24.08.2016 Aufrufe

RVGreport 09/2016

Schöpfen Sie bereits alle Möglichkeiten für die eigene Honorarabrechnung aus? Der RVGreport informiert Sie jeden Monat ausführlich und aktuell über alles Wissenswerte zum Thema Anwaltsvergütungsrecht. Der RVGreport ist besonders durch seinen Praxisbezug renommiert. Aktuelle Beiträge, geschrieben von spezialisierten Autoren, vermitteln das erforderliche Fachwissen, verdeutlichen es durch zahlreiche Beispielsfälle und bieten so das entscheidende Plus für Ihre Abrechnungen. Im Rechtsprechungsreport werden neue Gerichtsentscheidungen rezensiert und mit einem Fazit für die tägliche Praxis versehen. Zahlreiche praktische Muster, Checklisten und Berechnungsbeispiele komplettieren das Angebot. Der RVGreport bietet: Beiträge zum RVG und zum Gerichtskostenrecht Muster und Checklisten Entscheidungsrezensionen und Praxistipps Erläuterungen der RVG-Vorschriften Berechnungsbeispiele zum RVG

Schöpfen Sie bereits alle Möglichkeiten für die eigene Honorarabrechnung aus? Der RVGreport informiert Sie jeden Monat ausführlich und aktuell über alles Wissenswerte zum Thema Anwaltsvergütungsrecht.

Der RVGreport ist besonders durch seinen Praxisbezug renommiert. Aktuelle Beiträge, geschrieben von spezialisierten Autoren, vermitteln das erforderliche Fachwissen, verdeutlichen es durch zahlreiche Beispielsfälle und bieten so das entscheidende Plus für Ihre Abrechnungen.

Im Rechtsprechungsreport werden neue Gerichtsentscheidungen rezensiert und mit einem Fazit für die tägliche Praxis versehen. Zahlreiche praktische Muster, Checklisten und Berechnungsbeispiele komplettieren das Angebot.

Der RVGreport bietet:

Beiträge zum RVG und zum Gerichtskostenrecht
Muster und Checklisten
Entscheidungsrezensionen und Praxistipps
Erläuterungen der RVG-Vorschriften
Berechnungsbeispiele zum RVG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>RVGreport</strong><br />

Anwaltsgebühren · Streitwert · Gerichtskosten ·<br />

Erstattung · Rechtsschutz<br />

9 | <strong>2016</strong><br />

Seite 321 bis 360<br />

17. Jahrgang<br />

ISSN 1617-545X<br />

Aus dem Inhalt<br />

Herausgeber<br />

Vors. Richter am LG a.D.<br />

Heinz Hansens, Berlin<br />

Rechtsanwalt<br />

Anton Braun, Bonn<br />

Hauptgeschäftsführer der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

a.D.<br />

Rechtsanwalt und Notar<br />

Herbert P. Schons, Duisburg<br />

Vorsitzender der Tagung der<br />

Gebührenreferenten der<br />

Rechtsanwaltskammern<br />

Rechtsanwalt<br />

Dr. Egon Schneider (†), Much<br />

#■ <strong>RVGreport</strong> – Aktuell<br />

In diesem Heft . . .................................. 321<br />

In aller Kürze . . . .................................. 322<br />

#■ Fälle aus der Praxis<br />

Rückforderung der ausgezahlten Beratungshilfe‐Vergütung<br />

Diplom‐Rechtspfleger Stefan Lissner, Konstanz ................. 322<br />

#■ Literaturreport<br />

#■ <strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen<br />

#■ Rechtsprechungsreport<br />

BGH: Formerfordernisse eines Schuldbeitritts zur Vergütungsvereinbarung<br />

. . . .................................. 332<br />

AG Limburg a.d. Lahn: Angelegenheit bei der außergerichtlichen<br />

Unfallschadensregulierung ............................ 337<br />

VG Karlsruhe: Gebühr für ein ärztliches Attest als Auslage des<br />

PKH‐Anwalts . . . .................................. 340<br />

LAG Hamburg: Keine Prüfung des Gebots der kostensparenden<br />

Rechtsverfolgung im Festsetzungsverfahren . . . ............. 344<br />

OLG Hamburg: Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach<br />

§107ZPO ....................................... 352<br />

OLG Saarbrücken: Überprüfung der Erklärung zur fehlenden<br />

Vorsteuerabzugsberechtigung . . . ....................... 354<br />

Sächs. OVG: Reichweite des Beschwerdeausschlusses im PKH‐<br />

Verfahren ....................................... 356<br />

In Zusammenarbeit mit der<br />

www.zap-verlag.de


Inhalt<br />

<strong>RVGreport</strong> – Aktuell<br />

In diesem Heft 321<br />

In aller Kürze 322<br />

Fälle aus der Praxis<br />

Diplom‐Rechtspfleger Stefan Lissner, Konstanz<br />

Rückforderung der ausgezahlten Beratungshilfe‐Vergütung 322<br />

Literaturreport 327<br />

<strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen 329<br />

Rechtsprechungsreport<br />

• BGH, Urt. v. 12.5.<strong>2016</strong> – IX ZR 208/15<br />

Formerfordernisse eines Schuldbeitritts zur Vergütungsvereinbarung<br />

332<br />

• LSG NRW, Beschl. v. 9.9.2015 – L 16 KR 716/14 B<br />

Unbeachtlichkeit einer die Gebührenanrechnung vermeidenden<br />

Vergütungsvereinbarung 333<br />

• LG Kiel, Beschl. v. 11.1.<strong>2016</strong> – 6 Qs 2/16<br />

Rahmengebühren des Pflichtverteidigers; Erstattungsfähigkeit<br />

der Reisekosten 335<br />

• LG Cottbus, Beschl. v. 20.6.<strong>2016</strong> – 22 Qs 106/16<br />

Erhöhte Mittelgebühr im Bußgeldverfahren 336<br />

• AG Limburg a.d. Lahn, Urt. v. 27.6.<strong>2016</strong> – 4 C 208/16<br />

Angelegenheit bei der außergerichtlichen Unfallschadensregulierung<br />

337<br />

• BGH, Beschl. v. 7.6.<strong>2016</strong> – 2 StR 190/12<br />

Pauschgebühr des Wahlverteidigers 339<br />

• VG Karlsruhe, Beschl. v. 19.4.<strong>2016</strong> – 7 K 4633/15<br />

Gebühr für ein ärztliches Attest als Auslage des PKH‐Anwalts 340<br />

• OLG Hamm, Beschl. v. 15.2.<strong>2016</strong> – 6 WF 46/14<br />

Unterlassene Mitteilung von Mandantenzahlungen 342<br />

• LAG Hamburg, Beschl. v. 25.5.<strong>2016</strong> – 6 Ta 11/16<br />

Keine Prüfung des Gebots der kostensparenden Rechtsverfolgung<br />

im Festsetzungsverfahren 344<br />

• LAG Nürnberg, Beschl. v. 23.3.<strong>2016</strong> – 5 Ta 36/16<br />

Keine Einigungsgebühr für beigeordneten Verkehrsanwalt 346<br />

• AG Pirmasens, Beschl. v. 6.1.<strong>2016</strong> – 1 Ls 4372 Js 13002/13 jug<br />

Längenzuschlag für den Pflichtverteidiger 347<br />

• AG Gießen, Beschl. v. 29.6.<strong>2016</strong> – 507 Ds‐604 Js 35439/13<br />

Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren nach<br />

Rücknahme der Anklage 348<br />

• VG Berlin, Beschl. v. 10.5.<strong>2016</strong> – 3 M 20.16<br />

Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Auskunft aus dem<br />

Vermögensverzeichnis 349<br />

• OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.4.<strong>2016</strong> – 15 W 6/16<br />

Kosten eines Simultandolmetschers 350<br />

• OLG Hamburg, Beschl. v. 5.4.<strong>2016</strong> – 8 W 36/16<br />

Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach § 107 ZPO 352<br />

• OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.3.<strong>2016</strong> – 9 W 1/16<br />

Überprüfung der Erklärung zur fehlenden Vorsteuerabzugsberechtigung<br />

354<br />

• Bay. VGH, Beschl. v. 26.4.<strong>2016</strong> – 3 C 15.2578<br />

Gegenstandswert im Verfahren der Beschwerde gegen einen<br />

Aussetzungsbeschluss 355<br />

• Sächs. OVG, Beschl. v. 15.2.<strong>2016</strong> – 3 E 98/15<br />

Reichweite des Beschwerdeausschlusses im PKH‐Verfahren 356<br />

• LSG Berlin‐Brandenburg, Beschl. v. 15.1.<strong>2016</strong> – L 11 SB 324/15 B PKH<br />

Statthaftigkeit der Beschwerde bei PKH‐Bewilligung unter<br />

Anordnung von Raten, Beginn der Ratenzahlung 357<br />

• OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.5.<strong>2016</strong> – 2 VAs 71/15 und 2 VAs 69/15<br />

Entscheidung über Absehen vom Kostenansatz im Erinnerungsverfahren<br />

nicht überprüfbar 358<br />

Impressum<br />

Verlag: ZAP Verlag GmbH, Rochusstr. 2–4, 53123 Bonn, Telefon: 0228/91911-62,<br />

Telefax: 0228/91911-66, E-Mail: info@zap-verlag.de, Internet: www.zap-verlag.de.<br />

Schriftleitung: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, E-Mail: fam.hansens@t-online.de.<br />

Ständige Mitarbeiter:<br />

• RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg<br />

• Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich<br />

Redaktion: Anna Kostinski (V.i.S.d.P.), E-Mail: rvgreport@zap-verlag.de.<br />

Anzeigenverwaltung: Dr. Miriam Goetz, Telefon: 0228/91911-40, Telefax: 0228/<br />

91911-66, E-Mail: anzeigen@zap-verlag.de.<br />

Erscheinungsweise: monatlich.<br />

Bezugspreis: Jährlich 190,46 € (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten. Der Abonnementsvertrag<br />

ist auf unbestimmte Zeit geschlossen; Preisänderungen bleiben<br />

vorbehalten.<br />

Kündigung: Sechs Wochen zum Ende des Bezugsjahres.<br />

Druck: Appel & Klinger Druck und Medien GmbH, Schneckenlohe.<br />

ISSN: 1617-545X<br />

Bibliografischer Hinweis: 2000 bis 2004 wurde die Zeitschrift unter<br />

dem Titel „BRAGOreport“ geführt und ab Anfang 2004 in „<strong>RVGreport</strong>“<br />

umbenannt.<br />

Manuskripte: Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte. Die Annahme zur Veröffentlichung erfolgt schriftlich. Mit<br />

der Annahme überträgt der Autor dem Verlag das ausschließliche<br />

Verlagsrecht. Eingeschlossen sind insb. die Befugnis zur Einspeicherung<br />

in eine Datenbank sowie das Recht der weiteren Vervielfältigung.<br />

Haftungsausschluss: Verlag, Schriftleitung und Autor/en übernehmen<br />

keinerlei Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der abgedruckten<br />

Inhalte. (Formulierungs-)Hinweise, Beispielsrechnungen, Muster und<br />

Anmerkungen stellen lediglich Arbeitshilfen und Anregungen für die<br />

Lösung typischer Fallgestaltungen dar. Die Verantwortung für die<br />

Verwendung trägt der Leser.<br />

Urheber- und Verlagsrechte: Alle Rechte zur Vervielfältigung und<br />

Verbreitung sind dem Verlag vorbehalten. Der Rechtsschutz gilt auch<br />

gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen.


<strong>RVGreport</strong><br />

<strong>RVGreport</strong> – Aktuell<br />

<strong>RVGreport</strong> – Aktuell<br />

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens<br />

In diesem Heft<br />

Anhand eines Falles aus der Praxis befasst sich Lissner ab S. 322 mit<br />

den Problemen der Rückforderung der ausgezahlten Beratungshilfe-Vergütung<br />

von dem RA.<br />

In dem Urteil auf S. 332 hat der BGH entschieden, dass die<br />

Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG auch für einen<br />

Schuldbeitritt zu einer Vergütungsvereinbarung gelten. Nach<br />

unzutreffender Auffassung des LSG NRW – Beschluss auf S. 333 –<br />

ist eine Vergütungsvereinbarung, die die Gebührenanrechnung<br />

ausschließt, im Verhältnis zur Landeskasse sittenwidrig und deshalb<br />

unbeachtlich. Mit der Bemessung der Rahmengebühren des<br />

Pflichtverteidigers und mit den Reisekosten des auswärtigen<br />

Pflichtverteidigers befasst sich der Beschluss des LG Kiel auf<br />

S. 335. Der Entscheidung des LG Cottbus auf S. 336 kann entnommen<br />

werden, dass auch im straßenverkehrsrechtlichen<br />

Bußgeldverfahren höhere Gebühren als die Mittelgebühren angemessen<br />

sein können. Nach Auffassung des AG Limburg a.d.<br />

Lahn in seinem Urteil auf S. 337 stellt die außergerichtliche<br />

Vertretung des Eigentümers des Unfallfahrzeugs und des Fahrers<br />

dieses Fahrzeugs zwei gesonderte gebührenrechtliche Angelegenheiten<br />

dar. Mit der Bemessung der Pauschgebühr des<br />

Wahlverteidigers befasst sich der Beschluss des BGH auf S. 339.<br />

Je nach den Umständen des Einzelfalls können auch die Auslagen<br />

des PKH-Anwalts für ein ärztliches Attest seines Mandanten aus<br />

der Staatskasse zu ersetzen sein, meint das VG Karlsruhe in<br />

seinem Beschluss auf S. 340.<br />

Nach Auffassung des OLG Hamm – Beschluss auf S. 342 – führt ein<br />

Verstoß des im Wege der PKH beigeordneten RA gegen seine<br />

Verpflichtung, empfangene Mandantenzahlungen mitzuteilen,<br />

nicht zum Wegfall oder zur Kürzung seiner PKH-Anwaltsvergütung.<br />

Vielmehr ist nach dem Bekanntwerden solcher Zahlungen<br />

zu prüfen, ob diese nach den normalen Regeln anzurechnen sind.<br />

Hat das Prozessgericht dem Mandanten einen RA in jedem der<br />

gleichzeitig angestrengten Gerichtsverfahren im Wege der PKH<br />

beigeordnet, so steht mit Wirkung für das Festsetzungsverfahren<br />

fest, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur kostensparenden<br />

Rechtsverfolgung nicht vorliegt, meint zutreffend das LAG<br />

Hamburg in seinem Beschluss auf S. 344.<br />

Nach Auffassung des LAG Nürnberg in seiner Entscheidung auf<br />

S. 346 kann der beigeordnete Verkehrsanwalt aus der Landeskasse<br />

grundsätzlich nur die Verfahrensgebühr, nicht auch die für die<br />

Mitwirkung am Abschluss eines Vergleichs angefallene Einigungsgebühr<br />

verlangen. Welcher Hauptverhandlungsbeginn für die Berechnung<br />

des Längenzuschlags des Pflichtverteidigers maßgeblich<br />

ist, erörtert das AG Pirmasens in seinem Beschluss auf S. 347.<br />

Gegenstand der Entscheidung des AG Gießen auf S. 348 ist die<br />

Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verfahrensgebühr für<br />

das vorbereitende Verfahren nach Rücknahme der Anklage anfällt.<br />

Ferner stellt das AG klar, dass die Mitwirkung des RA an einer<br />

Einstellungsentscheidung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO die zusätzliche<br />

Verfahrensgebühr auslöst.<br />

Nach Auffassung des VG Berlin zu seinem Beschluss auf S. 349<br />

kann der Gläubiger auch die Gerichtskosten für die Einholung einer<br />

Vermögensauskunft vom Schuldner erstattet verlangen. Unter<br />

welchen Voraussetzungen die Kosten eines Simultandolmetschers<br />

erstattungsfähig sind, erörtert das OLG Düsseldorf in seinem<br />

Beschluss auf S. 350.<br />

Welche Folgen die Änderung einer Streitwertfestsetzung für das<br />

Kostenfestsetzungsverfahren hat, erörtert das OLG Hamburg in<br />

seinem Beschluss auf S. 352. Dabei geht das OLG auch darauf ein,<br />

was Gegenstand eines Abänderungsantrages nach § 107 ZPO sein<br />

kann. Unter welchen Voraussetzungen eine Erklärung des Antragstellers<br />

zur fehlenden Vorsteuerabzugsberechtigung im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

überprüft werden kann, erörtert das OLG<br />

Saarbrücken in seiner Entscheidung auf S. 354.<br />

In dem Beschluss des Bay. VGH auf S. 355 geht es um den<br />

Gegenstandswert für das Verfahren der Beschwerde gegen einen<br />

Aussetzungsbeschluss.<br />

Welche Reichweite der Beschwerdeausschluss in § 146 Abs. 2<br />

VwGO im PKH-Verfahren hat, ist Gegenstand der Entscheidung<br />

des Sächs. OVG auf S. 356. Das LSG Berlin-Brandenburg –<br />

Beschluss auf S. 357 – erörtert, unter welchen Voraussetzungen<br />

eine Beschwerde gegen die PKH-Bewilligung nur unter Anordnung<br />

von Ratenzahlungen zulässig ist. Außerdem geht das LSG<br />

auf die Frage ein, wann die Ratenzahlung beginnt.<br />

In seinem Beschluss auf S. 358 hat das OLG Karlsruhe festgestellt,<br />

dass die Entscheidung des Kostenbeamten, vom Kostenansatz<br />

nicht abzusehen, im Erinnerungsverfahren nicht überprüfbar ist.<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 321


Fälle aus der Praxis<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens<br />

In aller Kürze<br />

Prozesskostenhilfe im Strafverfahren soll<br />

erweitert werden<br />

EU-Kommission, Europäisches Parlament und der Rat der EU<br />

haben sich auf eine Richtlinie zur Prozesskostenhilfe im Strafverfahren<br />

einigen können. Diese Richtlinie muss noch vom EU-<br />

Parlament und dem Rat formell gebilligt werden. Danach haben<br />

die Mitgliedsländer eine Frist von 2 Jahren zur Umsetzung der<br />

Richtlinie in nationales Recht. Die Richtlinie umfasst einmal<br />

die Fälle der notwendigen Verteidigung, die bereits in der –<br />

deutschen – StPO geregelt sind. Darüber hinaus sieht die<br />

Richtlinie ein Recht auf Prozesskostenhilfe bei bestimmten<br />

Ermittlungsmaßnahmen, etwa bei Tatortrekonstruktionen und<br />

Gegenüberstellungen vor. Außerdem soll das Recht des Beschuldigten<br />

auf Prozesskostenhilfe in Fällen des Europäischen Haftbefehls<br />

gestärkt werden.<br />

Fälle aus der Praxis<br />

Diplom-Rechtspfleger Stefan Lissner, Konstanz<br />

Rückforderung der ausgezahlten<br />

Beratungshilfe-Vergütung<br />

Die Frage der Rückforderung ausbezahlter Beratungshilfe-Vergütung gewann mit den Neuregelungen ab 1.1.2014 immens an Bedeutung.<br />

War zuvor eine Aufhebung der Beratungshilfe (BerHi) nicht bzw. nach Teilen der Rechtsprechung nur im Einzelfall zulässig<br />

und somit ein Wiedereinzug der Vergütung für die Staatskasse allenfalls vom erstattungspflichtigen Gegner möglich, ist seit dem<br />

1.1.2014 eine gesetzliche Regelung sowohl für die Staatskasse als auch für die Beratungsperson geschaffen worden. Vorliegende<br />

Abhandlung soll sich – am Beispiel eines Falles aus der Praxis – mit dieser Frage beschäftigen.<br />

I. Sachverhalt<br />

Im September 2013 wurde einem Rechtsuchenden BerHi für die<br />

Angelegenheit „Trennung“ bewilligt. Im selben Monat wurde dem<br />

BerHi gewährenden RA – nennen wir ihn RA A – eine Vergütung<br />

i.H.v. zusammen 99,96 € abgerechnet (von gerichtlicher Seite<br />

erfolgte kein förmlicher Festsetzungsbeschluss).<br />

Anmerkung<br />

Das 2. KostRMoG ist bereits zum 1.8.2013 in Kraft getreten.<br />

Ausgehend vom Sachverhalt (Bewilligung und Abrechnung<br />

September) müsste es sich um eine nachträgliche Bewilligung<br />

gehandelt haben. Sofern eine vorherige Bewilligung inklusive<br />

Scheinerteilung stattgefunden haben sollte, hätte ausgehend<br />

vom Datum eine höhere Vergütung, nämlich seit dem<br />

2. KostRMoG die angehobene Vergütung i.H.v. 85 € zzgl.<br />

Postentgeltpauschale sowie Ust. abgerechnet werden müssen.<br />

Für die weitere Fallkonstellation dürfte diese Frage indes<br />

von nachrangiger Bedeutung sein.<br />

Ebenfalls im Monat September 2013 wird von demselben Rechtsuchenden<br />

neuerlich um BerHi nachgesucht. Hintergrund des<br />

neuerlichen Gesuchs ist der Sachverhalt, dass sein zunächst<br />

beauftragter RA A (s.o., welcher bereits „abgerechnet“ hat) den<br />

Rechtsuchenden nicht weiter vertreten könne, da dieser die<br />

Ehefrau des Rechtsuchenden bereits in früherer Zeit vertreten<br />

habe und somit eine Interessenkollision vorliege, die dem Rechtsuchenden<br />

schriftlich von RA A angezeigt wird. Daraufhin bewilligt<br />

das örtlich zuständige Gericht im September 2013 dem<br />

Rechtsuchenden neuerlich BerHi in derselben Angelegenheit mit<br />

dem Argument, der Antragsteller habe ja die Interessenkollision<br />

nicht zu vertreten und ihm könne deshalb BerHi nicht verwehrt<br />

werden.<br />

Wohl aufgrund der neuerlichen Vergütungsabrechnung des zweiten<br />

RA – nennen wir ihn RA B – tritt nun die Staatskasse auf den<br />

Plan. Diese sah – bei Vergütungsabrechnung des RA A – noch<br />

keinen Schaden und auch bei der neuerlichen Bewilligung von<br />

BerHi betr. RA B zunächst keinen Schaden. Erst die Abrechnung<br />

von RA B soll nach Ansicht der Landeskasse diese vor das Problem<br />

der Doppelabrechnung stellen und dadurch einen Schaden auslösen.<br />

Als Konsequenz legt die Staatskasse nun Erinnerung gegen<br />

die Festsetzung der bereits liquidierten 99,96 € des (ersten) RA A<br />

ein (also desjenigen mit der Interessenkollision) und begründet dies<br />

wie folgt: Es sei kein förmlicher Festsetzungsbeschluss ergangen,<br />

die Erinnerung sei nicht fristgebunden. Zudem bestehe für den RA<br />

A im Verhältnis zu dem Mandanten ein Tätigkeitsverbot (§ 43a<br />

Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA). Wegen der Art der Tätigkeit habe<br />

der RA A folglich erkennen müssen, dass eine Interessenkollision<br />

vorliege, er hätte insoweit den Rechtsuchenden nicht vertreten<br />

dürfen. Infolgedessen sei das zugrunde liegende Vertragsverhältnis<br />

322 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Fälle aus der Praxis<br />

nach § 134 BGB nichtig, was dazu führe, dass RA A aus seiner<br />

Tätigkeit keinen Vergütungsanspruch herleiten könne. 1 RA A, dem<br />

die Erinnerung zugeleitet wurde, beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.<br />

