wurden im Jahr 2012 mit<br />
92 Einzelmaßnahmen nicht nur 200.000 Euro eingespart,<br />
sondern auch der Ausstoß von 434 Tonnen CO2<br />
vermieden. Seit 2014 läuft noch ein weiteres Projekt<br />
mit dem Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!),<br />
bei dem 26 kleinere Liegenschaften außerhalb des Contracting-Vertrages<br />
auf energetische Schwachstellen geprüft<br />
und diese schnellstmöglich behoben werden.<br />
Demnächst werden weitere Maßnahmen in Angriff genommen<br />
– so soll beispielsweise in den Duschen auf<br />
einem städtischen Sportplatzgelände eine 20 Quadratmeter<br />
große Solarthermieanlage für das warme Wasser<br />
sorgen und in der Übergangszeit sogar die Fußbodenheizung<br />
unterstützen. In den nächsten Jahren stehen<br />
Sanierungen von alten Gebäuden und der Heizungsund<br />
Lüftungstechnik an, um sie energetisch zu verbessern<br />
und zu optimieren.<br />
(cs)
Klimaschutz<br />
Kempten<br />
Thomas Weiß<br />
Die kreisfreie Stadt übernimmt bereits seit langer Zeit Verantwortung<br />
für den Klimaschutz, und seit einigen Jahren hat sie diesen zum<br />
strategischen Ziel erklärt. Klimaschutzmanager Thomas Weiß hat sich<br />
der Aufgabe »Klima schützen« angenommen.<br />
Fotos: Stadt Kempten<br />
Seit März 2012 besetzt Thomas Weiß die Stelle<br />
des Klimaschutzmanagers in der kreisfreien<br />
Stadt Kempten. Im Zuge eines Bewerbungsverfahrens<br />
hatte sich gegen seine Mitstreiter durchgesetzt,<br />
denn sein Lebenslauf spricht für sich. Er<br />
studierte in Amerika Umweltwissenschaften und war<br />
im Bereich der Umweltberatung tätig, teilweise auch<br />
als Selbstständiger. Seit den frühen 2000-Jahren war<br />
er Nachhaltigkeitsmanager in einer Brauerei. Dort<br />
kümmerte er sich nicht nur um die Nachhaltigkeit des<br />
Betriebes, sondern kommunizierte und interagierte<br />
auch mit den Mitarbeitern, um ihnen die Aspekte<br />
näher zu bringen. Außerdem ist Weiß eine gestandene<br />
Persönlichkeit und ein Mann, der weiß wovon er<br />
spricht – er brachte das mit, was Kempten gesucht<br />
hatte. Die Aufgaben von Thomas Weiß als Klimaschutzmanager<br />
sind relativ weit gefasst, denn er kümmert<br />
sich nicht nur um die Projekte aus dem<br />
Masterplan, sondern auch um einige der Stadt. Er vernetzt<br />
Akteure von Projekten, schiebt Vorhaben an und<br />
begleitet sie. Ein weiterer wichtiger Aspekt seiner Arbeit<br />
ist die Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung,<br />
nicht nur bei den Bürgern, sondern auch in der<br />
Verwaltung.<br />
Kempten denkt voraus<br />
Um dies zu erreichen, fand beispielsweise 2013<br />
ein Bürgerforum statt, und weiterhin gab die Stadt<br />
Kempten eine Bürgerbroschüre zum Masterplan heraus,<br />
in der die Ziele und Szenarien für jeden erläutert<br />
werden. Darin können sich die Einwohner Kemptens<br />
über die wichtigsten Aspekte des Masterplans informieren<br />
und müssen dafür nicht die über hundert Seiten<br />
dicke Schrift lesen. Ein anderes wichtiges Projekt,<br />
das gerade läuft, ist das Neubaugebiet »Halde-Nord«,<br />
das im Zuge des strategischen Zielkonzeptes der Stadt<br />
entstehen soll. Im Fokus steht dort energetisches Bauen,<br />
denn das Quartier ist ein Klimaschutzmodellprojekt<br />
und soll ein Masterquartier werden. Bedeutungsvoll<br />
beim Klimaschutz ist die Thematik der Mobilität,<br />
dessen ist sich auch Kempten bewusst. Aus diesem<br />
Grund wurde der Fuhrpark der Stadt durch die Anschaffung<br />
mehrerer Elektrofahrzeuge emissionsoptimiert.<br />
Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit den<br />
Kollegen vom Bauhof, besonders mit dem Fuhrparkleiter,<br />
und mit dem Amt für zentrale Dienste. Doch<br />
damit ist das Thema Mobilität für Thomas Weiß noch<br />
längst nicht abgehakt, denn es gibt noch viele offene<br />
Projekte, die angegangen werden sollen. So soll etwa<br />
der Radverkehr der kreisfreien Stadt gefördert werden,<br />
und unter Federführung des Tiefbauamtes sollen Radstationen<br />
in Kempten entstehen. Außerdem nimmt<br />
Kempten dieses Jahr erneut am Stadtradeln teil und<br />
wird dabei vom RSC Kempten unterstützt. Wichtig ist<br />
für den Klimaschutzmanager auch die Anpassung an<br />
den Klimawandel, denn der findet bereits statt, und so<br />
langsam wird überlegt, wie sich die Stadt dagegen<br />
wappnen kann. Doch auch dieses Projekt geht die<br />
kreisfreie Stadt mit der Unterstützung von Thomas<br />
Weiß bereits an.<br />
(cs)<br />
Thomas Weiß und die kreisfreie<br />
Stadt Kempten reden nicht nur,<br />
sie handeln auch<br />
Mit dem Energieeffizienz netz -<br />
werk wird regionalen Unter -<br />
nehmern eine Plattform zu<br />
Erfahrungsaustausch, beispiels -<br />
weise über realisierte Ein -<br />
sparungs maßnahmen, gegeben<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
11
Klimaschutz<br />
Fotos: Stadt Kaufbeuren, Hermann Grondinger<br />
Kaufbeuren<br />
Hermann Grondinger<br />
Es geht auch ohne – genau das beweist Kaufbeuren. Von den<br />
vorgestellten Landkreisen und kreisfreien Städten ist die<br />
Wertachstadt die einzige ohne Klimaschutzkonzept. Trotzdem<br />
wird auch in Kaufbeuren einiges für ein gutes Klima getan.<br />
Hermann Grondinger sorgt in<br />
Kaufbeuren dafür, dass der<br />
Klimaschutz nicht zu kurz<br />
kommt<br />
Das Bärensee-Kraftwerk südlich<br />
von Kaufbeuren erzeugt Strom<br />
aus Wasserkraft und<br />
Sonnenenergie<br />
In dieser Reihe steht die kreisfreie Stadt alleine da<br />
mit ihrer Entscheidung, kein Klimaschutzkonzept<br />
zu haben. Eigentlich hatte der Stadtrat vor einigen<br />
Jahren für die Erstellung eines Konzeptes gestimmt,<br />
doch dann änderten sich die Förderrichtlinien, und<br />
die Stadt hätte mehr Geld investieren müssen. Die<br />
Entscheidung wurde wieder dem Stadtrat übergeben,<br />
und diesmal viel das Votum negativ aus. Doch damit<br />
hat man sich nicht gegen Klimaschutz entschieden,<br />
denn das Geld, das in die Erstellung des Konzeptes geflossen<br />
wäre, sollte lieber gleich für gezielte Maßnahmen<br />
und Projekte verwendet werden. Gesagt, getan!<br />
Dafür, dass das auch geschieht, sorgen unter anderem<br />
Rainer Bäurle, der städtische Energiemanager, und<br />
Hermann Grondinger, der als kommunaler Energieberater<br />
auch mit dem Energie- und Umweltzentrum<br />
Allgäu, kurz eza!, zusammenarbeitet. Bevor Grondinger<br />
im Jahr 1999 seine Stelle in Kaufbeuren antrat, war<br />
er bei der Stadt Augsburg im Umweltamt beschäftigt.<br />
Somit ist er seit Jahren mit der Thematik des Klimaund<br />
Umweltschutzes vertraut.<br />
Wichtige Informationsarbeit<br />
Seine Aufgaben in der Energieberatung bei privaten<br />
Haushalten sieht er in der Vermittlung von Informationen<br />
an die Menschen. Die Themen reichen<br />
dabei vom Wärmeschutz über das Beheizen von Gebäuden,<br />
die Nutzung erneuerbarer Energien bis zu<br />
möglichen Förderprogrammen. Er hilft, das gesamte<br />
System »Haus« zu sehen, und will Verständnis bei<br />
den Interessierten dafür wecken, dass immer mehrere<br />
Faktoren zusammenhängen. Die Leute kommen<br />
meist mit konkreten Fragen zu ihm. Selten gibt es dabei<br />
den Königsweg. So versucht Hermann Grondinger,<br />
Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten<br />
aufzuzeigen. Im Rahmen von Gebäudesanierungen<br />
weist er auch immer wieder auf die Notwendigkeit<br />
hin, das Nutzerverhalten den neuen Gegebenheiten<br />
anzupassen. In Kaufbeuren gibt es zahlreiche weitere<br />
Projekte. Seit vielen Jahren erfolgt im Hochbauamt<br />
bei Energiemanager Bäurle ein sogenanntes »Verbrauchscontrolling«.<br />
Über die regelmäßige Kontrolle<br />
der Energieverbräuche wird dabei auf deren Senkung<br />
hingewirkt. Weiterhin werden immer mehr städtische<br />
Gebäude auf einen modernen Energiestandard<br />
gebracht. Eine Besonderheit ist auch, dass das Jakob-<br />
Brucker-Gymnasium in Kaufbeuren durch eine<br />
oberflächennahe Geothermie-Anlage mit Wärme<br />
versorgt wird. Eine weitere Maßnahme für den Klimaschutz<br />
ist das Projekt »Energieteams an Kaufbeurer<br />
Schulen«. Die pädagogische Idee dahinter ist,<br />
dass Schüler und Lehrer sich ihrer Verantwortung<br />
für die Schule stärker bewusst werden. Sie sollen verinnerlichen,<br />
dass jeder mit seinem Handeln seine<br />
Umgebung und damit auch den Energieverbrauch<br />
beeinflusst. Ein aktuelles Projekt, das gerade begonnen<br />
hat, ist das neue Eishockey-Stadion der Stadt.<br />
Dieses soll als Niedrigenergiehaus erbaut werden. So<br />
zeigt sich, dass sich der Klimaschutz und das Vergnügen<br />
verbinden lassen. Und es zeigt sich weiter, dass<br />
ein Klimaschutzkonzept nicht unbedingte Voraussetzung<br />
dafür ist, sich für den Klimaschutz zu engagieren.<br />
(cs)
Auszeichnung<br />
Jede Wende beginnt im Kopf<br />
Ein pädagogischer Beitrag zur Energiewende<br />
Die Staatliche Berufsschule Mindelheim startete vor drei Jahren ein Projekt mit<br />
Energieeffizienzkursen für ihre Schüler. Dieses Jahr wurde dieser pädagogische<br />
Beitrag zur Energiewende mit dem Deutschen Klimapreis der Allianz Umweltstiftung<br />
ausgezeichnet. Karl Geller, Initiator und Umsetzer des Ganzen, erzählt uns mehr<br />
über das Pilotprojekt.<br />
Energieeffizienz kann man<br />
»begreifen«: Das wird im<br />
Kursthema »Beleuchtung«<br />
deutlich<br />
Können Sie uns helfen? Manchen Betrieben<br />
steht das Wasser schon bis zum Hals, die<br />
Energiekosten werden zum Standortfaktor!<br />
Was wir brauchen, ist eine neue Generation junger<br />
Menschen, die energetische Zusammenhänge kapiert<br />
und die Einsparpotenziale sieht!«, so kurz und bündig<br />
brachte Alexander Gundling, der damalige Leiter des<br />
Referats Innovation und Umwelt der IHK Schwaben,<br />
die Lage bei unserem ersten Treffen auf den Punkt.<br />
Wie alles begann<br />
Im Frühjahr 2013 erreichte alle Berufsschulleiter<br />
der Region ein Schreiben der Regierung von Schwaben<br />
mit dem Inhalt, die IHK in Augsburg wünsche<br />
sich mehr Zusammenarbeit mit den schwäbischen Berufsschulen<br />
beim Thema »Effizienter Umgang mit<br />
Energie«. Die einzige Berufsschule, die sich dieser<br />
Herausforderung annahm, war die BS Mindelheim.<br />
Nach Rücksprache mit dem Kultusministerium entstand<br />
ein bayernweit einmaliges dreijähriges Pilotprojekt<br />
für alle Berufsschulen, das im Februar <strong>2016</strong> in die<br />
dritte Runde ging und bereits auf die Erfahrungen der<br />
ersten beiden Jahre zurückgreifen kann. Der dritte<br />
Durchgang dient nun dem Test des fertig entwickelten<br />
Kurses mit dem niedergeschriebenen Lehrplan und<br />
mit den kompletten Unterrichtsmaterialien, wie er an<br />
jeder anderen Berufsschule ebenfalls abgehalten werden<br />
könnte, was dem ausdrücklichen Wunsch des<br />
bayerischen Kultusministeriums entspricht.<br />
Großer Zuspruch der Schüler<br />
Im ersten Jahr waren drei parallele Kurse abgehalten<br />
worden, die Berufsschüler aus fünf verschiedenen<br />
Berufsrichtungen und zwei Jahrgangsstufen<br />
(Nutzfahrzeugmechatroniker, Land- und Baumaschinenmechatroniker,<br />
Berufskraftfahrer, Einzelhandelskaufleute,<br />
Landwirte sowie interessierte Schüler der<br />
Technikerschule für Maschinenbau) besuchten. Aufgrund<br />
des großen Zuspruchs unter den Schülern waren<br />
im zweiten Durchgang vier Kurse gebildet worden,<br />
wobei die Berufsschüler nur noch aus einer Jahrgangsstufe<br />
kamen und die Techniker einen separaten Kurs<br />
erhielten, da diese dadurch zusätzlich auf ihr Erasmus+<br />
Projekt »Energieberatung an einer englischen<br />
14<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Bei der Eröffnung des Pilotprojektes waren<br />
Staatssekretät Pschierer, Georg Renner von der<br />
Regierung von Schwaben und Oberstudiendirektor<br />
Reinhard Vetter anwesend<br />
Partnerschule« vorbereitet wurden. Insgesamt haben<br />
bislang weit über 100 Teilnehmer ihre Prüfung bestanden<br />
und ihr Zertifikat in Händen, das für Bewerbungen<br />
sehr gefragt ist. Auch im dritten Durchgang werden<br />
wieder vier Kurse angeboten; die Technikerschule<br />
führt ihr Projekt mit der nächsten Klasse auf Wunsch<br />
der englischen Partner weiter.<br />
Wenig Aufwand, viel Nutzen<br />
Ein Kurs besteht aus zwölf Abenden und einer<br />
vierstündigen Exkursion zu einem vorbildlichen Betrieb<br />
entsprechend der Blockbeschulung an unserer<br />
Schule. Dies entspricht 40 Stunden zusätzlicher Ausbildung<br />
beziehungsweise einer Wochenstunde im Tagesunterricht,<br />
passt also auf jede übliche Beschulungsform<br />
an Berufsschulen. Die Kurse verfolgen mehrere<br />
Ziele. Zum einen sollen junge Berufstätige befähigt<br />
werden, unnötige Energieverschwendung in ihrem<br />
Betrieb, in ihren Vereinen und natürlich auch zu Hause<br />
zu erkennen. Außerdem sollen sie durch eine Beratung<br />
eine ungefähre Lösung inklusive der Kosten und<br />
der damit verbundenen Einsparungen vorschlagen<br />
können. Weiterhin befähigen sie die Kurse dazu, Ansprechpartner<br />
für professionelle Energieberater zu sein<br />
und deren Vorschläge dann im Betrieb umzusetzen.<br />
Gerade der letzte Punkt fehlt laut IHK auf breiter Front<br />
in den Betrieben, sodass Beratungen sehr oft ins Leere<br />
laufen, bei Neuanschaffungen und Betriebsänderungen<br />
nicht auf die Folgekosten im Energiebereich ge- <br />
Die Inhalte des Kurses in Kurzform<br />
• Blick in die Zukunft (Probleme heutiger und zukünftiger<br />
Energiebereitstellung und ihrer Kosten für unsere<br />
Wirtschaft und den Verbraucher)<br />
• Was ist Energie (Berechnungen, Formeln, Einheiten,<br />
Beispiele, Vermittlung an Dritte)?<br />
• Energieeffiziente Erstellung von Gebäuden<br />
(u-Werte und deren Berechnung mit Profiunterlagen)<br />
• Beurteilung von Bauteilen<br />
(Wände, Fenster, Türen, Dämmung etc.)<br />
• Effiziente Energiebereitstellung (Verbrennungsmotoren,<br />
Solaranlagen, Elektromotoren, BHKWs,<br />
Wärmepumpen/Kältemaschinen, Synergieeffekte,<br />
Lüftungsanlagen etc.)<br />
• Energieeffiziente Druckluftanlagen<br />
(Aufbau, Problemstellen, Einsparmöglichkeiten)<br />
• Energieeffiziente Beleuchtungseinrichtungen<br />
(Beispiele aus Betrieben, Kostenrechnungen)<br />
• Beurteilung eines konkreten Objektes vor Ort<br />
mit dem Energieberater<br />
• Exkursion zu einem Unternehmen mit Vorbildfunktion<br />
• Beschaffung von Finanzmitteln, Förderprogramme<br />
(KfW, BAFA etc.), Amortisationsberechnungen<br />
• Systemisches Denken in Gemeinde und Unternehmen<br />
– Planspiel Energiedorf<br />
• Durchführung eines Beratungstermins/Rollenspiel<br />
(Vorbereitung, nötige Informationen, Formularwesen,<br />
Umgang mit Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden)<br />
• Die Kenntnisse werden durch einen Abschlusstest<br />
nachgewiesen<br />
Karl Geller hat das<br />
Projekt initiiert und<br />
umgesetzt<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
15
Auszeichnung<br />
Schulhausrundgang einmal<br />
anders – die Thermokamera<br />
zeigt die Schwachstellen auf<br />
achtet wird und so häufig hohe Verluste entstehen, die<br />
völlig unnötig sind und im schlimmsten Fall den wirtschaftlichen<br />
Erfolg des Unternehmens gefährden.<br />
Die professionellen Beratungsbüros der IHK<br />
schätzen, dass 30 Prozent der Energie in jedem Unternehmen<br />
ohne Funktions- oder Komfortverluste eingespart<br />
werden, und am Ende werden sogar Gewinne<br />
erwirtschaftet. Zielperson unserer Bemühungen ist<br />
demnach nicht der Spezialist, sondern die auf dem<br />
Energiesektor sensibilisierte, abteilungsübergreifend<br />
vernetzte Fachkraft und der mündige Konsument. Dabei<br />
machen alle weiteren Maßnahmen im Betrieb nur<br />
dann wirtschaftlich Sinn, wenn diese Einsparpotenziale<br />
vorher ausgeschöpft werden.<br />
Eine ausgezeichnete Idee<br />
Nach zwei erfolgreich abgeschlossenen Jahren<br />
kann eine positive Bilanz gezogen werden. Die Rückmeldungen,<br />
die wir von mittlerweile sieben Gruppen<br />
mündlich, durch vorgegebene Fragebögen oder offene,<br />
anonyme Abfragen erhielten, waren mehr als ermutigend.<br />
Im Grunde spricht auch die permanent hohe Zahl<br />
der Teilnehmer an einem Abendkurs nach immerhin<br />
neun Stunden Schule und trotz zum Teil langer Heimwege<br />
für den Kurs. Was vor allem für eine Weiterverbreitung<br />
des Kurses spricht, sind die Dinge, die von den<br />
Teilnehmern teils zu Hause, teils in den Betrieben umgesetzt<br />
werden und sich rechnen. Der Kurs wurde auch<br />
schon mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als<br />
»Gute Allgäu-Idee«, 2. Bundessieger beim Energiesparmeisterwettbewerb<br />
2015 des Umweltbundesamtes, Sonderpreis<br />
der VR-Bank Memmingen und natürlich mit<br />
dem Hauptpreis der Allianz Umweltstiftung.<br />
Ein Projekt mit Zukunft<br />
Die Lehrerakademie in Dillingen bildet dazu seit<br />
Frühjahr dieses Jahres in eigenen Kursen Lehrpersonal<br />
aus, sodass die Multiplikation in die Fläche beginnen<br />
kann, sofern die entsprechenden Ressourcen an den<br />
Schulen zur Verfügung gestellt werden können. Wir<br />
versuchen übrigens auch zum Beispiel durch den Bau<br />
von Kursmaterial, unseren Asylbewerberklassen einerseits<br />
die nötigen handwerklichen Fähigkeiten für<br />
den Arbeitsmarkt wie beispielsweise Schreinern und<br />
Elektroarbeiten und andererseits die Klimaproblematik<br />
beziehungsweise deren Lösungsmöglichkeiten zu<br />
vermitteln. Selbst für abgelehnte Asylbewerber leisten<br />
wir damit immer noch eine (energie-)effiziente, sehr<br />
preisgünstige Entwicklungshilfe und empfehlen Bayern<br />
als den Wirtschaftsstandort für die Zukunft.<br />
Fotos: Berufsschule Mindelheim<br />
Exkursion zu Manfred<br />
Guggenmos und seiner<br />
Firma »Erneuerbare<br />
Energien Allgäu GmbH«<br />
16<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Auszeichnung<br />
Anerkennung für Schüler<br />
Klimaparcours gewinnt Preis<br />
Die Albert-Schweitzer-Schule in Sonthofen kann sich freuen, denn auch sie gewann<br />
einen Preis der Allianz Umweltstiftung. Ausgezeichnet wurden die Schüler der Klasse<br />
7a – die kleinen Klimaexperten erarbeiteten weitgehend selbstständig den<br />
Klimaparcours und wurden für ihre Mühen nun belohnt.<br />
Klimaschutz geht uns alle an, und wir können<br />
nicht früh genug damit anfangen, auch Kinder<br />
für das Thema zu sensibilisieren. Das<br />
Wissen darüber sollte nicht nur zu Hause, sondern<br />
auch in Schulen vermittelt werden, und genau das war<br />
Ziel der Albert-Schweitzer-Schule in Sonthofen, als sie<br />
das Projekt »Klimaparcours« startete. Die Idee dahinter<br />
war, dass die Schüler der Klasse 7a weitgehend<br />
eigeninitiativ Modelle von Kraftwerken und ein Energiesparmemory<br />
erstellen und das Thema Klimawandel<br />
und -schutz veranschaulichen und präsentieren.<br />
So gestalten sie einen Klimaparcours, der dann<br />
den Schülern der Klassenstufen 3 bis 5 dargeboten<br />
werden soll.<br />
Von Schülern für Schüler<br />
Ziel des Projektes ist, dass die Schüler der Projektklasse<br />
als Klimaexperten auftreten und ihr Wissen mit<br />
altersangemessenen und motivierenden Medien <br />
Im Technikunterricht bauten die Schüler Modelle wie<br />
beispielsweise ein Windkraftrad für die Präsentation<br />
Anzeigen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
17
Auszeichnung<br />
Eine Station des<br />
Klimaparcours war das<br />
»Energiesparmemory«<br />
hier: Anhand der Turbine<br />
zeigten die Schüler, wie in einem<br />
Wasserkraftwerk<br />
Strom erzeugt wird<br />
und Materialen an die Jüngeren weitergeben. Somit setzen<br />
sich dann die Schüler aus den unteren Jahrgangsstufen<br />
spielerisch und handlungsorientiert mit klimaverträglicher<br />
Stromerzeugung und klimaverträglichem<br />
Verhalten im Haushalt auseinander. Um jedoch Wissen<br />
an andere weitergeben zu können, muss es zunächst erlangt<br />
werden. Aus diesem Grund ging dem Projekt ab<br />
Dezember 2014 eine sechswöchige Unterrichtssequenz<br />
zum Thema »Klima« voraus. Es wurde aus unterschiedlichen<br />
Perspektiven beleuchtet: in der geografischen<br />
lernten die Siebtklässler etwas über Klimazonen und -<br />
diagramme, in der gesellschafts-wissenschaftlichen<br />
über den Klimawandel und seine Folgen, und bei der<br />
physikalischen Perspektive ging es um die Stromerzeugung.<br />
Daran anschließend erstellten die Schüler der<br />
Klasse 7a, die alle einen sonderpädagogischen Förder-<br />
Fotos: Albert-Schweitzer-Schule Sonthofen, Claudia Schöwe<br />
bedarf in den Bereichen Lernen, Sozialverhalten, Emotionen<br />
und/oder Sprache haben, im Technikunterricht<br />
die Materialien und Modelle. Parallel dazu erarbeiteten<br />
sie im Deutschunterricht die Präsentation und übten<br />
diese mit den fertigen Modellen und Materialien, sodass<br />
schließlich im Juni und Juli 2015 der Klimaparcours<br />
dreimal durchgeführt werden konnte.<br />
Spielerisch Wissen erlangen<br />
Der Parcours startete immer mit einer Vorstellungsrunde<br />
und einem gemeinsamen Spiel zum warm<br />
werden. Danach begleiteten Schüler der Projektklasse<br />
die Jüngeren zu den vier Stationen mit den jeweiligen<br />
Themen »Schwarzer Strom«, »Wasserkraftwerk«,<br />
»Windkraftwerk« und »Energiesparmemory«. Jeder<br />
durchlief jedes Thema, und am Ende des Klimaparcours<br />
wurde in einer Abschlussrunde die Mitarbeit gewürdigt<br />
und das erlernte Wissen gesammelt. Begleitet wurde die<br />
Durchführung von Lehrern, die das Ganze filmten, und<br />
so entstand abschließend eine Dokumentation, die von<br />
zwei Schülern der Projektklasse, die die Film-AG der<br />
Schule besuchen, selbst geschnitten wurde.<br />
Anerkennung für die Arbeit<br />
Die Schüler gewannen nicht nur einen Preis, sondern<br />
auch die damit verbundenen 1000 Euro. Am 25.<br />
April kam Anton Klotz, Landrat des Landkreises<br />
Oberallgäu, in die Schule, um den Schülern, die mittlerweile<br />
die 8. Klasse besuchen, den symbolischen<br />
Scheck zu überreichen. Nun haben die Schüler und<br />
Lehrer der Albert-Schweitzer-Schule zwei Jahre Zeit,<br />
sich zu überlegen, für was sie das Geld ausgeben wollen<br />
– einzige Bedingung: Es muss für ein Klimaprojekt<br />
genutzt werden.<br />
(cs)<br />
Foto oben: Eine Stoffsammlung auf<br />
Memory-Kärtchen - wo kann Energie<br />
gespart werden? Foto rechts:<br />
Zur Scheckübergabe versammelte<br />
sich die Klasse mit ihrem Lehrer<br />
Steffen Buser und Direktor Eberhard<br />
Vaas um Landrat Anton Klotz<br />
18<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Klima macht Schule<br />
Exkursion nach Kempten<br />
Schüler aus dem Landkreis Lindau besuchen ZAK<br />
Im Zuge des Klimaschutzwettbewerbes<br />
des Landkreises Lindau besuchten Schüler<br />
und Lehrer von fünf verschiedenen<br />
Schulen den Zweckverband für Abfallwirtschaft<br />
Kempten, kurz ZAK. Dort<br />
sollten sie die Arbeit des ZAK und die<br />
Müllverbrennungsanlage kennenlernen.<br />
ZAK-Geschäftsführer<br />
Karl Heinz Lumer erkärt<br />
die Steuerung der<br />
Verbrennungsanlage<br />
Am 12. Mai war es soweit – eine Schuldelegation<br />
aus dem Landkreis Lindau machte sich<br />
auf den Weg nach Kempten. Mit dabei waren<br />
25 Schüler und Lehrer aus fünf verschiedenen Schulen,<br />
beteiligt waren das Bodenseegymnasium, das Valentin-Heider-Gymnasium,<br />
die Berufsschule, die Realschule<br />
Lindenberg und die Antonio-Huber-Schule.<br />
Begrüßt wurden sie vom Geschäftsführer der ZAK<br />
GmbH, Karl-Heinz Lumer, höchstpersönlich. In einem<br />
Einführungsvortrag erklärte er das umfangreiche Tätigkeitsfeld<br />
des ZAK – angefangen von der Müll- und<br />
Wertstoffsammlung an den Wertstoffhöfen und Einsammeln<br />
von Problemmüll über Müllverbrennung,<br />
Verwertung von Biomüll, Fernwärme und Kompostierung<br />
bis zum Betrieb von Solarstromanlagen auf stillgelegten<br />
Deponien und Blockheizkraftwerken. Tiefer<br />
