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RA 08/2016 - Entscheidung des Monats

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IMPRESSUM<br />

Jura Intensiv<br />

Herausgeberin:<br />

Chefredaktion:<br />

Redakteure:<br />

Chef vom Dienst:<br />

Bezugspreis:<br />

Werbung:<br />

Jura Intensiv Verlags UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG,<br />

Rathausplatz 22, 46562 Voerde, Tel.: 02855/96171-80; Fax: 02855/96171-82<br />

Internet: http://www.verlag.jura-intensiv.de - E-Mail: verlag@jura-intensiv.de<br />

Rechtsanwalt Oliver Soltner (V.i.S.d.P.)<br />

Theresa Bauerdick &<br />

Richterin am Amtsgericht Dr. Katharina Henzler (Zivilrecht)<br />

Assessor Dr. Dirk Schweinberger (Nebengebiete)<br />

Rechtsanwalt Dr. Dirk Kues (Öffentliches Recht)<br />

Rechtsanwalt Uwe Schumacher (Strafrecht)<br />

Ines Susen<br />

Printausgabe: 6,50 Euro/Heft. 12 Hefte pro Jahr. Ermäßigungen für Abonnenten.<br />

Digitalausgabe: 5,99 Euro/Heft.<br />

Die <strong>RA</strong> steht externer Werbung offen. Mediadaten sind unter<br />

verlag@jura-intensiv.de erhältlich.


Grundlagen<br />

richtig erarbeiten<br />

26,90 €<br />

Neue Kapitel:<br />

Widerruf + Verbundene Verträge<br />

mit Änderung aus März <strong>2016</strong><br />

Das Skript enthält eine systematische Darstellung<br />

<strong>des</strong> allgemeinen Schuldrechts, insb.:<br />

• Verzug und Unmöglichkeit<br />

• Schadensersatz und Rücktritt<br />

• Aufwendungsersatz<br />

• Nebenpflichtverletzung und c.i.c.<br />

• Störung der Geschäftsgrundlage<br />

• Widerruf gem. §§ 355 ff. BGB<br />

• Verbundene Verträge<br />

Produktbeschreibung:<br />

Das Skript enthält eine systematische Darstellung <strong>des</strong> Allgemeinen<br />

Teils <strong>des</strong> Schuldrechts. Es beinhaltet die Themen Unmöglichkeit<br />

und Verzug, Schadensersatz, Aufwendungsersatz und<br />

Rücktritt, Nebenpflichtverletzung u nd c ulpa i n c ontrahendo,<br />

Störung der Geschäftsgrundlage, Widerruf gem. § 355 ff BGB und<br />

verbundene Verträge.<br />

Die Darstellung orientiert sich an den Bedürfnissen von Studierenden<br />

ist aber auch für Referendare zur Wiederholung und<br />

Vertiefung <strong>des</strong> materiellen Rechts geeignet.<br />

Das Skript wendet sich an Anfänger zur Vorbereitung auf universitäre<br />

Klausuren und Examenskandidaten gleichermaßen,<br />

indem es zunächst die Grundstrukturen erklärt, um sodann das<br />

examensnotwendige Detailwissen zu vermitteln. Didaktisches<br />

Ziel dieses Skripts ist es, Klausurwissen und Klausurtechnik zu<br />

vermitteln.<br />

Jura Intensiv<br />

Schuldrecht AT, 3. Auflage, Mai <strong>2016</strong><br />

ISBN: 978-3-946549-04-8, Autor: <strong>RA</strong> Oliver Soltner<br />

Career<br />

Skripte<br />

itorium<br />

Erhältlich im Onlineshop und<br />

in Ihrer Buchhandlung<br />

verlag.jura-intensiv.de


402 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>08</strong>/<strong>2016</strong><br />