Er bezieht sich dabei auf die Entscheidung des BGH<br />

NJW-RR 2010, 67, der diese Frage der Nichtigkeit „offen lasse“. Außerdem<br />

würde eine Nichtigkeit nicht dazu führen, dass Prozesshandlungen<br />

unwirksam würden, 2 so dass auch bei gerichtlichen<br />

Handlungen keine Unwirksamkeit vorliege und folglich die Tätigkeit<br />

wirksam bleibe und eine Vergütung daher zu erfolgen hätte,<br />

ein Rückforderungsanspruch daher nicht bestehe.<br />

Dieser sicherlich nicht häufig vorkommende Fall gibt Anlass, mehrere<br />

Probleme zu betrachten.<br />

II. Die Höhe der Vergütung<br />

Ausgehend vom Sachverhalt hat RA A eine Vergütung i.H.v.<br />

99,96 € erhalten. Hierbei handelt es sich um die Geschäftsgebühr<br />

Nr. 2503 VV RVG i.H.v. (damals) 70 €. Die Geschäftsgebühr regelt<br />

diejenigen Fälle, in denen ein anwaltliches Tätigwerden nach<br />

außen im Wege der Beratungshilfe notwendig wurde. Hier muss<br />

RA A folglich nach außen hin tätig geworden sein. Hinzu kommen<br />

die Postentgeltpauschale oder die tatsächlichen Auslagen, deren<br />

Bemessungshöhe sich nicht nach der fiktiven Wahlanwaltsvergütung<br />

richtet, sondern nach den gesetzlichen Beratungshilfegebühren.<br />

3 Ebenfalls hinzu kommt die Ust. 4<br />

Seit dem 1.8.2014 beträgt die Geschäftsgebühr nicht mehr 70 €,<br />

sondern tatsächlich 85 €. Durch das zum 1.8.2014 in Kraft getretene<br />

2. KostRMoG 5 wurden die Beratungshilfegebühren insoweit<br />

„gering“ erhöht. 6 Im vorliegenden Sachverhalt muss es sich<br />

bei der Abrechnung des RA A entweder um einen nachträglichen<br />

Antrag gehandelt haben (Auftragserteilung vor dem 1.8.2013) oder<br />

es erfolgte ein falscher Gebührenansatz, wie sich aus folgender<br />

Vergleichsberechnung ergibt:<br />

I. Berechnung nach dem bis zum 30.6.2013 geltenden<br />

Recht<br />

1. Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV RVG 70,00 €<br />

2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 14,00 €<br />

3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 15,96 €<br />

Summe: 99,96 €<br />

II. Berechnung nach dem ab dem 1.8.2013 geltenden<br />

Recht<br />

1. Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV RVG 85,00 €<br />

2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 17,00 €<br />

3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 19,38 €<br />

Summe: 121,38 €<br />

III. Die Aufhebung der Beratungshilfebewilligung<br />

1. Rechtslage bis 31.12.2013<br />

Im vorliegenden Sachverhalt wurde der Stein bereits im September<br />

2013 ins Rollen gebracht. Der Sachverhalt ist daher nach „altem<br />

Recht“ zu betrachten.<br />

a) Keine gesetzliche Regelung für die Aufhebung<br />

Durch das seit dem 1.1.2014 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung<br />

des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts 7 wurde eine<br />

Aufhebungsmöglichkeit einer bereits bewilligten BerHi geschaffen.<br />

Vor dem 1.1.2014 bestand keine gesetzliche Möglichkeit, eine einmal<br />

bewilligte BerHi aufzuheben. Die BerHi kannte im Gegensatz zur<br />

Prozesskostenhilfe auch keine Mittelrückflüsse durch Zahlungen<br />

des Rechtsuchenden an die Staatskasse zum Zwecke des Ausgleichs<br />

der verauslagten Anwaltsvergütung. Lediglich ein Forderungsübergang<br />

auf die Staatskasse gegen einen erstattungspflichtigen Gegner<br />

war bei bereits bewilligter BerHi bekannt und zu prüfen.<br />

b) Ausnahmsweise Aufhebung der Bewilligung möglich<br />

Teilweise wurde durch die Rechtsprechung 8 jedoch bereits vor<br />

dem 1.1.2014 eine Aufhebungsmöglichkeit der bewilligten BerHi<br />

gesehen. Diese Aufhebung sollte aber nicht „per se“ möglich<br />

gewesen sein. Die von Teilen der Rechtsprechung bereits nach<br />

alter Rechtslage gesehene Aufhebungsmöglichkeit sollte sich nur<br />

bei von Anfang an unrichtiger Bewilligungsentscheidung<br />

ergeben und sich dabei aber in einem Spannungsfeld zwischen<br />

dem staatlichen Interesse an der Leistungsgewährung nur aufgrund<br />

richtiger Entscheidungen einerseits und dem Vertrauensschutz<br />

der Begünstigten andererseits bewegen. Das Gesetz hat<br />

vor dem 1.1.2014 die Entziehung einer einmal gewährten BerHi<br />

wegen ursprünglicher oder nachträglicher Unrichtigkeit der<br />

Bewilligungsentscheidung zwar nicht geregelt. Da es die Aufhebung<br />

aber auch nicht explizit ausschloss, sollten nach Ansicht<br />

der Befürworter einer Aufhebungsmöglichkeit die allgemeinen<br />

Vorschriften über die Abänderung von Entscheidungen (damals:<br />

gem. § 5 BerHG i.V.m. § 18 FGG; jetzt wohl § 5 BerHG i.V.m.<br />

§ 26 FamFG) anzuwenden sein. Folglich sollte zwar eine Aufhebung<br />

möglich sein, allerdings nur unter Abwägung der Interessen.<br />

Beruhte die Unrichtigkeit auf vom Gericht zu vertretenen<br />

Umständen, sollte nach Ansicht der Befürworter 9 eine Aufhebung<br />

nicht in Betracht kommen. Hier stand der Vertrauensschutz des<br />

RA entgegen. Wurde die BerHi indes „erschlichen“, etwa mittels<br />

falscher Angaben des Rechtsuchenden, oder lagen die Fehler nicht<br />

auf gerichtlicher Seite, greift auch nach dieser Ansicht ein<br />

Vertrauensschutz nicht. Die damalige Rechtsprechung differenzierte<br />

also nach der Kausalität des Fehlers bei der Bewilligung.<br />

Ging es um die Erteilung eines Berechtigungsscheins trotz fehlender<br />

Voraussetzungen aus Gründen, die vom Gericht zu ver-<br />

1<br />

Es erfolgt Bezugnahme auf Deckenbrock AnwBl. 2010, 221 m.w.N.<br />

2<br />

Es erfolgt Bezugnahme auf BGH AnwBl. 20<strong>09</strong>, 653.<br />

3<br />

S. hierzu etwa Hansens JurBüro 2007, 401; Hansens <strong>RVGreport</strong> 2008, 9.<br />

4<br />

S. Lissner JurBüro 2013, 564 ff.<br />

5<br />

BGBl 2013 I, S. 2586 ff.<br />

6<br />

S. etwa H. Schneider JurBüro 2012, 343 ff.<br />

7<br />

BT-Drucks 17/11472 und 17/13538.<br />

8<br />

Z.B. AG Hagen, Beschl. v. 9.10.2003 – 20 II 612/02, n.v.; AG Hagen, Urt. v.<br />

9.4.2004 – 18 C 562/02, n.v.<br />

9<br />

Z.B. AG Hagen, Beschl. v. 9.10.2003 – 20 II 612/02, n.v.; AG Hagen, Urt. v.<br />

9.4.2004 – 18 C 562/02, n.v.<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 323


Fälle aus der Praxis<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

treten sind, z.B. Fälle unzureichender Sachaufklärung durch das<br />

Gericht, wurde der Vertrauensschutz ohne Weiteres als vorrangig<br />

betrachtet. 10 Umstritten war jedoch stets der Fall, in dem der<br />

Rechtsuchende bei der Beantragung des Berechtigungsscheins<br />

falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat. In einem<br />

solchen Falle sahen Teile der Literatur 11 in analoger Anwendung<br />

des damaligen § 124 Abs. 1 Nr. 1–3 ZPO und des sich hieraus<br />

ergebenden Rechtsgedankens eine Aufhebungsmöglichkeit. Eine<br />

andere Ansicht lehnte hingegen auch in diesem Fall eine Aufhebungsmöglichkeit<br />

strikt ab. 12 Diese Auffassung wurde damit<br />

begründet, dass eine Aufhebungsmöglichkeit zwar im Regierungsentwurf<br />

als § 6 Abs. 4 BerHG zunächst vorgesehen, jedoch nicht in<br />

die endgültige Fassung des Gesetzes übernommen wurde. Dadurch<br />

sei der gesetzliche Wille eindeutig gewesen.<br />

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass nach „alter“<br />

Rechtsprechung die Aufhebung umstritten war. Sie war unter<br />

Umständen möglich, jedoch durfte sie nicht den überlagernden<br />

Vertrauensschutz des RA tangieren. 13<br />

c) Vertrauensschutz für Rechtsanwalt A<br />

Für den vorliegenden Fall wäre daher zu prüfen, inwieweit zum<br />

damaligen Zeitpunkt ein Vertrauensschutz des RA A bestand.<br />

Dieser hat im Vorfeld bereits die Ehefrau des Rechtsuchenden<br />

vertreten. Es bestand eine Interessenkollision, die ggf. das Mandatsverhältnis<br />

nichtig werden lässt. Zwar argumentiert der RA hier,<br />

dass die Frage der Nichtigkeit offen sei und selbst bei Vorliegen<br />

einer Nichtigkeit Prozesshandlungen wirksam blieben. Diese Argumentation<br />

hat allerdings keinen vergütungsrechtlichen Charakter.<br />

Sie soll zudem wohl nur sicherstellen, dass das gerichtliche<br />

Verfahren nicht im Nachhinein versehentlich erschwert oder<br />

unwirksam wird, d.h. diese Regelung soll lediglich der „Rechtssicherheit“<br />

dienen. Danach entspricht es anerkannter höchstrichterlicher<br />

Rechtsprechung, dass die Wirksamkeit der einem RA<br />

erteilten Vollmacht und der von ihm namens der Partei vorgenommenen<br />

Rechtshandlungen unabhängig vom Zustandekommen<br />

oder von der Wirksamkeit des Anwaltsvertrages sind. 14 Die<br />

Wirksamkeit von Rechtshandlungen eines RA wird demnach nicht<br />

durch einen Verstoß gegen ein berufsrechtliches Tätigkeitsverbot<br />

berührt. Selbst bei Zuwiderhandlung gegen umfassende und<br />

generelle Tätigkeitsverbote bleiben die Handlungen des RA wirksam,<br />

um die Beteiligten im Interesse der Rechtssicherheit zu<br />

schützen. 15<br />

Im vorliegenden Verfahren stellt sich aber nicht die Frage der<br />

Rechtssicherheit im Hinblick auf die getätigten Handlungen. Vielmehr<br />

verursachte dieses Handeln im vorliegenden Fall entgegen<br />

den gesetzlichen Bestimmungen („Beratungshilfe nur einmal in<br />

einer Angelegenheit“) einen Schaden in Form von Mehrkosten. Die<br />

10<br />

S. z.B. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe,<br />

3. Aufl., Rn 989; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe – Prozesskostenhilfe,<br />

7. Aufl., § 6 BerHG Rn 6.<br />

11<br />

S. z.B. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn 989.<br />

von RA A herangezogenen Entscheidungen besagen hierzu nichts.<br />

Für die BerHi ist eine solche Aussage nur insoweit relevant, als dass<br />

ggf. das von RA A gefertigte Schreiben „aussagekräftig“ bleibt.<br />

Für seine Vergütung hat es hingegen keinen Belang. Auch beim<br />

Beratungshilfemandat handelt es sich um ein anwaltliches Mandat.<br />

RA A hätte insoweit die Voraussetzungen der Mandatsübernahme<br />

zu prüfen gehabt. Da der Rechtsuchende nicht zwingend etwas von<br />

der Vorbefassung wissen musste – der Sachverhalt gibt insoweit<br />

nichts her –, RA A hingegen schon, ist ihm die Interessenkollision<br />

zuzuschreiben. Er hätte wissen müssen – insbesondere in Zeiten<br />

EDV-mäßiger Bearbeitung – dass eine Vorbefassung vorliegt. Insoweit<br />

ist RA A hier als nicht schutzwürdig einzustufen, so dass<br />

ein Vertrauensschutz nicht in Betracht kommt. Ein Vertrauensschutz<br />

kam überdies auch nach alter Rechtslage dann ohnehin<br />

nicht in Betracht, wenn der Berechtigungsschein erst nach erfolgter<br />

Beratung beantragt wurde. 16 Dies folgte aus dem alten<br />

§ 7 BerHG, wonach auch nach alter Rechtslage der RA bei unmittelbarem<br />

Zugang zu ihm selbst die Voraussetzungen der BerHi<br />

zu prüfen hatte. Folglich wurde dem RA „Versehen“ in seiner<br />

eigenen Prüfungskompetenz seit jeher zugerechnet. Daran kann<br />

sich auch dann nichts ändern, wenn das Gericht – aus Unkenntnis –<br />

eine (nachträgliche) BerHi bewilligt hat, da die positive Zurechenbarkeit<br />

zuvor bestand.<br />

Übrigens wäre in einem solchen Falle auch nach neuer Rechtslage<br />

seit 1.1.2014 ein Vergütungsanspruch fraglich. Nach § 8a BerHG<br />

bleibt seit 1.1.2014 der Vergütungsanspruch der Beratungsperson<br />

gegen die Staatskasse unberührt, sofern die Beratungshilfebewilligung<br />

aufgehoben wird. Dies gilt indes nur dann, wenn die<br />

Beratungsperson keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis<br />

davon hatte, dass die Bewilligungsvoraussetzungen im Zeitpunkt<br />

der Beratungshilfeleistung nicht vorlagen. Da dem RA die Interessenkollision<br />

auch nach neuer Rechtslage zuzuschreiben wäre,<br />

würde sein Vergütungsanspruch im Umkehrschluss auch nach<br />

neuer Rechtslage tangiert.<br />

d) Zwischenergebnis<br />

Spricht man sich für eine Aufhebungsmöglichkeit der BerHi bereits<br />

vor dem 1.1.2014 aus, könnte man in der gegebenen Konstellation<br />

über eine solche nachdenken. Die Folge einer Aufhebung wäre,<br />

dass die dann zu unrecht erhaltenen Leistungen von RA A durch<br />

die Staatskasse zurückzufordern wären.<br />

Fraglich ist indes, wer für die Aufhebung der Beratungshilfebewilligung<br />

zuständig wäre. Der Staatskasse wurde nach alter<br />

(wie neuer) Rechtslage ein Rechtsmittelrecht nicht zugesprochen;<br />

17 eine Mindermeinung vertrat zumindest vor der Reform ein<br />

Rechtsmittelrecht der Staatskasse. 18 Ein Antragsrecht hingegen<br />

(als Anregung ausgestaltet) dürfte in Betracht kommen. Es bliebe<br />

dann ggf. eine Aufhebung von Amts wegen. Im Fall des AG Hagen<br />

wurde offensichtlich – wie damals schon in Teilen der Literatur –<br />

die Auffassung vertreten, der Staatskasse stehe ein Rechtsmittelrecht<br />

zu.<br />

12<br />

So Schoreit/Dehn, Beratungshilfe – Prozesskostenhilfe, 8. Aufl., § 6 BerHG<br />

Rn 6 m.w.N.<br />

13<br />

So auch LG Osnabrück AnwBl. 1983, 143; LG Bochum AnwBl. 1984, 105; AG<br />

Gladbeck AnwBl. 1988, 360.<br />

14<br />

S. BGH NJW 1978, 1003; BGH NJW 1993, 1926; vgl. ferner OLG Hamm NJW<br />

1992, 1174.<br />

15<br />

So BGH NJW 1993, 1926.<br />

16<br />

S. bereits LG Paderborn JurBüro 1986, 1211, 1212; Mümmler JurBüro 1987,<br />

1303; Greißinger AnwBl. 1992, 51.<br />

17<br />

S. Lissner AGS 2013, 497 ff.; LG Köln Rpfleger 1983, 286; LG Göttingen Nds.<br />

Rpfl. 1983, 277; LG Bochum AnwBl. 1984, 105.<br />

18<br />

OLG Hamm Rpfleger 1984, 322 f.; LG Münster JurBüro 1983, 1893; Weiß<br />

Rpfleger 1988, 341 ff.<br />

324 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Fälle aus der Praxis<br />

2. Rechtslage ab 1.1.2014<br />

Nach der ab 1.1.2014 geltenden Rechtslage ist nunmehr eine<br />

Aufhebung der BerHi möglich. Die neuen Regelungen sehen seit<br />

dem 1.1.2014 (s.u.) vor, dass die BerHi binnen einer Jahresfrist von<br />

Amts wegen aufgehoben werden kann. 19 Die Regelung ist als<br />

Optionsregelung gestaltet, so dass für die Gerichte keine Verpflichtung<br />

hierzu besteht. Das Gesetz stellt hier ausdrücklich klar,<br />

dass den Gerichten die Möglichkeit einer Kosten-Nutzen-Abwägung<br />

verbleibt. Die Staatskasse kann im Übrigen auf die Ermessensentscheidung<br />

der Gerichte keinen Einfluss nehmen. 20 Aufgehoben<br />

werden kann die Bewilligung der BerHi dann, wenn zum<br />

Zeitpunkt der Entscheidung die Bewilligungsvoraussetzungen nicht<br />

vorgelegen haben und sich dies im Nachhinein herausstellt. Eine<br />

Aufhebung von Amts wegen ist daher nur bei ursprünglicher<br />

Unrichtigkeit denkbar.<br />

3. Prüfung im Rahmen der Festsetzung der<br />

Vergütung<br />

Welcher RA kennt nicht Formulierungen des Gerichts wie „das<br />

Festsetzungsverfahren ist einfach und frei von materiell-rechtlichen<br />

Fragen“ zu halten. Hier könnte man nun argumentieren, dass auch<br />

die sich im vorliegenden Sachverhalt stellenden Fragen, ob der<br />

Anwaltsvertrag nichtig ist, ob überhaupt ein solcher zustande<br />

kam (falls nicht, liegt keine Nichtigkeit vor) und ob ein materieller<br />

Schadensersatzanspruch gegen den RA A besteht, nicht im<br />

Festsetzungsverfahren zu klären seien. Eine materiell-rechtliche<br />

Prüfung oder gar eine Beweiserhebung dürfte den Rahmen der<br />

Festsetzung der BerHi-Vergütung sprengen (abgesehen von der<br />

Frage der Zuständigkeit der zu treffenden kontradiktorischen<br />

Entscheidung).<br />

a) Die Situation bei der Prozesskostenhilfe<br />

Argumentieren könnte man auch mit der obergerichtlichen Rechtsprechung<br />

zur PKH, wonach die Frage der Mutwilligkeit der Aufspaltung<br />

in einzelne gerichtliche Verfahren nicht mehr im Festsetzungsverfahren<br />

zu prüfen sei, da insoweit der UdG an die<br />

Bewilligung der PKH in den Einzelverfahren gebunden sei. 21 Ebenso<br />

soll die Frage, ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur kostengünstigeren<br />

Rechtsverfolgung vorliege, nicht im Festsetzungsverfahren<br />

gem. § 55 Abs. 1 RVG geprüft werden können. Der UdG<br />

und die im Festsetzungsverfahren entscheidenden Gerichte seien<br />

nämlich an die Bewilligung der PKH und die Beiordnung gebunden.<br />

Folglich dürften diese die Bewilligung nicht auf ihre Richtigkeit hin<br />

überprüfen.<br />

19<br />

S. Lissner AGS 2013, 2<strong>09</strong> ff.<br />

20<br />

S. detailliert Lissner AGS 2013, 2<strong>09</strong> ff.<br />

21<br />

So Hess. LAG <strong>RVGreport</strong> 2012, 100 [Hansens] = AGS 2012, 4<strong>09</strong>.<br />

b) Übertragung auf die Beratungshilfe<br />

Folgt man diesem Gedanken, könnte im vorliegenden Sachverhalt<br />

die Staatskasse keine erfolgreiche Erinnerung gegen die Festsetzung<br />

der BerHi-Vergütung einlegen, da diese lediglich „Konsequenz“<br />

der bewilligten BerHi und in dieser Höhe folgerichtig ist.<br />

Die „Wurzel“ des Übels liegt hier in der Bewilligung von BerHi für<br />

RA A. Diese müsste „beseitigt“ werden, wozu die Bewilligung aufgehoben<br />

werden müsste. Da nach alter Rechtslage der Staatskasse<br />

aber im Bewilligungsverfahren kein Rechtsmittel zuzugestehen<br />

ist, s.o. III. 1., für das Festsetzungsverfahren eine Bindung<br />

des UdG besteht und die Frage der Beratungshilfebewilligung zu<br />

Recht oder Unrecht nicht mehr im Festsetzungsverfahren zu<br />

prüfen ist, bliebe der Staatskasse in einem solchen Falle keine<br />

Möglichkeit mehr offen, außer darauf zu hoffen, dass ggf. eine<br />

Aufhebung von Amts wegen erfolgt.<br />

Dies stellt eine unbefriedigende Situation dar. Außerdem überzeugt<br />

sie nicht vollends, denn die BerHi sieht – an anderer Stelle<br />

wie z.B. etwa in § 2 BerHG – gerade eine indirekt materielle<br />

Prüfung vor. Die Frage der „Erforderlichkeit“ zumindest wird – da<br />

die Erteilung eines auf einen Rat beschränkten Berechtigungsscheines<br />

unbekannt ist – auf den Zeitpunkt der Festsetzung<br />

nachverlagert. Auch nach neuem Recht überzeugt die Ansicht<br />

nicht vollends. § 8a BerHG lässt den Gebührenanspruch des RA<br />

auch bei nachträglicher Aufhebung „unberührt“: Dies solle aber<br />

dann nicht gelten, wenn der RA positive Kenntnis vom Nichtvorliegen<br />

der Bewilligungsvoraussetzungen hatte oder grob fahrlässige<br />

Unkenntnis. Die Ablehnung eines Vergütungsanspruches<br />

wegen einer solchen positiven Kenntnis etwa erfordert selbst eine<br />

materielle Prüfung im Festsetzungsverfahren. Zweifelsfrei handelt<br />

es sich aber dennoch um eine schwer zu beantwortende Frage, die<br />

im Rahmen der Festsetzung aus der Staatskasse – insbesondere<br />

nach beabsichtigter Übertragung der funktionellen Zuständigkeit<br />

hierfür vom Rechtspfleger auf den mittleren Dienst – kaum zu<br />

beantworten sein wird, da sie die Erforschung von Nebensachverhalten<br />

erfordert.<br />

IV. Lösungsmöglichkeiten<br />

Vorliegend könnte man überlegen, ob aus dem pflichtwidrigen<br />

Anwaltsvertrag ein Schaden herrührt, den man (ggf.) wieder<br />

beitreiben könnte. Dabei dürfte es aus meiner Sicht unerheblich<br />

sein, ob sich eine Nichtigkeit des Anwaltsvertrages ergibt (wie die<br />

Staatskasse es annimmt) oder ob eine Nichtigkeit nicht greift,<br />

da – was ja indirekt auch aus § 44 RVG folgt – unter Umständen<br />

gar kein Anwaltsvertrag abgeschlossen wurde. Das Ergebnis<br />

ist dasselbe: RA A hätte das Mandat nicht annehmen dürfen.<br />

Insoweit liegt selbst bei einem bestehenden Anwaltsvertrag eine<br />

Verletzung des selbigen vor. Der hieraus resultierende Schaden<br />

liegt aber nicht bei dem Rechtsuchenden, sondern bei der Staatskasse.<br />

Denkbar wären damit verbunden unterschiedliche Überlegungen:<br />

1. Ansatz 1: Aufhebung der Bewilligung<br />

Die Staatskasse kann nicht mittels Erinnerung gegen die Festsetzung<br />

erfolgreich die Bewilligung der BerHi beseitigen. Im Recht<br />

der BerHi stellen das Bewilligungsverfahren einerseits und das<br />

Festsetzungsverfahren andererseits unterschiedliche Aspekte dar<br />

und sind getrennt zu betrachten. Materielle Einwendungen<br />

werden nicht zwingend erfolgversprechend sein, da die BerHi an<br />

sich ja bewilligt ist (wenn auch unrichtig) und die Vergütung auch<br />

bei Tätigwerden grundsätzlich in dieser Höhe richtig ist. Die<br />

(unrichtige) Bewilligung der BerHi für RA A ist erfolgt, auch wenn<br />

sie sich im Nachhinein als falsch herausgestellt hat (was das<br />

Gericht zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte).<br />

An sich müsste die einmal bewilligte BerHi wegen anfänglicher<br />

Unrichtigkeit wieder aufgehoben werden. Dies müsste von<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 325


Fälle aus der Praxis<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Amts wegen erfolgen oder ggf. auf Antrag der Staatskasse. Ein<br />

Rechtsmittel der Staatskasse gegen die ursprüngliche Bewilligung<br />

besteht hingegen nicht. Vertritt das Gericht die Auffassung,<br />

wonach ein Rechtsmittelrecht der Staatskasse auch im Bewilligungsverfahren<br />

(s.o.) besteht, wäre die unbefristet einzulegende<br />

Erinnerung möglich. Ob die Aufhebung nach altem Recht erfolgreich<br />

sein wird, ist umstritten (s.o. III. 1.) Spricht man sich<br />

für eine Aufhebung der BerHi-Bewilligung bereits für die Rechtslage<br />

bis zum 1.1.2014 aus, so wäre der Vertrauensschutz des RA<br />

zu beachten, der in vorliegender Konstellation aber nicht greift<br />

(s.o. III. 1. c)). Nach einer evtl. Aufhebung der BerHi würde die<br />

Staatskasse dann einen Anspruch auf Rückzahlung der ausgezahlten<br />

BerHi- Vergütung gegen den RA haben.<br />

2. Ansatz 2: Keine Aufhebung<br />

Die BerHi bleibt bewilligt und wird nicht aufgehoben. Sowohl RA<br />

A (wegen eines ihn bevorteilenden Verwaltungsakts, nämlich die<br />

einmal bewilligte BerHi) als auch RA B werden vergütet. Der<br />

Staatskasse entsteht ein Schaden, da BerHi in einer Angelegenheit<br />

nur einmal bewilligt werden kann, hier aber zweimal erfolgte<br />

und dieser Schaden auf das Verschulden des RA A zurückzuführen<br />

ist. Dieser Schaden ist gegenüber RA A durch die Staatskasse<br />

(gesondert) geltend zu machen (und nicht im Rahmen des Festsetzungsverfahrens).<br />

3. Ansatz 3: Schadensersatz<br />

Geht man von einem Anwaltsvertrag aus, liegt eine Verletzung<br />

dieses Vertrags vor. Den Schaden trägt in diesem speziellen Fall<br />

nicht wie sonst üblich der Vertragspartner, also der Mandant,<br />

sondern die Staatskasse. Hier wäre zu überlegen, ob – ebenso wie<br />

bei der PKH – Schadenersatzansprüche dann auf die Landeskasse<br />

übergehen.<br />

4. Ansatz 4: Nichtigkeit des Vergütungsanspruchs<br />

Der Verstoß gegen die anwaltlichen Pflichten löst keinen Vergütungsanspruch<br />

gegen die Staatskasse aus. RA A hat daher einen<br />

Betrag von 99,96 € zu Unrecht und ohne Rechtsgrundlage erhalten.<br />

Er hat deshalb den Betrag an die Landeskasse zurückzuzahlen.<br />

5. Ansatz 5: Materielle Prüfungspflicht<br />

Man spricht sich für eine materielle Prüfungspflicht aus: Im<br />

Rahmen dessen könnte man aufgrund von IV. 1–4 zu der<br />

Entscheidung kommen, dass ein Vergütungsanspruch nicht<br />

besteht oder alternativ ein Schadensersatzanspruch der Landeskasse<br />

gegeben ist. Auf eine mögliche Erinnerung der Staatskasse<br />

hin ist im Festsetzungsverfahren festzustellen, dass ein Gebührenanspruch<br />

nicht besteht („bei null liegt“), nicht hingegen, dass<br />

die BerHi aufgehoben wird. Die so geänderte Vergütungsfestsetzung<br />

wirkt ex tunc als Feststellung der Rückzahlungsverpflichtung.<br />

Auf einen Wegfall der Bereicherung kann sich der RA<br />

nicht berufen. Die Ansprüche des RA A unterliegen nicht dem<br />

Vertrauensschutz. Die zuviel gezahlte Vergütung ist dann mit<br />

Sollstellung zurückzufordern. Die Landeskasse kann auch mit<br />

dem Rückforderungsanspruch gegen andere Vergütungsansprüche<br />

des RA aufrechnen. Die Anfechtung der festgesetzten BerHi-<br />

Vergütung kann bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres nach<br />