stiegen die Schüle und Lehrer dann in die Funktionsweise<br />
der Müllverbrennungsanlage ein, die anhand<br />
eines Fließschemas gezeigt wurde. Dabei erfuhren sie<br />
auch, dass die Rauchgasreinigung der Anlage so effektiv<br />
ist, dass sie die gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte<br />
weit unterschreitet. Anschließend führten Thomas<br />
Settele und Peter Kurz von der ZAK die Delegation,<br />
aufgeteilt in zwei Gruppen, durch das Müllheizkraftwerk.<br />
Dabei erhielten diese einen Einblick in die Anlage,<br />
bestehend aus Kompaktofen, Müllbunker,<br />
Rauchgasreinigung, Steuerungszentrale und Energieerzeugung.<br />
(cs)<br />
Fotos: Landkreis Lindau<br />
Lindauer Lehrer und Schüler<br />
beim Rundgang<br />
durch die Anlagen<br />
Der Blick in den Müllbunker<br />
mit dem Brenngut<br />
Erklärung der Vorgänge in der<br />
Verbrennungsanlage anhand<br />
einer schematischen Darstellung<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
19
Wettbewerb<br />
Die Jugend ist gefragt<br />
LEW ruft zu Wettbewerben auf<br />
Die Lechwerke AG ruft in diesem Jahr gleich zu zwei<br />
Wettbewerben auf. Bei beiden sind die Jugendlichen gefragt<br />
und müssen ihre Kreativität unter Beweis stellen. Verbindendes<br />
Motiv der Wettbewerbe ist das Thema »Energie«, wenn auch in<br />
unterschiedlichen Ausrichtungen.<br />
Der erste Wettbewerb startete bereits Ende<br />
April, und demnächst sollen bereits die Gewinner<br />
bekannt gegeben werden. Unter dem<br />
Thema »Energie macht Zukunft. Mach mit!« konnten<br />
Jugendliche selbstgedrehte Videos rund um Energiewende,<br />
erneuerbare Energien und Energiezukunft einreichen.<br />
Jugendteams konnten für ihren Verein oder<br />
eine soziale Einrichtung am Wettbewerb teilnehmen.<br />
In ihrem eingesendeten Video sollten sie zeigen, was<br />
Energiewende für sie bedeutet, wie sie aussehen soll<br />
oder was sich ändern wird.<br />
Alle können entscheiden<br />
Inzwischen kann per Online-Voting abgestimmt<br />
werden – die fünf besten Filme werden prämiert. Alle<br />
Gewinner-Gruppen erhalten für ihre Einrichtung oder<br />
20<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Fotos: LEW/Adrian Beck/Christina Bleier<br />
»Volle Energie <strong>2016</strong>«<br />
Die Bewerbungsunterlagen gehen<br />
an folgende Adresse:<br />
Bezirksjugendring Schwaben<br />
Holbeinstraße 12<br />
86150 Augsburg<br />
Einsendeschluss ist<br />
am 28. Oktober <strong>2016</strong><br />
Das Teilnahmeformular und weitere<br />
Informationen zum Wettbewerb gibt es im<br />
Internet unter www.lew.de/volleenergie und<br />
beim Bezirksjugendring Schwaben unter<br />
www.bezirksjugendring-schwaben.de<br />
Links: Beim LEW<br />
Videowettbewerb sollen<br />
Jugendliche zeigen, was die<br />
Energiewende für sie bedeutet.<br />
Oben: Die Teilnehmer des<br />
Wettbewerbes »Volle Energie<br />
2015« bei der Preisverleihung<br />
im vergangenen November im<br />
Kloster Irsee<br />
ihren Verein eine Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher<br />
im Wert von 15.000 Euro inklusive der Anschlusskosten.<br />
Finanziert werden die Preise aus dem<br />
Förderfonds des Ökostromproduktes »LEW Strom<br />
Aqua Natur«: Damit wird mit Ökostrom der Ausbau<br />
von erneuerbaren Energien in der Region gefördert.<br />
Ende der Abstimmung ist der 3. Juli, und nun werden<br />
bald die Gewinner bekannt gegeben.<br />
Leistung im Rampenlicht<br />
Auch bei dem zweiten Wettbewerb dreht es sich<br />
um das Hauptthema »Energie«, was sich auch schon<br />
am Motto zeigt. Noch bis Ende Oktober heißt es »Volle<br />
Energie <strong>2016</strong>«: Dabei können Jugendliche aus ganz<br />
Schwaben zeigen, wie sie ihre Energie positiv umsetzen.<br />
Der Jugendwettbewerb ist eine Initiative des Bezirksjugendrings<br />
Schwaben und der LEW und möchte<br />
besonders die Leistungen von Jugendtreffs, Jugendzentren<br />
und Jugendinitiativen ins Rampenlicht rü -<br />
cken.<br />
Neue Ideen werden gesucht<br />
Um am Wettbewerb teilnehmen zu können, dürfen<br />
nur Projekte eingereicht werden, die nicht älter als<br />
zwei Jahre sind. Den Jugendlichen stehen sechs Themenbereiche<br />
zur Auswahl, in denen sie sich bewerben<br />
können: Medien & Onlinewelten, Migration & Vielfalt<br />
der Kulturen, Sucht & Gewalt, Politik & Engagement,<br />
Umwelt & Natur sowie Kunst & Literatur. Dazu<br />
müssen die Jugendlichen in einer schriftlichen Bewerbung<br />
ihr Projekt vorstellen und zeigen, wie sie aktiv<br />
an der Vorbereitung und Durchführung mitgewirkt<br />
haben. Die Gewinner können sich auf bis zu 1500<br />
Euro freuen.<br />
(cs)<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
21
Netzwerk<br />
Handwerk und Klima<br />
Energieeffizienz im Blick<br />
Die HwK Schwaben betreibt als einzige Kammer in Deutschland<br />
seit acht Jahren ein internetbasiertes Klimaschutznetzwerk mit<br />
über 750 aktiven Mitgliedern. Sie fördert und vernetzt innovative<br />
Handwerksbetriebe aus den Bereichen erneuerbare Energien und<br />
energieeffizientes Bauen und Sanieren und unterstützt den Endverbraucher<br />
im Bereich Energieeffizienz und Klimaschutz.<br />
Im Fokus der Aktivitäten und Maßnahmen stehen<br />
bei der Handwerkskammer die schwäbischen<br />
Handwerksunternehmen und ihre Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter sowie die breite Öffentlichkeit, die<br />
auf die qualitative und nachhaltige Arbeit des Handwerks<br />
aufmerksam gemacht werden soll. Darüber hinaus<br />
soll aber auch die Leistung des Handwerks für den<br />
Klimaschutz in der Politik verdeutlicht werden.<br />
Ein bunter Teppich von<br />
Serviceleistern unserer Region<br />
tut sich auf, wenn man die<br />
Be triebs datenbank der HwK<br />
Augsburg aufruft<br />
Verbraucher und Handwerker profitieren<br />
Ein Wohnzimmer im<br />
Grünen: Best-Practice-<br />
Beispiele wie dieses werden<br />
von der Kammer auch in<br />
den Medien publiziert<br />
Auf der Internetseite www.klimaschutz-hwkschwaben.de<br />
gibt es Informationen und Tipps für den<br />
Verbraucher und alle interessierten Nutzer rund um<br />
Energieeinsparung, Bauen und Sanieren, regenerative<br />
Energien, Förderprogramme und vieles mehr. Ein Veranstaltungskalender<br />
informiert aktuell über Veranstaltungen<br />
rund um das Thema Klimaschutz.<br />
Verbraucher suchen einen Handwerker, der das<br />
Dach saniert oder die alten Fenster austauscht? Oder<br />
suchen ihr Glück bei einem Schornsteinfeger? In der<br />
Betriebsdatenbank des Klimaschutznetzwerkes findet<br />
der Kunde all das und viele andere kompetente Fachbetriebe<br />
des Handwerks, passend zum jeweiligen Thema<br />
von Solarthermie bis Wärmedämmung.<br />
Mit der Resonanz auf die Seite ist die HwK sehr<br />
zufrieden. »Rund 12.000 Verbraucher besuchen uns<br />
monatlich auf der Seite des Klimaschutznetzwerks«,<br />
freut sich Susanne Sadremoghaddam, die seit acht Jahren<br />
das Netzwerk betreut. »Großes Interesse besteht<br />
vor allem für die Betriebsdatenbank, in der Verbraucher<br />
zu Themen wie Solarenergie oder Dachdämmung<br />
Handwerker aus der Region suchen können«,<br />
so Sadremoghaddam weiter.<br />
Sehr beliebt sind auch die Best-Practice-Beispiele<br />
aus Schwaben. Jeden Monat zeigen gute Objekte von<br />
energieeffizienter Bauweise oder innovativer Technik<br />
anschaulich, dass Klimaschutz in der Praxis machbar<br />
22<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
ist. So nutzt zum Beispiel der Geschäftsführer der<br />
Blockhausbau Josef Hummel e.K. aus Ottobeuren, seit<br />
einem Jahr Mitglied im Klimaschutznetzwerk, die<br />
Möglichkeit, eines seiner Referenzprojekte zu präsentieren.<br />
Der Artikel »Wohnzimmer im Grünen« wurde<br />
im Mai 250-mal aufgerufen. »Werbung, die nichts kostet,<br />
wo bekommt man das sonst? Die Möglichkeiten,<br />
die die HwK Schwaben den Handwerkern mit ihrem<br />
Klimaschutznetzwerk bietet, sind sehr gut, und wir<br />
freuen uns, dass unser energieeffizientes Gartenbüro<br />
so gut bei den Lesern ankommt«, erklärt Josef Hummel.<br />
Zusätzlich informiert die HwK mit regelmäßigen<br />
Beiträgen auf den Immobilienseiten der Augsburger<br />
Allgemeinen Zeitung und Artikeln in Fachzeitschriften<br />
wie allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> Verbraucher und Immobilienbesitzer<br />
zu Klimaschutzthemen und Energienutzung.<br />
Praxisnah, vor Ort und informativ<br />
Einmal im Jahr treffen sich die Mitglieder des<br />
Klimaschutznetzwerkes zu einer Exkursion. Mit dem<br />
Handwerkerbus geht es dann zu einem besonderen<br />
Bauprojekt oder auch mal zu einem Handwerksbetrieb.<br />
Unter dem Motto »Voneinander lernen« tauschen<br />
sich die Teilnehmer – oft in der Werkstatt – über<br />
verschiedene Themen aus. Das Fachliche und Praktische<br />
kommt dabei natürlich nicht zu kurz.<br />
Susanne Sadremoghaddam vom<br />
HwK-Klimaschutz-Netzwerk:<br />
»Unser Angebot vermittelt dem<br />
Verbraucher sachkundige Beratung«<br />
Vor fünf Jahren zum Beispiel ging die Tour zu einem<br />
auf Passivhaus-Standard sanierten Einfamilienhaus<br />
in Aichach. Lohnt sich eine solche Sanierung<br />
überhaupt? Was muss beachtet werden? Welche Gewerke<br />
müssen eng zusammenarbeiten und sich abstimmen?<br />
Wie erreiche ich die Luftdichtigkeit des al-<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
23
Netzwerk<br />
Das Team der Handwerks -<br />
kammer organisiert Netzwerk -<br />
treffen und Exkursionen zur<br />
Weiterbildung des Personals in<br />
den Handwerksbetrieben<br />
Fotos: Handwerkskammer Schwaben<br />
Auftritt des HwK-Klimaschutz-<br />
Netzwerks bei den Immobilien -<br />
tagen in Augsburg (Foto unten)<br />
und Werbung auf den Fahrzeu -<br />
gen der Partnerbetriebe<br />
(Foto rechts unten)<br />
ten Hauses? Fragen, die die Teilnehmer offen mit dem<br />
Architekten und Bauherrn vor Ort diskutiert haben.<br />
In den Jahren darauf folgten Exkursionen zum<br />
»House of Energy« in Kaufbeuren und zu dem Projekt<br />
der LEW, Smart Operator, in Schwabmünchen. Im<br />
Jahr 2015 stand die Exkursion unter dem Thema<br />
Energiespeicher. Die Klimaschutznetzwerker besichtigten<br />
den Betrieb der Firma Varta Storage in Nördlingen<br />
und besuchten anschließend das benachbarte<br />
Handwerksunternehmen Heinle Energie- und Automationstechnik<br />
GmbH. Diese Exkursionen fördern<br />
den wichtigen Austausch der Handwerker untereinander<br />
und zwischen Planern und Handwerkern.<br />
Informationen auf dem Tablett serviert<br />
Durch einen wöchentlichen Newsletter werden<br />
die Mitglieder des Klimaschutznetzwerkes aktuell mit<br />
den neuesten Informationen beispielsweise zu Förderprogrammen<br />
oder rechtlichen Bestimmungen versorgt.<br />
Veranstaltungen, Weiterbildungsangebote und<br />
sonstige relevante Themen aus dem Bereich Klimaschutz<br />
dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Auch einzelne<br />
Betriebe oder neue Mitglieder werden vorgestellt<br />
beziehungsweise mit Best-Practice-Beispielen präsentiert<br />
– getreu dem Motto »aus dem Handwerk für das<br />
Handwerk«.<br />
Dies fördert die Vernetzung und die Kooperation<br />
der Betriebe untereinander und stärkt den Netzwerksgedanken.<br />
Das Netzwerk in der Öffentlichkeit<br />
Die Handwerkskammer für Schwaben gibt den<br />
Mitgliedsbetrieben die Möglichkeit, sich an regionalen<br />
Messen zu beteiligen und sich als »starke Gemeinschaft«<br />
unter dem Deckmantel »Klimaschutz ist unser<br />
Handwerk« zu präsentieren.<br />
Auf den Immobilientagen Augsburg präsentierte<br />
sich die HwK mit dem Gemeinschaftsstand »Klimaschutz<br />
ist unser Handwerk« seit dem Jahr 2011.<br />
Klimaschutz ist ihr Handwerk<br />
Alle Mitgliedsbetriebe<br />
haben die Möglichkeit, das<br />
Logo »Klimaschutz ist unser<br />
Handwerk« kostenfrei<br />
zu nutzen. Für den<br />
Firmengeschäftsbrief, die<br />
Bautafel oder für die Roll-<br />
Ups – es gibt viele Möglichkeiten,<br />
das Logo als Marke-<br />
24<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
tinginstrument einzusetzen. Dieses Angebot erhöht<br />
den Wiedererkennungswert in der Öffentlichkeit und<br />
wird bereits von einigen Mitgliedsfirmen genutzt.<br />
Woche der Umwelt 2012 in Berlin<br />
Das Klimaschutznetzwerk hat es einmal sogar bis<br />
nach Berlin geschafft.<br />
Der Bundespräsident hat am 5. und 6. Juni 2012<br />
gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt<br />
(DBU) zur vierten »Woche der Umwelt« in den Park von<br />
Schloss Bellevue eingeladen. Die Handwerkskammer für<br />
Schwaben wurde als Aussteller ausgewählt und hat auf<br />
der Woche der Umwelt das Klimaschutznetzwerk mit<br />
zwei Handwerksbetrieben aus dem Netzwerk präsentiert.<br />
In Berlin mit dabei waren Elektro Guggenmos<br />
GmbH & Co. KG und die Firma Solarzentrum Allgäu.<br />
Die Vertreter der HwK Schwaben, Hans-Peter Rauch (l.) und<br />
Jürgen Schmid (r.) stellen Bundespräsident Joachim Gauck<br />
das Netzwerk bei der Woche der Umwelt in Berlin vor<br />
Vernetzt mit Partnern aus der Region<br />
Die Kooperation mit Partnern aus der Region ist<br />
ein wichtiger Bestandteil der Netzwerksarbeit. Dazu<br />
gehören u.a. die Regionale Energieagentur Augsburg<br />
REA, Klimaschutzmanager der Landkreise, das Bayerische<br />
Landesamt für Umwelt LfU, die Hochschule<br />
Augsburg, Architekten und Energieberater sowie die<br />
Kreishandwerkerschaften und Innungen. Deutschland<br />
will die Energiewende! Darauf muss das Handwerk gut<br />
vorbereitet sein, denn die Energiewende ist nur mit<br />
dem Handwerk machbar.<br />
Mit dem Klimaschutznetzwerk der HwK Schwaben<br />
wird insbesondere der Wirtschaftszweig Handwerk<br />
in Bayern unterstützt. Durch Öffentlichkeitsarbeit<br />
im Bereich Klimaschutz werden Investitionen in<br />
der Region initiiert, die sich wiederum positiv auf Beschäftigung<br />
und Wirtschaftlichkeit der Firmen auswirken.<br />
Dadurch werden neue Arbeitsplätze geschaffen<br />
und vorhandene Beschäftigungsverhältnisse gesichert.<br />
Die umfangreichen Aktivitäten im Klimaschutznetzwerk<br />
leisten einen guten Beitrag zur Umsetzung<br />
der Klimaschutzziele der bayerischen Staatsregierung.<br />
Vernetzung, wie es das Klimaschutznetzwerk betreibt,<br />
ist vor allem im Bereich Klimaschutz bedeutsam. Viele<br />
Bereiche greifen ineinander, und nur wenn alle Beteiligten<br />
in dieselbe Richtung gehen, funktioniert Klimaschutz.<br />
Umfassende energetische Sanierungsmaßnahmen<br />
greifen nur mit Betrieben, die querschnittsorientiert<br />
und gewerkeübergreifend denken.<br />
Zukunftsbranche Handwerk<br />
Wer in den Energieberufen des Handwerks arbeitet,<br />
muss sich um seinen Arbeitsplatz keine Sorgen<br />
machen. Alles, was Energie einspart, ist trendy: Die<br />
beste Dämmung für die Wand, das Solarmodul mit<br />
optimalem Wirkungsgrad oder gleich ein Passivhaus,<br />
das mehr Energie liefert, als seine Bewohner verbrauchen<br />
können.<br />
Die Entwicklungen aus Forschung und Industrie<br />
schreiten rasant voran. »Eine tolle Sache« findet<br />
Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerkskammer<br />
für Schwaben. Doch Rauch weiß auch genau, dass es<br />
für den Erfolg der Energiewende vor allem tüchtige<br />
Experten im Handwerk braucht, die diese Technologien<br />
und Entwicklungen auch in die Praxis umsetzen<br />
können.<br />
»Im schwäbischen Handwerk sind circa 13.500<br />
Unternehmen rund um die Energiewende tätig. Fast<br />
80 Prozent der 60.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
dieser Firmen sind Fachkräfte«, betont der<br />
Kammerpräsident und weist gleichzeitig darauf hin,<br />
dass die konjunkturelle Lage in den Bau- und Ausbauhandwerken<br />
auf höchstem Niveau ist. In der letzten<br />
Konjunkturumfrage der HwK Schwaben zeigten<br />
sich rund 80 Prozent dieser Unternehmen mit ihrer<br />
geschäftlichen Situation zufrieden – Tendenz steigend.<br />
»Wer als Gesellin oder Geselle beispielsweise in<br />
Baugeschäften, bei Dachdeckern, Zimmerern, Sanitär-,<br />
Heizungs- und Klimatechnik-Unternehmen,<br />
Elektroinstallateuren, Klempnern oder auch Malern<br />
beschäftigt ist, hat langfristig einen zukunftssicheren<br />
Arbeitsplatz, meist noch vor der Haustüre«, ist sich<br />
Rauch sicher.<br />
Die wirtschaftliche Stabilität der Firmen bedeutet<br />
gleichermaßen Stabilität und Sicherheit für die Beschäftigten.<br />
»Unsere Handwerksbetriebe setzen auf<br />
eine enge Mitarbeiterbindungung, es gibt im Handwerk<br />
kaum befristete Arbeitsverträge, und auch die<br />
Fluktuation ist nach unseren Erfahrungen gering«,<br />
stellt Rauch die Vorteile einer Berufstätigkeit im<br />
Handwerk heraus. »Wer im Handwerk als Fachkraft<br />
arbeitet, muss sich kaum Gedanken um Unternehmensverlagerungen<br />
oder Schließungen machen. Unsere<br />
Unternehmen sind in der Region verwurzelt und<br />
standorttreu.« Diese Arbeitsplätze sind zukunftssicher<br />
und bieten ausgezeichnete Perspektiven.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
25
Alternativen<br />
26<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Wind und Sonne auf der Alpe<br />
Verblüffende Lösungen auf dem Steinberg<br />
Abseits gelegene Gehöfte gibt es im Allgäu viele. Können solche<br />
meist landwirtschaftlichen Betriebe energetisch sinnvoll betrieben<br />
werden? Welche Lösungen bieten sich an? Was macht Sinn, was ist<br />
Spielerei? Was ist zweckmäßig und was macht sich bezahlt?<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> hat einen Mächler besucht, der für sich den<br />
Weg gefunden hat.<br />
Die Adelegg wird vom Allgäu-Kenner Rudi<br />
Holzberger als »Das dunkle Herz des Allgäus«<br />
bezeichnet. Mitten in der Adelegg liegt Kreuzthal,<br />
und wer von dort aus auf die Anliegerstraße ins<br />
Kreuzbachthal abbiegt, könnte meinen, ein Stück in heimelige<br />
Vergangenheit zu gelangen. Aber nur, bis er nach<br />
einer weiteren Abzweigung in Richtung Steinberg auf<br />
den Hof von Günter Bischoff kommt – zu Fuß übrigens,<br />
denn ein Gatter verhindert die Auffahrt. Dieser ehemalige<br />
Bauernhof – auf halber Höhe zum Steinberg (1050<br />
Meter) gelegen – schmiegt sich idyllisch an den Hang<br />
und wird heute als Wohnhaus und Alpe für Jungvieh<br />
betrieben. Seit 22 Jahren ist Günter Bischoff (67) Eigentümer<br />
dieses stattlichen Hofes. Ein abgelegenes früheres<br />
Wochenend-Domizil hat er in vielen Jahren intensiver<br />
Arbeit zu einem modernen, fast autarken landwirtschaftlichen<br />
Betrieb umgestaltet. Strom erzeugt er mit<br />
Windkraft und Solarenergie, das Haus wird mit einer<br />
Scheitholz-Heizung auch im kältesten Winter wohnlich<br />
warm gehalten. Er hat seine eigene Wasserversorgung,<br />
und auch das Abwasser wird nachhaltig wiederaufbereitet<br />
und entsorgt. Seit drei Monaten steht im Schuppen<br />
ein E-Auto Renault-Zoe. »Es war einfach sinnvoll,<br />
dieses Fahrzeug anzuschaffen, denn ich kann es selbst<br />
mit überschüssigem Strom laden.«<br />
Zunächst ist man etwas verdutzt, denn auf den<br />
ersten Blick findet man um den Hof herum keine sichtbaren<br />
Solarelemente. Woher also kommt der Strom für<br />
den Zoe? Günter Bischoff lüftet das Geheimnis: Vier<br />
Schleifen weiter auf dem Alpweg in Richtung Gipfel des<br />
Foto linke Seite: das Alpgebäude<br />
mit dem Solardach und das<br />
Windrad auf dem Steinberg.<br />
Foto unten: Der Hof von<br />
Günter Bischoff versorgt sich<br />
weitgehend selbst
Alternativen<br />
Das Windrad der Firma Heyde im<br />
Gegenlicht, dahinter der schnee -<br />
bedeckte Gipfel des Grünten<br />
Monat<br />
Wind, m/sek,<br />
Durchschnitt<br />
KWh pro Tag,<br />
Durchschnitt<br />
KWh im<br />
Monat<br />
Jul 2015 2,92 6,0 186,7<br />
Aug 2015 2,13 3,1 96,7<br />
Sep 2015 3,39 11,1 331,5<br />
Okt 2015 2,17 3,9 119,6<br />
Nov 2015 4,27 19,5 585,5<br />
Dez 2015 3,55 11,8 365,3<br />
Jan <strong>2016</strong> 4,25 16,7 516,9<br />
Feb <strong>2016</strong> 4,49 21,3 617,4<br />
Mrz <strong>2016</strong> 3,05 10,1 311,7<br />
Apr <strong>2016</strong> 2,69 6,5 194,7<br />
Mai <strong>2016</strong> 2,69 6,4 197,9<br />
Jahr<br />
Aktuelle Leisungsübersicht: Windrad<br />
Wind, m/sek,<br />
Durchschnitt<br />
KWh pro Tag,<br />
Durchschnitt<br />
KWh im<br />
Jahr<br />
2015 3,24 10,6 3.524<br />
2014 2,93 8,6 3.145<br />
2013 2,93 7,9 2.887<br />
2012 2,89 7,6 2.790<br />
2011 3,16 9,2 3.380<br />
Steinberges findet man die 22-kW-Solar-Anlage. Montiert<br />
auf ein neues Alpgebäude. Und dort steht nicht nur<br />
der Unterstand für das Jungvieh, sondern gleich daneben<br />
auch ein Windrad auf einem Gittermast.<br />
Der Betreiber des Internet-Portals www.kleinwindkraftanlagen.com,<br />
Patrick Jüttemann aus Bad Honnef:<br />
»Diese privat betriebene Kleinwindanlage ist ein typisches<br />
Beispiel für Bürgerengagement in Zeiten der<br />
Energiewende. Das in Höhenlage im Alpenvorland installierte<br />
Windrad deckt ein Drittel des Stromverbrauchs<br />
beim Betreiber. Dieser war Inhaber eines Konstruktionsbüros<br />
im Bereich Innenausbau. Sein technisches<br />
Verständnis erlaubte ihm die Umsetzung des Kleinwind-Projektes<br />
ohne größere externe Hilfe.«<br />
Bischoff verrät, dass die beiden Anlagen auf dem<br />
Steinberg eigentlich aus Tierschutzgründen entstanden:<br />
»Die Rinderbremsen da oben setzten den Rindern so<br />
zu, dass ich einen sicheren Unterstand brauchte. Denn<br />
unter dem Dach ließen die Insekten die Tiere in Ruhe.«<br />
In nur vier Monaten baute Bischoff das Gebäude mit<br />
dem Sheet-Dach – und hatte dabei bereits die Solar-Anlage<br />
auf dem Dach im Hinterkopf. Die Ausrichtung und<br />
Form des Daches wurde optimal nach der Sonne eingerichtet.<br />
»Als Dacheindeckung wählte ich ganz be-<br />
28 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Fotos: Peter Elgaß<br />
Günter Bischoffs neueste Erungenschaft, ein Renault Zoe.<br />
Für das Fahrzeug hat er gleich eine eigene multifunktionale<br />
Ladestation eingerichtet und den Kofferraum zweckmäßig<br />
umgebaut<br />
Das Windrad in voller Aktion: Bei<br />
noch stärkerem Wind geht der<br />
Rotor in Helikopterstellung, das<br />
heißt, er schwenkt nach hinten<br />
wusst hohe Trapezbleche. Denn im Winter brauche ich<br />
nur den unteren Bereich der Fläche von Schnee säubern,<br />
dann wird diese Fläche aufgewärmt, die wärmere<br />
Luft steigt in den Lamellen der Trapezbleche nach oben,<br />
und schon rutscht der restliche Schnee von Dach und<br />
die Sonne sorgt wieder für Strom.«<br />
Der Fachmann für Kleinwindanlagen, Partrick<br />
Jüttemann, wollte natürlich von Günter Bischoff vor allem<br />
wissen, warum er auch noch ein Windrad neben<br />
die Solar-Anlage bestellt hat. Auf seiner Homepage berichtet<br />
er: »Wichtigster Beweggrund für den Betreiber<br />
ist der Wunsch nach einer aktiven Gestaltung der Energiewende.<br />
Wirtschaftlichkeit oder Rendite sind für ihn<br />
zweitrangig. Eine Amortisierung der Anlage erwartet<br />
er nicht. Die Erzeugung von Strom durch Windenergie<br />
macht ihn unabhängiger. Nicht zuletzt ist es der Spaß<br />
an der Technik, die Freude am Windrad merkt man<br />
ihm an. Der durch die Kleinwindkraftanlage produzierte<br />
Strom wird über eine Stromleitung ins rund 700<br />
Meter entfernte Wohnhaus transportiert.«<br />
Von Batteriespeichern, die derzeit auf dem Markt<br />
angeboten werden, hält Günter Bischoff noch nichts.<br />
Er speist überschüssigen Strom ins Netz ein. Zwar<br />
schaut er nicht unbedingt auf eine zeitnahe Amortisa-<br />
Windgenerator von Heyde<br />
Bei der Suche nach einem geeigneten Klein -<br />
windrad hatte Günter Bischoff zunächst Kon -<br />
takt zu zwei fragwürdigen Herstellern. Er rät<br />
jedem Kleinwind-Interessenten, sich mindes -<br />
tens drei Referenzanlagen und deren Ertragszahlen<br />
zeigen zu lassen. Der Hersteller soll<br />
eine ehrliche Auskunft zu den Jahresenergie -<br />
erträgen bei realistischen Windbedingungen<br />
geben (z.B. 4 m/s mittlere Jahreswind -<br />