Problem: Stillschweigender Haftungsausschluss bei<br />

einem nachbarlichen Gefälligkeitsverhältnis<br />

Einordnung: Schuldrecht<br />

BGH, Urteil vom 26.04.<strong>2016</strong><br />

VI ZR 467/15<br />

LEITSATZ<br />

Zu den Anforderungen an die<br />

Annahme einer Abrede über eine<br />

Haftungsbeschränkung, wenn ein<br />

Schaden bei einem Gefälligkeitserweis<br />

unter Nachbarn entstanden<br />

ist (Bewässern <strong>des</strong> Gartens).<br />

EINLEITUNG<br />

Seinen Verwandten, Freunden und Nachbarn hilft man gerne. Entsteht dabei<br />

jedoch durch ein Missgeschick ein Schaden, müssen die Helfer mit einer<br />

Haftung rechnen. Damit gut gemeinte, uneigennützige Hilfsbereitschaft<br />

nicht zu einer unberechenbaren Haftungsfalle für den Helfer wird, haben<br />

die Gerichte den sog. stillschweigenden Haftungsausschluss bei leichter<br />

Fahrlässigkeit entwickelt. Wann und unter welchen Voraussetzungen er zur<br />

Anwendung kommt, zeigt die vorliegende <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> BGH.<br />

SACHVERHALT<br />

Kläger (K) ist der Nachbar <strong>des</strong> Beklagten (B). Da K einen 2-wöchigen Kuraufenthalt<br />

an der Nordsee vornehmen möchte, bittet er B in dieser Zeit sein Haus<br />

zu versorgen und den Garten zu bewässern. B kommt dem gerne nach. Am<br />

29.07.2011 bewässert B den Nachbargarten mit einem an eine Außenzapfstelle<br />

<strong>des</strong> Hauses montierten Wasserschlauch. Anschließend dreht er die am<br />

Schlauch befindliche Spritze zu, stellt aber die Wasserzufuhr zum Schlauch<br />

nicht ab. In der Nacht vom 29. auf den 30.06.2011 löst sich der weiter unter<br />

Wasserdruck stehende Schlauch aus der Spritze. In der Folge tritt aus dem<br />

Schlauch eine erhebliche Menge Leitungswasser aus, läuft in das Gebäude <strong>des</strong><br />

K und führt im Untergeschoss zu Beschädigungen i.H.v. 11.691 €. Diese verlangt<br />

K von B ersetzt. B ist für Schäden bei Nachbarschaftshilfe und Gefälligkeitshandlungen<br />

privat haftpflichtversichert. Zu Recht?<br />

PRÜFUNGSSCHEMA<br />

Jura Intensiv<br />

A. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B aus §§ 280 I, 241 II BGB<br />

B. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B aus § 823 I BGB<br />

I. Rechtsgutsverletzung<br />

II. Verhalten und Kausalität<br />

III. Rechtswidrigkeit<br />

IV. Verschulden<br />

V. Adäquat kausaler Schaden<br />

C. Ergebnis<br />

LÖSUNG<br />

Keine vertraglichen Ansprüche, da<br />

bloß ein Gefälligkeitsverhältnis ohne<br />

Rechtsbindungswillen vorliegt<br />

A. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B aus §§ 280 I, 241 II BGB<br />

Ein Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB setzt ein Schuldverhältnis voraus. Dies<br />

könnte hier in einem Gefälligkeitsvertrag, einem Auftrag bestehen. Zweifelhaft<br />

ist angesichts der durch das Nachbarverhältnis bestehenden persönlichen<br />

Nähe, der geringen wirtschaftlichen Bedeutung für den Gefälligkeitsnehmer<br />

und einer kaum erforderlichen Qualifikation <strong>des</strong> Gefälligen, der Rechtsbindungswille<br />

<strong>des</strong> Gefälligen zum Abschluss eines Auftragsvertrages.


<strong>RA</strong> <strong>08</strong>/<strong>2016</strong><br />

Zivilrecht<br />

403<br />

„[81] Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Versorgung<br />

<strong>des</strong> Nachbarhauses einschließlich der Bewässerung <strong>des</strong> Gartens<br />

durch den Beklagten im Rahmen eines reinen Gefälligkeitsverhältnisses<br />

erfolgte, in welchem es an einem Rechtsbindungswillen fehlt. Für den bei<br />

der Ausführung der Gefälligkeit entstandenen Schaden kommen daher<br />

keine vertraglichen, sondern nur deliktische Ansprüche in Betracht.“<br />

B. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B aus § 823 I BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Ersatz <strong>des</strong> beschädigten Untergeschosses<br />

i.H.v. 11.691 € gem. § 823 I BGB haben.<br />

I. Rechtsgutverletzung<br />

Die durch die erhebliche Menge Leitungswasser verursachten Beschädigungen<br />

im Untergeschoss <strong>des</strong> Hauses von K stellen eine Eigentumsverletzung<br />