Festsetzung erfolgen. Danach ist der Anspruch auf Anfechtung<br />

verwirkt.<br />

V. Aktuelle Rechtslage ab 1.1.2014:<br />

Aufhebung<br />

Durch das seit dem 1.1.2014 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung<br />

des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts 22 sollten nach<br />

dem Willen des Gesetzgebers für die Beratungspersonen Anreize<br />

geschaffen werden. Zu diesen Anreizen gehört es auch, dass nun die<br />

BerHi unter verschiedenen Perspektiven auch aufgehoben werden<br />

kann und sich der frühere Streit (s.o.) erledigt hat. Die durch das<br />

vorgenannte Gesetz geschaffenen Aufhebungsmöglichkeiten finden<br />

sich in § 6a BerHG. Hiernach kann die BerHi – auch mit Auswirkung<br />

auf den Vergütungsanspruch – aufgehoben werden. 23<br />

Folgende Konstellationen sind dabei denkbar:<br />

1. Aufhebung von Amts wegen<br />

Das Gericht kann die Bewilligung der BerHi von Amts wegen<br />

aufheben, wenn die Voraussetzungen für die BerHi zum Zeitpunkt<br />

der Bewilligung nicht vorgelegen haben und seit der Bewilligung<br />

nicht mehr als ein Jahr vergangen ist. Dieser Aufhebungsfall regelt<br />

damit den Sachverhalt ursprünglicher Unrichtigkeit. 24 Eine<br />

Aufhebungsmöglichkeit für späteren Einkommenszuwachs ist von<br />

Amts wegen hingegen weiterhin nicht vorgesehen, denn eine<br />

solche Option sieht nur § 6a Abs. 2 BerHG, nicht aber dessen Abs. 1<br />

vor, so dass nur der RA bei Einkommenszuwachs u.U. die<br />

Aufhebung beantragen kann. Die Jahresfrist beginnt mit der<br />

BerHi-Bewilligung zu laufen. Durch die Formulierung als „Kann-<br />

Bestimmung“ ist klargestellt, dass es sich um eine Ermessensentscheidung<br />

handelt.<br />

2. Aufhebung auf Antrag der Beratungsperson<br />

Nach § 6a Abs. 2 BerHG kann die Beratungsperson das BerHi-<br />

Mandat bei Vorliegen der Voraussetzungen nachträglich fortfallen<br />

lassen und zu den üblichen Gebührensätzen abrechnen. 25 Voraussetzung<br />

für die nachträgliche Aufhebung der BerHi ist,<br />

• dass die Beratungsperson keine BerHi-Vergütung nach § 44 S. 1<br />

RVG beantragt hat, § 6a Abs. 2 Nr. 1 BerHG;<br />

• dass die Beratungsperson den Rechtsuchenden vorab in Textform<br />

über die Möglichkeit der nachträglichen Aufhebung<br />

belehrt hat, § 6a Abs. 2 Nr. 2 BerHG;<br />

• dass der Rechtsuchende auf die daraus resultierenden Auswirkungen<br />

auf den Vergütungsanspruch (§ 8a Abs. 2 BerHG)<br />

auch vorab in Textform hingewiesen wurde;<br />

• dass etwas erlangt wurde, dass also der Rechtsuchende nicht –<br />

mehr – bedürftig ist.<br />

3. Folgen für den Gebührenanspruch bei<br />

Aufhebung seit 1.1.2014<br />

Wird die BerHi-Bewilligung von Amts wegen aufgehoben, bleibt<br />

der Vergütungsanspruch der Beratungsperson gegen die Staats-<br />

22<br />

BT-Drucks 17/11472 und 17/13538.<br />

23<br />

S. Lissner/Dietrich/Eilzer/Germann/Kessel, Beratungshilfe mit Prozessund<br />

Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., 2014, Rn 273; Lissner AGS 2014, 3 ff.; ders.<br />

AGS 2013, 2<strong>09</strong> ff.<br />

24<br />

S. detailliert Lissner AGS 2013, 2<strong>09</strong> ff.<br />

25<br />

S. detailliert Lissner AGS 2013, 2<strong>09</strong> ff.; ders. AGS 2014, 3 ff.<br />

326 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Literaturreport<br />

kasse zunächst unberührt. Dies gilt nicht, wenn die Beratungsperson<br />

Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hatte,<br />

dass die Bewilligungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der BerHi-<br />

Leistung nicht vorlagen, § 8 BerHG. Wird die Bewilligung der BerHi<br />

auf Antrag der Beratungsperson gem. § 6a Abs. 2 BerHG durch<br />

Beschluss des AG aufgehoben, erlischt der Vergütungsanspruch<br />

der Beratungsperson gegen die Staatskasse unwiederbringlich,<br />

§ 8a Abs. 1 Nr. 2 BerHG.<br />

VI. Fazit<br />

Die vorliegenden Probleme des Falles sind nicht auf die Schnelle<br />

oder einfach zu lösen. Es besteht eine babylonische Meinungsvielfalt,<br />

die – je nachdem, welcher Ansicht man sich anschließt –zu<br />

unterschiedlichen Ergebnissen führt. Da es sich um ein „Altverfahren“<br />

mit Bewilligung vor dem 1.1.2014 handelt, ist die Situation<br />

weitaus komplexer, als sie sich nach dem zum 1.1.2014 in Kraft<br />

getretenen Recht stellt, da nunmehr eine Aufhebungsmöglichkeit<br />

besteht. Die Frage, ob nach altem Recht eine Aufhebung erfolgen<br />

kann, ist umstritten. Ungeklärt ist in der Literatur im Wesentlichen<br />

auch, wer die Veranlassung hierzu geben kann. Die in der Rechtsprechung<br />

bekannten Fälle gingen allesamt von der (m.E. falschen)<br />

Vorstellung aus, dass die Staatskasse auch im Bewilligungsverfahren<br />

ein Rechtsmittelrecht habe. Will man keine separate Verfolgung<br />

eines – bislang lediglich „ungeprüften“ Schadensersatzanspruchs –,<br />

erschiene es am praktikabelsten, im Rahmen der zulässigen Intervention<br />

durch die Staatskasse die bereits getroffene Vergütungsfestsetzung<br />

zulässig anzugreifen und die Höhe der Vergütung<br />

im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zum Gegenstand der<br />

Entscheidung zu machen. Hier könnte dann der zuständige Richter<br />

auf eine Erinnerung hin auch materiell-rechtliche Einwendungen<br />

prüfen.<br />

Denkbar wäre – sofern man einen entsprechenden Aufwand aus<br />

einer Kosten-Nutzen-Betrachtung abwägt – auch, Brücken zum<br />

neuen BerHi-Recht zu schlagen. Hier sehen die neuen Regelungen<br />

vor, dass die BerHi aufgehoben werden kann. Diese Neuregelung<br />

ist aber explizit als Optionsregelung gestaltet, so dass für die<br />

Gerichte keine Verpflichtung hierzu besteht. Die Gesetzesbegründung<br />

stellt hier ausdrücklich klar, dass den Gerichten die Möglichkeit<br />

einer Kosten-Nutzen-Abwägung verbleibt.<br />

Literaturreport<br />

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin<br />

Zeitschriftenüberblick<br />

Anwaltsgebühren bei Parteiwechsel<br />

Ohne Autorenangabe AG kompakt <strong>2016</strong>, 57<br />

Während eines Rechtsstreits kommt es relativ häufig zu einem<br />

Parteiwechsel. Im Regelfall geht es dabei um eine Klagerücknahme<br />

für den bisherigen Kläger bzw. gegenüber dem bisherigen<br />

Beklagten und um eine Erhebung einer neuen Klage für den neuen<br />

Kläger bzw. gegen den neuen Beklagten. In dem Beitrag wird darauf<br />

hingewiesen, dass nach nunmehr allgemeiner Auffassung in<br />

der Rechtsprechung in beiden Fällen eine einzige gebührenrechtliche<br />

Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG vorliegt. Gleichwohl können<br />

jedoch bei der Berechnung der Anwaltsgebühren Probleme auftreten.<br />

Zunächst wird in dem Beitrag der Anwaltswechsel auf Klägerseite<br />

behandelt. Dabei wird die Klage für den bisherigen Kläger<br />

zurückgenommen und gleichzeitig eine neue Klage für den neuen<br />

Kläger erhoben. Somit findet dabei ein Austausch des Klägers<br />

statt, während sich auf der Beklagtenseite keine Änderung ergibt.<br />

Anhand eines Beispiels werden die gebührenrechtlichen Auswirkungen<br />

in dem Fall erörtert, in dem der Rechtsanwalt zunächst für<br />

den Kläger A Zahlungsklage erhebt und nach Zustellung der Klage<br />

die Klage im Wege des Parteiwechsels auf Kläger B umstellt. Für<br />

die Anwälte auf Kläger- sowie auf Beklagtenseite handele es sich<br />

dabei um eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit. Jedoch<br />

müsse beachtet werden, dass bei Vorliegen desselben Streitgegenstandes<br />

vor und nach dem Parteiwechsel der Prozessbevollmächtigte<br />

des Klägers im Verlaufe des Rechtsstreits zwei Auftraggeber<br />

habe, sodass diesem die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008<br />

VV RVG anfalle.<br />

Im zweiten Teil des Beitrags wird der Parteiwechsel auf Beklagtenseite<br />

dargestellt, wobei die Klage gegen den bisherigen Beklagten<br />

zurückgenommen und gleichzeitig gegen den neuen Beklagten<br />

erhoben wird. Bei einem solchen Austausch des Beklagten<br />

ändert sich nach den Ausführungen in dem Beitrag auf Klägerseite<br />

nichts. Jedoch würde nunmehr auf Beklagtenseite eine Auftraggebermehrheit<br />

vorliegen, sodass der Prozessbevollmächtigte des<br />

Beklagten die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG berechnen<br />

könne.<br />

Die „fiktive“ Terminsgebühr<br />

Werner Klüsener JurBüro <strong>2016</strong>, 225<br />

Nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr<br />

sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als<br />

auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und<br />

für Besprechungen, wenn im RVG nichts anderes bestimmt ist.<br />

Klüsener weist in seinem Beitrag darauf hin, dass solche andere<br />

Regelungen im RVG für die Terminsgebühr ohne Terminswahrnehmung<br />

getroffen worden sind. In seinem Beitrag führt der<br />

Autor zunächst die diesbezüglichen Gebührenvorschriften des<br />

VV RVG an und erläutert den Zweck der von ihm als „fiktive“<br />

Terminsgebühr bezeichneten Gebühr. Am Beispiel der Terminsgebühr<br />

nach Abs. 1 Nr. 3 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG und der<br />

Anm. zu Nr. 3106 VV RVG, die den Anfall der Gebühr nach<br />

angenommenen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung<br />

regelt, weist Klüsener darauf hin, dass die „fiktive“ Terminsgebühr<br />

in erster Linie dazu diene, dem Anwalt das gebührenrechtliche<br />

Interesse an der Durchführung eines Termins zur mündlichen<br />

Verhandlung zu nehmen. Damit solle die „fiktive“ Terminsgebühr<br />

nicht einen besonderen Aufwand des Prozessbevollmächtigten<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 327


Literaturreport<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

abgelten, sondern diese diene vielmehr ausschließlich der Verfahrenssteuerung.<br />

Nach Auffassung von Klüsener hat der Gesetzgeber<br />

diese Gebühr zur Entlastung der Gerichte eingeführt. Außerdem<br />

solle der RA keinen gebührenrechtlichen Nachteil<br />

dadurch erleiden, dass durch eine in der Hand des Gerichts<br />

liegende Verfahrensgestaltung auf eine sonst mögliche mündliche<br />

Verhandlung verzichtet wird.<br />

Gerichtsgebühren in Betreuungssachen<br />

Jörg Felix JurBüro <strong>2016</strong>, 227<br />

Die Gerichtsgebühren für die in § 271 FamFG geregelten Betreuungssachen<br />

und für betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen<br />

nach § 340 FamFG sind in Hauptabschnitt 1 des GNotKG KV<br />

geregelt. In seinem Beitrag erläutert der Autor die einzelnen in<br />

diesen Verfahren anfallenden Gerichtsgebühren.<br />

Zunächst weist Felix darauf hin, dass im Verfahren auf Erlass einer<br />

einstweiligen Anordnung nach den §§ 300, 301 FamFG nach Abs. 2<br />

der Anm. zu Nr. 16110 GNotKG KV dieselben Gebühren anfielen wie<br />

bei einer Betreuerbestellung im Hauptsacheverfahren. Welche<br />

Auswirkungen dies im Einzelnen hat, wird von dem Autor erörtert.<br />

Sodann befasst sich Felix mit im Einzelnen mit dem Abgeltungsbereich<br />

der Verfahrensgebühren nach Nrn. 11100, 11101, 11102 und<br />

11103 GNotKG KV. Abschließend weist der Autor darauf hin, dass<br />

in isolierten Unterbringungsverfahren nach § 312 FamFG keine Gerichtsgebühren<br />

erhoben würden, weil es insoweit an einem gesetzlichen<br />

Gebührentatbestand fehle. Folglich hafte der Betroffene<br />

nur für die Auslagen des Verfahrenspflegers nach Nr. 31015<br />

GNotKG KV, nicht hingegen auch für die Auslagen nach Nrn. 31000<br />

ff. GNotKG KV.<br />

Gerichtskosten in Grundbuchsachen<br />

Oliver Weber Rpfleger <strong>2016</strong>, 321<br />

In seinem ausführlichen Beitrag gibt der Autor einen Überblick<br />

über die nach dem GNotKG zu erhebenden Gerichtskosten in<br />

Grundbuchsachen. Dabei erläutert der Autor zunächst die Systematik<br />

dieser Gebühren. So würde sich die Höhe der bei einer<br />

Grundbucheintragung anfallenden Gebühren für erstinstanzliche<br />

Verfahren nach den Nrn. 14110 bis 14160 GNotKG KV richten,<br />

während für das Rechtsmittelverfahren die Nrn. 14510 bis 14530<br />

GNotKG KV einschlägig seien. Für die Zurückweisung und die<br />

Zurücknahme von Anträgen seien dann die Nrn. 14400 und 14401<br />

GNotKG KV anwendbar. Ferner könnten noch gesonderte Gebühren<br />

nach den Nrn. 17000 bis 17006 GNotKG KV anfallen. Soweit<br />

es sich bei den vorstehend erwähnten Gebühren um Wertgebühren<br />

handele, bestimme sich die Gebührenhöhe gem. § 34<br />

GNotKG i.V.m. der Tabelle B der Anlage 2 zu § 34 Abs. 3 GNotKG.<br />

Demgegenüber würde für die besonderen Gebühren die Tabelle A<br />

maßgebend sein.<br />

Nach einer kurzen Einführung in die einschlägigen Geschäftswertvorschriften<br />

und die Auslagentatbestände sowie nach Hinweisen<br />

auf gebührenrechtliche Besonderheiten wie Fälligkeit oder Vorschussverpflichtung<br />

geht Weber auf die Gerichtsgebühren und<br />

Geschäftswerte in einzelnen Fallgruppen ein. Hierzu zählen das<br />

Eigentum, das Sondereigentum und die Anlegung von Wohnungsoder<br />

Teileigentumsgrundbüchern, die Eintragung von Belastungen<br />

sowie die Veränderungen von Belastungen, die Löschungen von<br />

Belastungen oder die Vormerkungen oder sonstige Eintragungen<br />

und Tätigkeiten. Dann führt der Autor einige Fälle der Gebührenfreiheit<br />

auf. Sodann gibt Weber einen kurzen Überblick über die<br />

Gerichtsgebühren bei sonstiger Erledigung wie etwa einer Antragsrücknahme<br />

und bei Rechtsmittelverfahren.<br />

Abschließend behandelt der Autor die Rechtsbehelfe, wie etwa<br />

die Erinnerung nach § 81 Abs. 1 GNotKG gegen den Kostenansatz<br />

des Kostenbeamten oder die Rechtsbehelfe gegen die Festsetzung<br />

des Geschäftswertes. Abschließend gibt Weber noch<br />

einige Hinweise für die Gebührenberechnung in sog. Altverfahren,<br />

wobei er zwischen dem Antragseingang vor dem 1.8.2013<br />

einerseits und dem Antragseingang vor dem 4.7.2015 andererseits<br />

unterscheidet.<br />

Claims-made-Prinzip in der Rechtsschutzversicherung?<br />

Dr. Hubert W. van Bühren zfs <strong>2016</strong>, 310<br />

In Versicherungsfällen ist von entscheidender Bedeutung, ob,<br />

unter welchen Voraussetzungen und wann der Versicherungsfall<br />

vorliegt. Van Bühren weist in seinem Beitrag darauf hin, dass der<br />

BGH in mehreren Entscheidungen seine frühere Rechtsprechung,<br />

wonach auch Rechtsverstöße des Versicherungsnehmers den<br />

Rechtsschutz auslösen würden, zunächst relativiert und in seinem<br />

Urt. v. 25.2.2015 (r+s 2015, 193) ausdrücklich aufgegeben hat. Dabei<br />

habe der BGH klargestellt, für die Festlegung des Versicherungsfalls<br />

komme es allein auf diejenigen Tatsachen an, mit denen<br />

der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründe.<br />

Demgegenüber seien tatsächliche oder vermeintliche Rechtsverstöße<br />

des Versicherungsnehmers oder von mit versicherten<br />

Personen außer Acht zu lassen.<br />

In seinem Beitrag geht van Bühren auf den Inhalt der drei von ihm<br />

genannten neueren Entscheidungen des BGH ein und erörtert,<br />

welche Auswirkungen dies für die Praxis hat. Nach dieser Rechtsprechung<br />

des BGH hat es nach Auffassung des Autors der<br />

Versicherungsnehmer nunmehr in der Hand, den Versicherungsfall<br />

und den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls selbst zu<br />

bestimmen. Dabei sei allein entscheidend, auf welches tatsächliche<br />

oder vermeintliche Fehlverhalten des Anspruchsgegners der<br />

Versicherungsnehmer seinen Anspruch stütze. Diese neue Rechtsprechung<br />

des BGH hat nach Auffassung des Autors zu einem<br />

Paradigmenwechsel geführt.<br />

Durch diese neue Rechtsprechung würden – so formuliert es der<br />

Autor – Zweckabschlüsse geradezu vorprogrammiert. Sei nämlich<br />

aufgrund einer Konfliktsituation ein Rechtsstreit mit dem Gegner<br />

bereits vorprogrammiert, so könne der eine Vertragspartner noch<br />

schnell eine Rechtsschutzversicherung abschließen, die übliche<br />

Wartezeit von drei Monaten abwarten und erst dann seine<br />

Ansprüche beim Vertragspartner geltend machen. Erst dessen<br />

Leistungsablehnung gelte dann als versicherter Rechtsschutzfall.<br />

In welchen Rechtgebieten dies in Betracht kommen könnte,<br />

erörtert van Bühren anhand von vier Beispielsfällen.<br />

Die Auswirkungen der Rechtsprechung des BGH seien zwar für die<br />

Versicherungsnehmer und auch deren Anwälte erfreulich, führten<br />

jedoch wegen des höheren Leistungsaufkommens der Rechtsschutzversicherer<br />

dann auch zu einer Prämienerhöhung. Außerdem<br />

befürchtet van Bühren, dass die Rechtsschutzversicherer den<br />

Vertragsrechtsschutz dann gar nicht mehr anbieten könnten.<br />

328 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

<strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen<br />

Buchbesprechungen<br />

GNotKG für Anfänger<br />

Wolfram Waldner<br />

9. Auflage 2015, XIX, 203 S., 29,80 €, Verlag C. H. Beck<br />

Wie schon zum Vorgängergesetz des GNotKG, der KostO, gewohnt,<br />

gibt Waldner mit seinem Handbuch eine praxisgerechte Einführung<br />

in das Notarkostenrecht. Bewusst hat der Autor auf die Behandlung<br />

der ebenfalls im GNotKG geregelten Gerichtsgebühren verzichtet.<br />

Außerdem hat sich Waldner auf die Probleme des Notarkostenrechts<br />

beschränkt, mit denen der Praktiker üblicherweise täglich<br />

konfrontiert wird. Das hat den Vorteil, dass der Leser nicht von einer<br />

Fülle von Einzelproblemen erschlagen wird.<br />

Zunächst behandelt Waldner allgemeine Fragen des GNotKG und<br />

erklärt dabei auch das neue System dieses Gesetzes. Sodann<br />

erörtert er den Geschäftswert, die Gebührensätze und die Höhe<br />

der Gebühren sowie die Frage, wer als Kostenschuldner in Betracht<br />

kommt. Dem schließen sich grundsätzliche Ausführungen zu Beurkundungen<br />

und Beglaubigungen und zur Abrechnung mehrerer<br />

Erklärungen in einer Urkunde an.<br />

Im zweiten Teil behandelt Waldner die Notarkosten für typische<br />

Beurkundungsgeschäfte. Er beginnt mit dem Kaufvertrag und den<br />

damit zusammenhängenden Nebengebühren wie der Vollzugsoder<br />

der Betreuungsgebühr, geht dann auf die Kosten bei Grundpfandrechten<br />

ein und endet noch lange nicht bei den Notarkosten<br />

für Ehe- und Lebenspartnerschaftsverträge sowie Scheidungsvereinbarungen,<br />

und bei erbrechtlichen oder handelsrechtlichen Beurkundungen.<br />

Die praktischen Auswirkungen werden anhand einer<br />

Vielzahl von Beispielen erörtert.<br />

Im dritten Teil seines Werks behandelt Waldner besondere Geschäfte<br />

wie Beurkundungen außerhalb der Amtsstelle, die Gebühren<br />

für Entwurf und Beratung sowie die Auslagen. Dem schließen<br />

sich grundsätzliche Ausführungen zur Gebührenermäßigung und<br />

Gebührenbefreiung an. Den Abschluss bildet die Darstellung der<br />

Notarkostenrechnung, der Kostenbeitreibung und des Verfahrens<br />

auf Überprüfung der notariellen Kostenrechnung gem. §§ 127 ff.<br />

GNotKG.<br />

Versicherungsvertragsgesetz<br />

Erich R. Prölss und Anton Martin<br />

29. Auflage 2015, XXVIII, 2.887 S., 159,00 €, Verlag C. H. Beck<br />

Mit seiner 29. Auflage feiert der Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz<br />

(VVG) ein rundes Jubiläum. Die Erstauflage ist<br />

nämlich bereits 1935 erschienen und hat sich im Laufe der<br />

Jahrzehnte zu einem Standardwerk des VVG entwickelt. Bei dem<br />

Umfang des Werks mag man kaum glauben, dass der Kommentar<br />

in der Reihe der Beck´schen Kurz-Kommentare erscheint. Das<br />

Autorenteam des Prölss/Martin erläutert das gesamte VVG, die<br />

wichtigsten Nebengesetze und über 50 Versicherungsbedingungen<br />

der einzelnen Versicherungssparten. Dies hat den Vorteil, dass<br />

alle relevanten Rechtsquellen in einem Band von dem Autorenteam<br />

sachkundig und praxisnah kommentiert werden. Zur<br />

Erhöhung der Benutzerfreundlichkeit haben die Autoren in der 29.<br />

Auflage erstmals für alle behandelten Regelungswerke Ordnungsnummern<br />

eingeführt.<br />

Die 29. Auflage berücksichtigt u.a. die Gesetzesänderungen zum<br />

Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers und zur privaten Krankenversicherung.<br />

Berücksichtigt wurde auch die neuere Rechtsprechung<br />

etwa zur Quotenbildung bei einer Obliegenheitspflichtverletzung<br />

des Versicherungsnehmers.<br />

Den in § 19 VVG geregelten Anzeigepflichten und anderen<br />

Obliegenheiten des Versicherungsnehmers kommt in der Praxis<br />

oft entscheidende Bedeutung zu. Die damit zusammenhängenden<br />

Probleme werden von Armbrüster eingehend und praxisgerecht<br />

erläutert. Die wenigen Vorschriften des VVG zur Rechtschutzversicherung<br />

(§§ 125 bis 129 VVG) erläutert derselbe Autor nur auf<br />

einigen Seiten. Dies hat seinen guten Grund, weil die wesentlichen<br />

Hauptprobleme in den ARB geregelt sind, die dafür umso ausführlicher<br />

auf rund 150 Seiten ebenfalls von Armbrüster kommentiert<br />

werden. Die beibehaltene Zweiteilung des Aufbaus,<br />

nämlich die Kommentierung der einzelnen Vorschriften des VVG<br />

und – gesondert hiervon – die Erläuterungen zu den jeweiligen<br />

Versicherungsbedingungen erfordern zwar ein Umblättern. Dafür<br />

ist die zusammenhängende Kommentierung der jeweiligen Einzelvorschriften<br />

übersichtlicher und praxisgerecht.<br />

Fazit:<br />

Die Neuauflage des „Waldner“ vermittelt nicht nur dem Anfänger,<br />

sondern auch dem Fortgeschrittenen einen sachgerechten Überblick<br />

über die schwierige Rechtsmaterie der Kosten des Notars.<br />

Fazit:<br />

Auch in der 29. Auflage hat der Prölss/Martin seine hervorragende<br />

Stellung als Standardkommentar des VVG und der Nebengesetze<br />

verteidigt.<br />

<strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen<br />

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens<br />

? Fragen<br />

1. Das LG hat nach streitiger Verhandlung durch Urt. v. 1.4. den<br />

Beklagten in der Sache verurteilt und ihm die Kosten des<br />

Rechtsstreits auferlegt. In einem gesonderten Streitwertfestsetzungsbeschluss<br />

vom ebenfalls 1.4. hat das LG den Streitwert<br />

auf 15.000,00 € festgesetzt. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte<br />

des Beklagten, RA B, in dessen Namen Beschwerde<br />

mit dem Ziel der Herabsetzung auf 10.000,00 € eingelegt. Das<br />

LG hat der Beschwerde des Beklagten abgeholfen und den<br />

Streitwert durch Beschl. v. 15.7. auf 10.000,00 € herabgesetzt. In<br />

der Zwischenzeit hatte der Kläger die Festsetzung der Kosten<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 329


<strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

des Rechtsstreits auf der Grundlage des ursprünglich festgesetzten<br />

Streitwertes von 15.000,00 € gegen den Beklagten im<br />

Kostenfestsetzungsbeschluss (KFB) v. 1.6. erwirkt, der dem<br />

Beklagtenvertreter am 5.6. zugestellt wurde. Zur Abwendung<br />

der Zwangsvollstreckung hat der Beklagte die festgesetzten<br />

Kosten sowie die bisher aufgelaufenen Zinsen i.H.v. 2,00 € am<br />

15.6. an den Kläger überwiesen.<br />

Welche Überlegungen hat der Beklagtenvertreter RA B<br />

nach Erhalt des Abhilfebeschlusses v. 15.7. anzustellen?<br />

2. Der in Hamburg wohnhafte bedürftige Kläger hat in einer<br />

Erbschaftsangelegenheit vor dem LG Berlin gegen seinen in<br />

Berlin wohnhaften Bruder einen Rechtsstreit auf Zahlung i.H.v.<br />

50.000,00 € vor dem LG Berlin anhängig gemacht. Das LG hat<br />

dem Kläger PKH unter Beiordnung seines in Berlin kanzleiansässigen<br />

Prozessbevollmächtigten RA K bewilligt. Ferner hat<br />

das LG Berlin dem Kläger den Hamburger RA V gem. § 121 Abs. 4<br />

ZPO als Verkehrsanwalt beigeordnet.<br />

Im Termin zur mündlichen Verhandlung macht das LG den<br />

Prozessbevollmächtigten der Parteien den Vorschlag, den<br />

Rechtsstreit vergleichsweise zu beenden. Hieraufhin treten<br />

diese in Vergleichsverhandlungen ein. Der Kläger, der recht<br />

einfachen Gemüts ist, versteht die diesbezüglichen Schriftsätze<br />

seines Prozessbevollmächtigten RA K nicht und wendet sich<br />

deshalb an RA V. Dieser erläutert dem Kläger im Einzelnen den<br />

Inhalt der Schriftsätze und rät dem Kläger, den ausgehandelten<br />

Vergleich abzuschließen. Nach einer weiteren mündlichen<br />

Besprechung mit RA V stimmt dem der Kläger zu. Hieraufhin<br />

machen die Prozessbevollmächtigten der Parteien gegenüber<br />

dem LG einen gemeinsamen Vergleichsvorschlag. Das LG Berlin<br />

stellt dann das Zustandekommen des Vergleichs durch Beschluss<br />

nach § 278 Abs. 6 ZPO fest.<br />

Was hat RA V im Hinblick auf seine PKH-Anwaltsvergütung<br />

zu beachten? Welche Vergütung können die RAe K<br />

und V aus der Staatskasse verlangen?<br />

! Lösungen<br />

1. Da der dem KFB v. 1.6. zugrunde liegende Streitwertfestsetzungsbeschluss<br />

v. 1.4. durch Beschl. v. 15.7. abgeändert wurde, hat<br />

der Rechtspfleger zu Lasten des Beklagten zu hohe Kosten<br />

festgesetzt. Die Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen<br />

diesen KFB kommt allerdings nicht mehr in Betracht, da die mit<br />

dessen Zustellung am 5.6. in Lauf gesetzte Beschwerdefrist von<br />

zwei Wochen längst verstrichen ist.<br />

RA B hat jedoch für seinen Mandanten gem. § 107 Abs. 1 ZPO die<br />

Abänderung des KFB v. 1.6. zu beantragen, was innerhalb der in<br />

§ 107 Abs. 2 ZPO bestimmten Monatsfrist zu erfolgen hat<br />

(s. OLG Hamburg <strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>, 352 [Hansens]). Dieser Abänderungsantrag<br />

muss nicht notwendig beziffert werden. Es<br />

genügt, dass RA A unter Hinweis auf die geänderte Streitwertfestsetzung<br />

die Abänderung des KFB begehrt.<br />

Außerdem hat der Beklagte in Folge der Herabsetzung des<br />

Streitwertes an den Kläger aufgrund des KFB v. 1.6. einen zu<br />

hohen Erstattungsbetrag bezahlt. Insoweit hat RA B für den<br />

Mandanten einen bezifferten Rückfestsetzungsantrag zu<br />

stellen (§ 91 Abs. 4, §§ 103 ff. ZPO). Den hierfür erforderlichen<br />

Betrag ermittelt RA B wie folgt:<br />

Im KFB v. 1.6. sind auf der Grundlage der Festsetzung des<br />

Streitwertes im Beschl. v. 1.4. auf 15.000,00 € folgende Kosten<br />

gegen den Beklagten festgesetzt worden:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG<br />

(Wert: 15.000,00 €) 845,00 €<br />

2. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG<br />

(Wert: 15.000,00 €) 780,00 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

4. 19 % USt., Nr. 7008 VV RVG 312,55 €<br />

Zwischensumme: 1.957,55 €<br />

5. Vom Kläger verauslagte Gerichtskosten:<br />

3,0 Verfahrensgebühr, Nr. 1210 GKG KV<br />

(Wert: 15.000,00 €) + 879,00 €<br />

Summe: 2.836,55 €<br />

Diese Kosten hat der Beklagte zzgl. Zinsen, die hier 2,00 €<br />

betragen, an den Kläger gezahlt.<br />

Aufgrund der geänderten Streitwertfestsetzung im Beschl. v.<br />

15.7. berechnen sich die Gerichts- und RA-Gebühren nach<br />

einem Wert von nur noch 10.000,00 € wie folgt:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG<br />

(Wert: 10.000,00 €) 725,40 €<br />

2. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG<br />

(Wert: 10.000,00 €) 669,60 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

4. 19 % USt., Nr. 7008 VV RVG 268,85 €<br />

Zwischensumme: 1.683,85 €<br />

5. Vom Kläger verauslagte Gerichtskosten<br />

nach vorzunehmender Änderung des<br />

Gerichtskostenansatzes:<br />

3,0 Verfahrensgebühr, Nr. 1210 GKG KV<br />

(Wert: 10.000,00 €) + 723,00 €<br />

Summe: 2.406,85 €<br />

RA B wird deshalb für seinen Mandanten beim LG folgenden<br />

Schriftsatz einreichen:<br />

„Im Hinblick auf die Herabsetzung des Streitwertes von 15.000,00 €<br />

auf 10.000,00 € durch den Beschluss des LG v. 15.7. beantrage ich<br />

namens und in Vollmacht des Beklagten, den KFB v. 1.6. gem. § 107<br />

ZPO abzuändern.<br />

Der Beklagte hat auf den KFB v. 1.6. am 15.6. die dort festgesetzten<br />

Kosten i.H.v. 2.836,55 € nebst 2,00 € Zinsen an den Kläger gezahlt.<br />

Den Überweisungsbeleg füge ich in Kopie bei. Tatsächlich stehen dem<br />

Kläger aufgrund der geänderten Streitwertfestsetzung Kosten nur<br />

i.H.v. 2.406,85 € zu, die sich wie folgt berechnen:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG<br />

(Wert: 10.000,00 €) 725,40 €<br />

2. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG<br />

330 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

<strong>RVGreport</strong> – Fragezeichen<br />

(Wert: 10.000,00 €) 669,60 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

4. 19 % USt., Nr. 7008 VV RVG 268,85 €<br />

Zwischensumme: 1.683,85 €<br />

5. Vom Kläger verauslagte Gerichtskosten:<br />

3,0 Verfahrensgebühr, Nr. 1210 GKG KV<br />

(Wert: 10.000,00 €) + 723,00 €<br />

Summe: 2.406,85 €<br />

Ich beantrage daher namens und in Vollmacht des Beklagten die<br />

Rückfestsetzung folgender Beträge gegen den Kläger:<br />

4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme: 1.549,50 €<br />

5. 19 % USt., Nr. 7008 VV RVG + 294,41 €<br />

Summe: 1.843,91 €<br />

2. Verkehrsanwalt Rechtsanwalt V<br />

Das LG Berlin hat RA V gem. § 121 Abs. 4 ZPO „zur Vermittlung<br />

des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet“.<br />

Deshalb hat er auf jeden Fall gegenüber der Landeskasse einen<br />

Anspruch auf Zahlung der 1,0 Verfahrensgebühr Nr. 3400<br />

i.V.m. Nr. 3100 VV RVG.<br />

1. Überzahlte Kosten<br />

(2.836,55 € abzgl. 2.406,85 € =) 430,20 €<br />

2. Gezahlte Zinsen + 2,00 €<br />

Summe: 432,30 €<br />

Ferner beantrage ich, ab Eingang dieses Antrags den rückfestzusetzenden<br />

Betrag mit 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz<br />

zu verzinsen.“<br />

2. Den für den Kläger tätig gewesenen RAen stehen aus der<br />

Landeskasse folgende Gebühren und Auslagen zu:<br />

1. Prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt K<br />

Dem Prozessbevollmächtigten RA K ist für das Einreichen der<br />

Klageschrift die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG<br />

angefallen. Die Mitwirkung an der mündlichen Verhandlung hat<br />

die 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG ausgelöst. An<br />

dem Vergleichsschluss hat der RA dadurch mitgewirkt, dass er<br />

schriftsätzlich Vergleichsverhandlungen geführt hat und dem<br />

LG den ausgehandelten Vergleichstext übermittelt hat. Hierdurch<br />

ist ihm die 1,0 Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003<br />

VV RVG angefallen.<br />

Dem Prozessbevollmächtigten RA K stehen deshalb gegenüber<br />

der Landeskasse folgende Gebühren und Auslagen zu:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, § 49 RVG,<br />

Nr. 3100 VV RVG<br />

(Wert: 50.000,00 €) 581,10 €<br />

2. 1,2 Terminsgebühr, § 49 RVG,<br />

Nr. 3104 VV RVG<br />

(Wert: 50.000,00 €) 536,40 €<br />

3. 1,0 Einigungsgebühr, § 49 RVG,<br />

Nrn. 1000, 1003 VV RVG<br />

(Wert: 50.000,00 €) 412,00 €<br />

An dem Abschluss des schließlich durch landgerichtlichen<br />

Beschluss bestätigten Vergleichs hat RA V jedenfalls dadurch<br />

mitgewirkt, dass er dem Kläger den Inhalt der Vergleichsverhandlungen<br />

mündlich erläutert hat und dem Mandanten<br />

zum Vergleichsschluss geraten hat. Ob RA V als Verkehrsanwalt<br />

die hierdurch nach Nrn. 1000, 1003 VV RVG angefallene<br />

1,0 Einigungsgebühr aus der Landeskasse verlangen kann, ist<br />

umstritten. Nach einer weit verbreiteten Auffassung in der<br />

Rechtsprechung (s. LAG Nürnberg <strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>, 346<br />

[Hansens]) besteht ein solcher Anspruch nur dann, wenn die<br />

Beiordnung ausdrücklich auch auf den Vergleichsschluss<br />

erstreckt worden ist. RA V sollte deshalb vor Beginn seiner<br />

für den Vergleichsschluss ursächlichen Tätigkeiten beim LG<br />

Berlin die Ergänzung seiner Beiordnung beantragen. Nach<br />

der Gegenauffassung in der Rechtsprechung und der Literatur<br />

steht dem beigeordneten Verkehrsanwalt ein Anspruch auf<br />

die Einigungsgebühr dann zu, wenn seine Tätigkeit für den<br />

Vergleichsabschluss ursächlich war, was hier der Fall war.<br />

Außerdem sollte RA V die Besonderheiten des Sachverhalts<br />

vortragen und betonen, dass der Vergleich ohne seine Mitwirkung<br />

nicht zustande gekommen wäre.<br />

In dem für RA V günstigsten Fall kann er aus der Landeskasse<br />

folgende Gebühren und Auslagen gezahlt erhalten:<br />

1. 1,0 Verfahrensgebühr, § 49 RVG,<br />

Nrn. 3400, 3100 VV RVG<br />

(Wert: 50.000,00 €) 412,00 €<br />

2. 1,0 Einigungsgebühr, § 49 RVG,<br />

Nrn. 1000, 1003 VV RVG<br />

(Wert: 50.000,00 €) 412,00 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme: 844,00 €<br />

4. 19 USt., Nr. 7008 VV RVG + 160,36 €<br />

Summe: 1.004,36 €<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 331


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport<br />

Anwaltsvergütung<br />

Formerfordernisse eines Schuldbeitritts<br />

zur Vergütungsvereinbarung<br />

§§ 3a Abs. 1, 4b RVG; §§ 305 ff., 414 BGB<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Die Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG gelten grundsätzlich<br />

auch für einen Schuldbeitritt zur Vergütungsvereinbarung.<br />

Ihre Reichweite wird bestimmt durch den Zweck,<br />

dem Beitretenden deutlich zu machen, dass er nicht nur der<br />

gesetzlichen Vergütungsschuld des Mandanten beitritt, sondern<br />

der davon abweichenden, vertraglich vereinbarten<br />

Vergütung.<br />

BGH, Urt. v. 12.5.<strong>2016</strong> – IX ZR 208/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Der RA hat den georgischen Staatsangehörigen G in einem Asylfolgeverfahren<br />

vertreten. Unter dem 30.4.2013 fertigte der RA eine<br />

Vergütungsvereinbarung, die in ihrer Nummer 1 vorsah, dass der<br />

Mandant anstelle der gesetzlichen Gebühren eine pauschale Vergütung<br />

i.H.v. 800 € einschl. USt. zu zahlen hat. Die Einzelheiten<br />

der Vergütungspflicht waren in den nachfolgenden Nummern 2<br />

bis 9 geregelt. Die Nr. 10 der Vereinbarung lautet: „Die Unterzeichner<br />

haften gesamtschuldnerisch.“ Darunter unterzeichnete neben<br />

dem Mandanten G die als Dolmetscherin für ihn tätige Beklagte,<br />

die allerdings nicht mit ihrem tatsächlichen Namen, sondern mit<br />

dem Namen ihrer Tochter unterschrieben hatte. Die Beklagte trat<br />

jedoch regelmäßig unter dem Namen ihrer Tochter auf, was allen<br />

Beteiligten klar war.<br />

In dem Rechtsstreit vor dem AG Moers hat der RA als Kläger<br />

die Beklagte auf Zahlung aus dieser Vergütungsvereinbarung i.H.v.<br />

800 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch<br />

genommen. Das AG hat der Klage stattgegeben, das LG<br />

Kleve als Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen<br />

eingelegte Revision des RA hatte hinsichtlich der vereinbarten<br />

Vergütung Erfolg.<br />

II. Schuldbeitritt der Beklagten<br />

Der BGH hat die Auffassung des Berufungsgerichts geteilt, in der<br />

Unterzeichnung der Vergütungsvereinbarung v. 30.4.2013 durch die<br />

Beklagte sei ein Beitritt zur Schuld des Mandanten G zu sehen.<br />

Bei objektiver Würdigung habe nämlich der Kläger als Empfänger<br />

die ausdrücklich auf eine Mithaftung als Gesamtschuldnerin gerichtete<br />

Erklärung der Beklagten nicht anders verstehen dürfen. Der<br />

BGH hat ferner darauf hingewiesen, dass ein Schuldbeitritt kein<br />

eigenes wirtschaftliches Interesse des Beitretenden voraussetzt.<br />

III. Form des Schuldbeitritts<br />

Nach den weiteren Ausführungen des BGH bedarf die Erklärung<br />

eines Schuldbeitritts grundsätzlich keiner besonderen Form.<br />

Jedoch unterliege er als Verpflichtungsgeschäft den Formerfordernissen,<br />

die für den Hauptvertrag gelten, soweit diese mit<br />

Rücksicht auf den Leistungsgegenstand des Schuldbeitritts aufgestellt<br />

sind. Bei den Formerfordernissen, die § 3a Abs. 1 RVG für<br />

die Vergütungsvereinbarung aufstelle, handele es sich um solche<br />

auch für den Schuldbeitritt geltenden Formerfordernisse (so BGH<br />

NJW 1991, 3<strong>09</strong>5 = zfs 1992, 64 für § 3 Abs. 1 BRAGO).<br />

Dies hat der BGH damit begründet, dass das Erfordernis der<br />

Textform ebenso wie die in § 3a Abs. 1 Satz 2 und 3 RVG aufgeführten<br />

Anforderungen der Warnung und dem Schutz des<br />

Mandanten dienten. Dieser solle klar erkennbar darauf hingewiesen<br />

werden, dass er eine Vergütungsvereinbarung schließe,<br />

die dem RA einen von den gesetzlichen Gebührenvorschriften<br />

abweichenden Honoraranspruch auf vertraglicher Grundlage<br />

verschaffe (s. BGH <strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>, 91 [Hansens] = zfs <strong>2016</strong>, 164<br />

m. Anm. Hansens = AnwBl. <strong>2016</strong>, 268 = AGS <strong>2016</strong>, 56 m. Anm.<br />

Schons). Ein Dritter, der der Verpflichtung des Mandanten aus der<br />

Vergütungsvereinbarung beitrete, sei in gleicher Weise schutzbedürftig.<br />

Hieraus folgert der BGH, dass die Formerfordernisse<br />

des § 3a Abs. 1 RVG grundsätzlich auch für die Erklärung des<br />

Schuldbeitritts gelten.<br />

1. Deutlich abgesetzt<br />

Gemäß § 3a Abs. 1 Satz 2 RVG muss die Vergütungsvereinbarung<br />

von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung<br />

deutlich abgesetzt sein und darf nicht in der Vollmacht enthalten<br />

sein. Ob diese Anforderungen auch auf den Beitritt eines Dritten<br />

zu der Vergütungsschuld des Mandanten anzuwenden sind, bestimmt<br />

sich nach den weiteren Ausführungen des BGH nach ihrem<br />

Schutzzweck. Dieser bestehe darin, den Mandanten, der eine<br />

Vergütung für die Tätigkeit des RA schon von Gesetzes wegen<br />

schuldet, davor zu bewahren, dass er sich unbemerkt vertraglich<br />

zu einem von der gesetzlichen Vergütung abweichenden Honorars<br />

verpflichtet. Auf den Schuldbeitritt bezogen gehe es nur<br />

darum, dem Beitretenden deutlich vor Augen zu führen, dass er<br />

nicht nur der gesetzlichen Vergütungsschuld des Mandanten beitrete,<br />

sondern der davon abweichenden vertraglich vereinbarten<br />

Vergütung.<br />

Diese Anforderungen waren hier nach Auffassung des BGH erfüllt.<br />

Die Vereinbarung v. 30.4.2013 war ausdrücklich als Vergütungsvereinbarung<br />

bezeichnet und enthielt ausschließlich die Vergütung<br />

betreffende Regelungen. Sie stellte hier klar, dass die<br />

vereinbarte Vergütung von der gesetzlichen Regelung abweicht.<br />

Die am Ende unter Nr. 10 getroffene Bestimmung, dass die Unterzeichner<br />

gesamtschuldnerisch haften, sei ein Bestandteil der<br />

Vergütungsvereinbarung selbst. Diese Regelung habe der Beklagten<br />

unmissverständlich klar gemacht, dass sie mit ihrer Unterschrift<br />

die Mithaftung für die vereinbarte Vergütungsschuld des<br />

Mandanten G übernahm.<br />

Nach den weiteren Ausführungen des BGH soll mit der Regelung<br />

in § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG, wonach die Vergütungsvereinbarung<br />

von anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt sein muss, verhindert<br />

werden, dass der Mandant eine Vergütungsvereinbarung<br />

übersieht, die zwischen anderen mit dem RA getroffenen Vereinbarungen<br />

„versteckt“ ist. Hieraus folge jedoch nicht, dass der<br />

Schuldbeitritt der Beklagten deutlich von der Vergütungsvereinbarung<br />

des Mandanten hätte abgesetzt werden müssen. Die<br />

Beklagte habe nämlich neben dem Schuldbeitritt keine weiteren<br />

Erklärungen abgegeben, die ihren Blick auf den Beitritt hätten<br />

beeinträchtigen können. Nach Auffassung des BGH war es hier<br />

332 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

entscheidend, dass der Beklagten durch die Gestaltung der<br />

Erklärung klar gemacht wurde, einer vertraglichen, von der<br />

gesetzlichen Regelung abweichenden Vergütungsschuld beizutreten.<br />

Da hier entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Formmangel<br />

vorgelegen hat, hat der BGH dahinstehen lassen, ob<br />

der RA bei Formmängeln eines Schuldbeitritts die vereinbarte<br />

Vergütung nur bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung fordern<br />

könne, wie es im Falle eines Formmangels der Vergütungsvereinbarung<br />

der Fall ist (s. hierzu BGH <strong>RVGreport</strong> 2014, 340<br />

[Hansens] = zfs 2014, 524 m. Anm. Hansens; BGH <strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>,<br />

11 [Hansens] = AGS 2015, 557 m. Anm. Schons; BGH <strong>RVGreport</strong><br />

<strong>2016</strong>, 91 [Hansens] = zfs <strong>2016</strong>, 164 m. Anm. Hansens = AGS <strong>2016</strong>,<br />

56 m. Anm. Schons).<br />

2. Textform<br />

Gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG bedarf eine Vergütungsvereinbarung<br />

der Textform. Dies gilt nach Auffassung des BGH auch<br />

für den Schuldbeitritt. Diese Textform war hier gewahrt. Der<br />

BGH hat darauf hingewiesen, dass die Vergütungsvereinbarung<br />

einschließlich der Mithaftungserklärung der Beklagten die Voraussetzungen<br />

des § 126b BGB erfüllt habe. Insbesondere seien<br />

die Personen der Erklärenden hinreichend benannt. Hierfür genüge<br />

es, dass die Beklagte in der Unterschriftszeile am Ende der<br />

Vereinbarung mit ihrem Namen genannt sei. Dass es sich hierbei<br />

nicht um ihren tatsächlichen Namen, sondern um den Namen<br />

ihrer Tochter gehandelt habe, schade nicht, weil die Beklagte<br />

unbestritten regelmäßig unter diesem Namen aufgetreten sei<br />

und allen Beteiligten klar gewesen sei, dass sie mit diesem Namen<br />

gemeint war.<br />

3. Kein Hinweis auf beschränkte Kostenerstattung<br />

Gemäß § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG hat die Vergütungsvereinbarung<br />

einen Hinweis darauf zu enthalten, dass die gegnerische Partei, ein<br />

Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung<br />

regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung<br />

erstatten muss. Vorliegend hat die Vergütungsvereinbarung v.<br />

30.4.2013 keinen solchen Hinweis enthalten. Dieser Mangel lässt<br />

jedoch nach Auffassung des BGH den Anspruch des RA auf die<br />

vereinbarte Vergütung – anders als eine Verletzung der Formvorschriften<br />

nach § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG – unberührt.<br />

Deshalb komme dem Formmangel auch im Verhältnis zu einem<br />

Dritten, welcher der Schuld des Mandanten beigetreten ist, keine<br />

weitergehende Rechtsfolge zu.<br />

IV. Kein Verstoß gegen das Recht der Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen<br />

Der BGH hat hier auch keinen Verstoß gegen das Recht der<br />

Allgemeinen Geschäftsbedingungen gesehen.<br />

1. Keine überraschende Klausel<br />

Die Vertragsklausel betreffend den Schuldbeitritt ist nach Auffassung<br />

des BGH nicht als überraschende Klausel nach § 305c<br />

Abs. 1 BGB unwirksam. Als der Kläger von der Beklagten die<br />

Mitunterzeichnung der von ihm mit seinem Mandanten zu<br />

schließenden Vergütungsvereinbarung verlangte, habe es für<br />

die Beklagte nahe gelegen, dass es dem Kläger darauf angekommen<br />

sei, zur Absicherung seiner Vergütungsvereinbarung<br />

eine weitere Person in die Mithaftung zu nehmen. Andere<br />

Gründe, die eine Unterzeichnung durch die Beklagte erfordert<br />

hätten, hätten nicht vorgelegen. Wenn sich somit dieses Interesse<br />

des Klägers der Beklagten aufgedrängt habe, habe diese<br />

damit rechnen müssen, dass der ihr vorgelegte Vertragstext eine<br />

entsprechend Klausel enthielt. Auch aus dem äußeren Erscheinungsbild<br />

der Vergütungsvereinbarung hat sich nach den weiteren<br />

Ausführungen des BGH ein Überrumpelungseffekt nicht<br />

ergeben. Die Klausel betreffend die gesamtschuldnerische Mithaftung<br />

der Beklagten habe sich nämlich knapp und prägnant<br />

formuliert als letzte Vertragsbestimmung unmittelbar über dem<br />

für die Beklagte vorgesehenen Unterschriftsfeld befunden.<br />

2. Keine unangemessene Benachteiligung<br />

Nr. 7 der Vergütungsvereinbarung v. 30.4.2013 enthielt die<br />

Regelung, dass die vorzeitige Beendigung des Mandats durch<br />

den Mandanten den Vergütungsanspruch nicht berührt. Der BGH<br />

hat offen gelassen, ob diese Regelung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB<br />

und § 308 Nr. 7a BGB unwirksam ist, weil es hierauf nicht<br />

ankomme. Denn die Vergütungsvereinbarung bliebe im Übrigen<br />

gem. § 306 Abs. 1 BGB gleichwohl wirksam (s. OLG Köln JurBüro<br />

2013, 469 = AGS 2013, 268). Dies habe zur Folge, dass sich der<br />

Inhalt der Vereinbarung in dem betreffenden Punkt ggf. nach den<br />

gesetzlichen Regeln richtet. Deshalb stelle ihr Fortbestand für die<br />

Vertragsparteien keine unzumutbare Härte i.S.v. § 306 Abs. 3<br />

BGB dar.<br />

V. Bedeutung für die Praxis<br />

Nicht selten steht der RA, der mit seinem Mandanten eine<br />

Vergütungsvereinbarung schließt, vor der Frage, ob der Mandant<br />

auch zahlungsfähig ist. Das Risiko eines Zahlungsausfalls kann<br />

einmal mit der Forderung nach einer Vorschusszahlung verringert<br />

werden. Ferner kann eine weitere Person als Vertragspartner<br />

in die Vergütungsvereinbarung mit einbezogen werden.<br />

Schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass der RA die Vergütungsvereinbarung<br />

nicht mit dem Mandanten, sondern mit<br />

einem Dritten, etwa einem nahen Verwandten oder Ehegatten,<br />

schließt. Hiervon wird häufig in Strafsachen Gebrauch gemacht.<br />

Für alle diese Fälle gilt, dass für den Vertragspartner des RA die<br />

Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 und § 4a Abs. 1 und 2 RVG<br />

eingehalten werden müssen.<br />

Diese Formerfordernisse gelten zwar grundsätzlich nicht auch für<br />

einen Schuldbeitritt zur Vergütungsvereinbarung. Der BGH hat<br />

hier jedoch betont, dass die Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG<br />

dem Grunde nach auch für die Erklärung des Schuldbeitritts<br />

gelten. Wenn der RA diese Formerfordernisse auch für den<br />

Schuldbeitritt erfüllt, ist er somit auf der „sicheren Seite“.<br />

H. Hansens<br />

Unbeachtlichkeit einer die Gebührenanrechnung<br />

vermeidenden<br />

Vergütungsvereinbarung<br />

§§ 3, 3a Abs. 3, 16 Nr. 2, 55, 58 Abs. 2 RVG; Nr. 3335 VV RVG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Eine Vereinbarung zwischen dem im Wege der Prozesskostenhilfe<br />

beigeordneten Rechtsanwalt und seinem Mandanten,<br />

in der für den Antrag auf Gewährung von Prozess-<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 333