geschwindigkeit). Vollmundigen Versprechun -<br />
gen der Anbieter, vor allem, wenn sie allzu<br />
positiv sind, sollte man kritisch begegnen.<br />
Schließlich hat er sich für die Heywind 5.0<br />
vom Hersteller Heyde Windtechnik entschie -<br />
den. Er lobt die Seriosität und Ehrlichkeit des<br />
Unternehmens, das ihm nicht das Blaue vom<br />
Himmel versprochen habe.<br />
Das Kleinwindrad mit einer Nennleistung von<br />
5 kW bei 11 m/s Windgeschwindigkeit hat einen<br />
Rotordurchmesser von 4,5 Metern. Als<br />
Sturmsicherung umfasst die Heywind eine<br />
Helikopterstellung, d.h., bei zu starkem Wind<br />
schwenkt der Rotor nach hinten, um die<br />
Windangriffsfläche zu verringern.<br />
Als Wechselrichter kommen zwei SMA<br />
Windyboy 3.300 zum Einsatz. Es erfolgt eine<br />
Einspeisung auf zwei Phasen. Die Windturbine<br />
sitzt auf einem Dreieck-Gittermast mit aufge -<br />
setztem Rohrmast im Flügelbereich, die<br />
Rotor höhe beträgt 15 Meter. Der Betreiber<br />
überprüft täglich die Erträge der Windkraft -<br />
anlage und erstellt langfristige Statistiken.<br />
Über eine Webcam hat er die Anlage jeder -<br />
zeit auf seinem Computer im Blick.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
29
Alternativen<br />
Eigenes Scheitholz für den<br />
modernen Feststoffofen<br />
Haushund Anton freut<br />
sich über die Zuwendung<br />
des Hofbesitzers<br />
Günter Bischoff online auf<br />
»Beobachtungsstation« an<br />
seinem Börorechner<br />
tion seiner Investitionen wie beispielsweise bei seinem<br />
Windrad, aber ganz aus dem Auge will er die Sache<br />
doch nicht lassen: »Ich kann mir aktuell ausrechnen,<br />
dass sich so ein teurer Batteriespeicher zumindest derzeit<br />
noch nicht rechnet. Ich habe Alternativen.«<br />
Den Spaß an technischen Lösungen findet man<br />
auch in der Umgebung des Wohnhauses überall. Zunächst<br />
könnte man es für einen Faible des Hofbesitzers<br />
und seiner Partnerin halten, dass rund ums Haus und<br />
den Schuppen überall große Holzlegen zu sehen sind.<br />
Zum Teil sogar nach »Erntejahren« sortiert. Wenn<br />
man Günter Bischoff jedoch in den Heizraum folgt,<br />
wird klar, dass diese Vorratswirtschaft keine Spinnerei,<br />
sondern wohlüberlegte energetische Vorsorge ist.<br />
»Holz brennt eigentlich gar nicht richtig!« verblüfft er<br />
seinen Besucher. »Es gibt seine Energie erst so richtig<br />
ab einer Temperatur von 600 Grad Celsius ab, wenn<br />
es vergast.« Und das funktioniert bei Bischoff in einem<br />
modernen Scheitholz-Ofen, der mit zwei 3000-Liter-<br />
Wasserspeichern gekoppelt ist. Die Meter-Stücke im<br />
Ofen heizen die 6000 Liter Wasser in acht Stunden von<br />
40 auf 85 Grad Celsius auf. Dieser Puffer speist die<br />
Fußbodenheizung und die gesamte Wasserversorgung<br />
des Gebäudes. Schmunzelnd dreht Bischoff an einem<br />
Schalter neben dem Ofen, wo viele isolierte Leitungen<br />
zusammenlaufen: »…und das hier ist meine Temperaturregelung<br />
– ganz einfach!« Auf Nachfrage verrät<br />
er: »Weitgehend selbst geplant und gebaut!« Augenzwinkernd<br />
deutet der auf die großen Stapel Holz und<br />
die vielen Säcke mit Hackschnitzeln im Vorraum:<br />
»Wer holt schon gerne das Holz im Winter von draußen?<br />
Ich trockne das Holz aus dem eigenen Wald bis<br />
zu vier Jahre draußen – dann kommt es hierher.« Mit<br />
Blick auf die Hackschnitzel berichtet er: »Der Stamm<br />
eines Baumes bringt 50 Prozent Scheitholz. Der Rest<br />
des Baumes die anderen 50 Prozent – als Hackschnitzel.<br />
Die bringen zwar nicht ganz so viel Energie wie<br />
das Scheitholz, aber der Ofen schluckt das Hackgut genauso.«<br />
So wie früher hat Günter Bischoff vieles in seinem<br />
Hof auf Kreislauf-Wirtschaft eingerichtet. Bäume<br />
pflanzen, Holz ernten, Energie zurückgewinnen, Sonne<br />
und Wind nutzen und verwenden, was die Natur<br />
kostenlos bietet. Oberhalb des Hauses ist ein kleiner<br />
naturnah angelegter Löschwasserteich, der mit Bachwasser<br />
und überschüssigem Trinkwasser gespeist<br />
wird. Auch die Kessel der Heizanlage werden mit eigenem<br />
Wasser versorgt. Abwasser wird dreikammervorgeklärt<br />
und gereinigt. Gerne hätte er auch noch<br />
überschüssige Wasserkraft zu Energie verarbeitet –<br />
aber da stehen so viele Vorschriften davor, dass er lieber<br />
die Finger davon lässt.<br />
Die natürliche Kreislaufwirtschaft wird optimal<br />
kontrolliert. Vor allem die Erträge von Wind und Sonne<br />
können am Bildschirm im Büro statistisch und online<br />
überwacht werden. In diesem Büro erkennt man,<br />
dass Bischoff auch als Innenausbauer eine ganzheitli-<br />
30 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
che Sichtweise hat: viel Holz, Möbel Marke Eigenbau,<br />
Bücher über Bücher in vielen Regalen und ein riesiger<br />
Schreibtisch mit Rechner und Bildschirm – fast wie in<br />
einem Cockpit beobachtet er seine Anlagen über den<br />
Bildschirm. Aber er hat nicht nur seine Anlage im<br />
Blick. Er kann die Daten von fünf benachbarten Solardächern<br />
zuschalten. Beim Vergleich der Leistungskurven<br />
kann er feststellen, ob an der einen oder anderen<br />
Anlage Anomalien festzustellen sind. »Hat man<br />
nur seine Anlage unter Beobachtung, merkt man zum<br />
Beispiel den Ausfall eines Gleichrichters nicht unbedingt<br />
sofort.«<br />
Eine Lücke in seiner energetisch schlüssigen Kette<br />
hat Bischoff vor drei Monaten mit dem Kauf eines<br />
E-Autos Zoe geschlossen. »Ich fahre ja jetzt nicht<br />
mehr so viel – und oft steht das Auto tagelang da, ohne<br />
bewegt zu werden.« Die Konsequenz daraus? Bischoff<br />
kann sein Auto langsam laden und dabei eigenen<br />
Strom verwenden – oder es, wenn nötig, auch schnell<br />
an der heimischen Ladesäule wieder »einsatzbereit«<br />
machen. Dann allerdings muss er auch auf externen<br />
Strom zurückgreifen. Denn logischerweise hängt er<br />
noch am allgemeinen Stromnetz und wird dabei auch<br />
bleiben. »Wenn ich unterwegs bin und auswärts Strom<br />
tanken muss – das habe ich jetzt schon gemerkt – treffe<br />
ich viele nette Leute und erlebe Dinge, wie nur selten<br />
mit einem normalen Auto.«<br />
Günter Bischoff wäre nicht Günter Bischoff,<br />
wenn er nicht auch an seinem fabrikneuen Zoe Veränderungen<br />
vorgenommen hätte. Der Boden des Kofferraumes<br />
wurde durch eine Holzkonstruktion angehoben.<br />
Zwei Fächer für Ladekabel und E-Auto-Utensilien<br />
wurden eingebaut und die hintere Sitzbank steiler<br />
fixiert, damit für den Haushund Anton genügend<br />
Platz im Fond ist. Die Rückbank wurde durch eine<br />
herausnehmbare Holzkonstruktion zur Ladefläche<br />
umfunktioniert.<br />
Faszinierend, wenn man sieht, dass das E-Auto<br />
in unmittelbarer Nähe des alten Eicher-Traktors parkt.<br />
Und auf dem Schreibtisch neben den Auswertungen<br />
der Solaranlage spitzt eine Zeitschrift über Oldtimer-<br />
Fahrzeuge hervor – vielseitig muss der Mensch sein.<br />
Buchtipp:<br />
Kleinwindkraftanlagen<br />
Das Buch richtet sich an alle potenziellen<br />
Betreiber und Planer von Kleinwindkraft -<br />
anlagen: private Hausbesitzer, Handwerks -<br />
betriebe, Stadtwerke, Architekten und Ver -<br />
waltungen. Kleinwindkraftanlagen versorgen<br />
einzelne Gebäude oder Geräte mit Strom für<br />
den Eigenbedarf. Eine perfekte Ergänzung von<br />
Solaranlagen, da Windanlagen vor allem im<br />
Herbst und Winter Strom erzeugen. Das<br />
Fach buch von Patrick Jüttemann geht auf<br />
Grundlagen und Erfolgsfaktoren für die<br />
Planung und Auswahl von Kleinwindkraft an -<br />
Aktuelle Daten: die tägliche<br />
Ausbeute an Sonnenenergie<br />
im Monat Mai <strong>2016</strong><br />
lagen ein. Der Autor<br />
wirft einen ehrlichen<br />
Blick auf den jun gen<br />
Kleinwind-Markt. Vom<br />
Insider wissen<br />
profitieren Unter -<br />
nehmen und Privat leute. Das Buch war<br />
mehrfach auf Platz 1 der Bestsellerliste von<br />
amazon.de in der Kategorie Erneuerbare<br />
Energien und Windkraft. Die Hauptthemen im<br />
Überblick: Grundlagen, Windenergie und<br />
Standort prüfung, Technik und Anwendung,<br />
Genehmig ung, Wirtschaft lichkeit, Marktlage,<br />
Ver braucher schutz, Planung und<br />
Praxisbeispiele.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
31
Beratung<br />
Im eza!-Partner-Netzwerk finden Bauherren<br />
kompetente Fachleute aus sämtlichen Bereichen<br />
der Baubranche<br />
Bündnis für Qualität<br />
eza! – kompetente Partner am Bau<br />
130 Mitglieder aus sämtlichen Bereichen der Baubranche<br />
hat das eza!-Partner-Netzwerk. Die beteiligten Firmen stehen<br />
für Qualität am Bau und verpflichten sich, regelmäßig an<br />
Weiterbildungen teilzunehmen – zum Wohle ihrer Kunden.<br />
Als im Herbst 2002 das eza!-Partner-Netzwerk<br />
für energieeffizientes Bauen und Sanieren<br />
mit Allgäuer Firmen gegründet wurde, war<br />
das ein Novum in Deutschland. 14 Jahre später genießt<br />
das Netzwerk mit seinen derzeit 130 Mitgliedern<br />
als gewerkeübergreifende Informationsplattform<br />
deutschlandweit immer noch Vorbildcharakter – was<br />
sich auch daran zeigt, dass mit Unterstützung von eza!<br />
ähnliche Netzwerke unter anderem in Bremen, Hannover<br />
oder Hildesheim aufgebaut worden sind.<br />
»Das Netzwerk war damals ins Leben gerufen<br />
worden, um den Allgäuern kompetente Fachleute zur<br />
Verfügung zu stellen«, erklärt Martin Sambale, Geschäftsführer<br />
des Energie- und Umweltzentrums Allgäu<br />
(eza!). »Ziel war eine Art Empfehlungsliste mit Betrieben<br />
aus sämtlichen Bereichen, ein Qualitätssiegel,<br />
das den Bauherren die Sicherheit gibt, dass die beauftragten<br />
Firmen regelmäßig an Weiterbildungen teilnehmen<br />
und somit beim energieeffizienten Bauen und<br />
Sanieren stets auf dem neuesten Wissensstand sind.«<br />
Tatsächlich sind heute im eza!-Partner-Netzwerk<br />
Firmen aus allen Baubranchen vertreten: Heizungsbauer,<br />
Haustechnikspezialisten, Zimmerer, Architekten,<br />
Ingenieure, Planer, Baufirmen und Fensterbauer.<br />
Dass auch die Qualität der abgelieferten Arbeit<br />
stimmt, beweisen laut Sambale die zahllosen positiven<br />
Rückmeldungen der Bauherren. So unterziehen sich<br />
alle eza!-Partner laufend der Bewertung durch die eigenen<br />
Kunden. Die Durchschnittsnote für alle eza!-<br />
Partner zusammen liegt, in Schulnoten ausgedrückt,<br />
seit Jahren stabil bei einem guten Einser.<br />
Die Kundenbewertung ist aber nur ein Baustein in<br />
der Qualitätssicherung des eza!-Partner-Netzwerks. Daneben<br />
müssen die beteiligten Firmen regelmäßig an<br />
32<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Fotos: eza!<br />
Weiterbildungen teilnehmen und neue Referenzprojekte<br />
nachweisen. »Das Bauen wird immer komplexer«,<br />
stellt Christian Wörz fest, der das eza!-Partner-Netzwerk<br />
betreut. »Deshalb ist uns das Thema Fortbildung<br />
so wichtig.« Auch dem Erfahrungs- und Informationsaustausch<br />
zwischen den Vertretern der einzelnen Gewerke<br />
kommt große Bedeutung zu. Experten bemängeln<br />
immer wieder, dass auf den Baustellen die Kommunikation<br />
zwischen den beteiligten Handwerksfirmen<br />
unzureichend ist, was zu Baumängeln und höheren<br />
Baukosten führen kann. Im eza!-Partner-Netzwerk findet<br />
der gewerkeübergreifende Austausch statt – unter<br />
anderem bei den eza!-Partnertagen, bei denen sich<br />
mehrmals im Jahr Vertreter der beteiligten Firmen treffen<br />
und über wichtige Bauthemen informiert werden.<br />
Weitere Infos unter www.eza-partner.de<br />
Stehen für Qualität am Bau:<br />
die Mitglieder des<br />
eza!-Partner-Netzwerks<br />
Anzeige<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
33
eza!-Partner<br />
Alles aus einer Hand<br />
Auf Du und Du mit Energieeffizienz<br />
Alles aus einer Hand – so lautet die Firmenphilosophie der Hubert Bader<br />
Holzbau GmbH aus Waltenhofen, einem von 130 eza!-Partner-Betrieben. Neben<br />
den klassischen Zimmererarbeiten bietet das Unternehmen den Kunden auch<br />
Planungs- und Bauleitungsdienste an. Von Anfang an wird dabei großer Wert<br />
auf Energieeffizienz gelegt, egal, ob im Neubau- oder Sanierungsbereich.<br />
Als sich Hubert Bader in den 1980er-Jahre das<br />
Thema Energieeffizienz auf die Fahne schrieb,<br />
wurde er von vielen nur milde belächelt. 1983<br />
hatte sich der Zimmerermeister selbstständig gemacht<br />
und vier Jahre später das erste Holzhaus für einen Kunden<br />
gebaut – mit einer wärmegedämmten Gebäudehülle.<br />
»Heizöl war damals billig und Energiesparen kein<br />
Thema«, erinnert sich der heute 57-Jährige, »und energetisch<br />
Sanieren schon gleich gar keins.«<br />
Hubert Bader ließ sich nicht beirren und war<br />
2000 bei den 1. Allgäuer Altbautagen in Kempten als<br />
Aussteller dabei. Eine perfekte Plattform für den umtriebigen<br />
Handwerker, der längst nicht mehr nur Zimmererleistungen,<br />
sondern Neubauten, aber auch Gebäudesanierungen<br />
zu Festpreisen schlüsselfertig anbot.<br />
Egal, ob Elektrik, Heizung, Sanitär oder Lüftungstechnik<br />
– Holzbau Bader übernimmt die Planung, organisiert<br />
die nötigen Fachfirmen und koordiniert die<br />
Abläufe auf der Baustelle. Ein Service, so Baders Eindruck,<br />
den immer mehr Bauherren zu schätzen wissen.<br />
»Die Leute wollen einen Fachmann, der sich um<br />
alles kümmert – weil sie selber keine Zeit dazu haben<br />
und ihnen das Know-how fehlt.«<br />
So war und ist Hubert Bader stets auf der Suche<br />
nach guten Handwerksfirmen aus der Region. Gefunden<br />
hat er die im eza!-Partner-Netzwerk. »Da weiß<br />
34<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Thomas Bader verfügt als<br />
Diplom-Ingenieur über reichlich<br />
Fachwissen und hat<br />
2013 die Leitung des Familienbetriebes<br />
unternommen<br />
Fotos: Hubert Bader Holzbau, eza!<br />
Hubert Baders Live-<br />
Sanierungen zählen zu den<br />
Attraktionen der alljähr -<br />
lichen Allgäuer Altbautage<br />
Energieeffizienz und Qualität<br />
werden bei der Hubert<br />
Bader Holzbau GmbH seit<br />
jeher groß geschrieben<br />
man einfach, dass man auf der Baustelle immer kompetente<br />
und zuverlässige Partner an seiner Seite hat.«<br />
Die Hubert Bader Holzbau GmbH mit Sitz in Waltenhofen<br />
war dem Netzwerk selbst schon kurz nach dessen<br />
Gründung im Jahr 2002 beigetreten. Der gewerkeübergreifende<br />
Austausch sei ihm sehr wichtig, betont<br />
Hubert Bader. Aber auch der Kontakt zu anderen<br />
Zimmerern im eza!-Partner-Netzwerk ist in seinen<br />
Augen ein großes Plus. »Ich weiß, dass ich dort gute<br />
Kollegen habe, die sich gegenseitig helfen und sich<br />
nicht in erster Linie als Konkurrenten sehen.«<br />
Sohn Thomas, der 2014 den Betrieb mit 14 Mitarbeitern<br />
übernommen hat, steht voll hinter der Philosophie<br />
seines Vaters, der wie Mutter Helga, die im<br />
Büro die Fäden zieht, immer noch fleißig mithilft.<br />
»Energieeffizient bauen und sanieren macht absolut<br />
Sinn«, lautet die feste Überzeugung von Thomas Bader.<br />
Wie Bader Senior schätzt auch er das Fortbildungsangebot<br />
von eza! – im Rahmen der eza!-Partner-Tage,<br />
aber auch darüber hinaus. So hat der Diplom-Ingenieur<br />
erfolgreich den eza!-Passivhausplaner-Kurs<br />
absolviert. »Im Baubereich gibt es ständig<br />
Änderungen«, erklärt Thomas Bader. »Daher sind<br />
Fortbildungen für uns sehr wichtig.«<br />
Rund die Hälfte aller Aufträge der mehrfach von<br />
der deutschen Bauwirtschaft mit dem Prädikat »Meis -<br />
terhaft mit 4 Sternen« ausgezeichneten Zimmerer fällt<br />
unter die Rubrik Sanierung, 20 bis 30 Prozent in die<br />
Sparte Neubau. Der Rest sind Zimmererarbeiten wie<br />
der Bau eines Carports oder der Einbau von Dachfens -<br />
tern. Tatsächlich sehen Vater und Sohn in der energetischen<br />
Optimierung von Gebäuden nach wie vor die<br />
größten Potenziale für ihr Holzbauunternehmen – und<br />
Hubert Bader hat das damals schon erkannt.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
35
eza!-Partner<br />
Vom Öl zu Holzpellets<br />
Energiehandelsunternehmen Adolf Präg<br />
Mit dem Handel von Schmierstoffen hat vor 112 Jahren alles begonnen. Die Adolf Präg<br />
GmbH & Co. KG mit Sitz in Kempten entwickelte sich zu einem der größten<br />
mittelständischen Mineralölhändler Deutschlands. Seit seiner Gründung ist es dem<br />
Unternehmen stets gelungen, sich den Trends auf dem Energiesektor anzupassen.<br />
Auch, weil man die klassische Produktpalette rund um den fossilen Energieträger Öl<br />
erweitert hat – zum Beispiel durch Holzpellets oder Solaranlagen.<br />
Unser Kernprodukt ist immer noch Heizöl«,<br />
betont Katrin Müller-Bentrop, Marketingleiterin<br />
der Firma Präg. Aber man mache sich<br />
nichts vor: Der Ölmarkt sei aus unterschiedlichen<br />
Gründen ein schrumpfender Markt. Deshalb gelte es,<br />
sich frühzeitig neue und alternative Wege zu suchen.<br />
»Darüber hinaus », fügt die Marketingleiterin hinzu,<br />
»ist es uns sehr wichtig, mit den Energieressourcen<br />
sinnvoll und schonend umzugehen.« Das zeigt sich<br />
unter anderem daran, dass die Präg-Gruppe, die derzeit<br />
217 Mitarbeiter an fünf Standorten beschäftigt,<br />
2006 mit Pellets einen klimaneutralen und nachwachsenden<br />
Brennstoff ins Warensortiment aufgenommen<br />
hat. 2011 kamen Gas und Strom dazu – natürlich jeweils<br />
mit einer Öko-Variante.<br />
Passend dazu hat die Firma Präg den Kontakt<br />
zum Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!) gesucht<br />
und ist seit 2013 Mitglied im eza!-Partner-Netzwerk.<br />
»Um unsere Ziele zu erreichen, brauchen wir<br />
Netzwerke und Know-how – auch bei den Themen<br />
Klimaschutz und Energieeffizienz«, erklärt Katrin<br />
Müller-Bentrop.<br />
36<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Die Geschichte der Firma Präg beginnt am 5. Dezember<br />
1904. Der Großhandelskaufmann Adolf Präg<br />
gründete in Augsburg eine Warenagentur, die im Wesentlichen<br />
Leuchtpetroleum und Schmierstoffe verkaufte.<br />
Der Start-Zeitpunkt war günstig: Die damals<br />
noch bedeutende Textil- sowie die aufstrebende Maschinenbauindustrie<br />
waren ideale Abnehmer für die<br />
von Präg vermarkteten Spezialschmierstoffe wie z.B.<br />
Zylinder-, Maschinen- und Vaselineöle.<br />
1916 eröffnete Adolf Präg die erste Niederlassung<br />
in Kempten, die von Anna Meisle, seiner späteren<br />
Ehefrau, geleitet wurde. Nach seinem plötzlichen Tod<br />
führte Anna Präg das Unternehmen weiter. 1948 trat<br />
dann schließlich Josef Deisenhofer in die Firma ein.<br />
Um in Schwaben eine flächendeckende Mineralölversorgung<br />
zu sichern, wurde 1948 neben den bestehenden<br />
Tanklagern Kempten und Augsburg ein<br />
weiteres in Krumbach gebaut. 1951 eröffnete die Firma<br />
Präg die erste DEA-Tankstelle Deutschlands im<br />
Allgäu. Zehn Jahre später betrieb Präg bereits 120<br />
DEA-Tankstellen. Zugleich wurde Heizöl in die Produktpalette<br />
aufgenommen.<br />
Ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg<br />
zum Erfolg des Unternehmens war die frühe Einführung<br />
von Selbstbedienungstankstellen. Gerd Deisenhofer<br />
erkannte frühzeitig das Potenzial von SB-Tankstellen<br />
und eröffnete 1972 in Lagerlechfeld bei Augsburg<br />
die erste SB-Tankstelle der Marke Texaco in<br />
Europa. Dadurch stieg der Umsatz um ein Vielfaches,<br />
was eine weitere Expansion ermöglichte. 1977 war die<br />
Zahl der von Präg betriebenen Tankstellen auf 146 gestiegen.<br />
Die Firma Präg hat sich ständig weiterentwickelt:<br />
vom einfachen Schmierstoffhändler zum umfassenden<br />
Energiehandelsunternehmen. Eine Entwicklung, die<br />
noch nicht abgeschlossen ist. »Vor dem Hintergrund<br />
sich stark wandelnder Energiemärkte wird die Neuausrichtung<br />
des Unternehmens konsequent vorangetrieben«,<br />
erklärt Katrin Müller-Bentrop.<br />
Dass neben Strom und Gas auch die Aufnahme<br />
von Pellets ins Warensortiment gehört, mag den einen<br />
oder anderen Außenstehenden überrascht haben. Laut<br />
Katrin Müller-Bentrop hat sich aberdieser Schritt geradezu<br />
angeboten: »Holzpellets entwickeln sich insbesondere<br />
im Süden Deutschlands als echte Alternative<br />
zu anderen Brennstoffen, und wir verfügen über große<br />
Erfahrung, was die Lagerung und die Logistik von<br />
Brennstoffen angeht.« Und mehr noch – inzwischen<br />
zählen auch Solar- und LED-Anlagen zum Portfolio<br />
der Adolf Präg GmbH & Co. KG.<br />
Fotos: Präg<br />
Pellets – der klimaneutrale Brennstoff erfreut sich ins besondere in Süd deutsch land wachsender Beliebt heit. Darauf hat die<br />
Adolf Präg GmbH & Co. KG frühzeitig reagiert und Pellets ins Warensortiment aufgenommen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
37
Vor Ort<br />
Berater kommt ins Haus<br />
Kurzcheck als Service-Angebot<br />
Rund 50 eza!-Energieberatungsstellen gibt es über das<br />
Allgäu verteilt. 17 Kommunen bieten ihren Bürgern einen<br />
zusätzlichen Service an: Auf Wunsch kommen dort die<br />
eza!-Energieberater auch zum Kurzcheck ins Haus.<br />
Kompetente und neutrale<br />
Beratung vor Ort: 17 Allgäuer<br />
Kommunen bieten ihren<br />
Bürgern in Zusammenarbeit mit<br />
eza! verschiedene Kurzchecks<br />
kostenlos an – wie zum Beispiel<br />
den Gebäudekurzcheck<br />
Seien es die Unterstützung von Kommunen<br />
und Landkreisen in ihren Klimaschutzbe -<br />
müh ungen, die Weiterbildungsangebote für<br />
Baufachleute oder die Organisation von Infoveranstaltungen<br />
wie die Allgäuer Altbautage – das Tätigkeitsfeld<br />
des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (eza!)<br />
ist seit seiner Gründung im Jahr 1998 stetig gewachsen.<br />
Damals wie heute zählt die Energieberatung für<br />
die Bürger zu den Kernaufgaben von eza! Auch hier<br />
hat sich die Einrichtung, die weit über die Grenzen des<br />
Allgäus hinaus bekannt ist, an die Bedürfnisse seiner<br />
Klienten angepasst. War früher der Gang in die örtlichen<br />
Energieberatungsstelle die einzige Möglichkeit,<br />
um von den eza!-Experten kompetente und neutrale<br />
Antworten zu erhalten, kommen heute die eza!-Energieberater<br />
auf Wunsch ins Haus – zum Kurzcheck.<br />
Vier Arten dieses Vor-Ort-Beratungsangebot bietet<br />
eza! in Zusammenarbeit hält mit derzeit 17 Allgäuer<br />
Kommunen bereit: den Gebäudecheck, die Heizungsvisite,<br />
den Solarcheck und den Stromsparcheck.<br />
Gemeinsam ist allen Kurzchecks: Sie dauern rund 45<br />
Minuten, werden von fachkundigen eza!-Energieberatern<br />
durchgeführt und sind für die Bürger in den beteiligten<br />
Gemeinden kostenlos.<br />
Beim Gebäudecheck analysiert der eza!-Energieberater<br />
den Ist-Zustand des Gebäudes und der Heizungstechnik.<br />
Anhand der Ergebnisse werden sinnvolle<br />
Sanierungsschritte und Maßnahmen aufgezeigt,<br />
die neben einem geringeren Energiebedarf ein besseres<br />
Raumklima und eine Wertsteigerung der Immobilie<br />
bewirken. Der eza!-Experte weist zudem auf die<br />
passenden Förderprogramme hin. So können sich die<br />
Zuschüsse für eine energetische Sanierung auf über<br />
40.000 Euro summieren.<br />
Ist meine Heizung richtig eingestellt? Welche Optimierungsmöglichkeiten<br />
gibt es? Oder ist es an der<br />
Zeit, die alte Anlage gleich gegen ein effizienteres Modell<br />
auszutauschen? All diese Fragen beantworten<br />
Energieexperten bei einer Heizungsvisite. Schon<br />
durch einfache Maßnahmen lässt sich häufig im laufenden<br />
Betrieb der Energieverbrauch der Heizung<br />
spürbar senken. Manchmal reicht das aber nicht aus.<br />
Der eza!-Energieberater klärt auf, ob es Zeit für einen<br />
Heizungsaustausch ist, und wenn ja, welche Anlage<br />
zum Haus passt.<br />
Beim Stromsparcheck werden der Stromverbrauch<br />
des Haushalts analysiert und einzelne Elektrogeräte<br />
gemessen. Rund 4000 Kilowattstunden (kWh)<br />
beträgt der durchschnittliche Stromverbrauch einer<br />
vierköpfigen Familie in Deutschland pro Jahr. »Dabei<br />