i.S.d. § 823 I BGB dar.<br />

II. Verhalten und Kausalität<br />

Weil B die Wasserzufuhr zum Schlauch nicht abstellte, löste sich dadurch in<br />

der Nacht vom 29. auf den 30.06.2011 der weiter unter Wasserdruck stehende<br />

Schlauch aus der Spritze, mit der Folge, dass eine erhebliche Menge Leitungswasser<br />

aus dem Schlauch austrat und das Untergeschoss flutete. Folglich<br />

wurde die Rechtsgutverletzung von B in adäquat kausaler Weise verursacht.<br />

III. Rechtswidrigkeit<br />

Die Rechtswidrigkeit <strong>des</strong> Verhaltens <strong>des</strong> B wird vermutet.<br />

IV. Verschulden<br />

Die Wasserzufuhr drehte B aus Unachtsamkeit nicht ab und ließ damit die im<br />

Verkehr erforderliche Sorgfalt gem. § 276 II BGB außer Acht. Mithin handelte<br />

er leicht fahrlässig. Zu prüfen ist jedoch, ob die Haftung <strong>des</strong> B vorliegend auf<br />

Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist.<br />

„[8] Zutreffend ist, dass gesetzliche Haftungsbeschränkungen, vor allem<br />

solche, die für unentgeltliche Verträge gelten (z.B. §§ 521, 599, 690 BGB), auf<br />

die deliktische Haftung im Rahmen der unentgeltlichen Nachbarschaftshilfe<br />

nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar sind. Dagegen spricht<br />

neben den grundsätzlichen Bedenken, dass es an einer echten Anspruchskonkurrenz<br />

zwischen deliktischen und vertraglichen Ansprüchen fehlt,<br />

schon die Tatsache, dass es für den ebenfalls unentgeltlichen Auftrag als<br />

vertragliche Entsprechung zur Hilfe unter Nachbarn eine gesetzliche Haftungsbeschränkung<br />

nicht gibt.<br />

Jura Intensiv<br />

Stillschweigende Haftungsbegrenzung<br />

auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit<br />

Gesetzliche Haftungsbeschränkungen<br />

sind nicht anwendbar<br />

[9] Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung <strong>des</strong><br />

Berufungsgerichts, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung von<br />

einer Abrede <strong>des</strong> Beklagten und seines Nachbarn auszugehen sei, nach der<br />

die Haftung <strong>des</strong> Beklagten für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen sei.<br />

[10] Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass jemand,<br />

dem eine Gefälligkeit erwiesen wird, auf deliktische Schadensersatzansprüche<br />

verzichtet. Eine Haftungsbeschränkung kann sich allerdings<br />

im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf der Grundlage <strong>des</strong><br />

§ 242 BGB ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung <strong>des</strong> erkennenden<br />

Senats kann eine solche Beschränkung aber nur ausnahmsweise<br />

Richtig zitiert folgen die Voraussetzungen<br />

einer Haftungsbeschränkung<br />

im Wege ergänzender<br />

Vertragsauslegung aus. §§ 133, 157,<br />

242 BGB.


404 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>08</strong>/<strong>2016</strong><br />

Grundsätzlich nur anzunehmen,<br />

wenn der Schädiger keine Haftpflichtversicherung<br />

hat<br />

Zudem ist das Haftungsrisiko vorliegend<br />

von B hinzunehmen<br />

bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden; denn sie<br />

stellt eine künstliche Rechtskonstruktion aufgrund einer Willensfiktion<br />

dar, da sie von einem Haftungsverzicht ausgeht, an den beim Abschluss der<br />

Abrede niemand gedacht hat. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass der<br />

Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, einen<br />

Haftungsverzicht gefordert und sich der Geschädigte dem ausdrücklichen<br />

Ansinnen einer solchen Abmachung billigerweise nicht hätte<br />

versagen dürfen. An diesen Voraussetzungen fehlt es regelmäßig, wenn<br />

der Schädiger gegen Haftpflicht versichert ist. Denn eine Haftungsbeschränkung,<br />

die nicht den Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer<br />

entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten. Für<br />

die Annahme eines Haftungsverzichts genügt es ferner nicht, dass der<br />

Schaden bei einem Gefälligkeitserweis entstanden ist und zwischen<br />

Schädiger und Geschädigtem enge persönliche Beziehungen bestehen.<br />

Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich, dass der Schädiger keinen Haftpflichtversicherungsschutz<br />

genießt, für ihn ein nicht hinzunehmen<strong>des</strong><br />

Haftungsrisiko bestehen würde und darüber hinaus besondere Umstände<br />

vorliegen, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht als besonders nahe<br />

liegend erscheinen lassen.<br />

Vorliegend ist B für Schäden bei Gefälligkeitshandlungen privat haftpflichtversichert.<br />