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

kostenhilfe ein Pauschalbetrag von 60 € vereinbart und<br />

die Anrechnung auf andere Gebühren ausgeschlossen wird,<br />

schließt die Anrechnungspflicht von Zahlungen der Staatskasse<br />

an den Rechtsanwalt zu deren Lasten aus und ist<br />

deshalb wegen Sittenwidrigkeit im Verfahren auf Festsetzung<br />

der Prozesskostenhilfevergütung unbeachtlich.<br />

LSG NRW, Beschl. v. 9.9.2015 – L 16 KR 716/14 B<br />

I. Sachverhalt<br />

Das SG Düsseldorf hatte durch Beschl. v. 30.11.2010 dem Kläger<br />

Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines RA bewilligt.<br />

Nach Beendigung des Rechtsstreits beantragte der RA die Festsetzung<br />

seiner Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse wie<br />

folgt:<br />

1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG 250,00 €<br />

2. Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 200,00 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

4. 19 % USt., Nr. 7008 VV RVG + 89,30 €<br />

Summe: 559,30 €<br />

In seinem Antrag erklärte der RA ferner, Vorschüsse und sonstige<br />

Zahlungen seien nicht vereinnahmt worden. Im weiteren Verlauf<br />

des Festsetzungsverfahrens kam eine Zahlung des Klägers an den<br />

RA i.H.v. 60,00 € zur Sprache. Hierzu erklärte der RA, dieser<br />

Betrag sei vom Kläger nicht für die Vertretung in dem vorangegangenen<br />

Rechtsstreit, sondern für die Stellung des PKH-Antrags<br />

gezahlt worden. Hierzu legte er eine Vergütungsvereinbarung<br />

v. 14.10.2010 vor. In deren § 2 hatte sich der Kläger<br />

verpflichtet, für die Erledigung der auf die Bewilligung von PKH<br />

gerichteten Tätigkeit des RA an diesen einen einmaligen Pauschalbetrag<br />

von 60,00 € einschließlich USt. zu zahlen. § 3 der Vergütungsvereinbarung<br />

hat folgenden Wortlaut:<br />

„Der Auftraggeber ist darüber informiert, dass diese Bearbeitungsgebühr<br />

unabhängig davon erhoben wird, ob die beantragte Prozesskostenhilfe<br />

in der Folge bewilligt oder abgelehnt wird. Er ist weiter<br />

darüber informiert, dass eine Verrechnung dieser Gebühr mit anderen<br />

Gebühren, die ggf. im Verlauf der Mandatsbearbeitung zu Lasten des<br />

Auftraggebers anfallen, nicht stattfindet.“<br />

Diese Vergütungsvereinbarung, so hat der RA weiter vorgetragen,<br />

beziehe sich ausschließlich auf die Abgeltung der Tätigkeit, die mit<br />

der vollständigen Zusammenstellung der zur Beantragung der<br />

PKH erforderlichen Formular- und sonstigen Nachweisunterlagen<br />

verbunden gewesen sei. Diese Tätigkeit sei nicht selten mit einem<br />

ganz erheblichen Sach- und Personalaufwand verbunden. Viele<br />

Rechtsuchende seien bereits mit dem Ausfüllen des Vordruckes<br />

zur Beantragung der PKH überfordert. Lediglich diese Tätigkeit, die<br />

nicht zuletzt den Gerichten bei der Bearbeitung der PKH-Anträge<br />

die Arbeit extrem erleichtere, werde mit dem vereinbarten Betrag<br />

von 60,00 € abgegolten.<br />

In seinem Festsetzungsbeschluss setzte der UdG die dem RA<br />

aus der Landeskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf<br />

499,30 € fest. Zur Begründung hat er ausgeführt, die von dem<br />

Kläger gezahlten 60,00 € seien auf die anwaltliche Vergütung<br />

anzurechnen.<br />

Die hiergegen gerichtete Erinnerung des RA hat das SG Düsseldorf<br />

zurückgewiesen und dadurch die Entscheidung des UdG<br />

bestätigt. Die dagegen vom Kläger eingereichte – zugelassene –<br />

Beschwerde hat das LSG NRW zurückgewiesen.<br />

II. Anrechnung von Zahlungen<br />

1. Grundsatz<br />

Das LSG NRW hat ausgeführt, Zahlungen, die der RA vor oder nach<br />

der Beiordnung erhalten habe, seien gem. § 58 Abs. 2 RVG auf die<br />

Vergütung anzurechnen. Das LSG hat ferner darauf verwiesen, dass<br />

das Verfahren über die PKH und das Verfahren, für das die PKH<br />

beantragt worden ist, gem. § 16 Nr. 2 RVG dieselbe Angelegenheit<br />

darstellen.<br />

2. Vergütungsvereinbarung sittenwidrig<br />

Nach den weiteren Ausführungen des LSG war hier die Vergütungsvereinbarung<br />

des RA sittenwidrig und deshalb für den UdG<br />

im Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung unbeachtlich.<br />

Denn eine derartige Vereinbarung, die darauf hinauslaufe,<br />

die Anrechnungspflicht von Zahlungen an den RA zu Lasten der<br />

Staatskasse auszuschließen, sei sittenwidrig.<br />

Ferner hat das LSG NRW die Auffassung vertreten, die Vergütungsvereinbarung<br />

könne gem. § 3a Abs. 3 Satz 1 RVG nichtig sein. Denn<br />

die vereinbarte Gebühr für die Tätigkeit des RA im PKH-Verfahren,<br />

die ohne Rücksicht darauf berechnet werden sollte, ob nachfolgend<br />

PKH bewilligt werden würde, sei im Ergebnis darauf gerichtet,<br />

dem RA durch das vorgesehene Anrechnungsverbot für die von der<br />

Beiordnung erfasste Tätigkeit eine höhere als die gesetzliche Vergütung<br />

zu sichern. Dies folgert das LSG NRW aus dem Umstand,<br />

dass eine dem Bevollmächtigten ggf. zustehende Gebühr nach<br />

Nr. 3335 VV RVG für den Fall der Bewilligung der PKH für ein<br />

nachfolgendes Hauptsacheverfahren anzurechnen gewesen wäre.<br />

Der RA sei auch nicht wirtschaftlich schutzwürdig, da er von seinem<br />

Mandanten einen entsprechenden Vorschuss hätte verlangen<br />

können.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Ich habe Bedenken, ob die Entscheidung des LSG NRW richtig ist.<br />

1. Anrechnung der Zahlung<br />

Gemäß § 58 Abs. 2 RVG sind in Angelegenheiten, in denen sich –<br />

wie hier – die Gebühren nach Teil 3 VV RVG bestimmen, Vorschüsse<br />

und Zahlungen, die der RA vor und nach der Beiordnung<br />

erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die<br />

ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den<br />

Voraussetzungen des § 50 RVG (weitere Vergütung) besteht.<br />

Vorliegend hatte der Kläger die Zahlung nicht etwa für die im<br />

sozialgerichtlichen Verfahren anfallende Vergütung geleistet, sondern<br />

für die Tätigkeit des RA im PKH-Verfahren. Für diese Tätigkeit<br />

besteht jedoch kein Anspruch gegen die Staatskasse, weil für das<br />

PKH-Antragsverfahren PKH gerade nicht bewilligt werden kann<br />

(BGH NJW 1984, 2106 = JurBüro 1984, 1349). Folglich kommt eine<br />

Anrechnung der auf die Vergütungsvereinbarung für das PKH-<br />

Verfahren gezahlten 60,00 € nicht in Betracht.<br />

2. Keine Gebührenanrechnung<br />

Unter welchen Voraussetzungen eine Gebührenanrechnung beim<br />

im Wege der PKH beigeordneten RA zu berücksichtigen ist, hat<br />

der Gesetzgeber im RVG nicht ausdrücklich geregelt. Dies ergibt<br />

sich lediglich indirekt aus § 55 Abs. 5 Satz 3 RVG. Danach sind bei<br />

Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr diese Zahlungen, der<br />

Satz oder der Betrag der Gebühr und – was hier nicht in Betracht<br />

kam – bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben.<br />

Eine Anrechnung auf die PKH-Anwaltsvergütung kommt<br />

334 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

somit dem Grunde nach nur dann in Betracht, wenn der RA hier<br />

die 60,00 € auf eine anzurechnende Gebühr erhalten hätte.<br />

Dies ist hier jedoch gerade nicht der Fall. Der Kläger hatte seinem<br />

RA die 60,00 € auf die in der Vergütungsvereinbarung v. 14.10.2010<br />

vereinbarte, die USt. enthaltende Pauschalvergütung für den PKH-<br />

Antrag gezahlt. Damit hat der Kläger gerade keine Zahlung auf eine<br />

anzurechnende Gebühr geleistet. Eine Anrechnung der Zahlung auf<br />

eine vereinbarte Gebühr ist im RVG nicht vorgesehen. Auch die vom<br />

LSG NRW herangezogene Vorschrift des § 16 Nr. 2 RVG regelt dies<br />

nicht. Dort wird lediglich bestimmt, dass das Verfahren über die<br />

PKH und das Verfahren, für das die PKH beantragt worden ist (hier<br />

also der Sozialgerichtsprozess), dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit<br />

sind. Welche Auswirkungen eine Vergütungsvereinbarung<br />

für den PKH-Antrag auf die Vergütung für das sozialgerichtliche<br />

Verfahren hat, wird darin nicht geregelt.<br />

Die hier vertretene Auffassung wird auch durch die Rechtsprechung<br />

bestätigt, nach der dann, wenn der RA mit dem Auftraggeber für die<br />

vorgerichtliche Vertretung eine Vergütungsvereinbarung getroffen<br />

hat, eine anteilige Anrechnung auf die Verfahrensgebühr gerade<br />

nicht vorzunehmen ist, weil der Auftraggeber seinem RA aufgrund<br />

der Vergütungsvereinbarung eben keine Geschäftsgebühr schuldet<br />

(BGH <strong>RVGreport</strong> 20<strong>09</strong>, 433 [Hansens] = AGS 20<strong>09</strong>, 253; BGH<br />

<strong>RVGreport</strong> 2010, 32 (Ders.); BGH <strong>RVGreport</strong> 2015, 72 [Ders.]; KG<br />

<strong>RVGreport</strong> 20<strong>09</strong>, 101 [Ders.] = zfs 20<strong>09</strong>, 226; Hansens <strong>RVGreport</strong><br />

2008, 324). Dies wirkt sich dann auch im Verhältnis zu dem<br />

erstattungspflichtigen Gegner aus.<br />

Nur ganz ausnahmsweise kann sich der Erstattungspflichtige auf<br />

die teilweise Anrechnung (einer vereinbarten Vergütung) berufen,<br />

wenn die Vergütungsvereinbarung für die außergerichtliche Tätigkeit<br />

des Prozessbevollmächtigten in missbräuchlicher Weise nur<br />

getroffen worden ist, um die Anrechnung nach Vorbemerkung 3<br />

Abs. 4 Satz 1 VV RVG zu umgehen. Anhaltspunkte hierfür sind von<br />

den Gerichten in den von ihnen entschiedenen Fällen bisher nicht<br />

gesehen worden (BGH <strong>RVGreport</strong> 20<strong>09</strong>, 433 [Hansens]; KG<br />

<strong>RVGreport</strong> 20<strong>09</strong>, 101 [Ders.]). Allein der Umstand, dass der RA<br />

mit seinem Auftraggeber eine Vergütungsvereinbarung geschlossen<br />

hat, stellt keinen Rechtsmissbrauch dar, der Abschluss von<br />

Vergütungsvereinbarungen ist nämlich ausdrücklich in § 3a RVG<br />

vorgesehen. Außerdem wird durch die Vergütungsvereinbarung<br />

die Anrechnung auch im Innenverhältnis zwischen dem RA<br />

und seinem Mandanten ausgeschlossen. Nach Auffassung des<br />

KG <strong>RVGreport</strong> 2010, 343 [Hansens] kommt eine Anrechnung selbst<br />

dann nicht in Betracht, wenn die Vergütungsvereinbarung lediglich<br />

zum Inhalt hat, dass die Anrechnung nach Vorbemerkung 3<br />

Abs. 4 Satz 1 VV RVG unterbleibt (vgl. hierzu ausführlich Hansens<br />

ZAP Fach 24, S. 1479, 1480).<br />

Diese von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für die<br />

Vereinbarung einer Vergütung für die vorgerichtliche Tätigkeit des<br />

späteren Prozessbevollmächtigten können ohne Weiteres auch<br />

auf die vereinbarte Vergütung für den PKH-Antrag übertragen<br />

werden. Warum hier ausnahmsweise die von dem RA mit dem<br />

Kläger getroffene Vereinbarung sittenwidrig sein soll, obwohl § 3a<br />

RVG ausdrücklich die Möglichkeit einer Vergütungsvereinbarung<br />

regelt, begründet das LSG NRW mit keinem Wort.<br />

3. Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung<br />

Das LSG NRW hat ferner die Auffassung vertreten, dass die<br />

Vergütungsvereinbarung des RA v. 14.10.2010 gem. § 3a Abs. 3 RVG<br />

nichtig sein könnte. Nach dieser Vorschrift ist eine Vereinbarung,<br />

nach der ein im Wege der PKH beigeordneter RA für die von der<br />

Beiordnung erfasste Tätigkeit eine höhere als die gesetzliche<br />

Vergütung erhalten soll, nichtig. Ich habe so meine Zweifel, ob<br />

diese Regelung einschlägig ist. Denn die Vergütungsvereinbarung<br />

betraf gerade nicht den Gegenstand der Beiordnung (Vertretung<br />

im sozialgerichtlichen Verfahren), sondern die von der Bewilligung<br />

der PKH und damit von der Vergütungspflicht der Staatskasse<br />

nicht gedeckte Tätigkeit im PKH-Antragsverfahren.<br />

ROWSEP="0"Selbst wenn man davon ausgeht, die Vergütungsvereinbarung<br />

wäre hier nach § 3a Abs. 3 Satz 1 RVG nichtig, sehe<br />

ich keine Rechtsgrundlage dafür, die Zahlung des Klägers an den<br />

RA auf die PKH-Anwaltsvergütung anzurechnen. Denn im Falle<br />

der Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung bleiben gem. § 3a<br />

Abs. 3 Satz 2 RVG die Vorschriften des BGB über die ungerechtfertigte<br />

Bereicherung unberührt. Dies hat zur Folge, dass der<br />

Kläger dann die an den RA gezahlten 60,00 € von dem RA<br />

zurückfordern kann, es sei denn, der Kläger hätte diese Zahlung<br />

in Kenntnis der Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung geleistet,<br />

wofür hier überhaupt keine Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl.<br />

hierzu Gerold/Schmidt/Mayer, RVG 22. Aufl., § 3a RVG Rn 40 f.).<br />

Das LSG NRW rechnet somit die Zahlung des Klägers an, von der<br />

das Gericht hätte wissen müssen, dass der Kläger seine Zahlung –<br />

bei unterstellter Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung – von<br />

dem RA wieder zurückverlangen könnte. Damit wird der RA also<br />

doppelt gestraft:<br />

• Er erhält von seinem Mandanten letztlich nicht die vereinbarte<br />

Vergütung für das PKH-Antragsverfahren.<br />

• Außerdem wird sein Anspruch auf die PKH-Anwaltsvergütung<br />

um die an den Mandanten zurückzuzahlenden 60,00 € gekürzt.<br />

Der vereinbarte Betrag von 60,00 € wird dem RA somit doppelt<br />

abgezogen.<br />

H. Hansens<br />

Rahmengebühren des Pflichtverteidigers;<br />

Erstattungsfähigkeit<br />

der Reisekosten<br />

§ 14 RVG; Nr. 7003 VV RVG; § 140 StPO<br />

Leitsätze des Verfassers:<br />

1. Durch die Beiordnung als Pflichtverteidiger gemäß § 140<br />

Abs. 2 StPO wird ein besonderer Umfang und insbesondere<br />

eine besondere Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit<br />

nicht indiziert.<br />

2. Zur Erstattung von Reisekosten/Abwesenheitsgeld des<br />

auswärtigen Rechtsanwalts.<br />

LG Kiel, Beschl. v. 11.1.<strong>2016</strong> – 6 Qs 2/16<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Angeklagten wurde Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG)<br />

vorgeworfen. Die Hauptverhandlung dauerte zwei Tage. Das<br />

AG N. ordnete dann den RA, der seinen Kanzleisitz in K. hat, als<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 335


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 2 StPO bei, da die Staatsanwaltschaft<br />

auf einem Sachverständigengutachten beharrte. Sodann<br />

wurde die Angeklagte freigesprochen. Der RA hat Kostenerstattung<br />

für die frei gesprochene Mandantin beantragt. Sein Antrag<br />

hatte beim AG N. nur zum Teil Erfolg. Das LG hat das Rechtsmittel<br />

des Verteidigers zurückgewiesen.<br />

II. Gebühren unterhalb der Mittelgebühr<br />

Das LG hat den vom AG vorgenommenen Ansatz der Grundgebühr<br />

und der Verfahrensgebühr unterhalb der Mittelgebühr<br />

nicht beanstandet. Unter Berücksichtigung aller Umstände, v.a.<br />

des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und<br />

der Bedeutung der Angelegenheit, sei die Festsetzung der Grundgebühr<br />

Nr. 4100 VV RVG auf 160,00 € und der Verfahrensgebühr<br />

Nr. 4106 VV RVG auf 130,00 € angemessen i.S.d. § 14 RVG. Die<br />

Bedeutung der Sache sei unterdurchschnittlich. Der ehemaligen<br />

Angeklagten drohte angesichts des gegen sie gerichteten Vorwurfs<br />

nur eine Geldstrafe. Eine mögliche Sperre zur Wiedererlangung<br />

der Fahrerlaubnis habe nur hinsichtlich des angeklagten<br />

Ehemannes im Raum gestanden. Der Umfang der Sache und die<br />

Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien als unterdurchschnittlich<br />

zu bewerten.<br />

Durch die Beiordnung als Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 2<br />

StPO werde ein besonderer Umfang und insbesondere eine<br />

besondere Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht indiziert.<br />

Weder das eine noch das andere seiim vorliegenden Fall erkennbar.<br />

Lediglich für die Frage, ob die Zündung des Motorrollers<br />

mittels Zündschlüssels oder durch ein „Kurzschließen“ erfolgte,<br />

habe es einer sachverständigen Auskunft bedurft.<br />

III. Erstattungsfähigkeit der Reisekosten<br />

Die beantragte Erstattung von Fahrtkosten (K-N-Kiel) und<br />

Abwesenheitsgeld ist nach Auffassung des LG ebenfalls zu Recht<br />

versagt worden. Mehrkosten (Reisekosten, Tage- und Abwesenheitsgelder)<br />

würden nach § 464 Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. mit § 91<br />

Abs. 2 Satz 2 ZPO nur erstattet, wenn die Zuziehung eines nicht<br />

am Prozessort wohnenden Verteidigers notwendig war (Meyer-<br />

Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., 2015, § 464a, Rn. 12 m.w.N.). Die<br />

ehemalige Angeklagte hätte einen am Prozessort wohnenden<br />

Verteidiger beauftragen können. Gründe, die ausnahmsweise<br />

für die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts sprechen (vgl.<br />

insoweit Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464a Rn. 12), seien<br />

weder vorgetragen noch ersichtlich.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Bemessung der Rahmengebühren<br />

Ob die Bemessung von Grundgebühr und Verfahrensgebühr<br />

unterhalb der Mittelgebühr zutreffend ist, wird man ohne genaue<br />

Kenntnis aller Umstände des Falles nicht beurteilen können. M.E.<br />

spricht aber vieles dafür, dass die Einordnung durch das LG falsch<br />

ist. Denn es ist schon nicht ersichtlich, warum das Verfahren als<br />

„unterdurchschnittlich“ anzusehen sein soll. Allein der Umstand,<br />

dass der Angeklagten nur eine Geldstrafe drohte, wird da als<br />

Begründung nicht ausreichen. Zumal ja ein Sachverständigengutachten<br />

eingeholt worden ist. Nicht haltbar ist m.E. auch die<br />

Auffassung des AG, dass aus der Beiordnung des RA als Pflichtverteidiger<br />

– gestützt auf § 140 Abs. 2 StPO – nichts anderes folgt.<br />

Weder § 140 Abs. 2 StPO noch § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG setzen eine<br />

„besondere Schwierigkeit“ voraus, in beiden Fällen wird nur auf ein<br />

„schwieriges Verfahren“ oder die „Schwierigkeit der Sache“ abgestellt.<br />

Wird dann ein Pflichtverteidiger wegen eines „schwierigen<br />

Verfahrens“ beigeordnet, dann spricht das m.E. sehr wohl auch<br />

für „Schwierigkeit“ i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG. Alles andere wäre<br />

widersprüchlich. Ist das Verfahren aber schwierig, kann es m.E.<br />

nicht unterdurchschnittlich sein, so dass zumindest die Mittelgebühr<br />

hätte festgesetzt werden müssen.<br />

2. Reisekosten<br />

Auch die Nichterstattung der Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes<br />

begegnet erheblichen Bedenken. Das LG setzt sich nämlich<br />

nicht mit der obergerichtlichen Rechtsprechung auseinander, die<br />

davon ausgeht, dass dann, wenn das Gericht einen auswärtigen<br />

RA als Pflichtverteidiger bestellt, im Fall des Freispruchs grundsätzlich<br />

auch diejenigen Mehrkosten erstattungsfähig sind, die dadurch<br />

entstehen, dass der bestellte Verteidiger seinen Wohnsitz<br />

oder seine Kanzlei nicht am Gerichtsort hat (OLG Naumburg StraFo<br />

2014, 174 = AGS 2014, 542). Auch verliert es kein Wort über die<br />

Rechtsprechung, die nach der Änderung des § 142 Abs. 1 StPO durch<br />

das sog. 2. OpferRRG 20<strong>09</strong> davon ausgeht, dass der Beschuldigte<br />

auch Anspruch auf Ersatz von Reisekosten des auswärtigen Wahlverteidigers<br />

hat (vgl. AG Witten <strong>RVGreport</strong> 2010, 234 = zfs 2010, 234<br />

= AGS 2010, 326; ähnlich OLG Nürnberg <strong>RVGreport</strong> 2011, 189 = zfs<br />

2011, 220 = StRR 2011, 203; a.A. LG Bochum StRR 2010, 117; LG<br />

Düsseldorf AGS 2011, 206). Und: Vom RA war hier ein besonderes<br />

Vertrauensverhältnis geltend gemacht worden. Allein das hätte an<br />

sich schon zur Erstattung führen müssen.<br />

D. Burhoff<br />

Erhöhte Mittelgebühr im Bußgeldverfahren<br />

§ 14 RVG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Zur Gebührenbemessung im straßenverkehrsrechtlichen<br />

Bußgeldverfahren.<br />

LG Cottbus, Beschl. v. 20.6.<strong>2016</strong> – 22 Qs 106/16<br />

I. Sachverhalt<br />

Mit dem Bußgeldbescheid wurde gegen den Betroffenen wegen<br />

eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG eine Geldbuße i.H.v.<br />

1.000,00 € festgesetzt. Zudem wurde die Eintragung von zwei<br />

Punkten in das Verkehrszentralregister (VZR) angeordnet und ein<br />

Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Im Verfahren vor der<br />

Verwaltungsbehörde legte der Verteidiger Einspruch ein, ohne<br />

diesen zu begründen, reichte die Vollmacht zur Akte und nahm<br />

Akteneinsicht in die bis dahin 21 Blatt umfassende Akte. Die<br />

Begründung des Einspruches ging erst nach der Ladung zum<br />

Hauptverhandlungstermin zusammen mit dem Antrag auf Einstellung<br />

des Verfahrens ein. Der Betroffene rügte die Vornahme<br />

einer korrekten Messung mit dem verwendeten Messsystem<br />

„Alcotest 7110 Evidential MK III“. Dabei benannte er im Einzelnen<br />

die seiner Ansicht nach begangenen Verstöße gegen die ordnungsgemäße,<br />

nach der Gebrauchsanleitung des Herstellers vorzunehmende<br />

Messung. Im ersten Hauptverhandlungstermin, der<br />

20 Minuten gedauert hat, vernahm das AG u.a. einen Zeugen. In<br />

einem späteren lediglich 10 Minuten andauernden Fortsetzungstermin<br />

vernahm das AG dann einen weiteren Zeugen und sprach<br />

336 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

den Betroffenen dann frei. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen<br />