ließen sich locker 1000 Kilowattstunden einsparen –<br />
ohne Komfortverlust«, betont eza!-Geschäftsführer<br />
Martin Sambale. Wie, das zeigen die eza!-Energieberater<br />
beim Stromsparcheck auf. »Oftmals sind es nur<br />
Änderungen im täglichen Verhalten oder kleine Maßnahmen,<br />
die nicht viel Geld kosten, die aber in der<br />
Summe richtig Wirkung zeigen«, erklärt Sambale.<br />
Beim Solarcheck werden unter anderem folgende<br />
Fragen beantwortet: Lohnt sich bei meinem Haus der<br />
Einbau einer Solarwärmeanlage und/oder einer Photovoltaikanlage?<br />
Mit welchen Erträgen kann ich rechnen?<br />
Wie kann ich möglichst viel Solarstrom selbst<br />
nutzen? Dank stark gesunkener PV-Modul-Preise ist<br />
der Strom Marke Eigenproduktion insbesondere bei<br />
einem hohen Eigenverbrauch sehr lukrativ. Er kann
Anzeigen<br />
Fotos: eza!<br />
Bei der Heizungsvisite geben eza!-Experten Tipps, wie der<br />
Energieverbrauch der Anlage gesenkt werden kann<br />
mithilfe eines Batteriespeichers von 30 auf 60 Prozent<br />
erhöht werden. »Angesichts der vielen Sonnenstunden<br />
sollten Bauherren oder Hausbesitzer auch das Thema<br />
Solarwärme im Auge behalten«, empfiehlt Sambale.<br />
Schon mit einer kleineren Anlage kann von Mai bis<br />
September das Warmwasser komplett bereitgestellt<br />
werden. Mit einer Kollektorfläche von zehn bis 14<br />
Quadratmetern lässt sich in den Übergangsmonaten<br />
zusätzlich die Heizung wirkungsvoll unterstützen.<br />
Buxheim zählt zu jenen Kommunen im Allgäu,<br />
die ihren Bürgern in Zusammenarbeit mit eza! kostenlose<br />
Kurzchecks anbieten. »Ein Service, der von den<br />
Bürgern gut angenommen wird«, berichtet der erste<br />
Bürgermeister Werner Birkle. »Es gibt doch einige<br />
Leute, die sich den Gang zur eza!-Energieberatungsstelle<br />
im Rathaus lieber sparen.« Generell hält der Rathaus-Chef<br />
die eza!-Energieberatung für eine wichtige<br />
Sache: »Wir wollen damit die Bürger für das Thema<br />
Energieeffizienz sensibilisieren.« Die Gemeinde selbst<br />
lässt im Rahmen des kommunalen Energiemanagements<br />
ihre eigenen Liegenschaften von den eza!-Experten<br />
auf Einsparpotenziale hin untersuchen. »Weil<br />
die Gemeinde beim Energiesparen mit gutem Beispiel<br />
vorangehen sollte«, findet Birkle.<br />
In folgenden Gemeinden werden Kurzchecks angeboten:<br />
Altusried, Oy-Mittelberg, Wiggensbach, Betzigau,<br />
Wertach, Sonthofen (mit Bad Hindelang, Blaichach,<br />
Burgberg, Rettenberg), Füssen, Bad Grönenbach,<br />
Wolfertschwenden, Buxheim, Opfenbach,<br />
Heimenkirch und Scheidegg.<br />
Weitere Infos unter www.eza-energieberatung.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
39
Wald und Holz<br />
Unser Allgäuer Wald<br />
Mehr als ein regionaler Rohstoff<br />
Als nachwachsender Rohstoff ist Holz auch heute noch von Bedeutung, sowohl für<br />
Möbel, Einrichtungen, Kunst und Bauwerke als auch als Energieträger. Die Erzeugung<br />
und Gewinnung von Holz zu den vielseitigen Verwendungen wird nach Phasen, die<br />
von Rodung und Raubbau geprägt waren, seit nunmehr über 300 Jahren bei uns in<br />
Form der nachhaltigen Waldbewirtschaftung praktiziert.<br />
Er regte unsere Märchen -<br />
dichter an und belebte die<br />
Sagenwelt. unser Wald. Für die<br />
Holzwirtschaft hat er aber noch<br />
eine andere Bedeutung<br />
Die Waldbewirtschaftung und die Gewinnung<br />
des Rohstoffs Holz war und ist ein wesentlicher<br />
Bestandteil der menschlichen Zivilisation<br />
und Kulturgeschichte. Das Holz der Stämme ist<br />
einer der vielen nutzbaren Bestandteile von Bäumen,<br />
die unsere Wälder bilden. Diese werden seit jeher von<br />
den Menschen sehr unterschiedlich wahrgenommen.<br />
Als nutzbarer Rohstofflieferant, als Erlebnisraum, als<br />
Naturraum, als Schutzbereich für Tierarten und sogar<br />
als Nahrungsquelle. So meinte einst der erste Bundespräsident<br />
Theodor Heuss: »Holz ist ein einsilbiges<br />
Wort, aber dahinter verbirgt sich eine Welt der Märchen<br />
und Wunder.«<br />
Heute steht der Wald im Fokus vieler Menschen,<br />
die sich aus den unterschiedlichsten Beweggründen<br />
um den Wald »sorgen« und über dessen Entwicklung<br />
bestimmen wollen. Dabei wird aber meist übersehen,<br />
dass der Wald bzw. der Grund, auf dem er wächst, im<br />
Eigentum der Waldbesitzer ist, diese gehen eigenverantwortlich<br />
damit um. Der Schutz des Eigentums ist<br />
in Art. 14 Grundgesetz geregelt. Daher sollte bedacht<br />
werden, dass viele Forderungen, die an den Wald gestellt<br />
werden, von Menschen gestellt werden, die überhaupt<br />
keine Verantwortung für die Folgen ihrer Forderungen<br />
tragen.<br />
Neben der Rohstoffversorgung rücken die vielen<br />
anderen Funktionen unserer Wälder immer mehr in<br />
den Mittelpunkt. Was sind das für Funktionen des<br />
Waldes, von denen wir alle profitieren? Die Kronen<br />
der Bäume sind ein riesiger Luftfilter, durch die Wurzeln<br />
wird der Boden stabilisiert und Erosion verhindert.<br />
Bäume sind Wasserverbraucher und sorgen damit<br />
für die Verminderung von Hochwasserspitzen, daher<br />
sind der beste Schutz vor Hochwasser intakte, weil<br />
bewirtschaftete Wälder. Trinkwassergebiete sind oft in<br />
den Wäldern zu finden, da der Boden, auf dem der<br />
Wald steht, das Wasser bestmöglich filtert und keine<br />
Dünger oder ähnliche Substanzen verwendet, die in<br />
den Boden eingespült werden können.<br />
Bei der Assimilation nehmen die Bäume über die<br />
Blätter/Nadeln Kohlendioxid (CO2) auf, binden den<br />
Kohlenstoff im Holz und geben den Sauerstoff frei.<br />
40<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Im Allgäu kümmern sich<br />
Fachleute bei Waldbegehungen<br />
um die beste Waldpflege<br />
Fotos: Archiv EIDTION <strong>ALLGÄU</strong> und WBV<br />
Brennholz sollte nur ein<br />
wertvolles Abfall-Produkt der<br />
Bewirtschaf tung unserer<br />
Wälder sein<br />
Daher werden bewaldete Parks in den Städten auch als<br />
grüne Lungen bezeichnet. In diesem Zusammenhang<br />
steht auch die bedeutsame Funktion der Erholung, die<br />
in unseren Wälder möglich ist. Erholung und immer<br />
mehr sportliche Aktivitäten finden im Wald statt, dies<br />
ist nicht immer konfliktfrei, denn unterschiedliche<br />
Nutzer haben entsprechend unterschiedliche Anforderungen.<br />
Dabei ist gerade im Wald die Rücksichtnahme<br />
auf die Natur und die anderen »Nutzer« von großer<br />
Bedeutung. Doch nicht nur Rücksichtnahme auf<br />
andere Nutzer gilt es im Wald zu befolgen, noch viel<br />
wichtiger ist es, die im, am und vom Wald lebenden<br />
Tiere und Pflanzen zu beachten, nicht zu stören, nicht<br />
zu zerstören und sie nicht zu beschädigen.<br />
Dem Erhalt und der Sicherung dieser vielfältigen<br />
Funktionen dient die nachhaltige, naturnahe Waldbewirtschaftung.<br />
Durch sie ist der Wald aber auch Arbeitsplatz<br />
für Forstunternehmer, Holzrücker, Fuhrleute<br />
und in der Folge auch für Sägewerker, Zimmerer<br />
und Schreiner in der Region, die den Rohstoff auf kurzen<br />
Wegen bekommen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet<br />
dies: 100 geerntete Festmeter oder 10 Hektar sichern<br />
einen Arbeitsplatz (ein Festmeter ist ein fünf<br />
Meter langer Stamm mit 50 Zentimetern Durchmesser;<br />
ein Hektar = 100x100 Meter).<br />
Dort, wo Bäume gefällt und entnommen werden,<br />
gibt es Platz für die verbliebenen Bäume, sowohl in der<br />
Krone als auch im Wurzelraum. Es kommt mehr Licht<br />
in den Wald, das wiederum für Wachstum und Leben<br />
sorgt. Darüber hinaus wird der im Holz gespeicherte<br />
Kohlenstoff durch die Verwendung des heimischen<br />
Holzes in Bauwerken und Möbeln langfristig dem<br />
Kreislauf entzogen. Holz, das im Wald verwittert oder<br />
verfault, setzt diesen Kohlenstoff wieder frei.<br />
Wie die Bundeswaldinventuren der letzten Jahrzehnte<br />
gezeigt haben, wächst im Wald mehr Holz<br />
nach, als genutzt wird. Das sichert die Funktionalität<br />
der Wälder und damit den Lebensraum für Mensch,<br />
Tier und Pflanze. Bewirtschaftete Wälder vermeiden<br />
volkswirtschaftliche Schäden von rund 18.000 Euro<br />
pro Hektar und Jahr und optimieren den Schutz unserer<br />
Umwelt.<br />
Damit die Wälder weiterhin von den Eigentümern<br />
bewirtschaftet und gepflegt werden, ist es von<br />
überragender Bedeutung, deren Interesse am Wald zu<br />
erhalten und zu fördern. Dies ist in unserer kleinräumig<br />
parzellierten Waldbesitzstruktur im Allgäu eine<br />
wichtige gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche<br />
Aufgabe. Sie wird von den Selbsthilfeorganisationen<br />
der Waldbesitzer, den Forstbetriebsgemeinschaften<br />
beziehungsweise Waldbesitzervereinigungen im<br />
Allgäu wahrgenommen.<br />
Die »Produktionsstätte« Wald kann nicht ins<br />
Ausland verlagert werden, somit ist die nachhaltige<br />
Waldbewirtschaftung für Arbeitsplätze, Einkommenssicherung,<br />
Steueraufkommen, Lebensqualität und Lebensraumsicherung<br />
im ländlichen Raum ein unverzichtbarer<br />
Bestandteil.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
41
Regionales Holz<br />
Schon von außen erkennt man die<br />
Liebe zum Holz des Unternehmens<br />
Auf dem richtigen Holzweg<br />
Aktiver Umweltschutz mit regionalen Produktion<br />
Viele Verbraucher setzen mittlerweile auf Nachhaltigkeit. Dabei spielt<br />
die Regionalität eine wichtige Rolle. Menschen wollen wissen, wo die Produkte<br />
herkommen – das gilt nicht mehr nur für Lebensmittel. Die Allgäuer<br />
Wert- und Edelholz GmbH & Co. KG setzt dort an. Sie bietet hochwertiges<br />
Allgäuer Wertholz an und lebt die Wertschätzung regionaler Produkte.<br />
Holz ist warm, es vermittelt Behaglichkeit und<br />
hat eine optimale Energiebilanz, vor allem,<br />
wenn es aus der Region kommt und keine<br />
langen Transportwege anfallen. Holz aus dem Allgäu<br />
für das Allgäu – das ist das Motto der Allgäuer Wertund<br />
Edelholzgesellschaft von Ignaz Einsiedler. Das<br />
Unternehmen im »Energiedorf« Wildpoldsried betreibt<br />
somit aktiven Umweltschutz, denn das Allgäuer<br />
Wertholz ist Kohlendioxid- und Energiespeicher,<br />
schont die Ressourcen und ist der intelligente Wertstoff<br />
der Zukunft. Außerdem erfolgt die Produktion<br />
und Verarbeitung ohne Umweltbelastung.<br />
Aus Liebe zum Holz<br />
Bereits 2010 und noch vor der Gründung des<br />
Unternehmens begann Ignaz Einsiedler mit dem ste-<br />
42<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Aus heimischem Holz kann viel entstehen, auch ein kleines Firmenschild neben dem Eingang<br />
Um das Holz draußen vor dem Wetter zu schützen,<br />
mussten die Mitarbeiter erfinderisch sein<br />
Fotos: Claudia Schöwe, Volker Wille<br />
Diese speziellen Stäbe sorgen dafür, dass das Holz<br />
beim Trocknen nicht so oft gewendet werden muss<br />
tigen Einkauf von Wertholz aus dem Allgäu und Bodenseeraum<br />
und lagerte es ein. Dabei beschränkte er<br />
sich nicht nur auf die traditionellen Sorten wie Fichte<br />
und Tanne, sondern gab jedem Holz eine Chance –<br />
auch den Laubbäumen, denen früher nur Brennholzqualität<br />
zugesprochen wurde, ungeachtet ihres schönen<br />
Holzes.<br />
Im Oktober 2012 erfolgte dann die Firmirung<br />
mit 15 Kommanditisten, und schon zwei Monate später<br />
wurde das jetzige Unternehmensgrundstück erworben.<br />
Im Lauf der nächsten Monate tat sich einiges:<br />
Es traten weitere Gesellschafter ein und die beiden Lagerhallen<br />
wurden fertiggestellt, die erste im Dezember<br />
2013 und die zweite im Mai 2014. Die Anzahl der<br />
Kommanditisten ist auf 30 angestiegen. Diese kommen<br />
aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern, vom<br />
Förster bis zur Sekretärin ist alles dabei. Sie alle eint<br />
die Liebe zum Rohstoff Holz.<br />
Zertifizierte Nachhaltigkeit<br />
Mit der Betriebsgründung tragen sie alle zu einer<br />
angemessenen Wertschöpfung und werkstoffgerechten<br />
Verarbeitung der allgäutypischen Baumarten bei.<br />
Die Lieferanten sind nach PEFC zertifiziert und somit<br />
auch die Holzerzeugnisse des Unternehmens. Dieses<br />
Gütesiegel garantiert nachhaltige Waldwirtschaft im<br />
Einklang mit Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Es<br />
muss sich auch keiner Sorgen machen, dass unsere gesamten<br />
Wälder abgeholzt werden – es wächst genug<br />
nach. Ein Drittel des jährlich nachwachsenden Holzes<br />
im Allgäu wird gar nicht genutzt. Der Großteil des<br />
Holzes, ungefähr 80 Prozent, stammt aus einem Umkreis<br />
von 50 Kilometern und der Rest aus den angrenzenden<br />
Gebieten wie dem Bodenseeraum, aus dem<br />
viele Obsthölzer kommen. Der Weg zu neuem Holz<br />
ist dabei unterschiedlich, denn zum einen werden<br />
Ignaz Einsiedler und seinen Mitarbeitern Bäume zum<br />
Kauf angeboten und zum anderen begeben sie sich<br />
auch selbst aktiv auf die Suche nach schönen Hölzern.<br />
Immer im Blick dabei: Umweltschutz durch Nachhaltigkeit.<br />
Umweltfreundliche Produktion<br />
Nicht nur das Holz ist nachhaltig, sondern auch<br />
die Produktion und Verarbeitung im Unternehmen.<br />
Sie verläuft ohne Umweltbelastung, und es fällt kein<br />
Müll an. Die beim Sägen entstehenden Späne werden<br />
an Nachbarn aus dem Ort abgegeben, die damit ihre<br />
Hühner- und Kuhställe einstreuen. Die Baumrinde<br />
und andere Produktionsabfälle gelangen über den Biomassehof<br />
in Kempten zum Holzheizkraftwerk der<br />
Stadt. Auch die Trocknung des Holzes erfolgt umwelt-<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
43
Regionales Holz<br />
In dem Vakuumkammertrockner wird das Holz ohne chemische<br />
Zusätze bei konstanten 70 Grad Celsius getrocknet<br />
Auch »nicht typische«<br />
Bäume werden verarbeitet<br />
wie etwa der Tulpenbaum<br />
Mit der Säge kann der Baum<br />
in einzelne Bretter zerteilt werden<br />
freundlich. Zunächst trocknet das Holz, je nach Sorte,<br />
zwischen sechs Monaten und bis zu zwei Jahren in einer<br />
Lagerhalle oder geschützt im Freien. Anschließend<br />
kommt es in den Vakuumkammertrockner. Auch dort<br />
variiert die Zeit – es kann zwei Tage darin verbringen<br />
oder zwei Wochen. In diesem letzten Trocknungsschritt<br />
wird komplett auf den Einsatz von Chemikalien<br />
verzichtet, denn bei einer konstanten Temperatur von<br />
70 Grad Celsius sterben Würmer und kleine Käfer, die<br />
sich im Baum »verstecken«, von alleine ab. Hat das<br />
Holz eine ungefähre Restfeuchte von acht Prozent, ist<br />
es bereit für den Weiterverkauf. Erwähnenswert ist<br />
noch: Die für die Trocknung benötigte Wärme stammt<br />
aus einem mit Biogas betriebenen Blockheizkraftwerk<br />
in Wildpoldsried.<br />
Es bleibt im Allgäu<br />
Die meisten Kunden des Unternehmens stammen<br />
auch aus dem Allgäu – das Holz bleibt also da, wo es<br />
herkommt. Das zeigt, dass Regionalität ein immer<br />
wichtigerer Aspekt wird, vor allem im Zusammenhang<br />
mit Nachhaltigkeit und der eigenen Identität.<br />
Das Angebot der Allgäuer Wert- und Edelholzgesellschaft<br />
richtet sich vorwiegend an Holzfachleute wie<br />
44 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Obsthölzer wie hier die Zwetschge werden auch verarbeitet<br />
Vor den beiden Lagerhallen wartet schon<br />
weiteres Holz auf die Verarbeitung<br />
Die Entrindung der zersägten Bäume ist hier noch Handarbeit<br />
Mitarbeiter Jörg Böck<br />
sowie die Geschäftsführer<br />
Ignaz Einsiedler und<br />
Robert Mayr (v.l.) eint<br />
die Liebe zum Holz<br />
In den Lagerhallen stapeln sich<br />
die verschiedenen Holzsorten<br />
bis unter die Decke<br />
Schreiner und Zimmerer, aber auch an Planer, Hobbybastler<br />
und Endkunden. Jeder, der qualitativ hochwertiges<br />
Holz schätzt und gleichzeitig die Umwelt<br />
schützen möchte, ist dort gut aufgehoben.<br />
In nächster Zeit soll auch noch ein digitales Warensystem<br />
in Betrieb genommen werden, in dem dann<br />
die Bestände eingesehen werden können und auch,<br />
von wo genau ein bestimmtes Stück Holz stammt. So<br />
können sich Allgäuer ein Stück Holz aus ihrem Ort<br />
oder aus der Nähe aussuchen und daraus etwas Schönes<br />
entstehen lassen. Das schafft ein ganz neues Gefühl<br />
von Verbundenheit.<br />
(cs)<br />
Trotz ihres schönen Holzes wurde Laubbäumen früher nur Brennholzqualität zugesprochen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
45
Interview<br />
Blaue Briefe vom Holzforum<br />
Hugo Wirthensohn mahnt Chefetagen<br />
Hugo Wirthensohn, 1. Vorstand bei Holzforum Allgäu e.V., ist ein rühriger Protagonist für<br />
die Nutzung des heimischen Waldes. Das Holzforum, dem Waldbesitzer, Säger, Zimmerer,<br />
Schreiner und Holzbaufirmen angehören, setzt sich für Nachhaltigkeit und kurze Wege<br />
ein – das bedeutet unter anderem, dass es ein Auge darauf hat, dass mit dem Material<br />
aus heimischen Wäldern auch gebaut wird – nicht nur bei privaten Einfamilien häusern,<br />
sondern ebenso im öffentlichen Bereich. Und da hatte Hugo Wirthensohn in letzter<br />
Zeit wohl Grund zur Klage. allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> hat mit ihm darüber gesprochen.<br />
Ein Mahner in Sachen Holz<br />
und Holzbau: der Vorsitzende<br />
des Holzforums Allgäu e.V.,<br />
Hugo Wirthensohn<br />
Fotos: Peter Elgaß<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>: Herr Wirthensohn, die<br />
Sparkasse Allgäu und der Kemptener Oberbürger -<br />
meister haben von Ihnen »blaue Briefe« bekommen.<br />
Was war der Grund dafür?<br />
Wirthensohn: Es geht um die Vernachlässigung<br />
von Holz in aktuellen Bauprojekten. Es scheint, als ob<br />
sowohl bei den Entscheidern in den Chefetagen als<br />
auch bei den Stararchitekten offenbar noch nicht angekommen<br />
ist, dass der Baustoff Holz gerade mit großem<br />
Erfolg bei Geschäfts- und Gewerbebauten zurückkehrt.<br />
Glas und Beton dominieren momentan<br />
vielerorts das Stadtbild – so leider auch beim Neubau<br />
der Sparkasse in Kempten. London, Oslo, Vancouver<br />
– immer mehr Metropolen schmücken sich mit modernen<br />
Holzhochhäusern. In Mailand sind gerade vier<br />
Neungeschosser fertig geworden – komplett aus Holz.<br />
Nur hier im Allgäu wird scheinbar noch geschlafen,<br />
und das auf Kosten der regionalen Wirtschaft und<br />
eines regionalen, CO 2 -neutralen und nachwachsenden<br />
Rohstoffes. Wenn wir dann auch noch von einem<br />
der Sparkassen-Verwaltungsräte, der Vorstand im<br />
Holzforum ist, erfahren, dass nicht einmal innovative<br />
Fassaden aus Holz in Betracht gezogen wurden, kommen<br />
bei uns schon Zweifel auf, ob der Regionalgedanke<br />
und die Innovationsbereitschaft der Sparkasse Allgäu<br />
wirklich gelebt werden oder nur Plattitüden sind.<br />
Die Sparkassenvorstände haben allerdings auf den<br />
Brief reagiert und uns zu einem Gespräch eingeladen.<br />
Dabei wurde erklärt, dass die Entscheidung für den<br />
Neubau des Sparkassenhauptsitzes schon vor mehreren<br />
Jahren gefallen ist und zu dieser Zeit Holz leider<br />
noch nicht im Fokus war.<br />
Wir vermuten, aus dem gleichen Grund haben<br />
Sie dem Kemptener Oberbürgermeister Thomas<br />
Kiechle geschrieben?<br />
Ja. In der letzten Ausgabe von allgäuALTERNA-<br />
TIV hat OB Kiechle betont, dass Stadtrat und Stadtverwaltung<br />
gezielt Klimaschutzmaßnahmen und Projekte<br />
angehen, um den Energieverbrauch zu senken<br />
und CO 2 -Emissionen zu reduzieren. Dafür wurde<br />
Kempten sogar mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis<br />
ausgezeichnet. Wir vom Holzforum sind der<br />
Meinung, dass im neuen Baugebiet »An der Halde-<br />
Nord« beides wunderbar durch den Einsatz von Holz<br />
erreicht werden kann.<br />
Haben Sie weitere »blaue Briefe« im Köcher, oder<br />
waren die beiden Kemptener Adressen die einzigen,<br />
die eine Mahnung vom Holzforum bekommen haben?<br />
Natürlich werden wir auch weiterhin die Augen<br />
offen halten und uns für den Einsatz von Holz stark<br />
machen. Gerade bei der öffentlichen Hand oder bei<br />
Verbänden ist es in Bauentscheidungen oft ausschlaggebend,<br />
welcher Planer beauftragt wird. Ist dieser offen<br />
für Holz, hat Holz auch eine Chance. Ist er oder<br />
sie es nicht, kommt Holz maximal als Dachstuhl zum<br />
Einsatz. Es heißt immer: Wer zahlt, bestimmt. Unsere<br />
Erfahrungen aber zeigen, dass dies sehr oft nicht der<br />
Fall ist, weil sich der Laie auf die Fachaussagen der Planer<br />
verlässt. Da bleibt nur eine Lösung: Wenn sich der<br />
Bauherr Holz als Baustoff vorstellen kann, sollte er<br />
darauf achten, welchen Planer er auswählt.<br />
Die meisten Menschen verbinden mit Holz zunächst<br />
Tische, Stühle und Inneneinrichtung. Holzschuppen,<br />
Blockhütten und Gartenhäuser aus Holz –<br />
das kennen viele. Aber moderne Häuser oder gar öffentliche<br />
Gebäude aus Holz wie das grüne Zentrum in<br />
Immenstadt – das ist für Normalbürger oft nicht vorstellbar.<br />
Warum, denken Sie, ist das so?<br />
Das betrifft nicht nur die Normalbürger, sondern<br />
auch und vor allem Entscheidungsträger der öffentlichen<br />
Hand oder größerer Firmen oder Institutionen.<br />
Diese wollen wir sensibilisieren, dass mit Holz ein hervorragender,<br />
traditioneller und moderner Baustoff vor<br />
46<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Ort zur Verfügung steht. Wir stellen oft fest, dass bei<br />
vielen Akteuren noch ein veraltetes Bauchgefühl vorherrscht<br />
gegen die Verwendung von Holz als Baustoff.<br />
An diesem Bauchgefühl arbeiten wir.<br />
Das Holzforum ist nun schon seit einigen Jahren<br />
im Allgäu aktiv. In den Wäldern unserer Region wachsen<br />
die unterschiedlichsten Holzarten. Das Holzforum<br />
will aufzeigen, dass zertifiziertes heimisches Holz bewusst<br />
in der Region eingesetzt wird. Auch wegen der<br />
CO 2 -Einsparung auf kurzen Transportwegen. Ist dieses<br />
Ziel erreicht, oder »gilt der Prophet im eigenen<br />
Land nichts«?<br />
Wir haben in den letzten zwei Jahren mehrere<br />
Bachelorarbeiten erstellen lassen, in denen wir die<br />
Holzströme im Allgäu untersucht haben. Das Ergebnis<br />
kann sich sehen lassen. Die 27 Sägebetriebe, die es<br />
noch im Allgäu gibt, beziehen 95 Prozent ihres Holzes<br />
aus dem Allgäu oder den angrenzenden Gebieten. Regionaler<br />
geht es kaum.<br />
Die Allgäuer Zimmereibetriebe beziehen ebenfalls<br />
mehr als 80 Prozent des Bauholzes von Allgäuer<br />
Sägern oder Händlern. Hier muss allerdings dazugesagt<br />
werden, dass sich dies nicht auf die Leimbinder<br />
(KVH, Brettschichtholz etc.) bezieht, da es dafür nur<br />
wenige kleine Werke im Allgäu gibt.<br />
Sie sehen, die Voraussetzungen für Allgäuer Betriebe<br />
oder Kommunen, Holzbauten mit Allgäuer Holz<br />
und mit Allgäuer Firmen zu errichten, sind gegeben.<br />
Wie können sich Bauwillige über Holzbau beraten<br />
lassen? Welche Angebote macht das Holzforum,<br />
und welche Beratungen bieten die Mitglieder des<br />
Holzforums?<br />
Die Mitglieder des Holzforums Allgäu bilden die<br />
komplette Wertschöpfungskette von Holz ab. Vom<br />
Waldbesitzer über die Säger, Zimmerer, Hausbauer bis<br />
zu den Planern. Sie finden auf unserer Homepage für<br />
alle Fragen rund ums Holz und das Bauen mit Holz<br />
kompetente Ansprechpartner. Ein Service des Holzforums<br />
ist die direkte Vermittlung an das passende Mitglied.<br />
Das Holzforum ist eine Plattform für alles, was<br />
mit Holz zu tun hat. Informationen erhält man von<br />
unserer Geschäftsstelle, oder sie können über unsere<br />
Homepage bezogen werden:<br />
www.holzforum-allgaeu.de<br />
Anzeigen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
47
Interreg-Projekt<br />
Holz wird international<br />
Holzforum mischt kräftig mit<br />
Wer sich nicht ständig bewegt und sich zu Wort meldet, der wird schnell vergessen. Die Forstund<br />
Holzwirtschaft hat in den letzten Jahren intensiv für ihre Bereiche geworben und Lobbyarbeit<br />
betrieben. Das Holzforum Allgäu ist dafür ein lebender Beweis. Bisher aber wurde diese Arbeit<br />