Dies spricht gegen einen konkludente Haftungsbeschränkung auf<br />

Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.<br />

„[12] Zudem fehlt es vorliegend an der Voraussetzung eines nicht hinzunehmenden<br />

Haftungsrisikos. Das Bewässern eines Gartens durch den Nachbarn<br />

birgt, wie je<strong>des</strong> Tätigwerden für einen anderen, Gefahrenmomente, ohne<br />

vordergründig gefahrgeneigt zu sein.“<br />

Die einfache Fahrlässigkeit <strong>des</strong> B ist damit im Rahmen <strong>des</strong> Verschuldens<br />

ausreichend.<br />

V. Adäquat kausaler Schaden<br />

Der Schaden im Untergeschoss beruht zudem adäquat kausal auf der Rechtsgutverletzung.<br />

Er ist gem. § 249 II BGB zu ersetzen.<br />

Jura Intensiv<br />

B. Ergebnis<br />

K hat gegen B einen Anspruch auf Ersatz <strong>des</strong> beschädigten Untergeschosses<br />

i.H.v. 11.691 € gem. § 823 I BGB.<br />

FAZIT<br />

Bei Gefälligkeitsverhältnissen drohen den Helfern unbillige Haftungsrisiken<br />

aus dem Deliktsrecht, weil die Haftungsprivilegierungen der §§ 521, 599, 690<br />

BGB weder direkt noch analog anwendbar sind. Um gefällige Helfer nicht<br />

übermäßig zu gefährden, muss geprüft werden, ob ausnahmsweise ein<br />

stillschweigender Haftungsausschluss durch konkludentes Verhalten der<br />

Vertragsparteien vereinbart wurde oder über ergänzende Vertragsauslegung<br />

hergeleitet werden kann. Regelmäßig wird dies nur zu bejahen sein, wenn der<br />

Helfer nicht durch eine Haftpflichtversicherung geschützt ist.


Grundlagen<br />

richtig erarbeiten<br />

25,90 €<br />

Das Skript enthält eine systematische Darstellung<br />

<strong>des</strong> Verwaltungsprozessrechts, insb.:<br />

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• Anfechtungsklage<br />

• Verpflichtungsklage<br />

• Fortsetzungsfeststellungsklage<br />

• Allgemeine Leistungsklage<br />

• Feststellungsklage<br />

• Prinzipale Normenkontrolle<br />

• Vorläufiger Rechtsschutz<br />

(§§ 80 V, 80a, 123, 47 VI VwGO)<br />

• Rechtsmittelverfahren<br />

• Verwaltungsbehördlicher Rechtsschutz<br />

Produktbeschreibung:<br />

Das Skript enthält eine systematische Darstellung <strong>des</strong><br />

Verwaltungsprozessrechts, die sich an den Bedürfnissen<br />

von Studierenden orientiert. Es wendet sich an Anfänger<br />

zur Vorbereitung auf universitäre Klausuren und Examenskandidaten<br />

gleichermaßen, indem es zunächst die Grundstrukturen<br />

erklärt, um sodann das examensnotwendige<br />

Detailwissen darzustellen. Didaktisches Ziel dieses Skripts<br />

ist es, Klausurwissen und Klausurtechnik zu vermitteln.<br />

Jura Intensiv<br />

Verwaltungsprozessrecht, 3. Auflage, Mai <strong>2016</strong><br />

ISBN: 978-3-946549-05-5, Autoren: <strong>RA</strong> Dr. Dirk Kues, <strong>RA</strong> Frank Schildheuer<br />

Career<br />

Skripte<br />

itorium<br />

Erhältlich im Onlineshop und<br />

in Ihrer Buchhandlung<br />

verlag.jura-intensiv.de


Jura Intensiv<br />

<strong>RA</strong> DIGITAL<br />

<strong>08</strong>/<strong>2016</strong>

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