Auslagen des Betroffenen legte es der Staatskasse auf.<br />

Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag beantragte der Betroffene,<br />

die ihm entstandenen notwendigen Auslagen auf insgesamt<br />

1.385,76 € festzusetzen. Dabei legte er, mit Ausnahme der geltend<br />

gemachten Grundgebühr in Höhe der Mittelgebühr, für die jeweils<br />

angefallenen Verfahrens- und Terminsgebühren jeweils 25 % über<br />

der Mittelgebühr zugrunde. Das AG setzte die zu erstattenden<br />

notwendigen Auslagen entsprechend der vom Bezirksrevisor abgegeben<br />

Stellungnahme auf 862,16 € fest und setzte damit insgesamt<br />

einen Betrag von 523,60 € brutto ab. Es sah die jeweils<br />

geltend gemachten Gebühren als überhöht und nicht verbindlich<br />

an. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.<br />

II. Überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit<br />

Das LG hat die vom Verteidiger vorgenommene Bemessung der<br />

Rahmengebühren als nicht unbillig hoch und damit als verbindlich<br />

(§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG) angesehen. Die Höhe der Gebühren<br />

bemesse sich nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG, somit<br />

nach der Bedeutung der Sache, dem Umfang der anwaltlichen<br />

Tätigkeit und der Schwierigkeit der Angelegenheit in rechtlicher<br />

und tatsächlicher Hinsicht, den Vermögens- und Einkommensverhältnissen<br />

des Mandanten und nach einem etwaigen besonderen<br />

Haftungsrisiko.<br />

Eine Gesamtschau der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG unter<br />

Berücksichtigung des Kompensationskriteriums ergebe, dass die<br />

im Streit stehenden Verfahrens- und Terminsgebühren in Höhe<br />

der jeweils leicht erhöhten geltend gemachten Mittelgebühren<br />

jedenfalls nicht unangemessen seien.<br />

1. Bedeutung der Angelegenheit<br />

Insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit sei für den Betroffenen<br />

als überdurchschnittlich zu bewerten. So spreche bereits die<br />

Höhe des Bußgeldes von 1.000 €, aber auch die verhängten<br />

Nebenfolgen, das dreimonatige Fahrverbot und die Eintragung von<br />

zwei Punkten im VZR für eine überdurchschnittliche Bedeutung<br />

der Sache. Die Einschränkungen für den Betroffenen bei Durchsetzung<br />

des verhängten dreimonatigen Fahrverbotes wären immens<br />

gewesen. Er sei auch beruflich auf seine Fahrerlaubnis<br />

angewiesen. Daneben sei auch die Dauer von drei Monaten kein<br />

kurzer und schnell zu überbrückender Zeitraum, auch weil der<br />

Betroffene gerade nicht über einen Urlaubsanspruch von drei Monaten<br />

verfüge.<br />

2. Umfang der anwaltlichen Tätigkeit<br />

Zwar sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in den jeweiligen<br />

Verfahrensstadien, mit Ausnahme des Umfangs der Tätigkeit im<br />

Ermittlungsverfahren, als durchschnittlich zu bewerten. Der durchschnittliche<br />

Umfang der anwaltlichen Tätigkeit werde aber durch<br />

die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den<br />

Beschwerdeführer kompensiert und rechtfertige die um 25 % der<br />

Mittelgebühr erhöht geltend gemachten Verfahrensgebühren. Im<br />

Hinblick auf den Hauptverhandlungstermin, der lediglich 20 Minuten<br />

dauerte und in dem ein Zeuge vernommen wurde, aber auch<br />

hinsichtlich des lediglich 10 Minuten andauernden Fortsetzungstermins<br />

sei ein Ermessensfehlgebrauch bei der Bestimmung der um<br />

ca. 17 % erhöht geltend gemachten Mittelgebühr unter Berücksichtigung<br />

des Umstandes, dass der Umfang und die Schwierigkeit<br />

der anwaltlichen Tätigkeit von der erheblichen Bedeutung der Angelegenheit<br />

des Beschwerdeführers kompensiert werden, ebenfalls<br />

nicht zu erkennen.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Eine schöne, wohl abgewogene Entscheidung in einem Verfahren,<br />

in dem auch der Verteidiger „gebührenrechtliches Augenmaß“<br />

bewiesen und die Mittelgebühr nur um 25 % erhöht hat. Zutreffend<br />

sind m.E. auch die Ausführungen des LG zur Bedeutung<br />

der Sache für den Betroffenen, die auch in anderen Fällen<br />

herangezogen werden können.<br />

Zur Abrundung ein Hinweis: Der Verteidiger hatte in seinem<br />

Kostenfestsetzungsantrag die Gründe für die Gebührenbemessung<br />

nicht dargetan, was erforderlich ist, da die Bemessung der<br />

Gebühren begründet werden muss. Anders lässt sich auch nicht<br />

erkennen, ob und wie der Verteidiger das ihm eingeräumte<br />

Ermessen ausgeübt hat. Er hat die unterlassene Begründung<br />

dann aber im Rahmen der Einlegung der sofortigen Beschwerde<br />

nachgeholt und in Auseinandersetzung mit der Stellungnahme des<br />

Bezirksrevisors noch weitere Ausführungen gemacht. Das Unterlassen<br />

hatte hier also keine Folgen. Man sollte jedoch als Verteidiger<br />

lieber sofort seinen Gebührenanspruch begründen.<br />

D. Burhoff<br />

Angelegenheit bei der außergerichtlichen<br />

Unfallschadensregulierung<br />

§§ 15 Abs. 2, 22 Abs. 1 RVG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Die außergerichtliche Vertretung des Eigentümers des<br />

Unfallfahrzeugs einerseits und des Fahrers dieses Fahrzeugs<br />

andererseits gegenüber der Haftpflichtversicherung<br />

des Unfallgegners stellt für den von beiden beauftragten<br />

Rechtsanwalt gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten<br />

dar.<br />

AG Limburg a.d. Lahn, Urt. v. 27.6.<strong>2016</strong> – 4 C 208/16<br />

I. Sachverhalt<br />

Die Klägerin steuerte einen Pkw, der im Eigentum ihres Vaters<br />

steht. Der Versicherungsnehmer (VN) der Beklagten befuhr mit<br />

einem bei dieser haftpflichtversicherten Pkw dieselbe Straße wie<br />

die Klägerin in der Gegenrichtung und wollte – wie die Klägerin<br />

auch – abbiegen. Ohne auf die Klägerin zu achten und ohne an der<br />

Straßeneinmündung anzuhalten, fuhr er in die Straße ein, überschritt<br />

dabei die Mittellinie der Fahrbahn und fuhr in die linke Seite<br />

des von der Klägerin gesteuerten Pkw. Die Klägerin erlitt durch<br />

den Unfall Prellungen an der linken Körperseite, die eine Erstbehandlung<br />

in der unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses<br />

in L. erforderlich machten. Zum Unfallzeitpunkt war die<br />

Klägerin auf dem Weg zu einer Nebenbeschäftigung als Verkaufspromoterin,<br />

für die sie eine Vergütung i.H.v. 50 € sowie eine<br />

Qualitätsprämie i.H.v. 45 € erhalten hätte. Da sie diese Tätigkeit<br />

unfallbedingt nicht ausführen konnte, wurde die Vergütung nicht<br />

an sie gezahlt.<br />

Sowohl die Klägerin als auch deren Vater beauftragten den<br />

nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die jeweiligen<br />

Ansprüche aus dem Verkehrsunfall gegenüber der Beklagten und<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 337


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

ihrem VN geltend zu machen, was dieser auch erledigte. Die<br />

Klägerin forderte den Ersatz von Attestkosten i.H.v. 30 €, von<br />

Verdienstausfall i.H.v. 95 €, von Schmerzensgeld i.H.v. 750 € sowie<br />

einer Auslagenpauschale von 25 €. Die Beklagte zahlte an die<br />

Klägerin vorprozessual die Attestkosten i.H.v. 30 € und eine<br />

Auslagenpauschale i.H.v. 25 € sowie ein Schmerzensgeld i.H.v.<br />

200 €. Die Zahlung der übrigen Beträge sowie der vorgerichtlichen<br />

Rechtsanwaltskosten lehnte die Beklagte ab.<br />

Hieraufhin machte die Klägerin ihre Ansprüche beim AG Limburg<br />

a.d. Lahn geltend. In diesem Rechtsstreit hatte die Beklagte in<br />

Bezug auf die Anwaltskosten geltend gemacht, es liege ein und<br />

dieselbe Angelegenheit im Hinblick auf die Ansprüche des Fahrzeughalters<br />

vor. Es habe daher lediglich eine Streitwertaddition<br />

nach § 22 RVG zu erfolgen, ein eigenständiger Anspruch auf<br />

Erstattung von Rechtsanwaltskosten stehe der Klägerin nicht zu.<br />

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das AG hat der Klägerin den<br />

Verdienstausfall im vollem Umfang und ein weiteres Schmerzensgeld<br />

i.H.v. 100 € sowie Anwaltskosten für die vorgerichtliche<br />

Rechtsverfolgung zugesprochen.<br />

II. Zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten<br />

Nach Auffassung des AG Limburg stellt die außergerichtliche<br />

Unfallschadensregulierung des Prozessbevollmächtigten für die<br />

Klägerin einerseits und für deren Vater als Eigentümer des Fahrzeugs<br />

andererseits gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten<br />

i.S.v. § 15 RVG dar. Aus dem Umstand, dass der Auftragserteilung<br />

ein und derselbe Verkehrsunfall zugrunde gelegen habe,<br />

folge nicht, dass es sich nur um eine einzige Angelegenheit<br />

gehandelt habe. Vielmehr lagen nach den weiteren Ausführungen<br />

des AG zwei gesonderte Auftragserteilungen von zwei verschiedenen<br />

Personen vor, die jeweils unterschiedliche Ansprüche<br />

zum Gegenstand gehabt haben. Folglich konnte hier die<br />

Klägerin nach Auffassung des AG Limburg a.d. Lahn die ihr vorgerichtlich<br />

entstandenen Rechtsanwaltskosten von der Beklagten<br />

erstattet verlangen.<br />

Diese berechneten sich aus dem Gegenstandswert, hinsichtlich<br />

dessen das Begehren der Klägerin erfolgreich war. Folglich hat das<br />

AG Limburg a.d. Lahn für die Berechnung des Gegenstandswertes<br />

folgende Schadenspositionen berücksichtigt:<br />

Schmerzensgeld i.H.v. 300,00 €<br />

Verdienstausfallschaden i.H.v. 95,00 €<br />

Attestkosten i.H.v. 30,00 €<br />

sowie<br />

Kostenpauschale i.H.v. 25,00 €<br />

Insgesamt somit: 450,00 €<br />

Die der Klägerin neben der Hauptforderung zu erstattenden<br />

außergerichtlich angefallenen Anwaltskosten hat das AG Limburg<br />

a.d. Lahn wie folgt ermittelt:<br />

1. 1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG<br />

(Wert: 450,00 €) 58,50 €<br />

2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 11,70 €<br />

3. 19 % USt., Nr. 7008 VV RVG + 13,34 €<br />

Summe: 83,54 €<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Frage, ob die außergerichtliche Vertretung mehrerer Auftraggeber<br />

für den gemeinsamen RA zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten<br />

darstellt oder nur eine einzige, wirft in der Praxis<br />

immer wieder Schwierigkeiten auf, weil dies in den §§ 16 ff. RVG<br />

nicht ausdrücklich geregelt ist. Ob eine einzige Angelegenheit oder<br />

ob mehrere Angelegenheiten vorliegen, beurteilt sich unter<br />

Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.<br />

1. Die maßgeblichen Umstände<br />

Dabei ist insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags<br />

maßgebend (BGH <strong>RVGreport</strong> 2011, 16 [Hansens] = JurBüro 2010,<br />

638; BGH <strong>RVGreport</strong> 2011, 15 [Ders.] = JurBüro 2010, 636; BGH<br />

<strong>RVGreport</strong> 20<strong>09</strong>, 423 [Ders.] = AGS 20<strong>09</strong>, 472; BGH NJW 2011,<br />

2591; BGH <strong>RVGreport</strong> 2014, 388 [Ders.] = AGS 2014, 263; BGH<br />

<strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>, 94 [Ders.]). Danach betreffen weisungsgemäß<br />

erbrachte anwaltliche Leistungen i.d.R. dieselbe Angelegenheit,<br />

wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und<br />

sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend<br />

übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der<br />

anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Dabei erfordert<br />

die Annahme einer einzigen Angelegenheit im gebührenrechtlichen<br />

Sinne nicht, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe<br />

zu erfüllen hat. Vielmehr kann auch dann noch von einem<br />

einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit ausgegangen<br />

werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des<br />

Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander<br />

abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere<br />

getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat (BGH <strong>RVGreport</strong><br />

2011, 339 [Hansens] = JurBüro 2011, 522). Von einem einheitlichen<br />

Rahmen kann dann ausgegangen werden, wenn die verschiedenen<br />

Gegenstände in dem Sinne einheitlich von dem RA bearbeitet<br />

werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst<br />

oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht<br />

werden können. Dabei kann von einem inneren Zusammenhang<br />

ausgegangen werden, wenn die verschiedenen Gegenstände bei<br />

objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der<br />

anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten<br />

Erfolgs zusammengehören (s. BGH <strong>RVGreport</strong> 2014, 388 [Hansens]<br />

= AGS 2014, 263).<br />

2. Zeitpunkt der jeweiligen Auftragserteilung<br />

Im Fall des AG Limburg a.d. Lahn ist dem mitgeteilten Sachverhalt<br />

nicht zu entnehmen, ob die Klägerin und ihr Vater ihren gemeinsamen<br />

RA am selben Tage oder nacheinander an verschiedenen<br />

Tagen mit der außergerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen<br />

beauftragt haben. Entscheidungserheblich wäre dies allerdings<br />

nicht gewesen. Selbst wenn die Klägerin und ihr Vater den RA im<br />

Abstand von einigen Tagen beauftragt hätten, würde dies nicht<br />

zwingend für die Annahme verschiedener Angelegenheiten sprechen.<br />

Vielmehr kann ein einheitlicher Auftrag auch dann vorliegen,<br />

wenn die Aufträge einzeln und zeitlich versetzt erteilt werden<br />

(BGH <strong>RVGreport</strong> 2014, 388 [Hansens]: Klageauftrag mehrerer<br />

Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds; BGH <strong>RVGreport</strong><br />

2011, 339 [Ders.]: Aufträge an unterschiedlichen Tagen zur<br />

Abwehr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch dieselbe<br />

Berichterstattung).<br />

3. Die Umstände im Fall des AG Limburg a.d. Lahn<br />

Wendet man die vorgenannten Grundsätze der höchstrichterlichen<br />

Rechtsprechung auf den dem Urteil des AG Limburg a.d.<br />

338 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

Lahn zugrunde liegenden Sachverhalt an, hätte die Entscheidung<br />

hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten auch anders<br />

ausfallen können. Der für die Annahme einer einzigen Angelegenheit<br />

erforderliche innere Zusammenhang liegt hier wohl<br />

darin, dass der RA die verschiedenen Ansprüche der Klägerin<br />

einerseits und ihres Vaters andererseits geltend gemacht hatte,<br />

die ihre Grundlage in demselben Verkehrsunfall haben. Dass der<br />

RA hierbei in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende<br />

Anspruchsgrundlagen zu prüfen hatte, nämlich den Sachschaden<br />

des Vaters an dem Pkw einerseits und die einzelnen Schadenspositionen<br />

der Klägerin andererseits, dürfte dem nicht entgegenstehen.<br />

Der ferner erforderliche einheitliche Rahmen der anwaltlichen<br />

Tätigkeit liegt dann vor, wenn der RA die verschiedenen Gegenstände<br />

hätte einheitlich bearbeiten können und sie verfahrensrechtlich<br />

dergestalt hätte zusammenfassen können, dass er sie<br />

außergerichtlich in einem einheitlichen Vorgehen hätte geltend<br />

machen können. Ggf. hätte der Anwalt hier wohl die verschiedenen<br />

Ansprüche der Klägerin einerseits und ihres Vaters andererseits<br />

in einem einzigen Forderungsschreiben an die beklagte<br />

Haftpflichtversicherung des Unfallgegners geltend machen können.<br />

Im Falle des Misserfolgs der vorgerichtlichen Bemühungen<br />

hätten die jeweiligen Ansprüche auch in einem einzigen Rechtstreit<br />

verfolgt werden können. Dem mitgeteilten Sachverhalt ist<br />

nicht zu entnehmen, mit welchem Erfolg der RA die Ansprüche für<br />

den Vater der Klägerin außergerichtlich geltend gemacht hat.<br />

Ebenso wenig ist bekannt, ob dieser seine Ansprüche in einem<br />

gesonderten Rechtsstreit verfolgt hat. In gebührenrechtlicher<br />

Hinsicht wäre wohl die Erhebung einer gemeinsamen Klage gegen<br />

die beklagte Haftpflichtversicherung möglich gewesen, was<br />

ebenfalls für die Annahme nur einer einzigen gebührenrechtlichen<br />

Angelegenheit spricht. Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte<br />

für die Klägerin eine gesonderte Klage erhoben hat,<br />

hatte seine Grundlage womöglich darin, dass der Vater der<br />

Klägerin als Zeuge in Betracht kam. Jedenfalls wäre die Klägerin<br />

als Fahrerin des Unfallfahrzeugs eine mögliche Zeugin in dem<br />

Rechtsstreit des Vaters gewesen.<br />

4. Berechnung bei nur einer Angelegenheit<br />

Selbst wenn man – anders als es das AG Limburg a.d. Lahn getan<br />

hat – hier nur von einer einzigen gebührenrechtlichen Angelegenheit<br />

ausgegangen wäre, hätte dies nicht die von der Beklagten<br />

angeführte Folge, dass die Klägerin überhaupt keine Ersatzansprüche<br />

wegen vorgerichtlicher Anwaltskosten gehabt hätte. Denn<br />

in diesem Fall wären gem. § 22 Abs. 1 RVG die Werte der einzelnen<br />

Gegenstände (Sachschaden des Vaters der Klägerin<br />

einerseits, Verdienstausfallschaden und Schmerzensgeldanspruch<br />

der Klägerin andererseits) zu addieren gewesen und hieraus wäre<br />

eine einzige Geschäftsgebühr zu berechnen gewesen. Je nach<br />

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit für die<br />

beiden Auftraggeber gemeinsam wäre ggf. eine höhere Geschäftsgebühr<br />

als die dem RA hier zugesprochene 1,3 Geschäftsgebühr<br />

angemessen gewesen. Eine 0,3 Gebührenerhöhung nach Nr. 1008<br />

VV RVG wäre dann allerdings nicht angefallen, weil der RA für die<br />

Klägerin und ihren Vater nicht hinsichtlich derselben Gegenstände<br />

tätig gewesen wäre. Dies ist jedoch nach Abs. 1 der Anm. zu<br />

Nr. 1008 VV RVG Voraussetzung für die Berechnung der Gebührenerhöhung.<br />

5. Aktuelle Rechtsprechung<br />

In neuerer Zeit hat sich die Rechtsprechung mehrfach mit der<br />

Problematik der gebührenrechtlichen Angelegenheit bei der außergerichtlichen<br />

Verkehrsunfallschadensregulierung befasst:<br />

• Das AG Aichach <strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>, 176 [Hansens] = zfs <strong>2016</strong>, 347<br />

m. Anm. Hansens = AGS <strong>2016</strong>, 205 ist bei der Vertretung<br />

zweier Geschädigter, die mit ihren jeweiligen Fahrzeugen in<br />

dasselbe Unfallgeschehen verwickelt waren, von verschiedenen<br />

gebührenrechtlichen Angelegenheiten ausgegangen.<br />

• Nach Auffassung des AG Bochum <strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>, 217 [Hansens]<br />

= zfs <strong>2016</strong>, 349 m. Anm. Hansens stellt die Vertretung<br />

von Eheleuten, die den Anwalt getrennt beauftragt hatten<br />

und die unterschiedliche Schadenspositionen aufgrund desselben<br />

Unfallgeschehens geltend gemacht hatten, ebenfalls verschiedene<br />

gebührenrechtliche Angelegenheiten dar.<br />

Der Hinweis auf diese neueren Gerichtsentscheidungen und auf<br />

das Urteil des AG Limburg a.d. Lahn hier kann möglicherweise<br />

dazu führen, dass das entscheidende Gericht bei einem vergleichbaren<br />

Sachverhalt ebenfalls von verschiedenen gebührenrechtlichen<br />

Angelegenheiten ausgeht.<br />

H. Hansens<br />

Pauschgebühr des Wahlverteidigers<br />

§ 42 RVG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Zur Bemessung der Pauschgebühr für den Wahlanwalt.<br />

BGH, Beschl. v. 7.6.<strong>2016</strong> – 2 StR 190/12<br />

I. Sachverhalt<br />

Der RA hat den ehemaligen Angeklagten in einem Verfahren<br />

wegen des Vorwurfs der Geldfälschung verteidigt. Nach Abschluss<br />

des Verfahrens hat er wegen des besonderen Umfangs und der<br />

besonderen Schwierigkeit seiner Tätigkeit im Revisionsverfahren<br />

(vgl. dazu StraFo 2013, 126) einschließlich der Revisionshauptverhandlung<br />

beantragt, gem. § 42 RVG eine Pauschgebühr von<br />

insgesamt 3.500 € festzustellen. Der Vertreter der Bundeskasse<br />

hielt eine Pauschgebühr von 2.625 € für angemessen. Der BGH hat<br />

eine Pauschgebühr von 2.625 € festgestellt.<br />

II. Pauschgebühr im Revisionsverfahren<br />

Sind die für das Revisionsverfahren gesetzlich vorgesehenen<br />

Gebühren eines Wahlanwalts – wie hier – wegen des besonderen<br />

Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit<br />

nicht zumutbar, hat der Wahlanwalt gem. § 42 Abs. 1 Satz 1 RVG<br />

einen Anspruch auf Feststellung einer an die Stelle der gesetzlichen<br />

Gebühren (hier gem. Nr. 4131 und 4133 VV RVG) tretenden<br />

Pauschgebühr, die das Doppelte der für die Gebühren des Wahlanwalts<br />

geltenden Höchstbeträge nicht übersteigen darf<br />

(§ 42 Abs. 1 Satz 4 RVG). Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens<br />

steht die Feststellung der Höhe der Pauschgebühr im pflichtgemäßen<br />

Ermessen des Gerichts. Unter Berücksichtigung des Um-<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 339


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

fangs und der Schwierigkeit der Tätigkeit des Antragstellers im<br />

Revisionsverfahren einschließlich der Revisionshauptverhandlung<br />

hat der BGH hier in Übereinstimmung mit dem Vertreter der<br />

Bundeskasse eine Pauschgebühr von 2.625 € für angemessen<br />

gehalten. Für eine Verdoppelung der Höchstgebühr sei unter den<br />

hier gegebenen Umständen hingegen kein Raum. Ein Sonderfall,<br />

der die Feststellung der absoluten Höchstgrenze rechtfertige, liege<br />

schon deshalb nicht vor, weil der Wahlverteidiger bereits im<br />

Verfahren vor dem LaG mit den entscheidungserheblichen Fragen<br />

befasst gewesen sei.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Die gesetzlichen Gebühren betrugen in dem hier einschlägigen bis<br />

zum 31.7.2013 geltenden Gebührenrecht höchstens 1.162,50 € für<br />

die Gebühr Nr. 4131 VV RVG und 587,50 € für die Gebühr Nr. 4133<br />

VV RVG, also insgesamt 1.750 €. Nach § 42 Abs. 1 Satz 4 RVG<br />

hätten somit höchstens die vom Verteidiger beantragten 3.500 €,<br />

nämlich das Doppelte der Wahlanwaltshöchstgebühren, festgesetzt<br />

werden können. Der BGH bewegt sich mit den gewährten<br />

2.625 € genau in der Mitte zwischen der Wahlanwaltshöchstgebühr<br />

und ihrem doppelten Betrag. Ob dafür allerdings das<br />

Argument ausreicht, der Verteidiger habe die entscheidungserheblichen<br />

Fragen bereits aus der ersten Instanz gekannt, erscheint<br />

fraglich, wobei mir durchaus bewusst ist, dass die genauen Einzelheiten<br />

des Mandats nicht bekannt sind. Aber das Argument des<br />

BGH passt dann bei jedem Verteidiger, der seinen Mandanten<br />

bereits im Erkenntnisverfahren vertreten hat.<br />

D. Burhoff<br />

Gebühr für ein ärztliches Attest als<br />

Auslage des PKH-Anwalts<br />

§§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1, 56 RVG; Vorbem. 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG;<br />