überwiegend im regionalen Bereich getan. Jetzt kommt »Inno4wood«, ein Interreg-Projekt<br />
zwischen Tirol und Bayern. Und das Holzforum Allgäu mischt als Partner wieder kräftig mit.<br />
Fördermittel und Eigenleistungen summieren sich auf insgesamt fast 900.000 Euro.<br />
Die Holz-Protagonisten aus<br />
Bayern und Tirol wollen<br />
900.000 Euro einsetzen, um<br />
sich eine internationale<br />
Marketing--Strategie zuzusägen<br />
Der Forst, die Säge- und Holzindustrie, Holzhandel,<br />
Tischlerei, Zimmerei und Holzbau<br />
sowie auch angrenzende Bereiche wie Architekten,<br />
Statiker und Bauingenieure hielten schon in der<br />
Vergangenheit engen Kontakt. Mit den sogenannten<br />
Holzclustern wurden zur Stärkung dieser Wirtschaftsbereiche<br />
in der Vergangenheit funktionierende Strukturen<br />
und Ressourcen für die jeweiligen Regionen<br />
aufgebaut mit dem Ziel einer langfristig wettbewerbsfähigen<br />
regionalen Wirtschaft, der Stärkung des ländlichen<br />
Raumes sowie hoher Beschäftigung vor Ort. Wie<br />
die Kritik von Hugo Wirthensohn an der Stadt Kempten<br />
und der Sparkasse Allgäu (siehe Seite 46) zeigt, ist<br />
die Initiative für Holz und Holzbau bei Weitem noch<br />
nicht überall angekommen. Es muss also weiter vernetzt<br />
und intensiv geworben werden.<br />
Während der Fokus der Clustertätigkeiten der<br />
letzten 10 bis 15 Jahre aber primär auf der Vernetzung<br />
der Unternehmen und Akteure einer Region lag, wollen<br />
die Partner zukünftig einen verstärkt überregionalen<br />
Ansatz verfolgen. Vorhandene Ressourcen und Infrastrukturen<br />
nicht nur innerhalb einer Region, sondern<br />
auch überregional sollen effizienter genutzt werden.<br />
Mit dem neuen Interreg-Programm<br />
»Inno4wood« sollen nun also die deutsch-österreichischen<br />
Grenzen bewusst überschritten werden.<br />
48<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Hugo Wirthensohn vom Holzforum Allgäu:<br />
»Den Projekt-Titel haben die Partner in Tirol beigesteuert.<br />
Die mögen solche Wortschöpfungen. Uns ist<br />
eher wichtig, dass die im Antrag formulierten Ziele erreicht<br />
werden. Dabei besteht die besondere Herausforderung<br />
darin, die Unternehmen bei ihren ersten<br />
Schritten zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit<br />
professionell zu unterstützen und damit ihren derzeit<br />
noch engen Aktionsradius zu erweitern. Bisherige Erfahrungen<br />
zeigen, dass viele überregionale Ansätze an<br />
einer fehlenden aktiven Beteiligung der Unternehmen<br />
scheitern. Hier gilt es, neue Wege zu gehen. Es gilt, den<br />
Einzugsbereich für Know-how, Erfahrungen und<br />
Technologie für die Unternehmen mittels langfristig<br />
wirkender Strukturen zu erweitern, um flexibel auf die<br />
wirtschaftlichen Herausforderungen reagieren sowie<br />
Synergien wesentlich effizienter nutzen zu können.<br />
Die sehr ähnlichen Strukturen im Unternehmenssektor<br />
sowie der rahmenbildenden Organisationsstrukturen<br />
der bayrisch-tirolerischen Forst- und Holzwirtschaft<br />
ermöglichen eine rasche und nachhaltige Umsetzung<br />
der geplanten Maßnahmen.«<br />
Damit das funktioniert, haben sich folgende<br />
Partner für Inno4wood zusammengeschlossen: die<br />
Vereinigung proHolz Tirol, die Universität Innsbruck<br />
mit der Fakultät »Technische Wissenschaften, Arbeitsbereich<br />
Holzbau«, die Cluster-Initiative Forst und<br />
Holz in Bayern gGmbH mit Sitz in Freising und das<br />
Holzforum Allgäu. Die Organisationen haben für die<br />
nächsten drei Jahre eine Reihe von Zielen formuliert,<br />
die mithilfe der Interreg-Förderung erreicht werden<br />
sollen:<br />
Beispielsweise den Einsatz von Holzbotschaftern:<br />
Zur Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit<br />
innerhalb der Branche werden drei sogenannte<br />
»Holzbotschafter für Innovation und Technologie«<br />
aufgebaut und geschult. Sie bilden die bisher fehlende<br />
persönliche Schnittstelle zwischen den Regionen. Jeder<br />
Holzbotschafter wird in den beteiligten Regionen<br />
auf die jeweiligen Besonderheiten hingewiesen und<br />
geschult (Kennenlernen der Unternehmensstrukturen<br />
und der Forschungs- und Entwicklungslandschaft<br />
F&E). Es sollen spezifische wirtschaftliche und thematische<br />
Schwerpunkte gesetzt werden. Geplant ist der<br />
gezielte Aufbau von persönlichen Kontakten. Jeder<br />
Botschafter trägt das Wissen und die Erfahrungen aus<br />
den anderen Regionen zurück in seinen Wirkungskreis,<br />
wo es gezielt Unternehmen zur Verfügung gestellt<br />
wird. Diese werden wiederum gezielt »face to<br />
face« vernetzt, um konkrete Projekte zu initiieren beziehungsweise<br />
fortzusetzen.<br />
Ergänzend zu den Holzbotschaftern werden innovative<br />
Akteure aus der Forst- und Holzwirtschaft<br />
als temporäre Innovationsbotschafter nach dem Motto<br />
»best practice« eingesetzt. Die Erfolgsgeschichten werden<br />
praxisnah kommuniziert, sie sollen helfen, Barrieren<br />
zu überwinden und die Beispiele zum Nutzen<br />
des eigenen Unternehmens auszuwerten.<br />
Vorhandene Forschungs- und Entwicklungskompetenz<br />
soll besser dargestellt und genutzt werden.<br />
F&E-Einrichtungen und deren Kompetenzen werden<br />
gezielt in den verschiedenen Regionen dargestellt und<br />
nutzbar gemacht. Das neue Holzkompetenzzentrum<br />
in Absam/Tirol wird strategisch als Test- und Qualifizierungsumgebung<br />
sowie für den Prototypenbau positioniert.<br />
Grenzüberschreitend soll die Plattform »IQ-Holz«<br />
für Innovation und Qualifizierung zur Programm- und<br />
Konzeptentwicklung weiterentwickelt werden. Darüber<br />
hinaus soll gezielt der »Hightech-Faktor Holz« vor allem<br />
an die Jugend, aber auch an die Bevölkerung und<br />
die Bauherren herangetragen werden.<br />
Holz ist nicht nur das richtige<br />
Material für Einfamilienhäuser,<br />
auch Zweck- und Kommunal -<br />
bauten können mit Holz<br />
errichtet werden – wie<br />
beispielsweise das Grüne<br />
Zentrum in Immenstadt<br />
Fotos: Peter Elgaß und Volker Wille
Holztechnik<br />
Rekord mit Holzfassade<br />
Sechs Stockwerke in sechs Tagen<br />
Das Allgäu ist für seine Innovationen in Sachen Holzbau weit über seine Grenzen hinaus<br />
bekannt. Mit speziellen vorgefertigten Fassadenelementen ergeben sich bei der energetischen<br />
Gebäudesanierung ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten, wie ein Beispiel in der Münchner<br />
Innenstadt zeigt. Maßgeblich beteiligt daran ist der Ostallgäuer Holzbauer Ambros.<br />
In die Jahre gekommen:<br />
So sah das Gebäude Baujahr<br />
1972 vor der Sanierung aus<br />
Zunächst musste die<br />
baufällige Natursteinfassade<br />
entfernt werden<br />
Wie bekommt man eine energetische Verbesserung<br />
ohne eine gestalterische Verschlechterung<br />
hin? Das war die<br />
Problemstellung, vor der das Münchner Büro Braun<br />
Krötsch Architekten bei der Neugestaltung des Gebäudes<br />
mit 32 Nutzungseinheiten stand. »Viele Gebäude<br />
aus den 50er-, 60er- oder 70er-Jahren sind ziemlich<br />
schmucklos«, erklärt Stefan Krötsch. »Sie leben von<br />
den Proportionen. Aber die verändern sich grundlegend,<br />
wenn das Gebäude einfach nur mit einer dicken<br />
Dämmung eingepackt wird.« Die Architekten konnten<br />
den Hausbesitzer – selbst ein Architekt aus Südtirol –<br />
schnell davon überzeugen, dass es bessere Wege gibt,<br />
ein Gebäude aus den 70er-Jahren nahezu auf Passivhaus-Standard<br />
zu sanieren.<br />
Stefan Krötsch und Florian Braun, die gerne ungewöhnliche<br />
Materialien für die Fassadengestaltung<br />
einsetzen, entschieden sich im Falle des Wohn- und Geschäftshauses<br />
in der Münchner Donnersbergerstraße<br />
für eloxierte Aluminiumbleche als äußerste Schicht. Die<br />
Maschen sind hochkant angeordnet. Dadurch entsteht<br />
eine textil anmutende Oberfläche, die von unterschiedlichen<br />
Seiten betrachtet vollkommen unterschiedliche<br />
Erscheinungsbilder bietet. Mal erscheint das Gebäude<br />
dunkel mit einer filigranen Struktur. Von Süden aus betrachtet<br />
passt sich dagegen die Fassade dem beigen Rauputz<br />
des nebenstehenden Jugendstilgebäudes an.<br />
Holztechnik nach München »exportiert«<br />
Dass man sich für ein System mit werksseitig vorgefertigten<br />
Fassadenelementen entschieden hat, war<br />
nach Ansicht der Architekten gleich in mehrfacher<br />
Hinsicht ein Glücksgriff. Die circa 3 mal 13 Meter großen<br />
Elemente wurden inklusive ökologisch hochwertiger<br />
Zellulosedämmung, Fenstern, Vorrichtung für<br />
den Sonnenschutz und Fassadenbekleidung just in<br />
time von der Firma Ambros (Hopferau) auf die Baustelle<br />
geliefert. So konnte die gesamte sechsgeschossige<br />
Fassade in nur sechs Tagen montiert werden. »Bei der<br />
konventionellen Methode hätte der Umbau ein halbes<br />
Jahr gedauert«, ist sich Krötsch sicher. Unmittelbar<br />
nach dem Abbruch der alten Fenster wurde das Fassadenelement<br />
samt der neuen Fenster mit Stahlwinkeln<br />
am Bestand fixiert und mittels eingepresster Buchenholzdübel<br />
quasi wie ein Legostein auf das darunterliegende<br />
Element gesteckt, sodass die Wohnungen<br />
meist nicht länger als eine Stunde ohne Fenster blieben.<br />
»Viele Bewohner«, erzählt der Architekt, »verfolgten<br />
den Montagevorgang interessiert aus dem Inneren<br />
ihrer Wohnung.« Auch der Baustellenverkehr,<br />
gerade im innerstädtischen Bereich ein ernstes Problem,<br />
wurde auf ein Minimum reduziert.<br />
50<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Inklusive Fenster und<br />
Däm mung wurden die<br />
circa drei mal 13 Meter<br />
großen Ele mente auf die<br />
Baustelle geliefert<br />
Fotos: S. Kratzer, Matthias Renert; privat<br />
Ein weiterer wichtiger Vorteil der werksseitigen<br />
Fertigung: Die allermeisten Bleche konnten schon in<br />
der Zimmerei an den Holz-Tafelelementen befestigt<br />
werden. »Das Montieren der riesigen Bleche auf der<br />
Baustelle wäre ein Riesenproblem gewesen«, meint<br />
Krötsch. In der Werkshalle störten dagegen keine Gerüste<br />
die Arbeiten mit dem filigranen Material. Mit<br />
dem Ostallgäuer Holzbauspezialisten Ambros wurde<br />
ein Unternehmen und Partner im eza!-Netzwerk engagiert,<br />
der über reichlich Erfahrung mit den sogenannten<br />
TES-Fassadenelementen verfügt und als ers -<br />
tes Holzbauunternehmen überhaupt damit gearbeitet<br />
hat. Firmenchef Josef Ambros spricht dennoch von<br />
»Neuland«, das man mit dem Projekt in der Donnersbergerstraße<br />
betreten habe, insbesondere, was die<br />
Kombination Metall und Holz angeht.<br />
Beim TES-Fassadensystem (timberbased element<br />
systems for improving the energy efficiency of the<br />
building envelope) wird das Bestandsgebäude digital<br />
aufgemessen und dieses Aufmaß in die Werkstattplanung<br />
übertragen. Auf der Grundlage dieser Planung<br />
stellt eine automatisierte Abbundanlage alle Einzelteile<br />
der Tafelbauelemente her. Fenster, Sonnenschutz und<br />
die Fassadenbleche wurden im Falle des Objektes in<br />
München ebenso auf der Grundlage dieser Werksplanung<br />
angefertigt. »Die geschlossene digitale Prozesskette<br />
vom Aufmaß bis zur Montage erfordert große<br />
Sorgfalt und Umsicht, ermöglicht aber höchste Präzision<br />
und maximale Vorfertigung«, betont Stefan<br />
Krötsch. Umso wichtiger sei es gewesen, mit der Firma<br />
Ambros einen absoluten Spezialisten für das TES-Fassadensystem<br />
ins Boot geholt zu haben.<br />
Mit dem TES-Fassadensystem öffnen sich nach<br />
Ansicht von Krötsch generell für den Holzbau ganz<br />
neue Möglichkeiten – insbesondere im städtischen<br />
Kontext. »Im Sinne der Nachhaltigkeit geht es darum,<br />
möglichst viele biogene, nachwachsende Baustoffe<br />
einzusetzen.« Holz aus der Region sei da perfekt. Die<br />
TES-Elemente mit ihrer Holzrahmenbauweise bestünden<br />
eben vorwiegend aus diesem Material. »Da fällt<br />
eine dünne Aluschale in ökologischer Hinsicht nicht<br />
mehr ins Gewicht«, findet Krötsch. »Mit dem TES-<br />
Fassadensystem hat der Holzbau ein Höchstmaß an<br />
Flexibilität gewonnen.«<br />
Alles eine Frage des Blick -<br />
winkels: Die neue Fassade bietet<br />
von verschiedenen Seiten<br />
betrachtet unterschiedliche<br />
Erscheinungsbilder - mal wirkt<br />
sie dunkel...<br />
…mal passt sie sich farblich<br />
dem beigen Rauputz des<br />
nebenstehenden Jugend -<br />
stilgebäudes an
Meldungen<br />
Pink und preiswürdig:<br />
das Ziegelwerk in Kloster beuren<br />
in der Endrunde beim großen<br />
Preis des Mittelstandes<br />
Foto: Ziegelwerk Klosterbeuren<br />
Ziegelwerk Klosterbeuren steht im Finale<br />
Das Ziegelwerk Klosterbeuren ist<br />
erneut eine der Top-Adressen des<br />
deutschen Mittelstandes: Das Familienunternehmen<br />
aus dem Unterallgäu<br />
hat es beim »Großen Preis<br />
des Mittelstandes« der angesehenen<br />
Oskar-Patzelt-Stiftung zum zweiten<br />
Mal in Folge bis in die Jurystufe geschafft.<br />
Kriterien für die Preisvergabe sind<br />
unter anderem die Gesamtentwicklung<br />
des Unternehmens, die Schaffung<br />
und Sicherung von Arbeitsund<br />
Ausbildungsplätzen, Innovation<br />
und Modernisierung sowie Engagement<br />
in der Region. Mit einer<br />
200-jährigen Geschichte vereint das<br />
Klosterbeurer Werk Tradition und<br />
Fortschritt. »Mit der gerade erst er-<br />
folgten Erneuerung der Rauchgasreinigungsanlage<br />
haben wir bewiesen,<br />
dass wir besonders nachhaltig<br />
und ökologisch arbeiten. Dieses Engagement<br />
wird von der Jury geschätzt«,<br />
so Thomas Thater, der<br />
kaufmännische Geschäftsführer. In<br />
den vergangenen fünf Jahren investierte<br />
das Ziegelwerk Klosterbeuren<br />
mehr als 2,5 Millionen Euro in<br />
Energiesparmaßnahmen, die größtenteils<br />
robotergesteuerte Fertigung<br />
in Klosterbeuren zählt zu den modernsten<br />
Anlagen der Ziegelindustrie<br />
in Europa.<br />
Mit dem Erreichen der sogenannten<br />
Juryliste hat das Ziegelwerk<br />
Klosterbeuren die nächste Hürde<br />
genommen und zählt zu den 689<br />
Nominierten, die von der Fachjury<br />
aus 4796 eingereichten Vorschlägen<br />
ausgewählt wurden. Unternehmen<br />
können sich nicht selbst für den<br />
»Großen Preis des Mittelstandes«<br />
bewerben, sondern müssen von<br />
Kunden, Partnern oder Behörden<br />
vorgeschlagen werden.<br />
Nicht erst die Auszeichnung, sondern<br />
bereits die Nominierung sei<br />
wirkungsvoll nutzbar, betont der<br />
bayerische Finanzminister Markus<br />
Söder, einer der Schirmherren der<br />
Oskar-Patzelt-Stiftung, die den<br />
»Großen Preis des Mittelstandes«<br />
an hervorragende mittelständische<br />
Unternehmen aus Industrie,<br />
Dienstleistung, Handel, Handwerk<br />
und Gewerbe vergibt. (red/jm)<br />
Erstmals Nachtbusangebot der Mona<br />
Während des Kemptener Stadtfest-<br />
Wochenendes im Juni setzte die<br />
Mona GmbH (Mobilitätsgesellschaft<br />
für den Nahverkehr im Allgäu)<br />
erstmals für Besucher der Innenstadt<br />
Nachtbusse ein. Mona ist<br />
eine Kooperation von Allgäuer Verkehrsunternehmen,<br />
unterstützt von<br />
Landkreisen und Städten. Ihr Ziel<br />
ist die Verbesserung der Mobilität<br />
in der Region Allgäu. Neun Nachtbusse<br />
fuhren zwischen 22.30 Uhr<br />
und 0.30 Uhr ab der ZUM in die<br />
Kemptener Umlandgemeinden.<br />
In diesem Jahr präsentierte die Mona<br />
ihre Leistungen im Nahverkehr erstmalig<br />
an einem eigenem Stand beim<br />
Stadtfest und stellte den ersten neu<br />
gestalteten »mona Bus« vor. Besucher<br />
konnten ihr Wissen über die<br />
Mo bilitätsgesellschaft für den Nahverkehr<br />
im Allgäu und deren Aktionen<br />
bei einem Gewinnspiel unter<br />
Foto: Mona<br />
Tag und Nacht sind die Busse der Mona-Kooperation in Kempten unterwegs<br />
Beweis stellen und dabei Preise gewinnen:<br />
Eintrittskarten zum Römerfest<br />
am 6. und 7. August, Tickets für<br />
die Allgäuer Festwoche sowie Fahrkarten<br />
für den Busverkehr im Mona-<br />
Gebiet. Als Hauptpreis verloste die<br />
Mona ein Bus-Jahresticket.<br />
Beim Stadtfest gab es auch einen<br />
Ticket-Vorverkauf: Kombi-Eintrittskarten<br />
für das Römerfest und<br />
Kombi-Tickets für die Allgäuer<br />
Festwoche. Alle Informationen zu<br />
Mona-Angeboten finden Sie unter<br />
www.mona-allgaeu.de<br />
52<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Meldungen<br />
Die Wärmewende richtig planen<br />
Aufbau des Netzwerkes<br />
in aufeinander aufbauenden<br />
Entstehungs-Phasen<br />
Mit der neuen Planungshilfe »Ein<br />
Netzwerk für die Wärmewende« informiert<br />
die Agentur für Erneuerbare<br />
Energien (AEE) Kommunen und<br />
Bürger, wie sie ein lokales Netzwerk<br />
gründen können, um eine regenerative<br />
Wärmeversorgung auf kommunaler<br />
Ebene strategisch anzugehen.<br />
Die Publikation kann als kostenloses<br />
Druckexemplar bestellt oder heruntergeladen<br />
werden. Der kurze Leitfaden<br />
vermittelt einen Überblick,<br />
wie ein Netzwerk zur Förderung der<br />
lokalen Wärmeversorgung auf Basis<br />
von Bioenergie und anderen erneuerbaren<br />
Energien angestoßen werden<br />
kann. Zielgruppen sind all jene,<br />
die eine strategische Planung der erneuerbaren<br />
Wärmeversorgung auf<br />
lokaler Ebene anstreben, also zum<br />
Beispiel Kommunalvertreter, Energiegenossenschaften<br />
oder Bürger<br />
und Betriebe.<br />
»Wer die Wärmewende in der eigenen<br />
Kommune plant, steht vor<br />
der Herausforderung, viele verschiedene<br />
Handlungs- und Akteurs-Ebenen<br />
umfassend zu verzahnen«,<br />
so Philipp Vohrer, Geschäftsführer<br />
der Agentur für Erneuerbare<br />
Energien. »Ein Netzwerk<br />
kann diesen Prozess voranbringen.«<br />
Die Planungshilfe »Ein Netzwerk<br />
für die Wärmewende« kann ab sofort<br />
in der Mediathek der Agentur<br />
für Erneuerbare Energien heruntergeladen<br />
oder als kostenlose Printpublikation<br />
im AEE-Shop bestellt<br />
werden: www.unendlich-viel-energie.de/shop<br />
Quartierskonzept Stiftsstadt-Ost<br />
Bürgerinnen und Bürger aus der<br />
Stifts stadt-Ost in Kempten den ken<br />
über Verbesserungen nach<br />
Foto: Stadt Kempten<br />
Im März fand die Auftaktveranstaltung<br />
zum »Quartierskonzept Stiftsstadt-Ost«<br />
statt, zu der alle Bewohner<br />
des Viertels eingeladen waren.<br />
Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister<br />
Thomas Kiechle<br />
wurde das Konzept zunächst vom<br />
Baureferenten der Stadt vorgestellt,<br />
und im Anschluss erläuterte Martin<br />
Sambale von der eza! die Inhalte des<br />
Ganzen. Bei den Planungen geht es<br />
darum, Verbesserungen in der<br />
Energieversorgung und Gebäudetechnik<br />
(Stromspeicher, Blockheizkraftwerke,<br />
Wärmenetze, Gebäudesanierung<br />
und Haustechnik) sowie<br />
im Verkehr (Fußwege, Nahverkehr,<br />
E-Mobilität, Carsharing und Radwege)<br />
zu erreichen. Auch das<br />
Wohnumfeld steht im Fokus des<br />
Quartierskonzeptes. Stadtgrün, Begegnungsräume<br />
und Barrierefreiheit<br />
sind hier die Stichwörter. Wichtigster<br />
Punkt der Veranstaltung waren<br />
die Gesprächsrunden zu unterschiedlichen<br />
Themen mit den Bürgern.<br />
Sie boten den Eigentümern<br />
und Mietern der Stiftsstadt-Ost die<br />
Möglichkeit, Fachleuten Fragen zu<br />
stellen und eigene Ideen, Vorstellungen<br />
und Wünsche anzubringen.<br />
Die Konzepterstellung soll im Sommer<br />
erfolgen, und im September/<br />
Oktober soll das fertige Quartierskonzept<br />
der Öffentlichkeit vorgestellt<br />
werden.<br />
(cs)<br />
Ein Luftfahrzeug für alle?<br />
18 Propeller bringen den<br />
Volocopter in die Luft<br />
Seit April hat die Karlsruher e-volo<br />
GmbH für ihren Volocopter VC200<br />
eine vorläufige Verkehrszulassung<br />
als Ultraleicht-Luftfahrtgerät. Ziel<br />
Foto: Volocopter<br />
von e-volo ist es, für ihre Volocopter<br />
mittelfristig eine Ultraleicht-<br />
Musterzulassung zu erhalten und<br />
den Zweisitzer in Serie zu produzieren.<br />
Das völlig neuartige Fluggerät<br />
soll leicht zu fliegen, leise und emissionsfrei<br />
sein. Ein umfassendes<br />
Redundanzkonzept für alle elektronischen<br />
Bauteile ermöglicht auch<br />
beim Ausfall mehrerer Antriebe ein<br />
sicheres Landen. Gesteuert wird<br />
der Volocopter einhändig mit einem<br />
Joystick. Der Volocopter ist<br />
aus Faserverbundwerkstoffen in<br />
Leichtbauweise gefertigt und beherrscht<br />
neben dem Reiseflug die<br />
Fähigkeit zum senkrechten Starten<br />
und Landen sowie zum Schweben<br />
auf der Stelle und ist damit auch für<br />
schwieriges Gelände wie das Alpenvorland<br />
geeignet. Das Fluggerät ist<br />
elektrisch angetrieben. Die Elektromotoren<br />
der 18 Antriebseinheiten<br />
werden von neun unabhängigen<br />
Akkus versorgt. Der Leistungsbedarf<br />
des VC200 beträgt im Schwebezustand<br />
bei einem Abfluggewicht<br />
von 450 Kilo je nach Luftdruck/<br />
Temperatur und Beladung etwa 50<br />
Kilowatt.<br />
(red)
Meldungen<br />
Foto: Herz & Lang<br />
Dieter Herz an der neuen<br />
E-Tankstelle in Weitnau, die<br />
von Privatleuten kostenlos<br />
benutzt werden kann<br />
Bei Herz & Lang Strom tanken<br />
Gute Nachricht für alle Besitzer von<br />
Elektrofahrzeugen: In Weitnau hat<br />
die erste E-Tankstelle zwischen<br />
Kempten und Wangen ihren Betrieb<br />
aufgenommen. Auf dem Firmengelände<br />
des Planungsbüros Herz &<br />
Lang können ab sofort die Batterien<br />
von Elektroautos, -rollern und -bikes<br />
aufgeladen werden – und zwar<br />
kostenlos für Privatleute. »Wir stehen<br />
als Spezialisten für energieeffizientes<br />
Bauen und Sanieren für<br />
Nachhaltigkeit und Klimaschutz«,<br />
erklärt Dieter Herz, mit Florian<br />
Lang Geschäftsführer von Herz &<br />
Lang. »Eine Tankstelle für E-Fahrzeuge<br />
passt daher perfekt zu unserer<br />
Firmenphilosophie«, erläutert er<br />
und fügt hinzu: »Sowohl unser Firmengebäude<br />
in Weitnau als auch die<br />
Niederlassungen in Kaufbeuren und<br />
Schongau sind Null-Emissions-<br />
Häuser und liefern mehr Energie, als<br />
sie verbrauchen.« Gespeist wird die<br />
Stromzapfsäule von der firmeneigenen<br />
Photovoltaikanlage sowie mit<br />
Ökostrom von den Allgäuer Überlandwerken.<br />
Um ein Zeichen zu setzen, sollen E-<br />
Mobil-Nutzer von der Anlage profitieren.<br />
»Es wird viel über Elektromobilität<br />
gesprochen, aber wenig<br />
für den Ausbau der dafür nötigen<br />
Infrastruktur durch die Verdich-<br />
tung des Tankstellennetzes getan«,<br />
klagt Dieter Herz. »Ein Experte hat<br />
es kürzlich auf den Punkt gebracht:<br />
Deutschland bewegt sich hier auf<br />
dem Niveau von Ghana und Nigeria.«<br />
Der flächendeckende Bau von<br />
Ladestationen sei dringend notwendig,<br />
so Herz. »Sonst hilft die<br />
beste staatliche Förderung für den<br />
Kauf eines Elektroautos nichts.«<br />
Genutzt werden kann die E-Tankstelle<br />
in Weitnau während der Geschäftszeiten<br />
von Herz & Lang:<br />
Montag bis Donnerstag von 8 bis 17<br />
Uhr und am Freitag von 8 bis 12<br />
Uhr, Telefon 08375/921133-0.<br />
jm/Roland Wiedemann<br />
Anzeige<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
55
Meldungen<br />
Green-Tec Award: Rennergy landet ganz vorne<br />
Seit 2008 werden in München die<br />
GreenTec-Awards auf 20 verschiedenen<br />
Gebieten der Technologie<br />
vergeben. Im Bereich Energie war<br />
das Buchenberger Team von Rennergy<br />
Systems AG auf Anhieb mit<br />
einer Neuentwicklung unter die<br />
ersten Sieger gekommen. Beworben<br />
hatten sich in dieser Kategorie<br />
beim begehrtesten Umweltpreis in<br />
Europa über einhundert Firmen<br />
mit ihren neuen Entwicklungen.<br />
Das PV-Heiz q-hybrid solo ist ein<br />
heizungsunterstützendes System<br />
zur Anbindung an eine Eigenverbrauchs-Photovoltaikanlage.<br />
Die<br />
Entwicklung der Buchenberger<br />
Tüftler hat die Jury (71 Fachleute<br />
aus den verschiedensten Wissenschaften)<br />
überzeugt. Rennergy beschreibt<br />
das Modul so:<br />
»Bei dieser Neuentwicklung wird<br />
das Energiemanagement über das<br />
integrierte Touch-Display parametrisiert<br />
und eingestellt. Ein Zwei-<br />
Wege-Zähler misst laufend den bezogenen<br />
und eingespeisten Strom,<br />
wodurch die modulierende Luft-<br />
Wasser-Wärmepumpe mit einer<br />
Heizleistung bis zu 14 kW dem<br />
Überschuss angepasst wird. Ertragsspitzen<br />
werden schnell und<br />
hocheffizient mittels der integrierten<br />
Heizeinheit in Wärme umgewandelt.<br />
Somit ist eine optimale<br />
und schnelle Reaktion auf Leis -<br />
tungsänderungen der Photovoltaik -<br />
anlage garantiert. Die Zieltemperatur<br />
der Heizeinheit kann individuell<br />
auf den Einsatzbereich angepasst<br />
werden und ist im Bereich von 25<br />
bis 85 Grad Celsius einstellbar.<br />
Durch die Kommunikation des<br />
Energie-Managements mit dem<br />
Wechselrichter und dem Verbrauchszähler<br />
wird der Überschussstrom<br />
immer optimal an die<br />
Verbrauchsstellen geleitet. Somit<br />
wird zuverlässig eine maximale Eigenverbrauchsquote<br />
erreicht. Die<br />
wichtigsten Komponenten des PV-<br />
Heiz-Systems sind neben der Photovoltaikanlage<br />
das Energiemanagement-Tool,<br />
das die entsprechenden<br />
Geräte nach Bedarf zuschaltet.<br />
Außerdem gehören eine Wärmepumpe,<br />
ein Pufferspeicher, Funksteckdosen,<br />
ein Batterieladesystem<br />
sowie das Überwachungssystem<br />
zum neuen PV-Heiz.«<br />
Worauf Rennergy besonderen Wert<br />
legt: Das ganze System arbeitet nahezu<br />
wartungsfrei.<br />
Aus Energy Consulting Allgäu wird ECA Concept<br />
Die Energy Consulting Allgäu ist<br />
mittlerweile weit über die reine<br />
Energieberatung hinausgewachsen,<br />
als die das Beratungsunternehmen<br />
vor zehn Jahren begann. Um dies<br />
auch nach außen hin deutlich zu<br />
machen und nicht mehr nur auf die<br />
regionale Energieberatung reduziert<br />
zu werden, trennt sich das Unternehmen<br />
von seinem bisherigen<br />
Namen.<br />
Als Matthias Voigtmann vor zehn<br />
Jahren ein eigenes Beratungsunternehmen<br />
gründete, sollte der Fokus<br />
der Tätigkeiten auf der Unterstützung<br />
von regionalen Unternehmen<br />
in Fragen der Energieeffizienz liegen.<br />
Das neu gegründete Unternehmen<br />
wurde deshalb folgerichtig<br />
Energy Consulting Allgäu genannt,<br />
um diese Ausrichtung wiederzugeben.<br />
Mit den Jahren entwuchsen<br />
die Kemptener aber immer mehr<br />
den anfangs gesetzten Grenzen: Einerseits<br />
ist das Unternehmen mittlerweile<br />
im gesamten Bundesgebiet<br />
tätig und verfolgt in steigendem<br />
Maß auch internationale Projekte<br />
und Kooperationen. Andererseits<br />
geht das Produktportfolio inzwischen<br />
weit über die reine Energieeffizienzberatung<br />
hinaus.<br />
Die Entwicklung, die die Energy<br />
Consulting Allgäu dabei in den vergangenen<br />
zehn Jahren durchgemacht<br />
hat, ist auf mehrere Arten<br />
bemerkenswert. So wurden aus<br />
dem Gründungsteam von zwei Personen<br />
im Jahr 2006 aktuell 20 fest<br />
angestellte Mitarbeiter, der Firmensitz<br />
wurde vom Gründerzentrum in<br />
eigene Büroräume verlegt, und vor<br />
knapp einem Jahr wurde eine Außenstelle<br />
in Wien eröffnet. Die<br />
Kunden werden mittlerweile nicht<br />
mehr nur in der Steigerung ihrer<br />
Energieeffizienz unterstützt, sondern<br />
über die Erweiterung auf Materialströme<br />
auch in ressourceneffizienter<br />
und nachhaltiger Produktion.<br />
Daneben hat sich aber auch die<br />
Einführung von Managementsystemen<br />
gemäß DIN EN ISO 9001,<br />
14001 und 50001 zu einem Schwerpunktthema<br />
des Unternehmens<br />
entwickelt.<br />
Um diesem Wandel auch nach außen<br />
hin Rechnung zu tragen, wird<br />
aus der Energy Consulting Allgäu<br />
nun die ECA Concept. Damit einher<br />
gehen ein neues Markendesign<br />
sowie ein komplett umstrukturierter<br />
Internetauftritt. Das äußere Erscheinungsbild<br />
wird dabei allerdings<br />
das einzige bleiben, das sich<br />
ändert, versichert Geschäftsführer<br />
Voigtmann: »Die Inhalte und Kompetenzen<br />
der ECA Concept werden<br />
die gleichen bleiben, um die Zusammenarbeit<br />
mit den Kunden auf<br />
unverändert hohem Niveau fortsetzen<br />
zu können.«<br />
56<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeigen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
jetzt auch<br />
online lesen!<br />
www.allgaeu-alternativ.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
57
E-Mobil<br />
Huckepack mit E-Mobil<br />
E-Lieferung liefern kann sich im Allgäu lohnen<br />
Tempo und Umweltfreundlichkeit miteinander<br />
verbunden durch Abt-Technologie<br />
Die Hochschule Kempten und ihre Projektpartner<br />
aus der Wirtschaft sammeln<br />
positive Erkenntnisse für den Einsatz von<br />
Elektrofahrzeugen im Lieferverkehr.<br />
Über einen Zeitraum von dreieinhalb<br />
Jahren wurde im Rahmen des Projektes<br />
»E-Lieferungen im Allgäu« die<br />
Praxistauglichkeit der Elektromobilität<br />
im kommerziellen Lieferverkehr<br />
untersucht. allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> stellt<br />
die Ergebnisse vor.<br />
58 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Nach Abschluss des vom Land Bayern geförderten<br />
Projektes zeigt sich: E-Fahrzeuge<br />
können bereits heute im logistischen Einsatz<br />
in Handwerksbetrieben oder in der Brief- und Paketzustellung<br />
erfolgreich eingesetzt werden. Die<br />
größten Hürden für einen schnellen Ausbau der Elektromobilität<br />
bei gewerblichen wie auch privaten Nutzern<br />
sind nach wie vor Informationsdefizite und<br />
Vorbehalte im Hinblick auf die Zuverlässigkeit und<br />
Fahrzeugreichweite.<br />
Regionale Firmen engagieren sich<br />
Das im Herbst 2012 von der Hochschule Kempten<br />
gestartete und wissenschaftlich betreute Projekt wurde<br />
öffentlich gefördert und von Partnern aus der regionalen<br />
Wirtschaft begleitet. Die Allgäuer Firma ABT<br />
Sportsline GmbH entwickelte 38 elektrische Lieferfahrzeuge<br />
in drei unterschiedlichen Fahrzeugklassen sowie<br />
eine Schnittstelle zur weltweiten UMTS-Diagnose. Parallel<br />
dazu wurde in Zusammenarbeit mit der AL-KO<br />
Alois Kober GmbH der Prototyp eines 4,25-Tonnen-<br />
Die gelbe Post – im ländlichen Raum des Allgäus unterwegs<br />
mit Energie aus den Batterien<br />
E-Mobilität im Allgäu<br />
Unter der Marke »E-Mobilität Allgäu« bündeln<br />
sich Projekte, Maßnahmen, Partner, Unter -<br />
nehmen und Institutionen, die aktiv in der<br />
Region Allgäu die E-Mobilität fördern und<br />
voranbringen. Die wesentlichen Ziele für die<br />
beteiligten Partner sind:<br />
• die Gewinnung von Know-how und weiteren<br />
Erkenntnissen zur E-Mobilität<br />
• die Nutzung weiterer Geschäftsfelder und<br />
Geschäftsideen<br />
• der Ausbau regionaler Netzwerke und<br />
Partnerschaften<br />
• die Umsetzung eigener Innovations- und<br />
Nachhaltigkeitsziele<br />
Mit dem Markenauftritt »E-Mobilität Allgäu«<br />
sollen den verschiedenen Zielgruppen in der<br />
Region wie der einheimischen Bevölkerung,<br />
Unternehmen, Institutionen sowie Touristen<br />
die Nutzungsmöglichkeiten und Vorteile der<br />
neuen Technologie nähergebracht werden.<br />
Geleitet von dem Ziel, die Marke Allgäu als<br />
innovative und nachhaltige Region zu<br />
positionieren, nimmt »E-Mobilität Allgäu« eine<br />
wichtige Rolle ein und soll Einzelinteressen<br />
mit den übergeordneten Zielen der gesamten<br />
Region Allgäu verbinden. Die Vision: Das<br />
Allgäu ist einer der führenden Standorte<br />
Deutschlands für die Entwicklung und den<br />
Einsatz der E-Mobilität als innovative und<br />
nachhaltige Zukunftstechnologie.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
59
Initiatoren und Förderer<br />
Das Projekt »E-Lieferungen im Allgäu« ist ein<br />
Teilprojekt des Schaufensterprojektes »Bayern-<br />
Sachsen« im Rahmen des Förderprogramms<br />
der Bundesregierung »Schaufenster Elektro -<br />
mobilität« und wird gefördert vom Bayerischen<br />
Staatsministerium für Wirtschaft und<br />
Medien, Energie und Technologie.<br />
Die Bundesregierung hat im April 2012 vier<br />
Regionen in Deutsch land als »Schaufenster<br />
Elektromobilität« ausgewählt. Hierfür stellt<br />
der Bund für Forschung und Entwicklung<br />
alternativer Antriebe 180 Millionen Euro zur<br />
Verfügung. Im Schaufenster »Bayern-<br />
Sachsen« entwickeln über 100 Partner in 40<br />
Projekten mit einem Fördervolumen von rund<br />
70 Millionen Euro Innovationen und Konzepte<br />
rund um die Elektromobilität, von der Fahr -<br />
zeugtechnik über Verkehrs- und Energiesysteme<br />
bis hin zur Aus- und Weiterbildung. Das<br />
Projekt »E-Lieferungen im Allgäu« wird von folgenden<br />
Partnern gemeinsam getragen:<br />
• ABT Sportsline GmbH<br />
• Deutsche Post DHL Group<br />
• Sensor-Technik Wiedemann GmbH<br />
• Hochschule Kempten<br />
• Allgäuer Überlandwerk GmbH<br />
(assoziierter Partner)<br />
• Allgäu GmbH (assoziierter Partner)<br />
Elektrolieferfahrzeugs auf Basis des VW T6 erprobt. Jedes<br />
Fahrzeug wurde mit einem Datenlogger der Firma<br />
Sensor-Technik Wiedemann GmbH ausgestattet, mit<br />
dem sämtliche Betriebsdaten gesammelt und ausgewertet<br />
werden konnten. Die Praxistauglichkeit wurde im<br />
konkreten Lieferalltag der Deutschen Post DHL Group<br />
und von Handwerksbetrieben wie der Bäckerei Wipper<br />
erfolgreich getestet. Aber auch das Allgäuer Überlandwerk<br />
und die Allgäu GmbH unterstützten das Projekt<br />
als assoziierte Partner.<br />
Elektrische Nutzfahrzeuge alltagstauglich<br />
Die Ansprüche an Fahrzeuge im Lieferverkehr<br />
sind besonders hoch. Dennoch haben die E-Fahrzeuge<br />
in der Postauslieferung mit extrem vielen Stopps und<br />
einer Einsatzzeit von rund zehn Stunden annähernd<br />
60 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
E-Mobil<br />
Ein Anblick, der jetzt immer öffer in den Dörfern<br />
und Städten des Allgäus zu sehen sein wird:<br />
Lieferfahrzeuge mit E-Antrieb<br />
Energiemodell als Entscheidungshilfe<br />
Damit Unternehmen herausfinden können, ob<br />
sich der Umstieg auf elektrische Nutzfahrzeuge lohnt,<br />
hat die Hochschule Kempten ein »Elektromobilitäts -<br />
coaching« entwickelt. Über einen Zeitraum von sechs<br />
Wochen werden die Fahrten mit vorhandenen konventionellen<br />
Fahrzeugen aufgezeichnet und damit die<br />
vorliegenden Mobilitätsanforderungen beschrieben.<br />
Die aufgezeichneten Fahrten werden dann mit virtuellen<br />
Modellen marktgängiger E-Autos simuliert und<br />
im Hinblick auf die erforderliche Reichweite, die geeignete<br />
Lade-Infrastruktur, die Kosten und die mögliche<br />
Einsparung von CO2 bewertet. Außerdem werden<br />
die Auslastung von Fahrzeugflotten und die Einbindung<br />
von E-Autos unter Beachtung der Ladezeiten<br />
betrachtet. Auf dieser Basis können interessierte Flottenbetreiber<br />
eine fundierte Entscheidung für oder<br />
gegen eine Elektrifizierung treffen.<br />
Erkenntnisse für morgen<br />
Die Elektromobilität wird in Zukunft noch an<br />
Bedeutung gewinnen und eine Kerntechnologie im<br />
nachhaltigen Lieferverkehr sein. Die stärkere Nutzung<br />
der Vernetzung wird die Technologie weiter aufwerten.<br />
Welche Themen bei der Weiterentwicklung besonders<br />
wichtig sind, hat das Projekt ebenfalls gezeigt.<br />
Dazu zählen die genaue Vorausplanung der Einsatzzeiten<br />
und Lieferstrecken, der zusätzliche Aufwand in<br />
der betrieblichen Flottenplanung, die Sensibilisierung<br />
für eine energiesparende Fahrweise und der Aufbau<br />
eines umfassenden Ökosystems aus technischer Zuverlässigkeit,<br />
betrieblicher Variabilität und externen<br />
Dienstleistungen wie der Lade-Infrastruktur und dem<br />
In der Halle des Projekt-<br />
Partners ABT in Kempten<br />
wurde das Spektrum der<br />
E-Mobilität gegenübergestellt<br />
das technische Niveau der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren<br />
erreicht – ein deutliches Indiz für deren<br />
Alltagstauglichkeit. Auch in den von der Hochschule<br />
durchgeführten Interviews mit den beteiligten<br />
Fahrern, Kunden und Kommunen schnitten die E-<br />
Fahrzeuge äußerst positiv ab. Hervorgehoben wurden<br />
die einfache Bedienung und der Aspekt des emissionsfreien<br />
Fahrens im Vergleich zur Abgas- und Geräuschentwicklung<br />
eines Verbrennungsmotors. Die Deutsche<br />
Post DHL Group lobte insbesondere die guten Fahreigenschaften<br />
der E-Fahrzeuge. In einer flächendeck -<br />
enden Befragung zeigten sich Handwerker als besonders<br />
interessierte Zielgruppe. Die aktuellen Reichweiten<br />
und Ladekapazitäten erfüllen bereits weitgehend<br />
die Anforderungen an einen betrieblichen Einsatz in<br />
Handwerksbetrieben.<br />
Fotos: Hochschule Kempten, ABT Sportsline<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
61
Trotz der vielen Stopps: Ein E-<br />
Moblil bewährt sich in der<br />
Postzustellung<br />
Service. Auch die Aufzeichnung, Analyse und Auswertung<br />
der Fahrzeug- und Bewegungsdaten in Verbindung<br />
mit drahtlosen Kommunikationsschnittstellen<br />
wird ein zentrales Thema sein. Nur so können die<br />
Batterien präzise auf den Energieverbrauch abgestimmt<br />
und die Kosten optimiert werden.<br />
Vorzüge besser kommunizieren<br />
Die größte Aufgabe dürfte jedoch darin liegen,<br />
die zukünftigen Nutzer-Zielgruppen stärker in den<br />
Entwicklungsprozess der Elektromobilität einzubinden<br />
und die Vorzüge klar zu kommunizieren. Dazu<br />
gehören zum Beispiel die Reduzierung der Emissionen<br />
am Arbeitsplatz und die positiven Auswirkungen auf<br />
die Umwelt. Erst dann wird die Akzeptanz steigen und<br />
die Bereitschaft zunehmen, auf die neue Technologie<br />
umzusteigen. Eine wichtige Erkenntnis hat das Projekt<br />
»E-Lieferungen im Allgäu« noch gebracht: Das Thema<br />
Elektromobilität muss immer von zwei Seiten her angegangen<br />
werden. Nicht nur die Technologie muss an<br />
die Verhaltensweisen der Nutzer angepasst werden –<br />
auch das Nutzerverhalten muss sich an die neue Technologie<br />
anpassen.<br />
Das Allgäu als Modellregion<br />
In der noch jungen Geschichte der Elektromobilität<br />
ist das Allgäu von Anfang an mit dabei. Bereits<br />
seit 2009 beschäftigt sich die Hochschule Kempten intensiv<br />
mit der innovativen und nachhaltigen Zukunftstechnologie<br />
– vor allem im Bereich der Informations-<br />
und Kommunikationstechnologie. »E-Lieferungen<br />
im Allgäu« ist das vierte große Projekt unter<br />
dem Dach der Marke »E-Mobilität Allgäu«. Diese soll<br />
in der Region die Elektromobilität im Sinne innovativer<br />
und nachhaltiger Zukunftstechnologie bündeln<br />
und fördern.<br />
Mehr Infos unter: www.schaufenster-elektromobilitaet.org<br />
und www.elektromobilitaet-verbindet.de<br />
62 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
E-Mobil<br />
In Echtzeit<br />
»Ladeatlas Bayern« gestartet<br />
Eine freie Ladesäule zu finden, ist eine der größten Herausforderungen für Fahrer<br />
von Elektromobilen. Die in einem Kooperationsprojekt der Bayern Innovativ GmbH<br />
mit dem Start-up CIRRANTiC GmbH entwickelte Web-App »Ladeatlas Bayern«<br />
schafft jetzt Abhilfe und zeigt auch Lademöglichkeiten im Oberland.<br />
Erfahrungen mit E-Mobilität:<br />
Staatsministerin Ilse Aigner<br />
überzeugte sich persönlich<br />
von der Funktionalität des<br />
»Ladeatlas Bayern«<br />
Foto: Bayern Innovativ<br />
Derzeit gibt es vor allem außerhalb der Ballungsräume<br />
noch zu wenige Ladesäulen für<br />
Elektroautos und insbesondere zu ungenaue<br />
Informationen über die vorzufindende Infrastruktur.<br />
Der »Ladeatlas Bayern« – entwickelt von dem Münchener<br />
Start-up CIRRANTiC in Kooperation mit Bayern<br />
Innovativ und mit Unterstützung des Bayerischen<br />
Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie<br />
und Technologie – bildet Bayerns Ladeinfrastruktur<br />
weitestgehend ab und bietet zuverlässige<br />
Standortinformationen in Echtzeit an.<br />
Zuverlässige Informationen<br />
»Die Verfügbarkeit von Ladestationen ist eine der<br />
zentralen Herausforderungen für den Erfolg der Elektromobilität.<br />
Wir haben im Ladeatlas Bayern bereits<br />
über 1000 Stationen erfasst, und das Angebot wird stetig<br />
weiterentwickelt. Die App zeigt aber nicht nur an,<br />
wo die nächste Station ist, sondern liefert auch weitere<br />
Informationen: Ist die Ladestation frei? Welcher Ste -<br />
cker ist verfügbar? Wie kann man bezahlen? Das ist<br />
bislang einzigartig«, so Staatsministerin Ilse Aigner,<br />
die sich bei einer Probefahrt persönlich von der Funktionalität<br />
des »Ladeatlas Bayern« informierte. Bereits<br />
zum Start der Web-App konnten alle mit roaming -<br />
fähigen Ladekarten oder Smartphone-Apps nutzbaren<br />
Ladestationen der Betreiber Allego, BELECTRIC,<br />
ebee, E.ON und RWE sowie kommunaler Stadtwerke<br />
wie AÜW (Allgäu), SWM (München) und SWI (Ingolstadt)<br />
integriert werden. Diese decken einen großen<br />
Teil des derzeitigen Angebotes ab. Dazu kommen<br />
Ladestationen relevanter Betreiber aus den Modell -<br />
regionen E-WALD, e-Gap, Bad Neustadt und Kempten<br />
bzw. aus den bayerischen Infrastrukturprojekten<br />
SLAM und CEGC. Angezeigt werden auch alle weiteren<br />
Angebote, sofern diese der CIRRANTiC GmbH<br />
gemeldet werden.<br />
Aktivitäten integrieren<br />
»Bayern Innovativ und CIRRANTiC gehen im<br />
Rahmen der Weiterentwicklung des Ladeatlasses aktiv<br />
auf Partner zu, um den koordinierten Aufbau von Ladelösungen<br />
voranzutreiben. Das Nutzerfeedback fließt<br />
dabei mit in die Planung ein. Der zukünftige Fokus<br />
liegt auf Interoperabilität und Zugänglichkeit der Lade -<br />
infrastruktur. Dies wird insbesondere durch die Einbindung<br />
von Roaming-Plattformen unterstützt«,<br />
blickt Dr. Johann Schwenk, Leiter Projektstelle Elektromobilität<br />
bei Bayern Innovativ, in die Zukunft. Insbesondere<br />
Gemeinden und Städte sind dazu aufgerufen,<br />
geplante Aktivitäten hinsichtlich Neuaufbau und<br />
Vernetzung parallel zur Umsetzung der Ladesäulenverordnung<br />
in den »Ladeatlas Bayern« zu integrieren.<br />
Auszug aus dem Journal »vernetzt«,<br />
Ausgabe 1/<strong>2016</strong>, der Bayern Innovativ GmbH<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
63
Pioniere<br />
Links: das Kalkwerk<br />
Hindelang im Jahre 1905.<br />
Mitte: das Werk 1957 mit<br />
dem neuen Kalkofen.<br />
Rechts: ein Blick auf das<br />
heutige Baumit-Gelände<br />
Mit Kalk ging es los<br />
Vom Gips-Steinbruch zum Baustoffspezialisten<br />
Es ist noch gar nicht so lange her, dass an der B 308 bei<br />
Reckenberg ein hoher Kalkbrennofen in Betrieb war – Aus -<br />
rufezeichen für ein europaweit tätiges Familienunternehmen.<br />
Bis heute ist das Kalkwerk Wachter – inzwischen Baumit<br />
GmbH – der größte Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler im<br />
Ostrachtal. Was mit einem Gips-Steinbruch in Bad Oberdorf<br />
begann, hat sich inzwischen zu einem europaweit agierenden<br />
Spezialisten für Putze, Dämmstoffe und Produkte für die<br />
Renovierung entwickelt.<br />
Pferde zogen die Loren einst aus dem Kalkstollen Liebenstein<br />
Im Gebiet des Wildbachtobels bei Oberdorf, unter<br />
dem Gsend, befand sich seit Vorväterzeiten ein<br />
Gips-Steinbruch, der zum Allgemeinbesitz der<br />
Ortsgemeinde Oberdorf gehörte. Anton Heinrich<br />
Mang, Besitzer des Gasthofs »Letzter Heller«, erwarb<br />
ihn im März 1848 und errichtete dort einen Gipsmühlenbetrieb.<br />
Der erzeugte Gips wurde per Fuhrwerk bis<br />
Kempten und Lindau geliefert. Wahrscheinlich wegen<br />
Rohstoffmangel und der schwierigen Gewinnung<br />
wurde das Werk in den 1860er-Jahren geschlossen.<br />
Mang erwarb ein Grundstück bei Liebenstein und errichtete<br />
darauf eine Zementfabrik, die 1872 von Martin<br />
Wachter erworben wurde, der damit die Nachfolge<br />
seiner Familie gründete. 1902 begann im Werk Liebenstein<br />
die Produktion von Baukalk.<br />
Der Rohstoff vor der Haustür<br />
Der Rohstoff wurde von der Ostrach geliefert, die<br />
am Werk vorbeifloss. In den frühen Jahren mussten<br />
Arbeiter das Geschiebe aus den Bergen per Schubkarre<br />
heranbringen. Später wurde es mit Loren zum Kalkofen<br />
gefahren. Darauf erfolgte die Verarbeitung im<br />
Werk, wobei es zerkleinert, bei ca. 900 Grad Celsius<br />
gebrannt und schließlich gelöscht wurde. Kalk benötigte<br />
man als Bindemittel bei Mörtel und für Innenwie<br />
Außenputz. Mit den vorzüglichen Eigenschaften<br />
des Liebensteiner »Wetterkalks«, der sich im rauen<br />
Allgäuer Wetter ausgezeichnet bewährte, schuf sich<br />
das Kalkwerk Wachter einen guten Namen. 1905 besaß<br />
das Werk einen der ersten Lastkraftwagen im<br />
Ostrachtal. Durch fortlaufende Modernisierungen der<br />
Anlagen setzte sich die Aufwärtsentwicklung des Betriebes<br />
fort. In den Jahren 1923 und 1928 traten die<br />
beiden Söhne Martin und Max Wachter in das Unternehmen<br />
ein. Jetzt wurde Kalk auch im Liebensteiner<br />
64<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Fotos: Anton Wachter, Baumit und Thomas Niehörsster<br />
Steinbruch in Stollen abgebaut. Im Einsatz waren 1936<br />
Brecher, Quetscher und Kalksieder. Die beiden Weltkriege<br />
ebenso wie eine Reihe von Katastrophen wie<br />
Brände und Überschwemmungen durch die Ostrach<br />
bewirkten erhebliche Rückschläge. Fleiß, Zähigkeit<br />
und Erfindungsgabe ließen jedoch die Schwierigkeiten<br />
überwinden. 1938 übernahm eine wassergetriebene<br />
Kaplanturbine die eigene Stromerzeugung. Von 1939<br />
bis 1945 wurden französische Kriegsgefangene als Arbeiter<br />
im Werk eingesetzt, die sich nach eigenem Bekunden<br />
dort bestens aufgehoben fühlten.<br />
Wachstum durch neue Produkte<br />
Ende der 1960er-Jahre lieferte das Werk neben<br />
Baukalk Kalksteinmehl für den Straßenbau, Kies,<br />
Sand, Splitt für den Hoch- und Tiefbau, Bitumenmischgut<br />
für den Straßenbau und mehrere Sorten<br />
Düngekalk für die Landwirtschaft. Mit dem Bau eines<br />
modernen Kalkofens, dessen Silhouette von nun an<br />
den Blick auf das Werk bestimmte, wurde 1957 eine<br />
wichtige Ausbaustufe erreicht. Allein die Betonfundamente<br />
zu gießen, bedeutete einen gewaltigen Aufwand.<br />
1963 konnte das 100-jährige Bestehen gefeiert<br />
werden. 1964 wurde ein Kieswerk gebaut.<br />
Nach dem vorzeitigen Ableben des ältesten Sohnes<br />
Martin verstarb 1956 der Firmengründer Anton<br />
Wachter. Die Unternehmensführung übernahm die<br />
dritte Generation mit einem weiteren Anton Wachter<br />
als alleinigem, persönlich haftendem Gesellschafter<br />
der bayosan GmbH, anfänglich unterstützt von Max<br />
Wachter, einem weiteren Sohn des Gründers. Mit der<br />
von Anton Wachter II eingeleiteten Einführung der<br />
Fertigputzproduktion begann eine Umstrukturierung<br />
des gesamten Unternehmens. Mit diesem Schritt war<br />
Wachter ein Pionier bei der Modernisierung von Baustellen<br />
und legte damit den Grundstein für eine rasche<br />
Aufwärtsentwicklung des Unternehmens. Seit der Ein-<br />
Stromgewinnung vor Ort:<br />
Mit einer Kaplanturbine wird<br />
Energie aus der Wasserkraft<br />
erzeugt<br />
Unten: Anton Wachter sen.<br />
im Jahre 1935<br />
Einer der ersten Lastwagen im Ostrachtal im Einsatz<br />
Anton Wachter (geb. 1933)<br />
Vizepräsident der IHK-Regionalversammlung Kempten<br />
Oberallgäu (ab 1994) und Mitglied der IHK-<br />
Vollversammlung<br />
2002 Ehrenmitglied und Träger des Ehrenrings der IHK<br />
Unternehmervertreter bei der AOK Allgäu Süd von 1968<br />
bis 1974<br />
Gründungsmitglied Lions-Club Sonthofen<br />
2002 Goldmedaille für herausragende Leistungen in der<br />
europäischen Denkmalpflege<br />
Herausgeber des Buches »Schritte«, Hindelanger<br />
Heimatgeschichte für Schulabgänger<br />
Förderer des Heimatdienst Hindelang e.V.