§§ 675, 670 BGB<br />

Leitsätze des Gerichts:<br />

1. Bei einer auf Bitten des Rechtsanwalts durch den behandelnden<br />

Facharzt eigens verfassten ärztlichen Stellungnahme,<br />

in welcher dieser die für die Frage der Reisefähigkeit<br />

des Ausländers relevanten Umstände ausführlich<br />

darlegt, handelt es sich um einen Aufwand des Rechtsanwalts,<br />

nicht um einen Aufwand der von ihm vertretenen<br />

Partei.<br />

2. Die Erforderlichkeit von Auslagen des beigeordneten<br />

Rechtsanwalts für die Beschaffung einer fachärztlichen<br />

Stellungnahme für ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren<br />

gegen eine drohende Abschiebung bestimmt sich nach<br />

den konkreten Umständen des Einzelfalls (hier bejaht).<br />

VG Karlsruhe, Beschl. v. 19.4.<strong>2016</strong> – 7 K 4633/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Am 25.4.2015 reichte die RAin für ihre Mandanten per Telefax<br />

einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen<br />

eine von dem Antragsgegner in Aussicht gestellte Abschiebung<br />

ein. Gleichzeitig beantragte die RAin die Gewährung von PKH<br />

unter ihrer Beiordnung. Mit dem Originalschriftsatz und den<br />

weiteren Anlagen gingen am 27.4.2015 auch die Erklärungen der<br />

Antragsteller über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

beim VG ein. Mit Schriftsatz vom 29.4.2015 legte die RAin<br />

eine ärztliche Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie vom<br />

28.4.2015 vor. In dieser beantwortete der Arzt konkrete Fragen der<br />

RAin zum Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 1, insbesondere<br />

zu den gesundheitlichen Gefahren einer Festnahme und einer<br />

Abschiebung in ihr Heimatland. Durch Beschl. v. 26.5.2015 bewilligte<br />

das VG Karlsruhe den Antragstellern unter Beiordnung ihrer<br />

Verfahrensbevollmächtigten PKH „für das Verfahren vor dem<br />

VG“. Nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen<br />

der Parteien wurde das Verfahren vom VG eingestellt.<br />

Am 31.7.2015 beantragte die RAin die Festsetzung der ihr aus der<br />

Landeskasse zu zahlenden Vergütung, darunter einer „Attest-<br />

Gebühr vom 29.4.2015“ i.H.v. 43 €. Hierzu legte die RAin eine an sie<br />

persönlich gerichtete Rechnung des Facharztes für Psychiatrie<br />

vom 28.4.2015 über diesen Betrag vor.<br />

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) lehnte die Festsetzung<br />

der „Attest-Gebühr“ mit der Begründung ab, diese sei<br />

zeitlich vor der PKH-Bewilligung und Beiordnung entstanden. Die<br />

hiergegen gerichtete Erinnerung der RAin hatte Erfolg.<br />

II. Aufwendungen der beigeordneten Rechtsanwältin<br />

1. Gesetzliche Grundlagen<br />

Der im Wege der PKH beigeordnete RA kann als Teil seines<br />

Vergütungsanspruchs nach § 45 Abs. 1 RVG von der Staatskasse<br />

auch die Zahlung seiner Auslagen verlangen. Dies gilt gem. § 46<br />

Abs. 1 RVG nur dann nicht, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung<br />

der Angelegenheit nicht erforderlich war. Das VG Karlsruhe<br />

hat darauf hingewiesen, dass zu diesen Auslagen auch alle<br />

Aufwendungen gehören, die ein nicht im Wege der PKH beigeordneter<br />

RA gem. §§ 670, 675 BGB von seinem Auftraggeber erstattet<br />

verlangen könne (§ 46 Abs. 2 Satz 3 RVG). Demgegenüber seien<br />

Parteiauslagen und der Partei obliegende Auslagen von der Staatskasse<br />

nicht zu tragen, selbst wenn sie der RA vorgeschossen habe.<br />

2. Eigene Aufwendungen der beigeordneten Rechtsanwältin<br />

Die verfahrensgegenständliche „Attest-Gebühr“ für die ärztliche<br />

Stellungnahme stellt nach Auffassung des VG Karlsruhe eine eigene<br />

Aufwendung der RAin, nicht hingegen eine solche ihrer Mandanten<br />

dar. Zwar zähle die Inanspruchnahme medizinischer Versorgung<br />

und die bloße Dokumentation einer erfolgten Behandlung, wie<br />

etwa die Erstellung eines Arztbriefes nach stationärer Behandlung,<br />

zur Information des Patienten sowie des weiter behandelnden<br />

Arztes und sei deshalb ein von dem jeweiligen Mandanten selbst<br />

zu tragender Parteiaufwand. Derartige Aufwendungen könne ein<br />

beigeordneter RA, selbst wenn er diese Kosten vorgestreckt habe,<br />

aus der Landeskasse nicht gezahlt erhalten.<br />

Hier habe es sich jedoch um eine von dem behandelnden Arzt<br />

verfasste ärztliche Stellungnahme gehandelt, die auf Bitten der<br />

RAin angefertigt wurde und in der der Arzt die für die Frage der<br />

Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1 relevanten Umstände ausführlich<br />

dargelegt habe, somit um eine Aufwendung der RAin. Diese<br />

Informationsbeschaffung über den Gesundheitszustand der Antragstellerin<br />

zu 1 sei nämlich vergleichbar mit Maßnahmen der<br />

Beweismittelbeschaffung. Sie habe nicht der medizinischen Versorgung<br />

der Antragstellerin zu 1 gedient, sondern ausschließlich der<br />

Informationsbeschaffung der RAin und der Dokumentation für das<br />

von der RAin im Namen der Antragsteller geführte verwaltungsgerichtliche<br />

Verfahren. Die Beschaffung der ärztlichen Stellung-<br />

340 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

nahme ist nach Auffassung des VG mit der Einholung eines<br />

medizinischen Kurzgutachtens vergleichbar und gehört deshalb<br />

grundsätzlich zu den erstattungsfähigen Aufwendungen der RAin.<br />

III. Erforderlichkeit der Auslagen<br />

1. Objektiv zweckmäßig<br />

Die Landeskasse hat gem. § 46 Abs. 2 Satz 3 RVG nur diejenigen<br />

Auslagen zu tragen, die zur sachgemäßen Durchführung der<br />

Angelegenheit erforderlich waren. Dies bestimmt sich nach Auffassung<br />

des VG Karlsruhe nach den Verhältnissen zur Zeit der<br />

Tätigkeit gem. den Anschauungen des prozessualen Rechtsverkehrs.<br />

Da § 46 RVG Missbrauch verhindern solle, genüge es, wenn<br />

die Auslage im Interesse der Partei aus damaliger Sicht objektiv<br />

zweckmäßig sei.<br />

Aufgrund der negativen Fassung des § 46 Abs. 1 RVG ist nach den<br />

weiteren Ausführungen des VG zunächst davon auszugehen, dass<br />

Auslagen, die ein beigeordneter RA aufgewandt hat, zur sachgemäßen<br />

Wahrnehmung der Rechte der von ihm vertretenen Partei<br />

erforderlich waren. Somit müssten gewichtige und auf Tatsachen<br />

gegründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der RA unnötige<br />

Auslagen verursacht habe. Erst dann könne von dem RA die Darlegung<br />

der Notwendigkeit der Auslagen gefordert werden.<br />

2. Kein Einfluss des Amtsermittlungsgrundsatzes<br />

Dem steht nach den weiteren Ausführungen des VG nicht entgegen,<br />

dass das Gericht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren<br />

verpflichtet ist, den Sachverhalt gem. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO von<br />

Amts wegen zu erforschen. Trotz dieser Amtsermittlungspflicht<br />

entspreche es ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung<br />

im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung einstweiligen<br />

Rechtsschutzes gegen Abschiebung, dass ein Antragsteller,<br />

der sich auf eine bestehende Erkrankung und eine daraus resultierende<br />

Reiseunfähigkeit berufe, diese Umstände mit einem hinreichend<br />

substantiierten fachärztlichen Attest glaubhaft zu machen<br />

habe. Nur wenn ihm dies gelinge, habe er Aussicht auf Erfolg<br />

in einem derartigen Verfahren. Erst dann sei die Ausländerbehörde<br />

zur weiteren Sachaufklärung etwa durch Anordnung einer entsprechenden<br />

ärztlichen Begutachtung verpflichtet.<br />

Ferner hat das VG darauf hingewiesen, dass erst die von der RAin<br />

beschaffte ärztliche Stellungnahme vom 28.4.2015 den Anforderungen<br />

an eine Glaubhaftmachung einer etwaigen Suizidgefahr<br />

bei der Antragstellerin zu 1 entsprochen habe und den Antragsgegner<br />

veranlasst habe, die geplante Abschiebung der Antragsteller<br />

einstweilen auszusetzen. In der Kürze der Zeit sei auch keine<br />

kostengünstigere oder sogar kostenlose Möglichkeit gegeben<br />

gewesen, eine nach den Maßstäben der Rechtsprechung ausreichend<br />

substantiierte ärztliche Stellungnahme zu beschaffen.<br />

Nach Auffassung des VG Karlsruhe wäre der Antrag ihrer Mandanten<br />

aller Voraussicht nach abgelehnt worden, wenn die RAin<br />

die fachärztliche Dokumentation nicht beschafft und im gerichtlichen<br />

Verfahren vorgelegt hätte.<br />

Ferner hat das VG darauf hingewiesen, es sei nichts dafür ersichtlich,<br />

dass die entstandenen Kosten i.H.v. 43 € für die ärztliche<br />

Stellungnahme unangemessen hoch gewesen wären.<br />

IV. Zeitlicher Umfang der Beiordnung<br />

Das VG Karlsruhe hat schließlich die Auffassung vertreten, die<br />

„Attest-Gebühr“ sei auch in zeitlicher Hinsicht von dem Beschluss<br />

des VG vom 26.5.2015 erfasst, indem den Antragstellern PKH unter<br />

Beiordnung der RAin bewilligt worden war. Gem. § 48 Abs. 1 RVG<br />

bestimmt sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten RA<br />

nach den Beschlüssen, durch die die PKH bewilligt und der RA<br />

beigeordnet oder bestellt worden ist. Dies hat zur Folge, dass der<br />

beigeordnete RA sämtliche Gebühren und Auslagen aus der<br />

Staatskasse beanspruchen kann, die sich aus seiner Tätigkeit ab<br />

dem Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Für die<br />

Frage, ab welchem Zeitpunkt die Beiordnung wirksam geworden<br />

ist, kommt es nach den Ausführungen des VG auf den Beiordnungsbeschluss<br />

an.<br />

1. Zeitpunkt ausdrücklich genannt<br />

Ist der Zeitpunkt, ab dem PKH bewilligt wird, in dem Bewilligungsbeschluss<br />

ausdrücklich aufgenommen, so ist nach den weiteren<br />

Ausführungen des VG dieser Zeitpunkt für den mit dem<br />

Festsetzungsverfahren befassten UdG bindend, und zwar unabhängig<br />

davon, ob ein anderer Zeitpunkt im Bewilligungs- und<br />

Beiordnungsbeschluss hätte genannt werden müssen.<br />

2. Kein Zeitpunkt genannt<br />

Ist demgegenüber in dem Bewilligungsbeschluss ausdrücklich kein<br />

Zeitpunkt enthalten, ab wann PKH gewährt wird, stellt sich die<br />

Frage, ob die Bewilligung ab Beschlussdatum gelten soll oder<br />

rückwirkend und im letzteren Fall, ob diese auf den Zeitpunkt der<br />

Antragstellung oder der Entscheidungsreife des Antrags bezogen<br />

ist. Nach Auffassung des VG Karlsruhe wirkt die einem Kläger<br />

gewährte Bewilligung auf den Zeitpunkt des Antragseingangs<br />

zurück, wenn sich im Beschluss keine abweichende Datierung<br />

findet. Diese Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Antragseingangs<br />

müsse auch nicht ausdrücklich erwähnt werden. Vielmehr müsse<br />

das Gericht den Antrag teilweise zurückweisen, wenn es einen<br />

anderen Zeitpunkt wählen wolle. Ein inhaltlich uneingeschränkter<br />

PKH-Antrag sei nämlich grundsätzlich auf die Bewilligung insgesamt<br />

gerichtet.<br />

Das VG Karlsruhe kommt somit zu dem Zwischenergebnis, dass<br />

die den Antragstellern im Beschl. v. 26.5.2015 zeitlich unbeschränkt<br />

erteilte Bewilligung von PKH auf den Zeitpunkt des Antragseingangs<br />

am 25.4.2015 zurückwirke. Selbst wenn man auf den<br />

Zeitpunkt der vollständigen Vorlage der Erklärung zu den persönlichen<br />

und wirtschaftlichen Verhältnissen (27.4.2015) abstellen<br />

würde, läge dieser noch vor dem Anfall der hier streitigen Attest-<br />

Gebühr am 28. bzw. 29.4.2015.<br />

V. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung des VG Karlsruhe ist ein weiterer Beleg dafür,<br />

dass dem im Wege der PKH beigeordneten RA aus der Landeskasse<br />

nicht nur die in Teil 7 VV RVG ausdrücklich aufgeführten Auslagen<br />

zustehen. Vielmehr kann auch der PKH-Anwalt nach Vorbem. 7<br />

Abs. 1 Satz 2 VV RVG aus der Staatskasse weitere Aufwendungen<br />

erhalten, wenn ein Wahlanwalt gegen seinen Auftraggeber einen<br />

Ersatzanspruch nach § 675 i.V.m. § 670 BGB hätte. Dies gilt nur<br />

nicht für solche Auslagen, die zur sachgemäßen Durchführung der<br />

Angelegenheit nicht erforderlich waren (§ 46 Abs. 1 RVG).<br />

Viele Jahre lang sind kaum einmal Entscheidungen zu dieser<br />

Problematik bekannt geworden. In letzter Zeit haben sich diese<br />

jedoch gehäuft. Sie haben sich mit folgenden Problemkreisen<br />

befasst:<br />

• Fahrtkosten des Pflichtverteidigers für die Abholung und den<br />

Rücktransport der Gerichtsakten zum Zwecke der Akteneinsicht<br />

(LG Dessau-Roßlau <strong>RVGreport</strong> 2015, 420 [Hansens] =<br />

zfs 2015, 707 m. Anm. Hansens = AGS 2015, 597);<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 341


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

• Dolmetscherkosten im sozialgerichtlichen Verfahren (vom<br />

Bay. LSG <strong>RVGreport</strong> 2015, 177 [Ders.] deshalb abgelehnt, weil<br />

eine Verständigung mit dem ausländischen Mandanten über<br />

dessen Ehefrau möglich gewesen wäre);<br />

• Das OLG Hamm <strong>RVGreport</strong> 2013, 307 [Ders.] = AGS 2013, 348 =<br />

AnwBl. 2013, 771 hat einen Vorschussanspruch des PKH-<br />

Anwalts i.H.v. immerhin 10.000 € für die Einholung eines<br />

Privatgutachtens bejaht.<br />

H. Hansens<br />

Unterlassene Mitteilung von<br />

Mandantenzahlungen<br />

§§ 55 Abs. 5, 58 Abs. 2 RVG<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Der (eklatante) Verstoß des beigeordneten Rechtsanwalts<br />

gegen die ihm nach § 55 Abs. 5 Satz 2 und 4 RVG obliegende<br />

Verpflichtung, empfangene Mandantenzahlungen mitzuteilen,<br />

führt nicht zwingend zu einem Wegfall oder einer Kürzung<br />

der aus der Staatskasse festzusetzenden Vergütung.<br />

OLG Hamm, Beschl. v. 15.2.<strong>2016</strong> – 6 WF 46/14<br />

I. Sachverhalt<br />

Das AG Siegen – FamG – hatte in einem Scheidungsverfahren den<br />

RA durch Beschluss v. 23.3.2010 der Ehefrau im Wege der VKH<br />

beigeordnet. Im Termin vor dem FamG v. 16.9.2010 einigten sich<br />

die Eheleute unter Mitwirkung des RA über Unterhaltszahlungen,<br />

den Zugewinn und die sonstige Vermögensauseinandersetzung.<br />

Die Eheleute stimmten darin überein, dass der Hausrat bereits<br />

geteilt sei. Das FamG hat der Ehefrau durch Beschl. v. selben Tage<br />

VKH auch für den Abschluss des Vergleichs bewilligt.<br />

Den Wert für das Scheidungsverfahren hat das FamG auf<br />

12.600,00 € festgesetzt, denjenigen für den Versorgungsausgleich<br />

auf 1.000,00 € und den Gegenstandswert des Vergleichs<br />

auf 56.400,00 €. Durch Beschl. v. selben Tage hat das FamG die<br />

Scheidung ausgesprochen.<br />

Am 17.9.2010 beantragte der RA die Festsetzung seiner Vergütung<br />

aus der Landeskasse wie folgt:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, § 49 RVG,<br />

Nr. 3100 VV RVG<br />

(Wert: 13.600,00 €) 334,10 €<br />

2. 0,8 Verfahrensgebühr, § 49 RVG,<br />

Nrn. 3100, 3101 VV RVG<br />

(Wert: 56.400,00 €) 312,80 €<br />

Gemäß § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als eine<br />

1,3 Verfahrensgebühr (Wert: 70.000,00 €) 508,30 €,<br />

die hier die Obergrenze bilden.<br />

3. 1,2 Terminsgebühr, § 49 RVG,<br />

Nr. 3104 VV RVG<br />

(Wert: 70.000,00 €) 469,20 €<br />

4. 1,5 Einigungsgebühr, § 49 RVG,<br />

Nrn. 1000, 1003 VV RVG<br />

(Wert: 56.400,00 €) 586,50 €<br />

5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme: 1.584,00 €<br />

6. 19 USt, Nr. 7008 VV RVG + 300,96 €<br />

Summe: 1.884,96 €<br />

In seinem Festsetzungsantrag hatte der RA erklärt, ihm sei für<br />

eine außergerichtliche Vertretung bzgl. desselben Gegenstandes<br />

keine Geschäftsgebühr entstanden; spätere Zahlungen werde er<br />

anzeigen.<br />

Tatsächlich hatte der RA von der Ehefrau aufgrund seiner<br />

Rechnungen v. 30.12.20<strong>09</strong> und 30.6.2010 Honorarvorschüsse<br />

einschließlich Postentgeltpauschale und USt. i.H.v. 618,80 € und<br />

1.213,80 € erhalten. Aufgrund seiner Rechnung v. 7.10.2010 ließ er<br />

sich ein weiteres Honorar von 500,00 € einschließlich Postentgeltpauschale<br />

und USt. von seiner Mandantin zahlen. Ohne<br />

Kenntnis von diesen Zahlungen hat die UdG die dem Antragsteller<br />

im „Vorschusswege“ zu zahlende Vergütung durch Beschl.<br />

v. 13.10.2010 antragsgemäß auf 1.884,96 € festgesetzt.<br />

Die vorgenannten Zahlungen i.H.v. insgesamt 2.332,60 € wurden<br />

erst aufgrund des nachträglichen Verfahrens zur Überprüfung der<br />

fortdauernden Bedürftigkeit der Ehefrau aktenkundig. Der RA<br />

erklärte, die pauschalen Vorschüsse von 618,80 € und 1.213,80 €<br />

seien für Verhandlungen berechnet worden, die u.a. in eine Vereinbarung<br />

hinsichtlich des gemeinsamen Hauses der Eheleute<br />

gemündet hätten. Nach der Scheidung habe er sich mit seiner<br />

Mandantin im Oktober 2010 zur Abgeltung dieser Verhandlungen<br />

auf eine pauschale abschließende Zahlung von 500,00 € geeinigt.<br />

Nachdem die UdG Kenntnis von den vorgenannten Zahlungen der<br />

Ehefrau erlangt hatte, hat sie die dem Antragsteller aus der<br />

Landeskasse zu zahlende Vergütung in Abänderung ihrer Entscheidung<br />

v. 13.10.2010 durch Beschl. v. 4.11.2013 auf 0,00 € festgesetzt.<br />

Dies hat sie einmal damit begründet, mangels Bewilligung<br />

von VKH für den Mehrvergleich sei die Terminsgebühr nur nach<br />

einem Wert von 13.600,00 € entstanden, sodass sich daraus eine<br />

Vergütung von 1.693,61 € ergebe. Da die Ehefrau nach der<br />

Bewilligung von VKH (1.213,80 € + 500,00 € =) 1.713,80 EUR an<br />

den RA gezahlt habe, seien diese Beträge auf die Vergütung<br />

anzurechnen, sodass ein Anspruch auf Vergütung aus der Landeskasse<br />

nicht mehr bestehe.<br />

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Erinnerung des RA hat<br />

das FamG zurückgewiesen. Auf die dagegen vom RA eingelegte<br />

Beschwerde hat das OLG Hamm die Entscheidungen der Vorinstanz<br />

aufgehoben und festgestellt, es verbleibe bei der Festsetzung<br />

v. 13.10.2010.<br />

II. Keine Änderung der Festsetzung vom 13.10.2010<br />

Zunächst hat das OLG Hamm ausgeführt, die am 13.10.2010 von<br />

der UdG vorgenommene Festsetzung der VKH-Anwaltsvergütung<br />

auf 1.884,96 € sei für das weitere Verfahren bindend. Eine<br />

Abänderung von Amts wegen sei im Gesetz nicht vorgesehen.<br />

Selbst wenn somit die Festsetzung fehlerhaft gewesen sei, komme<br />

eine Abänderung nur auf die Erinnerung des Vertreters der Landeskasse<br />

in Betracht. Deshalb komme es auf die von der UdG und<br />

342 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

dem FamG erörterten Fragen, ob sämtliche festgesetzten Gebühren<br />

von der VKH-Bewilligung gedeckt worden seien, nicht an.<br />

III. Keine Anrechnung der Zahlungen<br />

1. Mitteilungspflicht des Rechtsanwalts<br />

Gemäß § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG hat der Antrag des beigeordneten<br />

RA auf Festsetzung der ihm aus der Landeskasse zustehenden<br />

Vergütung die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen<br />

er bis zum Tage der Antragstellung erhalten habe. Nach § 55 Abs. 5<br />

Satz 4 RVG hat der RA Zahlungen, die er nach der Antragstellung<br />

erhalten habe, unverzüglich anzuzeigen.<br />

2. Folgen der Verletzung der Mitteilungspflicht<br />

Nach Auffassung des OLG Hamm hat der RA hier in „eklatanter<br />

Weise“ und entgegen seiner eigenen schriftlichen Ankündigung im<br />

Festsetzungsantrag gegen die in § 55 Abs. 5 Satz 2 und 4 RVG<br />

statuierte Pflicht verstoßen, bei der Antragstellung schon erhaltene<br />

Mandantenzahlungen mitzuteilen und später erlangte Zahlungen<br />

unverzüglich anzuzeigen. Jedoch fehle es an einer Regelung im<br />

RVG, dass verschwiegene Zahlungen in jedem Falle anzurechnen<br />

wären. Eine Rückforderung bereits erfolgter Zahlungen durch die<br />

Staatskasse könne daher nicht allein wegen eines unlauteren<br />

Verhaltens des beigeordneten RA erfolgen. Die Pflicht des RA,<br />

empfangene Zahlungen bei der Antragstellung mitzuteilen oder<br />

unverzüglich nach Erhalt anzugeben, diene der Prüfung, ob diese<br />

Zahlungen auf die festzusetzende Vergütung anzurechnen seien.<br />

Mangels einer gesetzlich normierten Sanktion für Verletzungen<br />

dieser Pflicht verbleibe es bei nachträglich bekannt gewordenen,<br />

vom Anwalt verschwiegenen Zahlungen bei der Überprüfung, ob<br />

diese Zahlungen auf die bereits festgesetzte Vergütung nachträglich<br />

anzurechnen seien. Eine unterlassene Anzeige erhaltener<br />

Mandantenzahlungen könne lediglich berufsrechtlich verfolgt werden<br />

oder auch strafrechtliche Relevanz entfalten.<br />

3. Anrechnung der Zahlungen auf Differenzvergütung<br />

Das OLG Hamm hat darauf hingewiesen, dass der RA im Zeitpunkt<br />

der Zahlungen seiner Mandantin für diese bereits außergerichtlich<br />

tätig geworden sei. Nach seinem eigenen Vorbringen habe diese<br />

Tätigkeit zumindest Fragen des Unterhalts, des Zugewinns und<br />

der weiteren Vermögensauseinandersetzung betroffen. Damit<br />

decke sich der Gegenstandswert dieser außergerichtlichen Tätigkeit<br />

mit dem vom Gericht für den Vergleich festgesetzten Wert<br />

von 56.400,00 €. Nach diesem Gegenstandswert betrage eine 1,3<br />

Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nach der bis zum 31.7.2013<br />

maßgeblichen Gebührentabelle zzgl. der Postentgeltpauschale<br />

und der gesetzlichen USt. 1.761,08 €. Ziehe man diesen Betrag<br />

von den insgesamt erfolgten Zahlungen der Mandantin i.H.v.<br />

2.332,60 € ab, verbliebe zunächst eine Überzahlung von 571,52 €.<br />

Dieser Restbetrag ist nach den weiteren Ausführungen des OLG<br />

Hamm gem. § 58 Abs. 2 RVG auf die Differenz zwischen der<br />

VKH- und der Wahlanwaltsvergütung zu verrechnen. Die<br />

Wahlanwaltsvergütung hat das OLG wie folgt ermittelt:<br />

1. 1,3 Verfahrensgebühr, § 13 RVG,<br />

Nr. 3100 VV RVG<br />

(Wert: 13.600,00 €) 735,80 €<br />

2. 0,15 Verfahrensgebühr, § 13 RVG,<br />

Nrn. 3100, 3001 Nr. 2 VV RVG<br />

(Wert: 56.400,00 €) 169,45 €<br />

Errechnet aus einer 0,8 Verfahrensgebühr<br />

unter Berücksichtigung der Anrechnung der<br />

Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4<br />

VV RVG von 0,65 und des Gebührenvergleichs<br />

nach § 15 Abs. 3 RVG<br />

3. 1,2 Terminsgebühr, § 13 RVG,<br />

Nrn. 3104 VV RVG<br />

(Wert: 70.000,00 €) 1.440,00 €<br />

4. 1,5 Einigungsgebühr, § 13 RVG,<br />

Nrn. 1000, 1003 VV RVG<br />

(Wert: 56.400,00 €) 1.684,50 €<br />

5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme: 4.049,75 €<br />

6. 19 % USt., Nr. 7008 VV RVG + 769,45 €<br />

Summe: 4.819,20 €<br />

Hieraus hat das OLG Hamm eine Differenz zu der festgesetzten<br />

VKH-Anwaltsvergütung i.H.v. (4.819,20 €–1.884,96 € =) 2.934,24 €<br />

errechnet. Dieser Betrag übersteige den nach der Verrechnung der<br />

Zahlungen der Mandantin auf die Geschäftsgebühr noch verbleibenden<br />

Restbetrag von 571,52 €. Damit waren nach Auffassung<br />

des OLG Hamm die Zahlungen der Ehefrau nicht auf die festgesetzte<br />

Vergütung des RA anzurechnen.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Auf die Berechnung der VKH-Anwalts- und Wahlanwaltsvergütung<br />

soll hier nicht näher eingegangen werden. Die Grundaussagen<br />

des OLG Hamm sind jedoch zutreffend.<br />

1. Keine Abänderung von Amts wegen<br />

Der UdG darf seine Festsetzung der PKH- bzw. VKH-Anwaltsvergütung<br />

allenfalls unter entsprechender Anwendung des § 319<br />

ZPO – etwa aufgrund eines offensichtlichen Rechnungsfehlers –<br />

berichtigen (OLG Bremen <strong>RVGreport</strong> 2007, 183 [Hansens] = AGS<br />