Pioniere<br />
So sah es im Firmengelände<br />
im Jahre 1999 nach dem<br />
Pfingsthochwasser aus<br />
Baumit und Bayosan –<br />
Werbung auf den Speicher-<br />
Behältern<br />
Anne Charlotte und Anton<br />
Wachter freuen sich über viele<br />
langjährig treue Mitarbeiter<br />
führung der Fertigputzproduktion im Jahr 1969 stiegen<br />
die Umsätze von 2,1 Mio. DM auf 4,4 Mio. DM<br />
im Jahr 1979. Ein großer Vorteil war u.a., dass dank<br />
der Fertigputzproduktion fortan Mischfehler auf der<br />
Baustelle vermieden wurden.<br />
Jedem den eigenen Putz<br />
Putz wird im Neubau oder bei der Restaurierung<br />
von alten Gebäuden auf das Mauerwerk oder die Betonwände<br />
im Innen- wie Außenbereich aufgebracht. Er<br />
dient als Untergrund zum Streichen oder Tapezieren, reguliert<br />
die Raumfeuchte bei Innenputz, dient als Wärme-<br />
und Schalldämmung und schützt die Außenhaut<br />
eines Gebäudes vor Feuchtigkeit. Putz lässt sich strukturieren,<br />
bemalen und einfärben. Eine besondere Modifizierung<br />
der Produkte erlaubt heute den Auftrag auch<br />
auf schwierige Untergründe wie z.B. Sanierputz auf<br />
feuchtes Mauerwerk. Anton Wachters besondere Leis -<br />
tung war, den Transport der Fertigputze zu den Baustellen<br />
in werkseigenen Silos auf Spezialfahrzeugen in die<br />
Wege zu leiten und mithilfe angebauter Mische oder<br />
Pumpen Putz und Mörtel direkt in den Krankübel oder<br />
zur Spritzdüse vor die Wand zu transportieren..<br />
Für Bauherren machten sich die kürzeren Ausführungszeiträume<br />
und die höheren Quadratmeterleistungen<br />
der Verarbeiter bezahlt. Die modernen Produkte<br />
waren in allen Baubereichen einsetzbar, ob Einfamilienhaus,<br />
gewerblicher Bau oder Industriebau. Anton<br />
Wachter richtete ein gut ausgestattetes Entwicklungslabor<br />
ein, in dem er selber oft anzutreffen war.<br />
Die neuen Produkte, u.a. ein Therm-Dämm-Mauermörtel,<br />
kamen unter dem Namen maxit auf den Markt.<br />
Erfahrene Mitarbeiter und Nachhaltigkeit<br />
Der Mitarbeiterstamm setzte sich aus Menschen<br />
zusammen, die zu 40 Prozent zehn Jahre oder länger<br />
im Unternehmen waren. Dazu beitragen mag, dass die<br />
Mitarbeiter größtenteils aus der näheren Umgebung<br />
stammten. Zeitweilig waren bis zu 200 Mitarbeiter beschäftigt.<br />
Wie seine Vorgänger hatte auch Anton<br />
Wachter ein gutes Verhältnis zu ihnen und befüllte,<br />
wenn mal Not am Mann war, auch selber übers Wochenende<br />
den Kalkofen. Die Mechanisierung und Automatisierung<br />
brachte eine erhebliche Arbeitserleichterung<br />
für die Belegschaft.<br />
Die Lage des Werkes in einem Urlaubsgebiet erforderte<br />
besondere Maßnahmen hinsichtlich des Umweltschutzes.<br />
Entstaubungsanlagen zur Vermeidung<br />
von Staubemissionen und Klärbecken zur Vermeidung<br />
von Wasserverschmutzungen erforderten 25 – 30 Prozent<br />
bei Neuinvestitionen. Anton Wachter pflegte eine<br />
hervorragende Zusammenarbeit mit seinen Kunden<br />
und dem Baustoffhandel sowie seinem Außendienst.<br />
Nicht nur in der Erinnerung der Bevölkerung,<br />
sondern auch bei Anton Wachter und seiner Frau<br />
Anne ist das Pfingsthochwasser von 1999 geblieben,<br />
das im Werk großen Schaden anrichtete und das Betriebsgelände<br />
unter Wasser setzte. Es war die höchste<br />
Niederschlagsmenge seit 250 Jahren.<br />
Aus Bayosan wird Baumit<br />
Im Jahr 2003 wurde das Unternehmen Bayosan<br />
von der österreichischen Baumit-Gruppe übernommen<br />
und unter der Firmierung BaumitBayosan geführt. Mit<br />
dieser Doppel-Namensgebung wurden die Veränderungen<br />
der Besitzverhältnisse angezeigt, gleichzeitig<br />
aber durch das Weiterführen des Namens Bayosan die<br />
bekannte Marke genutzt. Am 1. Januar 2009 firmierte<br />
das Unternehmen dann endgültig um: Der bisherige<br />
Name änderte sich in Baumit GmbH. Der bekannte<br />
und bewährte Name Bayosan bleibt dabei als Produktmarke<br />
für den Sanierungsbereich erhalten.<br />
Quelle: Scholl, Ulrich, Aus der Geschichte des Ostrachtales,<br />
Marktgemeinde Hindelang, 1986, Archiv Anton Wachter<br />
1957 wurde der neue Kalkofen Liebenstein erbaut<br />
66<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
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Wasserkraft<br />
Neue Turbinen an der Iller<br />
Fische als Forschungsobjekte<br />
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist eine der wesentlichen Voraussetzungen, damit die Energiewende<br />
in Deutschland gelingt. Der Anteil der Wasserkraft stagniert seit Jahren. Jetzt wurde im Allgäu<br />
ein neues Wasserkraftwerk in Sulzberg/Au (Vorbericht in allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> 3/2015) in Betrieb<br />
genommen, das neue Standards bei Wirtschaftlichkeit und Fischverträglichkeit setzen soll.<br />
68
Die Turbinen im Gebäude hinten sind in Deutschland<br />
erstmals eingesetzt worden. In Kombiantion mit dem<br />
Schlauchwehr stellen sie eine »Weltneuheit« dar<br />
Die VLH-Turbine wird ins Wasser gelassen<br />
Binnen eines Jahres ist in Sulzberg/Au im Allgäu<br />
ein Wasserkraftwerk mit einer neuen<br />
Turbinentechnik gebaut worden. Die sogenannten<br />
Very-Low-Head-Turbinen (VLH) stellen in<br />
Kombination mit der variablen Stauzielregelung durch<br />
ein wassergefülltes Schlauchwehr eine Weltneuheit<br />
dar, so die Betreiber in einer Mitteilung. Seit Jahresbeginn<br />
<strong>2016</strong> liefern die zwei Turbinen mit einer Leistung<br />
von je 450 kW bereits Strom. Im April wurde<br />
AÜW-Geschäftsführer Michael<br />
Lucke erklärt der bayerischen<br />
Umweltministerin Ulrike Scharf<br />
die Funktionsweise des Werkes<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
69
Wasserkraft<br />
Fotos: Peter Elgaß, Martin Erd/AÜW, VLH<br />
Freute sich bei der Einweihung des Kraftwerkes über die<br />
innovativen Allgäuer Überlandwerke: Ministerin Ulrike Scharf<br />
Dankte allen Beteiligten für die Zusammenarbeit bei der<br />
Installation: AÜW-Geschäftsführer Michael Lucke<br />
die Anlage offiziell eingeweiht. Das Investitionsvolumen<br />
betrug den Angaben der Betrieber zufolge insgesamt<br />
8,7 Millionen Euro.<br />
Innovation am alten Standort<br />
Mit dem Ziel, eine bestehende Staustufe mit<br />
niedriger Fallhöhe wirtschaftlich für die Erzeugung<br />
von Strom aus Wasserkraft zu nutzen und gleichzeitig<br />
eines der fischverträglichsten Wasserkraftwerke zu<br />
bauen, gründeten die Allgäuer Überlandwerk GmbH<br />
(AÜW) und die Bayer. Landeskraftwerke GmbH<br />
(LaKW) die gemeinsame Gesellschaft Illerkraftwerk<br />
Au GmbH. Dieses Wasserkraftprojekt ist weltweit einmalig<br />
und hat Vorbildcharakter für eine gesicherte<br />
Energieerzeugung im Einklang mit Natur und Umwelt.<br />
Das Besondere an dem Wasserkraftwerk ist die<br />
erstmals in Deutschland eingesetzte Technologie der<br />
»Very Low Head-Turbine« in Kombination mit einer<br />
variablen Stauzielregelung durch ein wassergefülltes<br />
Schlauchwehr sowie einer Geschiebe- und Treibholzschleuse.<br />
Bei der Einweihung ging AÜW-Geschäftsführer<br />
Michael Lucke auf den historischen Standort ein:<br />
»Hinter mir, hier auf unserem AÜW-Betriebsgelände,<br />
befindet sich das Geburtshaus von Karl Böhm, dem<br />
Gründer des Allgäuer Überlandwerks. Sein Vater<br />
Adolf Böhm war es, der an dieser Wehranlage bereits<br />
im Jahr 1907 die Wasserkraft zur Energiegewinnung<br />
nutzte. In der Nachkriegszeit sanken die Strompreise,<br />
und somit wurde dieser Standort aufgrund der zu<br />
niedrigen Fallhöhe eher unwirtschaftlich. Das Kraftwerk<br />
wurde zurückgebaut. Heute, knapp 110 Jahre<br />
später, weihen wir an dieser Stelle ein neues Kraftwerk<br />
ein. Ein Kraftwerk, das aufgrund seiner Eigenschaften<br />
einen wirtschaftlichen Betrieb verspricht. Der Einsatz<br />
der VLH-Technologie ermöglicht an dieser Wehranlage<br />
nun wieder eine effiziente erzeugung Erneuerbarer<br />
Energie aus Wasserkraft.«<br />
Die Festgäste bei der<br />
Einweihung sehen von der<br />
Turbine nicht mehr viel – sie<br />
dreht sich langsam unter<br />
Wasser im Kanal<br />
70<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Am Auslaufkanal der Turbinen werden die Fische zur Beobachtung und Zählung mit Netzen abgefangen<br />
Nach dem Spatenstich im November 2014, dem<br />
Einhub der Turbinen im Oktober 2015 und der Fertigstellung<br />
des Schlauchwehrs im Dezember 2015 ging<br />
die Anlage zum Jahreswechsel in den Probebetrieb. In<br />
dessen Verlauf wurde die technische Steuerung der<br />
Turbinen und Maschinen mit der Steuerung des<br />
Schlauchwehrs abgestimmt. Das ist notwendig, damit<br />
die dynamische Stauzielregulierung funktioniert.<br />
Nachdem diese Technologie im Zusammenspiel mit<br />
einem variablen Schlauchwehr weltweit erstmalig zum<br />
Einsatz kommt, betrat man hier Neuland. Die Betreiber<br />
konnten auf keine Erfahrungswerte zurückgreifen<br />
und somit den optimalen Betrieb nicht per Knopfdruck<br />
aufnehmen. Je nach Stauziel und Wasserführung<br />
füllt und legt sich das Wehr künftig vollautomatisch.<br />
Bei starker Wasserführung der Iller oder Hochwasser<br />
legt sich das Schlauchwehr flach, um Überschwemmungen<br />
zu vermeiden<br />
Ökologie als oberstes Ziel<br />
Im Rahmen ihrer Festrede betonte die bayerische<br />
Umweltministerin Ulrike Scharf, an diesem Standort<br />
Technische Daten<br />
Das VLH-Wasserkraftwerk wird mit zwei<br />
baugleichen Maschinensätzen betrieben.<br />
Turbinentyp: VLH (Very Low Head)<br />
Turbinenleistung: je 450 kW<br />
Nenndurchfluss: je 27 m³/s<br />
Laufraddurchmesser: 5000 mm<br />
Nettofallhöhe maximal: 2,32 m<br />
(minimal 1,40 m)<br />
Turbinendrehzahl: 15 - 20 Umdrehungen/min<br />
Generatortyp: Permanentmagnet-Generator<br />
sei ein Vorzeigeprojekt entstanden. Im Frühjahr 2015<br />
wurde ein umfangreiches Monitoringprogramm des<br />
Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie der TU<br />
München begonnen, um die ökologischen Auswirkungen<br />
der Anlage im Vergleich mit dem Vorher-Zustand<br />
und mit herkömmlichen Wasserkraftanlagen zu<br />
untersuchen. Die Auswertung der Forschungsarbeit<br />
wird nach einer weiteren umfangreichen Versuchsreihe<br />
im Herbst 2017 erwartet.<br />
Drehzahl: wie Turbine (direktgekoppelt)<br />
Spannung: 500 V<br />
Kühlung: Wasserkühlung<br />
Jahresarbeit: ca. 3,9 Mio kWh,<br />
ca. 1100 Haushalte (3500 kWh/a)<br />
Fischaufstiegshilfe: Vertical-Slot-Pass<br />
Nenndurchfluss: 0,5 m³/s<br />
Wehranlage: zweifeldrige<br />
Schlauchwehranlage<br />
Länge/Höhe: 15 Meter/4 Meter<br />
sowie 62,4 Meter/2,55 Meter<br />
Alle Komponenten des<br />
Kraftwerkes werden in der<br />
Schaltzentrale überwacht<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
71
Wasserkraft<br />
Lindau<br />
Renaissance der Mühlen<br />
Im Landkreis Lindau wird schon seit Jahrzehnten die Kraft des Wassers genutzt –<br />
früher zum Mühlenbetrieb, heute zur Energiegewinnung. Die momentane Anzahl<br />
der Wasserkraftanlagen beläuft sich auf 13, doch in früheren Zeiten gab es<br />
wesentlich mehr. Dieses Frühjahr startete eine Untersuchung zur Reaktivierung<br />
und Erweiterung der Stromerzeugung aus Wasserkraft.<br />
Ein sich drehendes Mühlenrad<br />
sieht nicht nur schön aus, es ist<br />
auch nützlich<br />
Fotos: Josef Gartner, Landkreis Lindau<br />
In vergangenen Zeiten gab es zahlreiche Standorte<br />
im Landkreis Lindau, an denen sich Klein-Wasserkraftwerke<br />
befanden. Davon zeugen nicht nur<br />
etliche Straßennamen, sondern auch die vielen aufgelassenen<br />
Wasserkraftanlagen und brachliegenden<br />
Mühlen an den Fluss- und Bachläufen. Im Laufe der<br />
Jahre wurden diese aus ökonomischen Gründen aufgegeben,<br />
sich selbst überlassen oder sogar abgerissen.<br />
Reaktivierung alter Standorte<br />
Nun läuft in Lindau eine Untersuchung, mit der<br />
ermittelt werden soll, welche Standorte zur Stromerzeugung<br />
aus Wasserkraft reaktiviert und erweitert<br />
werden können. Die Vorbereitungen begannen bereits<br />
2014 und stehen in enger Verbindung mit dem Kreisklimaschutzprojekt<br />
des Landkreises. Die Untersuchung<br />
ist ein Schritt des dort aufgeführten Projektes<br />
Nummer 13 »Reaktivierung und Erweiterung der<br />
Stromerzeugung aus Wasserkraft«, das das Ziel hat, die<br />
Stromerzeugung durch Wasserkraft zu erhöhen. Jedoch<br />
ist das Potenzial im Landkreis fast ausgeschöpft,<br />
und auch die Reaktivierung alter Standorte wird nicht<br />
viele Kilowattstunden einbringen.<br />
Wasserkraft positiv besetzen<br />
Warum also der ganze Aufwand? Die Wasserkraftnutzung<br />
zählt zu den ältesten und umweltfreundlichs -<br />
ten Formen der Energiegewinnung. Die Bevölkerung<br />
hat oft eine emotionale Beziehung zu ihr und besetzt<br />
sie häufig sehr positiv. Doch gerade in den letzten Jahren<br />
wurde die Wasserkraft von vielen schlecht gemacht<br />
– als Fischhäcksler-Anlage verschrien, steht Energiegewinnung<br />
mit der Kraft des Wassers nun des Öfteren in<br />
einem sehr fragwürdigen Licht dar.<br />
Natürlich ist jedem bekannt, dass Wasserkraft einen<br />
Eingriff in die Natur bedeutet, doch es sollte nicht<br />
vergessen werden, dass sie auch dazu beigetragen hat,<br />
den Wohlstand unserer Gesellschaft zu mehren. In früheren<br />
Zeiten war sie schließlich die einzige externe<br />
Quelle zur Energiegewinnung.<br />
Ästhetik und Nutzen<br />
Die Untersuchung soll nun dazu beitragen, das<br />
positive Image der Wasserkraft zu stärken, und den<br />
72 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Früher gab es an Flüssen und Bächen mehrere Klein-Wasserkraftanlagen – diese sollen nun<br />
reaktiviert und erweitert werden. Die Wasserkraftanlage in Flossing, Oberbayern, von Josef<br />
Gartner kann als Vorbild angesehen werden<br />
Ziel des Projektes ist es auch, die Wasserkraft wieder in ein<br />
besseres Licht zu rücken und zu zeigen, dass sie eine der<br />
umweltfreundlichsten Methoden der Energiegewinnung ist<br />
Menschen soll gezeigt werden, was Wasserkraft kann<br />
und bedeutet. Steffen Riedel, Klimaschutzmanager des<br />
Landkreises Lindau, ist der Meinung, dass Ästhetik<br />
und industrieller Nutzen nicht im Widerspruch stehen<br />
– ein sich drehendes Mühlenrad sieht gut aus und ist<br />
nützlich. Ab März dieses Jahres waren Mitarbeiter des<br />
Fördervereins für erneuerbare Energien im Landkreis<br />
Lindau unterwegs und nahmen mithilfe eines Erfassungsbogens<br />
mögliche Standorte auf, bei denen es sich<br />
lohnen würde, sie zu reaktivieren oder zu erweitern.<br />
Dabei kam heraus, dass es ungefähr 100 potenzielle<br />
Standorte gibt, die zu untersuchen sind. Dies wird in<br />
den folgenden Monaten der Dipl.-Ing Josef Dennenmoser<br />
aus Leutkirch übernehmen.<br />
Vor allem die Reaktivierung alter Mühlen ist ein<br />
gesetztes Ziel, denn wenn sich die Mühlenräder wieder<br />
drehen, dann hat dies einen doppelten Nutzen.<br />
Erstens kann Energie erzeugt werden, wenn auch<br />
nicht sehr viel, und zweitens stellen sie dann eine touristische<br />
Aufwertung dar, beispielsweise für die Westallgäuer<br />
Wasserwege.<br />
Die große Hoffnung ist, dass Privatleute und Besitzer<br />
von Mühlen eigenes Geld in die Hand nehmen<br />
und mit viel Herz die alten Bauwerke sanieren. Steffen<br />
Riedel weiß selber, dass der Aufwand in keinem Verhältnis<br />
zum wirtschaftlichen Nutzen steht. Doch darum<br />
geht es ihm nicht vorrangig. Ihm ist es wichtig, die<br />
Wasserkraft wieder in ein gutes Licht zu rücken und<br />
die alten Mühlen zur Schau zu stellen. Damit geht der<br />
Klimaschutzmanager die Thematik einmal ganz anders<br />
an – es geht nicht um den Profit, sondern um die<br />
Liebe zur Wasserkraft.<br />
(cs)<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
73
Wasserkraft<br />
Der Horizontalrechen am<br />
Kanaleingang bewahrt die<br />
Fische davor, in den Kanal<br />
zu schwimmen<br />
Wangen<br />
Eine Stadt investiert in Anlagen<br />
Die Stadt Wangen im Allgäu ist aus der Tradition heraus eng mit der Wasserkraft<br />
verbunden. Bereits im Mittelalter wurde das kühle Nass in Mühlen, Stampfen,<br />
Sägen und Schmieden intensiv genutzt. An der Argen existieren bis heute mehrere<br />
Wasserkraftwerke, und drei von ihnen sind Eigentum der Stadt. Darüber<br />
hinaus wurde noch ein neues gebaut.<br />
Bereits seit langer Zeit spielt die Wasserkraft in<br />
der Stadt Wangen im Allgäu eine große und<br />
wichtige Rolle, doch das, was in den letzten<br />
Jahren dort geschehen ist, hat so wohl niemand erwartet,<br />
es ist vielleicht einzigartig in Deutschland. Im Jahr<br />
2009 kaufte die Stadt Wangen das Wasserkraftwerk T<br />
8 auf dem ehemaligen Gelände der ERBA-Spinnerei.<br />
Diese musste 1992 nach rund 130 Jahren den Betrieb<br />
einstellen, doch das werkseigene Wasserkraftwerk lief<br />
weiter. Der Erwerb des Kraftwerkes war dann Auslöser<br />
für die Gründung des Eigenbetriebes Stadtwerke, der<br />
in den Jahren 2013 und 2014 das Kraftwerk modernisierte.<br />
Im Zuge dessen wurde die alte Technik von<br />
1948 durch moderne und effiziente ersetzt. Es folgte<br />
der Einbau einer neuen doppeltgeregelten, Kaplan-<br />
Turbine in den alten Wellenschacht. Des Weiteren<br />
wurde ein permanentmagnet-erregter Generator installiert,<br />
der fast 98 Prozent Wirkungsgrad bringt und<br />
dabei vergleichsweise leise vor sich hin arbeitet. Die<br />
alten Maschinenteile des Werkes sollen erhalten bleiben<br />
und spätestens zur Landesgartenschau 2024 ausgestellt<br />
werden. Dazu soll über der neuen Technik im<br />
Untergeschoss ein Glasboden eingelassen werden, auf<br />
dem dann Teile der alten Turbine stehen werden. So<br />
können Besucher die alte und neue Technik auf einen<br />
Blick erfassen.<br />
Keine Gefahr für Fische<br />
Brachte das Wasserkraftwerk vor der Modernisierung<br />
etwa 1,0 bis 1,8 Millionen Kilowattstunden pro<br />
Jahr, sind es danach rechnerisch mindestens 1,7 Millionen.<br />
Beachtlich ist das Nutzgefälle des Kraftwerkes<br />
von fast zehn Metern. Der aufmerksame Leser wird<br />
sich nun fragen, wie Fische das Gefälle überwinden<br />
sollen beziehungsweise, wie es mit der ökologischen<br />
Durchgängigkeit aussieht. Die Antwort darauf ist<br />
ziemlich simpel: Niemand muss sich um die kleinen<br />
Flussbewohner sorgen, denn die kommen gar nicht<br />
erst in die Nähe des Wasserkraftwerkes. Das T 8 wird<br />
durch einen Kanal mit Wasser versorgt, der sich von<br />
der Argeninsel bis nach Niederwangen erstreckt. Am<br />
Ausleitungswehr, auch Argenwehr genannt, entstand<br />
ein im Vorgriff auf die 2024 in Wangen stattfindende<br />
Landesgartenschau sehr großzügig gestaltetes Umgehungsgewässer<br />
für Fische. Durch einen Horizontalrechen<br />
am Kanaleinlauf werden die Fische gleich umge-<br />
74 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Der Kanal wurde 1863 in<br />
Handarbeit gebaut und reicht<br />
vom Argenwehr in der Stadt<br />
bis nach Niederwangen<br />
Links: Die alten Maschinenteile<br />
vom Wasserkraftwerk T 8 sol len<br />
erhalten und ausgestellt werden<br />
Der Kanal, der T 8 mit Wasser<br />
versorgt, ist stellenweise noch<br />
nicht modernisiert<br />
leitet in den Fischpass. Das bewahrt sie davor, in den<br />
Kanal zu schwimmen und somit in Richtung des Wasserkraftwerkes<br />
in der ehemaligen Spinnerei. Stattdessen<br />
bewegen sie sich nun um das Wehr und das neue<br />
Mindestwasserkraftwerk T 8a herum und verbleiben<br />
dabei stets in der Argen. Das Umgehungsgewässer<br />
und das neue Kraftwerk an der Oberen Argen sorgen<br />
für die ökologische Durchlässigkeit. Fertiggestellt wurden<br />
beide im Sommer 2014, und seitdem werden dort<br />
das ganze Jahr über immer mindestens 800 Liter Wasser<br />
pro Sekunde in die vorher oft trockengefallene<br />
Ausleitungsstrecke unterhalb des Wehres abgegeben.<br />
Erwartungen übertroffen<br />
Parallel dazu wird das Argenwasser in das kleine<br />
Krafthaus umgelenkt, wo es knapp vier Meter fällt<br />
und so die dortige Turbine antreiben kann. Bei dieser<br />
handelt es sich ebenfalls um eine doppeltgeregelte Kaplan-Turbine;<br />
außerdem wurde ein Asynchrongenerator<br />
mit Riemenantrieb verbaut. Die errechnete<br />
Stromerzeugungsmenge des Mindestwasserkraftwerkes<br />
beträgt 200.000 Kilowattstunden pro Jahr, doch<br />
schon in den ersten Probetagen im Jahr 2014 zeigte<br />
sich, dass dieser prognostizierte Wert vermutlich<br />
überschritten werden kann.<br />
Führt die Argen mehr Wasser als die 800 Liter<br />
pro Sekunde, die im Fluss verbleiben sollen, so fließt<br />
der Überschuss in den Kanal Richtung ehemalige<br />
ERBA-Spinnerei. Beide Anlagen produzieren pro Jahr<br />
also etwa 1,9 Millionen Kilowattstunden Strom und<br />
somit trotz Mindestwasserabgabe um einiges mehr<br />
als die alte Anlage. Damit können eine Reihe kommunaler<br />
Liegenschaften versorgt werden wie etwa die<br />
Schulen und Sporthallen in der näheren Umgebung<br />
oder ein Pflegeheim. Der Triebwerkskanal wurde partiell<br />
schon saniert und erhielt ab dem Kanaleinlauf<br />
am Argenwehr neue Wände. Weiter kanalabwärts soll<br />
eine Sanierung noch stattfinden.<br />
Weiterer Meilenstein<br />
Neben den Wasserkraftwerken T 8 und T 8a gehören<br />
den Stadtwerken auch noch Kraftwerke in Niederwangen<br />
(T 9) und weiter flussaufwärts an der alten<br />
Ausrüstung in Wangen (T 4). Der Kauf des Werkes in<br />
Niederwangen ging einher mit der ökologischen Modernisierung<br />
des T 8. Für die Stadtwerke ist es ein gro-<br />
Fotos: Dominik Ultes<br />
Der Rechen vom Wasserkraft -<br />
werk T 8 ist zwar alt, erfüllt aber<br />
noch seinen Zweck<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
75
Wasserkraft<br />
Das neue Mindestwasserkraftwerk an der<br />
Argen wurde 2014 in Betrieb genommen<br />
Dank des Fischpasses sind die<br />
Flussbewohner in Sicherheit und<br />
verbleiben stets in der Argen<br />
ßer Vorteil, Eigentümer des Werkes T 9 zu sein, denn<br />
bei Nichtzustandekommen des Kaufvertrages wäre die<br />
Rechtslage schwierig gewesen. Dadurch, dass mittlerweile<br />
weniger Wasser durch den Kanal fließt, da eine<br />
gewisse Menge in der Argen verbleibt, erbringt die<br />
Turbine des Kraftwerkes in Niederwangen weniger<br />
Energieertrag. Der Vorbesitzer hätte zum Ausgleich<br />
kräftig investieren müssen, und somit war es für ihn<br />
eine Frage der Wirtschaftlichkeit, das Kraftwerk zu<br />
verkaufen. Durch den Erwerb Mitte 2013 setzen die<br />
Stadtwerke einen weiteren Meilenstein auf dem Weg<br />
zur Eigenversorgung mit Strom aus Wasserkraft. Die<br />
Technik des Wasserkraftwerkes in Niederwangen war<br />
ebenfalls ein wenig in die Jahre gekommen, denn die<br />
einfachgeregelte Kaplan-Turbine mit Generator<br />
stammt noch aus dem Jahr 1948. Ein Jahr nach Kauf<br />
wurde das Kraftwerk modernisiert – es wurde eine<br />
neue Hydraulik eingebaut und die Steuerung auf den<br />
neuesten Stand gebracht. Damit wurde das Kraftwerk<br />
nicht nur wieder betriebssicher gemacht, sondern es<br />
erzeugt nun auch wieder ungefähr 500.000 Kilowattstunden<br />
pro Jahr trotz der Mindestwasserabgabe am<br />
Wehr. Eine komplette Sanierung ist in den nächsten<br />
Jahren vorgesehen.<br />
Reaktivierung von Wasserkraft<br />
Ebenfalls saniert und reaktiviert werden soll das<br />
Wasserkraftwerk T 4 in der ehemaligen ERBA-Ausrüs -<br />
tung in Sigmanns/Epplings. Dieses liegt seit dem<br />
Pfingsthochwasser 1999 und einem damit verbundenen<br />
Schaden am Aquädukt des Triebwerkskanals still. Im<br />
Jahr 2012 erwarben die Stadtwerke das Wasserkraftwerk<br />
mit dem Plan, es zu reaktivieren. Dafür müssen<br />
größere Modernisierungsarbeiten vorgenommen werden<br />
wie etwa die Ertüchtigung des Einlaufbauwerkes,<br />
ein Neubau der Argenquerung und des Krafthauses mit<br />
Turbine sowie die Erneuerung des Kanals. Außerdem<br />
muss die ökologische Durchgängigkeit am Epplingser<br />
Wehr hergestellt werden, was durch den Bau eines naturnahen<br />
Umgehungsgewässers geschehen soll.<br />
Die eingebauten Francis-Turbinen aus dem Jahr<br />
1918 hatten früher eine Jahresstromerzeugung von 0,6<br />
bis 1 Million Kilowattstunden. Nach der Modernisierung<br />
sollen sie rund 1,7 Millionen Kilowattstunden pro<br />
Jahr produzieren. Wenn alles wie geplant verläuft, sollen<br />
die Arbeiten bis Ende 2017 beendet werden. Ist dies geschehen,<br />
werden die insgesamt vier Werke pro Jahr ungefähr<br />
4,2 Millionen Kilowattstunden Strom aus heimischer<br />
Wasserkraft liefern.<br />
(cs)<br />
76 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Selbstversorger<br />
Test im Inselnetz<br />
Wildpoldsried klemmt sich ab<br />
Eine Gemeinde getrennt vom Verbundnetz: Für die Einwohner von Wildpoldsried ist<br />
das ein weiterer Schritt zum Erfolg ihres Projektes – und damit auch zum Erfolg des<br />
Forschungsvorhabens IREN2. Denn der Pionier-Ort hat das erklärte Ziel, seine komplette<br />
Energieversorgung selbst zu übernehmen.<br />
Forscher der Hochschule Kempten und der<br />
RWTH Aachen, des Netzbetreibers Allgäu-<br />
Netz sowie der Industriepartner Siemens und<br />
ID.KOM stehen jetzt mit dem Einbau einer Umrichterkopplung<br />
vor dem Abschluss der ersten Stufe zum<br />
Test eines Inselnetzes. Im bestehenden Stromnetz von<br />
Wildpoldsried finden sich zur Energieerzeugung vor<br />
allem Windenergie- und Photovoltaikanlagen. Doch<br />
auch, wenn die erneuerbaren Energien schon jetzt<br />
jährlich die 4,5-fache Menge des benötigten Stroms<br />
produzieren: Der Ort bezieht zeitlich gesehen an 60<br />
Prozent des Jahres Energie aus dem Verbundnetz. Ein<br />
stabiles, eigenständiges Inselnetz muss jedoch jederzeit<br />
die benötigte Energie bereitstellen. Darum muss<br />
einerseits bei starkem Wind und Sonnenschein der<br />
Überschuss gespeichert und bedarfsgerecht zur Verfügung<br />
gestellt werden. Auf der anderen Seite müssen<br />
die Anlagen auch Systemdienstleistungen erfüllen.<br />
Um ein Inselnetz zu testen, greifen die Ingenieure<br />
auf eine erweiterte Batterie des Vorgängerprojektes<br />
IRENE zurück. Der 16 Tonnen schwere Energiespeicher<br />
mit den Maßen eines Überseecontainers dient<br />
dazu, Lasten auszugleichen und das Netz zu stabilisieren.<br />
Er besitzt eine Leistung von 300 kVA und kann in<br />
allen vier Quadranten betrieben werden. Durch diese<br />
flexible Betriebsweise kann sowohl Blind- als auch<br />
Wirkleistung aufgenommen und abgegeben werden.<br />
Des Weiteren kann die Batterie als Netzbildner zur Sicherstellung<br />
einer stabilen Frequenz und Spannung<br />
eingesetzt werden.<br />
78<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Bernhard Rindt von<br />
egrid Application&<br />
Consulting GmbH in<br />
Kempten wirft einen Blick<br />
in die Ortsnetzstation<br />
Andreas Armstorfer von<br />
der Hochschule Kempten<br />
erklärt den Batteriespeicher<br />
Zur Überprüfung der Regelung des Netzbildners<br />
wurde zudem eine ohmsche Last mit 150 kW installiert,<br />
die sowohl symmetrische als auch unsymmetrische<br />
Belastungen erzeugen kann. Als nächstes installierten<br />
die Projektpartner zwei Generatoren, von denen<br />
einer mit Pflanzenöl betrieben wird.<br />
Neue Umrichterkopplung wird installiert<br />
»Um das Ganze noch weiter auszureizen und zu<br />
testen, wird eine Gleichstromkurzkupplung mit 500<br />
kVA installiert, die direkt in das Inselnetz einspeist«,<br />
erklärt Andreas Armstorfer von der Hochschule<br />
Kempten. Dabei handelt es sich um eine inverterbasierte<br />
Kopplung zwischen dem Verbundnetz und dem<br />
zu testenden Inselnetz. Mit dem Konverter bringen die<br />
Ingenieure dann bewusst Störgrößen in das Inselnetz<br />
ein, um beispielsweise steuerbare Photovoltaikanlagen<br />
nachzubilden. Zudem kann die Umrichterkopplung<br />
als »virtueller Speicher« mit nahezu unendlicher Kapazität<br />
eingesetzt werden. Die Energie dazu bezieht sie<br />
aus dem Verbundnetz.<br />
Testabläufe in mehreren Stufen<br />
Um die Stabilität des Microgrids zu testen, bringen<br />
die Entwickler gezielt symmetrische und unsymmetrische<br />
Lastsprünge in das Netz ein. Dazu nutzen<br />
sie die Umrichterkopplung und den ohmschen Verbraucher.<br />
Weiterhin ist es wichtig, das Inselnetz wieder<br />
mit dem Verbundnetz synchronisieren zu können. Im<br />
letzten Schritt soll gezeigt werden, dass das Inselnetz<br />
Fotos: Andreas Michels/BINE Informationsdienst, Peter Elgaß<br />
mit den gewählten Komponenten und Regelungen<br />
schwarzstartfähig ist – also nach einem Stromausfall<br />
selbstständig wieder den Betrieb aufnehmen kann.<br />
Getrennt vom Rest Europas<br />
Die ersten Versuche fanden bereits in einem isolierten<br />
Testgebiet statt. Als nächstes sollen einige Verbraucher<br />
einbezogen werden, ehe im letzten Schritt<br />
das gesamte Ortsnetz »Wildpoldsried Salzstraße« für<br />
den Test zur Verfügung steht. In diesem letzten Projektschritt<br />
werden die Haushalte der Anwohner eben-<br />
Der Wildpoldsrieder<br />
Batterie speicher am Bahn -<br />
damm bei der Einweihung
Selbstversorger<br />
BINE Informationsdienst –<br />
Energieforschung für die Praxis<br />
Die Informationen in diesem Bericht stam men<br />
vom BINE Informationsdienst. BINE be richtet<br />
über Themen der Energieforschung: neue<br />
Materialien, Systeme und Komponen ten,<br />
innovative Konzepte und Methoden. BINE-Leser<br />
werden so über Erfahrungen beim Ein satz neuer<br />
Technologien in der Praxis infor miert. Denn<br />
erstklassige Informationen sind die Grundlage<br />
für richtungsweisende Ent scheidungen, sei es<br />
bei der Planung ener getisch optimierter<br />
Gebäude, der Effizienz steigerung industrieller<br />
Prozesse oder bei der Integration erneuer -<br />
barer Energien in bestehende Systeme. BINE<br />
Informations dienst ist ein Service von FIZ<br />
Karlsruhe und wird gefördert vom Bundes -<br />
ministerium für Wirtschaft und Energie.<br />
Weitere Informationen unter www.bine.info<br />
falls vom Inselnetz versorgt. Wenn der Plan aufgeht,<br />
kann die gesamte Stromversorgung in Wildpoldsried<br />
dann autark vom europäischen Verbundnetz erfolgen.<br />
Den Einwohnern wird es gefallen – ist das doch ein<br />
weiterer Schritt zum Gelingen ihres Projektes.<br />
Simulation mit Microgrids<br />
Das Ziel des Forschungsprojektes IREN2 ist es, ein<br />
neues Regelungssystem für Microgrids zu entwickeln.<br />
Das ist notwendig, um die stetig wachsende Menge<br />
von regenerativ erzeugtem Strom unter den Anforderungen<br />
an die Netzbetriebsführung zu integrieren. Ein<br />
Schwerpunkt im Projekt neben der Entwicklung der<br />
Regelung ist die Einsatzplanung. Mit Simulationen untersuchen<br />
die Forscher Grenzen für Systemdienstleistungen,<br />
die ein topologisches Kraftwerk in die<br />
Netzbetriebsführung einbringen kann.<br />
Den Netzaufbau von unten angehen<br />
Kennzeichnend für Microgrids ist die Möglichkeit,<br />
zeitweise als elektrische Insel zu agieren. Das ist zum<br />
Beispiel dann vorteilhaft, wenn das überlagerte Netz einen<br />
Fehlerfall aufweist. Microgrids können in diesem<br />
Fall eigenständig betrieben werden und ihr Gebiet weiterhin<br />
mit elektrischer Energie versorgen. Im Rahmen<br />
des Forschungsvorhabens untersuchen die Ingenieure<br />
zudem die Möglichkeit, einen Netzaufbau »von unten«<br />
zu realisieren. Konkret bedeutet das, dass Microgrids<br />
selbstständig angefahren werden können, bevor sie an<br />
das Verbundnetz angeschlossen werden. Nach einer Simulation<br />
des stationären und dynamischen Betriebsverhaltens<br />
wollen die Entwickler um Projektleiter Dr.<br />
Michael Metzger die Verifizierung der theoretischen Ergebnisse<br />
in einem realen Netz vornehmen.<br />
Projekt erfolgreich gestartet<br />
Bereits zum Projektstart haben die Verantwortlichen<br />
eine Auftaktveranstaltung durchgeführt und die<br />
Bürger aus Wildpoldsried über ihr Vorhaben informiert.<br />
So konnten sie die Anwohner zur Mitarbeit ermutigen.<br />
Außerdem haben bereits im Jahr 2014 die Arbeiten<br />
an einem Microgrid in Wildpoldsried begonnen.<br />
Die Projektpartner haben in ihren ersten Schritten sowohl<br />
hardwareseitig als auch softwareseitig die notwendigen<br />
Materialien und Programme beschafft. Anschließend<br />
haben sie eine erste Modellierung und Simulation<br />
der einzelnen Komponenten begonnen.<br />
Grundsätzlich sind topologische Kraftwerke in Größenordnungen<br />
konventioneller Kraftwerke denkbar,<br />
in der Machbarkeitsstudie des Projektes IREN2 behandeln<br />
die Ingenieure allerdings zunächst ein Umspannwerk<br />
auf der 110-kV-Ebene.<br />
Erneuerbare in topologischen E-Werken<br />
Topologische Kraftwerke werden für die Netzbetriebsführung<br />
die Möglichkeit schaffen, die Systemstabilität<br />
mit weniger konventionellen Kraftwerken am<br />
Windpapst Wendelin Einsiedler<br />
erklärt, wie in Wildpoldsried<br />
Strom gemacht wird.<br />
Bei der Installation von »IRENE«<br />
durften viele den Startknopf<br />
drücken und die Speicher ein -<br />
heiten besichtigen<br />
80 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeige<br />
Netz sicherzustellen. Damit sie dieses leisten können,<br />
müssen einige Herausforderungen bewältigt werden:<br />
• Wie lassen sich viele dezentrale Erzeuger so koordinieren<br />
und ihre Einspeisung vorhersagen, dass sie<br />
einen signifikanten Beitrag zur Frequenz- und Spannungsregelung<br />
im Übertragungsnetz leisten können?<br />
• Wie lassen sich eventuell entstehende Engpässe<br />
im Verteilungsnetz vorhersagen und entsprechend berücksichtigen?<br />
• Wie lässt sich die von den dezentralen Erzeugern<br />
bereitstellbare Kurzschlussleistung überwachen<br />
und kommunizieren?<br />
Inwieweit die beschriebenen Systemdienstleis -<br />
tungen von topologischen Kraftwerken erbracht werden<br />
können und welche Schwierigkeiten hierbei auftreten<br />
können, ist Gegenstand des Forschungsprojekts.<br />
Die Meilensteine des Projektes<br />
Ein Vorteil des Projektes ist die Möglichkeit, die<br />
im Untersuchungsgebiet installierten elektrischen Komponenten<br />
und Regelungstechnik nach der Projektlaufzeit<br />
für weitere Untersuchungen verwenden zu können.<br />
Neben den Industriepartnern Siemens AG, Allgäuer<br />
Überlandwerk GmbH und IDKOM Networks GmbH<br />
begleiten die RWTH Aachen und die Hochschule<br />
Kempten das Projekt wissenschaftlich. Sie sind unter<br />
anderem für die mathematische Modellbildung, Simulation<br />
und Optimierung der Regelung des Microgrids<br />
zuständig. Weiterhin befassen sich die Hochschulpartner<br />
mit der Funktionsweise und dem Einsatz eines topologischen<br />
Kraftwerks sowie dem Aufbau, der Inbetriebnahme<br />
und den Tests des realen Microgrids.<br />
Zusätzlich zu den Projektpartnern ist der zuständige<br />
Übertragungsnetzbetreiber Amprion in das Forschungsvorhaben<br />
eingebunden.<br />
Besichtigung<br />
der Speicher-<br />
Einheiten im<br />
Batterie-<br />
Container<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
81
Medienversorgung<br />
Gas und Glas<br />
Einmal graben, zweimal gewinnen<br />
Mitglieder des Kinderparla ments<br />
Tussenhausen, Helmut Kaumeier,<br />
Projektleiter gas&glas Erdgas<br />
Schwaben, stellv. Landrätin<br />
Marlene Preißinger, Unterallgäu,<br />
Franz-Josef Pschierer, Staats -<br />
sekretär, Johannes Ruf, Erster<br />
Bürgermeister Tussenhaus en,<br />
Klaus-Peter Dietmayer, der<br />
Geschäftsfüherer von Erdgas<br />
Schwaben, beim Spatenstich<br />
Tussenhausen bei Mindelheim hat knapp 3000 Einwohner. Bisher heizten<br />
die Einwohner des Ortes ihre Häuser wie in den meisten Allgäuer Orten:<br />
mit Öl und Holz. Das soll nun anders werden, denn Anfang Juni fiel der<br />
Startschuss für die Verlegung eines Gasnetzes durch die Erdgas-Schwaben-<br />
Tochter »Schwaben-Netz«.<br />
das Logo für gas & glas:<br />
Zu Hause in der Welt –<br />
daheim in Tussenhausen<br />
Zunächst einmal nicht besonders erwähnenswert,<br />
möchte man meinen. Denn Erdgas<br />
Schwaben versorgt 190 Kommunen im Allgäu<br />
und in Schwaben mit Erdgas. Trotzdem ist die Gemeinde<br />
Tussenhausen eine Ausnahme. Die Region ist<br />
so ländlich strukturiert, dass sich ein eigenes Gasnetz<br />
eigentlich gar nicht rechnet. Dass trotzdem Anfang<br />
Juni der Startschuss für die Gasversorgung fiel, hat zwei<br />
Gründe, wie Erdgas-Schwaben-Geschäftsführer Klaus-<br />
Peter Dietmayer beim Spatenstich betonte: »Erstens,<br />
dass über 70 Prozent der Hausbesitzer einen Antrag auf<br />
Anschluss gestellt haben; eine so hohe Beteiligung hat<br />
es bisher noch nirgendwo gegeben – zweitens, weil wir<br />
zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können – nämlich<br />
mit kostengünstigem und klimaschonendem Erdgas<br />
heizen und schnelles Internet nutzen.« Gas und<br />
Glas lauten die Schlagwörter, denn die Tiefbaukosten,<br />
die in der Regel den Löwenanteil der Kosten ausmachen,<br />
fallen durch die gemeinsame Verlegung von Erdgas-<br />
und Breitbandnetz nur einmal an. Alle drei<br />
Ortsteile, also Tussenhausen, Zaisertshofen und Mattsies,<br />
bekommen ein Erdgas-Leitungsnetz in allen Straßen.<br />
Damit einher geht erstmalig die Verlegung eines<br />
Leerrohrnetzes für schnelles Internet via Glasfaser in<br />
jedes Gebäude. Dieses Rohrnetz wird nach Fertigstellung<br />
an einen Telekommunikationsprovider vermietet.<br />
82<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeige<br />
Fotos: Erdgas Schwaben<br />
Bürgermeister Johannes Ruf und Valentin Leinsle vom<br />
Kinderparlament. Sein Kommentar zu gas & glas: »Ist gut<br />
für die Eltern. Und ist gut für die Kinder. Damit das Internet<br />
so schnell wird wie in der Stadt.«<br />
In der aktuellen Planung wird von einer Gesamtbauzeit<br />
von zwei bis drei Jahren ausgegangen. Sieben Millionen<br />
Euro verbuddelt Erdgas Schwaben in diesem Zeitraum.<br />
17 Millionen Euro an Folgeinvestitionen löse dieses<br />
Projekt z. B. bei Heizungsbauern und Installateuren<br />
aus. Rund sechs Millionen Euro könnten sich die Bürger<br />
wieder zurückholen, bemerkte Klaus-Peter Dietmayer,<br />
wenn sie Zuschüsse und Förderungen<br />
verschiedener Einrichtungen ausschöpfen.<br />
Voraussetzung für das Projekt war eine mindes -<br />
tens fünfzigprozentige Quote neuer Erdgas-Netzanschlussverträge.<br />
Bürgermeister Johannes Ruf berichtete<br />
in seinem Grußwort vom vorbildlichen Zusammenhalt<br />
aller Beteiligten. Er lobte die ausführlichen<br />
Beratungen in den vorhergehenden Info-Veranstaltungen<br />
und die Aufgeschlossenheit der Tussenhausener<br />
Bürger. Rund 700 Gebäude werden an das geplante<br />
Netz angeschlossen. Die Haushalte haben sich für klimaschonendes<br />
Erdgas entschieden und bekommen<br />
quasi das Highspeed-Glasfasernetz dazu. Bei den stetig<br />
wachsenden Datenvolumina, die nicht nur im Gewerbebereich,<br />
sondern auch in Privathaushalten übers<br />
Netz gehen, künftig ein absolutes Muss für gleiche Lebensbedingungen<br />
in Stadt und Land.<br />
Zahlreiche Info-Veranstaltungen und die volle<br />
Unterstützung durch den Bürgermeister: Beim offiziellen<br />
Akt war auch »Platzhirsch« Franz-Josef Pschierer,<br />
Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, dabei. Er<br />
ließ nicht unerwähnt, dass der Freistaat das Projekt mit<br />
700.000 Euro direkt fördert, und spekulierte darauf,<br />
dass mit der Breitbandversorgung vielleicht schon in<br />
naher Zukunft nicht mehr so viele Menschen in die<br />
Städte pendeln müssen, »weil sie ihre Arbeit auch von<br />
Tussenhausen aus erledigen können.«<br />
Gewinner ist in jedem Fall das Klima. Denn nach<br />
Fertigstellung werden die Tussenhausener gut 3000<br />
Tonnen Klimakiller CO2 einsparen. Die Gemeindebürger<br />
werden dann nur noch halb so viel CO2 in die<br />
Umwelt verbreiten wie ein Bundesbürger im Landesdurchschnitt.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
83
Bioenergie<br />
Erneuerbare sollen wachsen<br />
Unterallgäuer Gemeinden bekommen Förderung<br />
Von heute knapp 40 auf 60 Prozent erneuerbarer Energie bei<br />
Strom- und Wärmeverbrauch in nur fünf Jahren – das ist das<br />
ambitionierte Ziel der Modellregion Unterallgäu Nordwest.<br />
Unter Koordination des Energie- und Umweltzentrums Allgäu<br />
(eza!) wollen der Landkreis Unterallgäu und die Lechwerke AG<br />
(LEW) gemeinsam mit weiteren Partnern Projekte anstoßen,<br />
um Energie einzusparen, die Energieeffizienz zu erhöhen und<br />
erneuerbare Energien auszubauen.<br />
Fotos: Benreis/Buch/HwK Schwaben und Peter Elgaß<br />
Dafür erhalten die Projektpartner eine Förderung<br />
von knapp 870.000 Euro aus dem Energie-<br />
und Klimafonds der Bundesregierung<br />
über das Bundesministerium für Ernährung und<br />
Landwirtschaft und dessen Projektträger, die Fachagentur<br />
Nachwachsende Rohstoffe. Als Modellregion<br />
wurde der nordwestliche Landkreis ausgewählt mit<br />
den Verwaltungsgemeinschaften Babenhausen, Boos,<br />
Memmingerberg, Erkheim, Pfaffenhausen und Kirchheim.<br />
Die Modellregion soll zeigen, ob und wie eine<br />
überwiegend auf erneuerbaren Energien beruhende<br />
Versorgung machbar ist. Landrat Hans-Joachim Weirather<br />
begrüßt die Auswahl der Modellregion: »Seit<br />
Jahren arbeiten wir im Unterallgäu ambitioniert an der<br />
Ausgestaltung der Energiewende. Nun werden wir als<br />
Modellregion für dieses Engagement belohnt.« Vor allem<br />
freut sich Weirather − nachdem der Landkreis,<br />
eza! und LEW detaillierte Vorarbeit geleistet haben −,<br />
nun dank Förderung innovative Projekte anzustoßen.<br />
Neben dem Landkreis stehen auch die Kommunen<br />
und viele öffentliche und private Institutionen<br />
hinter der Energiewende-Modellregion. Mit dem<br />
Stromversorger und Verteilnetzbetreiber Lechwerke<br />
AG konnte ein wichtiger Partner gewonnen werden,<br />
der sich inhaltlich und finanziell einbringt. Zum Beispiel<br />
soll die Stromerzeugung aus vielen Solarstromanlagen,<br />
Biogasanlagen und Wasserkraftwerken auf den<br />
Stromverbrauch abgestimmt werden.<br />
Eine tragende Rolle kommt außerdem der Bioenergie<br />
zu. Verschiedene innovative Bioenergie-Ansätze<br />
insbesondere zur Wärmeversorgung kommen<br />
dazu auf den Prüfstand. Geprüft werden soll auch, wie<br />
die Abwärme der Biomasseanlagen besser genutzt<br />
werden kann. »Wenn die Energiewende mit Bioenergie<br />
momentan irgendwo in Deutschland gelingen<br />
kann, dann hier«, ist sich der eza!-Geschäftsführer<br />
und Projektleiter Martin Sambale sicher.<br />
Martin Sambale (eza!):<br />
»Eine gute Wahl«<br />
Landrat Hans-Joachim<br />
Weirather: »Gute Vorarbeit!«<br />
Foto oben: Zusammen mit<br />
Baben hau sen, Boos, Pfaf -<br />
fen hausen und Kirchheim<br />
ist Erkheim als Fördergebiet<br />
aus erkoren worden.<br />
Foto rechts: Babenhausen<br />
gehört zur Modellregion<br />
84<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Brennstoffzelle<br />
Galileo kommt ins Haus<br />
E-Werke Reutte beim Feldversuch dabei<br />
Eine Brennstoffzelle ist eine galvanische Zelle ähnlich einer Batterie, die die<br />
chemische Reaktionsenergie eines kontinuierlich zugeführten Brennstoffes<br />
und eines Oxidationsmittels in elektrische Energie wandelt. Seit 2011 sind<br />
die Elektrizitätswerke Reutte (EWR) mit Sitz in Füssen in einen Feldversuch<br />
eingebunden, der Brennstoffzellen in der Praxis beobachtet und auswertet.<br />
Dieses Jahr wurde in Pfronten die vierte Anlage in Betrieb genommen.<br />
Die Brennstoffzelle Galileo sieht<br />
aus wie ein Kühlschrank<br />
Die Gewinnung von elektrischer Energie aus<br />
chemischen Energieträgern erfolgt zumeist<br />
durch Verbrennung und Nutzung der entstehenden<br />
heißen Gase in einer Wärmekraftmaschine.<br />
Das ist ein nachgeschalteter Generator, wie er in thermischen<br />
Kraftwerken üblich ist. In einer Verbrennungsanlage<br />
wird thermische Energie in mechanische<br />
Arbeit und anschließend in elektrische Energie umgewandelt.<br />
In einer Brennstoffzelle findet die Umformung<br />
ohne die Umwandlung in Wärme und Kraft<br />
direkt von der chemischen in elektrische Energie zu<br />
erreichen. Damit ist sie potenziell effizienter als Wärmekraftmaschinen.<br />
Brennstoffzellen werden seit langem<br />
als Energiewandler in der Raumfahrt (Apollo,<br />
Space Shuttle) und auch für U-Boot-Antriebe verwendet,<br />
wie in Wikipedia nachzulesen ist.<br />
Einsatzbereich: kleinere Gebäude<br />
Die Elektrizitätswerke Reutte (EWR) nehmen seit<br />
2011 an einem Feldversuch teil, der Brennstoffzellen der<br />
Firma Hexis AG mit Namen »Galileo« im Praxisbetrieb.<br />
Das besondere an der Galileo ist ihr Einsatzbereich. Sie<br />
wurde entwickelt, um Ein- und Zweifamilienhäuser mit<br />
Strom und Wärme zu versorgen. Sie verwendet Erdgas<br />
(Methan) als Brennstoff, das zunächst in Wasserstoff<br />
und andere chemische Verbindungen gewandelt wird.<br />
Das Innenleben von zwei<br />
Brennstoffzellen im<br />
schematischen Aufbau<br />
Fotos: von EWR zur Verfügung gestellt<br />
86<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Zentrales Bauteil der oxidkeramischen Brennstoffzelle<br />
(SOFC: Solid Oxide Fuel Cell) ist der gasdichte<br />
und bei Betriebstemperatur Sauerstoffionen leitende<br />
feste Elektrolyt. An ihn grenzen die beiden porösen<br />
Elektroden Anode und Kathode. Die Anode<br />
wird von Brenngas durchströmt, die Kathode von Luft.<br />
Das entstehende Sauerstoff-Konzentrationsgefälle<br />
zwischen den Elektroden treibt die Sauerstoffionen<br />
durch den Elektrolyt und erzeugt so eine elektrische<br />
Spannung. Wird der Stromkreis nun durch einen externen<br />
elektrischen Leiter geschlossen, fließen die<br />
Elektronen und können als elektrische Energie genutzt<br />
werden. So beschreibt die Firma Hexis die Funktionsweise<br />
von Galileo. Dort ist zudem ein Zusatzbrenner<br />
eingebaut, der die restliche Wärme für die Versorgung<br />
eines Gebäudes liefert.<br />
Brennstoffzellen unter Beobachtung<br />
Die Elektrizitätswerke Reutte betreiben drei Galileo-Anlagen<br />
in privaten und öffentlichen Gebäuden.<br />
Rund um die Uhr werden Daten gesammelt und ausgewertet.<br />
Sämtliche zu- und abgehenden Medien werden<br />
gezählt und über Internet in die Zentralen weitergeleitet.<br />
Der Versuch ist auf mindestens drei Jahre anberaumt.<br />
Der Verkauf von Galileo an private Kunden startete<br />
bereits im Jahre 2013. Die Elektrizitätswerke Reutte<br />
erwarten sich aus ihrem Engagement, Erfahrungen<br />
für zukünftige Entscheidungen zu sammeln, um an<br />
vorderer Stelle dabei zu sein. Aus diesem Grund engagieren<br />
sich die Elektrizitätswerke Reutte mit dem<br />
Einbau von Brennstoffzellen der neuesten Generation<br />
und nehmen damit teil am EU-weiten Projekt »enefield«.<br />
Die Elektrizitätswerke Reutte betrachten die<br />
Nutzung von Brennstoffzellen als zentrales Element<br />
einer zukünftigen Wasserstoffwirtschaft und damit als<br />
einen zentralen Baustein der Energiewende. Für die<br />
Ostallgäuer ist es wichtig, nicht nur den Markt zu beobachten,<br />
sondern aktiv beteiligt zu sein.<br />
Ein Blick in das Innere der<br />
Brennstoffzelle Galileo<br />
Leistungsdaten von drei Galileo-<br />
Brennstoffzellen werden von EWR<br />
aufgezeichnet und verglichen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
87
Umwelt<br />
LBV lobt die Stadt Kempten<br />
Neue Straße – neuer Lebensraum<br />
Beim Bau der sogenannten Nordspange, der Verbindungsstraße zwischen dem<br />
Kemptener Stadtteil Halden und Ursulasried, mussten erhebliche Eingriffe in<br />
die Natur vorgenommen werden. Dass solche notwendigen Maßnahmen nicht<br />
immer zulasten der Natur gehen, hat die Stadt Kempten bewiesen.<br />
Dieses Luftbild zeigt die<br />
Illerüberquerung mit einem Teil<br />
der Ausgleichsflächen in der<br />
Stiftsbleiche bei Kempten<br />
Fotos: Stadt Kempten<br />
Ganz oben: der verlegte Ursulasrieder Bach mit dem<br />
wertvollen Auwald. Darunter: die aufgeweitete Iller mit der<br />
neu angelegten Insel<br />
Der Bau der Verbindungstrasse war vom Landesbund<br />
für Vogelschutz (LBV) sowie von<br />
anderen Naturschutzverbänden zunächst abgelehnt<br />
worden. Die groß angelegten ökologischen und<br />
landschaftspflegerischen Maßnahmen auf 24 Hektar<br />
Ersatzfläche haben den LBV nun aber veranlasst, der<br />
Stadt Kempten zu bestätigen, damit ein »in unserer Region<br />
beispielloses Konzept umgesetzt« zu haben.<br />
»Wir haben während der Planungsphase den Eingriff<br />
in Natur und Landschaft nie verharmlost oder<br />
kleingeredet, sondern uns vielmehr zum Ziel gesetzt,<br />
diesen Eingriff bestmöglich auszugleichen. Dies ist uns<br />
offenbar gelungen«, so Markus Wiedemann, Leiter des<br />
städtischen Amtes für Tiefbau und Verkehr. Planung<br />
und Umsetzung der Maßnahmen sieht der LBV als<br />
»Aushängeschild für die Stadt Kempten bezüglich Eingriffsplanungen«.<br />
Durch die gelungenen und großzügig<br />
gedachten Maßnahmen hat sogar eine ökologische Aufwertung<br />
stattgefunden. »Man darf nicht immer nur kritisieren,<br />
sondern muss auch einmal verdientes Lob aussprechen<br />
können«, stellt der LBV fest.<br />
Bei der Umsetzung des Projektes wurde der<br />
Ursulasrieder Bach auf einer Länge von 840 Metern<br />
nach ökologischen Gesichtspunkten durch den Auwald<br />
verlegt, sodass dort eine Vernässung stattfinden kann<br />
und Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten entstand<br />
und immer noch weiter entsteht. An der Iller ließ<br />
88<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
sich durch eine Aufweitung des Flussbettes eine Kiesinsel<br />
schaffen, die vielen Wasservögeln als Rast- und<br />
Brutstätte dient. Eisvogel, Wasseramsel und Gänsesäger<br />
sind dort laut LBV schon häufig zu beobachten.<br />
Leiteinrichtungen entlang der Straße kommen<br />
den Amphibien zugute und die Pflanzung hochstämmiger<br />
Bäume am Straßenrand den Fledermäusen, die<br />
hierdurch am niedrigen Überqueren der Straße gehindert<br />
werden. Auch an eine seltene Schmetterlingsart,<br />
den »Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling«, wurde gedacht<br />
und sein Vorkommen auf einer nahen Wiese<br />
durch Entbuschung und Einsaat des Wiesenknopfes<br />
gesichert. LBV hat in seinem Jahresheft <strong>2016</strong> die umfangreichen<br />
Ausgleichsmaßnahmen der Stadt Kempten<br />
im Rahmen des Baues der Nordspange mit einem<br />
Artikel gewürdigt.<br />
Der Wiesenkopf-Ameisen-<br />
Bläuling besiedelt die neuen<br />
Fluss-Auen<br />
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allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
89
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Themenvorschau<br />
Terra Preta –<br />
Schwarze Erde<br />
selber machen<br />
Wichtiger Bestandteil für<br />
gute, fruchtbare Böden ist<br />
gute Pflanz erde. Damit<br />
aus Grashäcksel, Gartenund<br />
Gemüseabfällen<br />
schnell gute Erde wird,<br />
braucht es Holzkohle zum<br />
Vermischen. Wir berichten,<br />
wie der Fachmann<br />
Rainer Sagawe mit einem<br />
eigens konstruierten Ofen<br />
selbst umweltfreundlich<br />
Holzkohle herstellt, auf<br />
diesem Ofen auch noch kocht, und wie er es schafft, dass schon<br />
nach einem halben Jahr aus Abfällen und Holzkohle wertvolle<br />
»Terra Preta« wird.<br />
Vorstellung der Studiengänge<br />
in der Hochschule Biberach<br />
In der Hochschule Biberach werden junge Leute in Energie-<br />
Ingenieurwesen, Energiewirtschaft und industrieller Biotech -<br />
nologie ausgebildet. allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> hat schon öfter über<br />
Projekte dieser nahe gelegenen Hochschule berichtet. Nun<br />
stellen wir die Studiengänge genauer vor.<br />
Strom-Vernetzung und -Speicherung<br />
Der Einsatz von Energiespeichern und die Vernetzung von alternativen<br />
Energieerzeugern wie PV-Anlagen, Windkraftwerken,<br />
Biogasanlagen und Mikro-KWK-Anlagen spielen eine<br />
zentrale Rolle für die Energiezukunft. Wir haben uns nach Lösungen<br />
umgesehen, die im Allgäu bereits verwirklicht sind.<br />
Auch im Restwasser steckt noch Kraft<br />
Wieder ging ein neues Wasserkraftwerk in Kempten in Betrieb.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> war beim Spatenstich des Restwasserkraftwerkes<br />
an der Kaufbeurer Straße dabei. Wir berichten über die<br />
Inbetriebnahme und die Funktionsweise am Wehr auf unserem<br />
Foto unten.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz<br />
Redaktions- und Anzeigenschluss für die nächste<br />
Ausgabe ist der 29.09.<strong>2016</strong><br />
Anzeigen-Kontakt:<br />
Sven Abend,<br />
Tel. +49 (0)8379 728616<br />
E-Mail: sven.abend@heimat-allgaeu.info<br />
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