2007, 207). Ansonsten darf der UdG seine Festsetzung von Amts<br />

wegen nicht ändern, selbst wenn er später der Auffassung ist,<br />

eine festgesetzte Gebühr sei nicht oder nach einem geringeren<br />

Gegenstandswert angefallen (OLG Bremen a.a.O.; OLG Hamm<br />

JurBüro 1982, 255; OLG München Rpfleger 1981, 412; SG Berlin<br />

<strong>RVGreport</strong> 2011, 381 [Hansens]; offen gelassen: OLG Naumburg<br />

<strong>RVGreport</strong> 2012, 102 [Ders.]). Deshalb kommt eine Abänderung der<br />

Festsetzung zu Lasten des beigeordneten RA nur aufgrund einer<br />

von der Landeskasse eingelegten Erinnerung nach § 56 Abs. 1 Satz 1<br />

RVG in Betracht. Eine solche Erinnerung hatte hier die Landeskasse<br />

– aus welchen Gründen auch immer – nicht eingelegt.<br />

2. Vorschuss<br />

Was ich nicht ganz verstehe ist, warum der UdG nach den<br />

mitgeteilten Beschlussgründen die VKH-Anwaltsvergütung im<br />

Beschl. v. 13.10.2010 antragsgemäß „im Vorschusswege“ festgesetzt<br />

hat. Zwar steht dem VKH-Anwalt gem. § 47 Abs. 1 RVG<br />

ein Anspruch auf Vorschuss gegen die Staatskasse wegen der<br />

ihm entstandenen Gebühren und der entstandenen und voraussichtlichen<br />

Auslagen zu. Vorliegend war jedoch der Vergütungsanspruch<br />

des beigeordneten RA zum Zeitpunkt der Antragstellung<br />

am 17.9.2010 gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG fällig, weil sich<br />

die Beteiligten am 16.9.2010 teilweise geeinigt hatten und das<br />

FamG an diesem Tage die Scheidung ausgesprochen hat. Den<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 343


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Beschlussgründen ist auch nicht zu entnehmen, dass der beigeordnete<br />

RA einen Antrag auf Festsetzung eines Vorschusses<br />

auf seine Vergütung gestellt hätte.<br />

3. Keine Sanktionen<br />

Zutreffend führt das OLG Hamm aus, dass das RVG für eine<br />

Verletzung der Mitteilungspflichten des beigeordneten RA hinsichtlich<br />

der erhaltenen Zahlungen keine Sanktion im Festsetzungsverfahren<br />

vorsieht. Werden die Zahlungen nachträglich bekannt, so<br />

ist zu prüfen, ob deren Anrechnung auf die bereits ausgezahlte<br />

VKH- oder PKH-Anwaltsvergütung in Betracht kommt.<br />

4. Anrechnung der Zahlungen<br />

Vorliegend ist das OLG Hamm zunächst davon ausgegangen, dass<br />

dem RA für die vorgerichtliche Vertretung der Ehefrau eine 1,3<br />

Geschäftsgebühr angefallen ist und sich die Gegenstände der<br />

gerichtlichen und der vorgerichtlichen Tätigkeit gedeckt haben. An<br />

der letztgenannten Annahme ergeben sich deshalb Zweifel, weil<br />

die außergerichtliche Vertretung auch Vereinbarungen hinsichtlich<br />

des gemeinsamen Hauses der Eheleute betroffen haben soll, was<br />

nach dem mitgeteilten Sachverhalt wohl nicht Gegenstand des<br />

Verfahrens vor dem FamG und auch nicht des dort geschlossenen<br />

Vergleichs gewesen ist. Jedenfalls ist die grundsätzliche Annahme<br />

des OLG Hamm zutreffend, eine Berücksichtigung des Anrechnungsbetrages<br />

der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV<br />

RVG komme nur dann in Betracht, wenn der bedürftige Mandant<br />

dem VKH-Anwalt die Geschäftsgebühr gezahlt habe. Dies ergibt<br />

sich aus der durch das 2. KostRMoG erfolgten Änderung des § 55<br />

Abs. 5 RVG, wonach nur Zahlungen mitzuteilen oder anzuzeigen<br />

sind. Allerdings galt hier diese Neuregelung aufgrund der bereits im<br />

Jahr 2010 erfolgten Anwaltsbeiordnung nicht (s. § 60 Abs. 1 RVG).<br />

Ebenso dem Grunde nach zutreffend ist die Berechnung des OLG<br />

Hamm. Die nach der Tabelle des § 13 RVG angefallene Geschäftsgebühr<br />

ist nicht auf die nach der Tabelle des § 49 RVG zu<br />

berechnende Verfahrensgebühr anzurechnen, sondern auf die<br />

nach der Wahlanwaltsgebührentabelle des § 13 RVG zu berechnende<br />

Verfahrensgebühr (s. hierzu Hansens <strong>RVGreport</strong> 20<strong>09</strong>, 241,<br />

242). Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die nach der<br />

VKH-Anwaltsgebührentabelle zu berechnende Verfahrensgebühr<br />

könnte nämlich dazu führen, dass trotz der in Vorbem. 3 Abs. 4<br />

VV RVG nur teilweise angeordneten Anrechnung der Geschäftsgebühr<br />

von der Verfahrensgebühr nichts mehr übrig bleibt.<br />

Zutreffend hat das OLG Hamm den (verbleibenden) Restbetrag<br />

auf die Differenz zwischen der VKH-Anwalts- und der Wahlanwaltsvergütung<br />

angerechnet. Dies ergibt sich aus § 58 Abs. 2<br />

RVG, wonach Zahlungen zunächst auf die Vergütungen anzurechnen<br />

sind, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht<br />

oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG (Anspruch auf<br />

weitere Vergütung) besteht (s. etwa OVG Lüneburg NJW 2013,<br />

1618). Allerdings gilt dies nach einer in der Rechtsprechung<br />

vertretenen Auffassung (s. OLG Braunschweig <strong>RVGreport</strong> 2011,<br />

254 [Hansens]) auch für den auf die Geschäftsgebühr geleisteten<br />

Teil der Zahlung, der anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen<br />

ist. Insoweit kommt ein Abzug von dem gegen die Staatskasse<br />

bestehenden Anspruch nur in Betracht, wenn die Anrechnung<br />

dazu führt, dass die Differenz völlig erschöpft ist.<br />

H. Hansens<br />

Keine Prüfung des Gebots der<br />

kostensparenden Rechtsverfolgung<br />

im Festsetzungsverfahren<br />

§§ 48 Abs. 1, 55, 56 RVG; §§ 91 Abs. 1, 114 Abs. 2 RVG<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Durch den bewilligenden Prozesskostenhilfebeschluss des<br />

Gerichts steht mit bindender Wirkung für das Kostenfestsetzungsverfahren<br />

(§ 48 Abs. 1 RVG) fest, dass die Klageerhebung<br />

nicht gegen die Verpflichtung zur kostensparenden<br />

Rechtsverfolgung verstößt. Hat das Arbeitsgericht der<br />

klagenden Partei für mehrere parallel geführte Verfahren<br />

jeweils Prozesskostenhilfe bewilligt, ist der Urkundsbeamte<br />

der Geschäftsstelle an diese Bewilligung gebunden. Er<br />

kann diese Verfahren im Rahmen der Kostenfestsetzung<br />

nach § 55 RVG nicht unter Zusammenrechnung der Streitwerte<br />

wie ein Verfahren behandeln.<br />

LAG Hamburg, Beschl. v. 25.5.<strong>2016</strong> – 6 Ta 11/16<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Kläger hatte vor dem ArbG Hamburg eine Reihe von<br />

Verfahren geführt. Mit seiner am 13.9.2013 beim ArbG eingegangenen<br />

Klage wandte er sich gegen die Weisung der Beklagten,<br />

ab dem ersten Tag eines krankheitsbedingten Fernbleibens eine<br />

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen (13 Ca 3<strong>09</strong>/13). In<br />

zwei weiteren beim ArbG ebenfalls am 13.9.2013 eingegangenen<br />

Klagen zu den Az. 13 Ca 310/13 und 13 Ca 311/13 wandte sich der<br />

Kläger gegen die Wirksamkeit von Abmahnungen. Am 20.11.2013<br />

erhob der Kläger eine neue Klage zum Az. 13 Ca 398/13, mit der er<br />

die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verlangte.<br />

Schließlich erhob der Kläger mit seiner Klage von März 2014 –<br />

13 Ca 84/14 eine Kündigungsschutzklage. Das ArbG Hamburg hat<br />

dem Kläger in allen Verfahren PKH unter Beiordnung seiner<br />

Prozessbevollmächtigten bewilligt. Im Verfahren 13 Ca 311/13<br />

schlossen die Parteien einen Vergleich, mit dem sie auch die<br />

weiteren Verfahren erledigten.<br />

Hieraufhin beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers in<br />

sämtlichen Verfahren die Festsetzung der ihr aus der Landeskasse<br />

zu zahlenden Gebühren und Auslagen. Die Urkundsbeamtin der<br />

Geschäftsstelle (UdG) vertrat die Auffassung, der Kläger habe<br />

durch das Einreichen der drei zu den Az. 13 Ca 3<strong>09</strong>/13, 13 Ca 310/13<br />

und 13 Ca 311/13 geführten Klagen am selben Tage gegen den<br />

Grundsatz der prozesssparenden Prozessführung verstoßen. Die<br />

RAin könne deshalb die Vergütung aus der Landeskasse nur<br />

einmal verlangen, wobei als Gegenstandswert die addierten Werte<br />

der drei Verfahren zugrunde zu legen seien. Die UdG setzte am<br />

5.10.2015 die Vergütung der RAin in allen Verfahren fest, wobei sie<br />

– wie angekündigt – die Vergütung für die beim ArbG Hamburg<br />

am 13.9.2013 eingegangenen drei Verfahren wie ein einziges<br />

Verfahren berechnete.<br />

Die von der RAin hiergegen gerichtete Erinnerung hat das ArbG<br />

zurückgewiesen und gleichzeitig die Beschwerde zugelassen. Die<br />

Beschwerde der beigeordneten RAin hatte Erfolg.<br />

344 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

II. Prüfung der getrennten Klageerhebung im<br />

Festsetzungsverfahren<br />

1. Der Meinungsstand<br />

Ob das Vorliegen eines (tatsächlichen oder vermeintlichen)<br />

Verstoßes der Partei bzw. des ihr im Rahmen der PKH beigeordneten<br />

RA gegen die Verpflichtung zur kostensparenden Rechtsverfolgung,<br />

wozu auch die getrennte Erhebung mehrerer Klagen<br />

gehören kann, im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG zu prüfen<br />

ist, ist in der Rechtsprechung umstritten:<br />

• Nach einer Auffassung hat der UdG diese Frage im Festsetzungsverfahren<br />

zu prüfen und ggf. zu berücksichtigen<br />

(LAG München, Beschl. v. 23.7.2012 – 10 Ta 284/11; OLG Hamm<br />

JurBüro 20<strong>09</strong>, 98).<br />

• Nach der Gegenauffassung ist im Festsetzungsverfahren<br />

eine solche Prüfung nicht vorzunehmen: BAG <strong>RVGreport</strong><br />

2011, 275 [Hansens] = NJW 2011, 1161; Hess. LAG <strong>RVGreport</strong> 2012,<br />

100 [Ders.] = zfs 2012, 166 mit Anm. Hansens unter Aufgabe von<br />

<strong>RVGreport</strong> 2012, 36 [Ders.] = NJW 2011, 3260; LAG Nürnberg<br />

<strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>, 17 [Ders.] = AGS 2015, 578; LAG Sachsen-<br />

Anhalt, Beschl. v. 28.12.2010 – 2 Ta 172/10.<br />

2. Die Auffassung des LAG Hamburg<br />

Das LAG Hamburg hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen.<br />

a) Gebot der kostensparenden Prozessführung<br />

Nach Auffassung des LAG Hamburg ist das Gebot der kostensparenden<br />

Prozessführung gerade bei den Kosten für beigeordnete<br />

RAe im besonderen Maße zu beachten. Die Bewilligung der PKH<br />

solle nur dazu dienen, der bedürftigen Partei die zumutbaren und<br />

kostensparenden Möglichkeiten der Prozessführung zu eröffnen,<br />

die sie auch nutzen würde, wenn sie wirtschaftlich leistungsfähig<br />

wäre, sie die Prozesskosten einschließlich der Vergütung ihres Prozessbevollmächtigten<br />

aus eigener Tasche zahlen müsste.<br />

b) Keine Prüfung im Festsetzungsverfahren<br />

Die Frage, ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur kostengünstigen<br />

Rechtsverfolgung vorliegt, ist nach den weiteren<br />

Ausführungen des LAG Hamburg jedoch nicht im Festsetzungsverfahren<br />

nach § 55 Abs. 1 RVG, sondern im Verfahren über die<br />

Bewilligung von PKH zu prüfen. Hierzu verweist das LAG auf die<br />

Bestimmung des § 114 Abs. 1 ZPO, wonach PKH nur zu bewilligen<br />

ist, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung<br />

hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht<br />

mutwillig erscheint. Mutwilligkeit liege jedoch dann vor, wenn<br />

eine Partei, die keine PKH beanspruche, bei verständiger Würdigung<br />

aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung<br />

absehen würde. Diese Mutwilligkeitsprüfung erfasse<br />

auch die verfahrensmäßige Geltendmachung eines Anspruchs.<br />

Somit sei die Rechtsverfolgung mutwillig, wenn eine Partei keine<br />

nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringe, warum sie ihre<br />

Ansprüche nicht in einer Klage, sondern im Wege von die Kosten<br />

der Rechtsverfolgung erhöhenden Teilklagen geltend mache.<br />

Ebenfalls sei es mutwillig, wenn die Partei nicht plausibel erkläre,<br />

aus welchen Gründen sie einen neuen Prozess anstrenge, obwohl<br />

sie das gleiche Klageziel kostengünstiger im Wege der Erweiterung<br />

einer bereits anhängigen Klage hätte erreichen können.<br />

All diese Fragen sind nach Auffassung des LAG Hamburg bereits im<br />

PKH-Verfahren zu beantworten. Folglich sei eine nochmalige Prüfung<br />

im Festsetzungsverfahren nach § 55 Abs. 1 RVG ausgeschlossen.<br />

Hierzu verweist das LAG auf die Vorschrift des § 48 Abs. 1 RVG, nach<br />

der sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten RA nach den<br />

Beschlüssen bestimmt, durch die PKH bewilligt und der RA<br />

beigeordnet worden ist. Hieraus folge, dass der UdG und die im<br />

Festsetzungsverfahren entscheidenden Gerichte an die Bewilligung<br />

der PKH und die Anwaltsbeiordnung gebunden seien.<br />

Durch den PKH-Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss des Gerichts<br />

stehe deshalb mit bindender Wirkung für das Festsetzungsverfahren<br />

fest, dass die Klageerhebung nicht gegen die Verpflichtung<br />

zur kostensparenden Rechtsverfolgung verstoße. Dies habe nämlich<br />

das Gericht im Rahmen der Mutwilligkeitsprüfung nach § 114 Abs. 2<br />

ZPO überprüft.<br />

c) Kein Einfluss der Grundsätze des<br />

Kostenfestsetzungsverfahrens<br />

Nach Auffassung des LAG Hamburg kann auch aus den Grundsätzen,<br />

die im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO<br />

gelten, nichts anderes hergeleitet werden. In diesem Verfahren<br />

gehe es um die Kostenerstattung durch den unterlegenen<br />

Gegner. Eine richterliche Mutwilligkeitsprüfung habe dort nicht<br />

stattgefunden. Eine vorangegangene richterliche Entscheidung<br />

mit bindender Wirkung liege dort – anders als für das Festsetzungsverfahren<br />

nach § 55 Abs. 1 RVG – ebenfalls nicht vor.<br />

Da das ArbG Hamburg dem Kläger für alle von ihm betriebenen<br />

Verfahren PKH unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten<br />

bewilligt hat, hat das ArbG nach den weiteren Ausführungen des<br />

LAG mit bindender Wirkung für die UdG verneint, dass ein Verstoß<br />

gegen den Grundsatz der kostensparenden Rechtsverfolgung<br />

durch die getrennte Verfolgung von Ansprüchen in den gleichzeitig<br />

eingereichten Klagen vorgelegen habe. Folglich seien die aus<br />

der Landeskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen für diese<br />

Verfahren getrennt abzurechnen.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Trotz des vom LAG Hamburg in seiner Entscheidung mehrfach<br />

verwendeten Begriffs der Kostenfestsetzung hat es sich hier um<br />

ein Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung nach<br />

§ 55 Abs. 1 RVG gehandelt. Die hier vom LAG Hamburg vertretene<br />

Auffassung, in diesem Festsetzungsverfahren könne nicht mehr<br />

geprüft werden, ob die getrennte Klageerhebung mutwillig gewesen<br />

sei, setzt sich in der Rechtsprechung immer mehr durch.<br />

1. Exkurs: Prüfung im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

Im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO ist<br />

demgegenüber nach der Rechtsprechung des BGH <strong>RVGreport</strong><br />

2007, 3<strong>09</strong> [Hansens] = AGS 2007, 541 und anderer Gerichte zu<br />

prüfen und zu berücksichtigen, ob die erstattungsberechtigte<br />

Partei gegen ihre Verpflichtung, die Kosten ihrer Prozessführung<br />

niedrig zu halten, verstoßen hat. Rechtsgrundlage hierfür ist dabei<br />

die Bestimmung des § 91 Abs. 1 ZPO. Diese Grundsätze sind jedoch<br />

nach Auffassung des LAG Hamburg nicht auf das Festsetzungsverfahren<br />

nach § 55 Abs. 1 RVG zu übertragen.<br />

2. Indirekte Auswirkungen<br />

Die Rechtsprechung zur Kostenerstattung kann sich jedoch<br />

indirekt zum Nachteil der Landeskasse auswirken. Zahlt diese<br />

dem im Wege der PKH beigeordneten RA die Vergütung für jedes<br />

der einzeln eingeleiteten Verfahren aus, so geht der dem PKH-<br />

Anwalt gem. § 123 Abs. 1 ZPO zustehende Kostenerstattungsanspruch<br />

gegen den unterlegenen Gegner gem. § 59 Abs. 1 Satz 1<br />

RVG auf die Landeskasse über. Diesen übergegangenen An-<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 345


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

spruch wegen der ausgezahlten PKH-Anwaltsvergütung setzt die<br />

Landeskasse gegen den unterlegenen Gegner gem. § 59 Abs. 2<br />

Satz 1 RVG wie einen Anspruch auf Gerichtskosten durch einen<br />

Kostenansatz durch. Gegen diesen Forderungsübergang kann der<br />

Zahlungspflichtige gem. § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 8 Abs. 1 Satz 1<br />

JBeitrO, § 66 Abs. 1 GKG die Einwendungen erheben, die er bis<br />

zum Forderungsübergang dem beigeordneten RA hätte entgegensetzen<br />

können. Hierzu gehört auch das Vorbringen, die<br />

Tätigkeit des beigeordneten RA sei – jedenfalls teilweise – nicht<br />

notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO gewesen. Somit kann der von der<br />

Landeskasse nach Forderungsübergang in Anspruch genommene<br />

erstattungspflichtige Gegner mit Aussicht auf Erfolg geltend machen,<br />

die Erhebung getrennter Klagen sei nicht notwendig i.S.v.<br />

§ 91 Abs. 1 ZPO gewesen. Dies kann bei Anwendung der<br />

Rechtsprechung des BGH <strong>RVGreport</strong> 2007, 3<strong>09</strong> [Hansens] = AGS<br />

2007, 541 dazu führen, dass der erstattungspflichtige Gegner an<br />

die Staatskasse nur diejenigen auf sie übergegangenen Gebühren<br />

und Auslagen zu zahlen hat, die für einen gemeinsamen Rechtsstreit<br />

entstanden wären. Damit bleibt die Landeskasse auf den<br />

Differenzkosten sitzen:<br />

• Dem beigeordneten RA muss sie wegen der für jedes Einzelverfahren<br />

erfolgten PKH-Bewilligung und Beiordnung die in<br />

den Einzelverfahren angefallenen Gebühren und Auslagen in<br />

voller Höhe auszahlen.<br />

• Der erstattungspflichtige Gegner hat an die Landeskasse<br />

jedoch nur den Betrag zu zahlen, der bei gemeinsamer<br />

Prozessführung entstanden wäre.<br />

Dies gilt nur dann nicht, wenn erstattungsrechtlich anzuerkennende<br />

Gründe für eine getrennte Klageerhebung vorgelegen haben.<br />

H. Hansens<br />

Keine Einigungsgebühr für beigeordneten<br />

Verkehrsanwalt<br />

§ 45 Abs. 1 RVG; Nrn. 1000, 1003, 3400 VV RVG; § 121 Abs. 4 ZPO<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Ein nach § 121 Abs. 4 ZPO beigeordneter Rechtsanwalt kann<br />

grundsätzlich nur die Verfahrensgebühr aus Nr. 3400 VV RVG<br />

beanspruchen. Eine weitergehende Tätigkeit, wie z.B. Mitwirkung<br />

am Abschluss eines Vergleichs, ist vom Beiordnungsbeschluss<br />

regelmäßig nicht mit umfasst.<br />

LAG Nürnberg, Beschl. v. 23.3.<strong>2016</strong> – 5 Ta 36/16<br />

I. Sachverhalt<br />

Der in Duisburg wohnhafte Kläger hatte bei dem für den Sitz der<br />

Beklagten zuständigen ArbG Nürnberg eine Kündigungsschutzund<br />

Zahlungsklage erhoben. Das AG Nürnberg bewilligte dem<br />

Kläger für die erste Instanz und einen Vergleich PKH und ordnete<br />

ihm RA U als Hauptbevollmächtigten sowie RA M als Verkehrsanwalt<br />

bei. Der Rechtsstreit endete aufgrund eines vor dem ArbG<br />

Nürnberg geschlossenen Vergleichs, an dem der Verkehrsanwalt<br />

mitwirkte. Hieraufhin beantragte RA M die Festsetzung der ihm<br />

aus der Landeskasse zustehenden Vergütung. Neben der Verfahrensgebühr<br />

nach Nr. 3400 VV RVG machte er eine 1,0 Einigungsgebühr<br />

nach Nr. 1000, 1003 VV RVG geltend. Der UdG des<br />

ArbG Nürnberg setzte die Einigungsgebühr ab. Die hiergegen<br />

gerichtete Erinnerung des RA M hatte keinen Erfolg. Die dagegen<br />

erhobene Beschwerde des Verkehrsanwalts hat das LAG Nürnberg<br />

zurückgewiesen.<br />

II. Anspruch auf die Einigungsgebühr<br />

1. Gesetzliche Grundlagen<br />

Gem. § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der PKH beigeordnete<br />

RA die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse, soweit in<br />

Abschn. 8 des Paragraphenteils des RVG nichts anderes bestimmt<br />

ist. Dabei bestimmt sich der Umfang des Vergütungsanspruchs<br />

gem. § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die die PKH<br />

bewilligt und der RA beigeordnet worden ist.<br />

Vorliegend hatte das ArbG Nürnberg RA M gem. § 121 Abs. 4 ZPO<br />

dem Kläger als Verkehrsanwalt beigeordnet. Das LAG Nürnberg<br />

hat darauf hingewiesen, dass diese Beiordnung als Verkehrsanwalt<br />

zur Vermittlung des Verkehrs des Klägers mit seinem Prozessbevollmächtigten<br />

erfolgt ist. Somit sei der Verkehrsanwalt nicht<br />

unterbevollmächtigter RA. Insbesondere habe er als Verkehrsanwalt<br />

nicht die Stellung eines Prozessbevollmächtigten.<br />

2. Vergütung des beigeordneten Verkehrsanwalts<br />

Hierzu hat das LAG ferner auf Nr. 3400 VV RVG verwiesen, nach<br />

dem sich der Auftrag des Verkehrsanwalts auf die Führung des<br />

Verkehrs der Partei „mit dem Verfahrensbevollmächtigten“ beschränke.<br />

Dies hat nach Auffassung des LAG Nürnberg zur Folge,<br />

dass der im Wege der PKH beigeordnete Verkehrsanwalt, der beim<br />

Abschluss eines Vergleichs mitwirkt, aus der Landeskasse keine<br />

Einigungsgebühr beanspruchen könne. Die dieser Gebühr zugrunde<br />

liegende Anwaltstätigkeit sei nämlich von der Beiordnung<br />

nach § 121 Abs. 4 ZPO nicht umfasst. Ein anderes Ergebnis<br />

widerspricht nach den abschließenden Ausführungen des LAG<br />

Nürnberg zum einen dem zugrunde liegenden Beiordnungsbeschluss,<br />

der seine Grundlage in § 121 Abs. 4 ZPO finde, als auch<br />

der damit verbundenen Gebührenregelung in Nr. 3400 VV RVG.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Der Streitstand<br />

Ob der im Wege der PKH beigeordnete Verkehrsanwalt, der an<br />

einem vor Gericht geschlossenen Vergleich mitwirkt, aus der<br />

Landeskasse neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3400 VV RVG<br />

auch die Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG erhält, ist in<br />

der Rechtsprechung seit vielen Jahren umstritten.<br />

• Die herrschende Auffassung in der Rechtsprechung versagt<br />

dem beigeordneten Verkehrsanwalt die Einigungsgebühr (so<br />

schon OLG München JurBüro 1991, 819 und AGS 2003, 511 m.<br />

abl. Anm. N. Schneider; KG JurBüro 1995, 420; OLG Bamberg<br />

MDR 1999, 569: alle für die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO;<br />

LAG Düsseldorf <strong>RVGreport</strong> 2006, 198 [Hansens] = AGS 2006,<br />

198 = JurBüro 2006, 260; Hess. LAG, Beschl. v. 2.10.20<strong>09</strong> – 13 Ta<br />

420/<strong>09</strong>).<br />

• Demgegenüber haben einige Gerichte dem beigeordneten<br />

Verkehrsanwalt auch die Vergleichsgebühr bzw. Einigungsgebühr<br />

zugebilligt, wenn die Tätigkeit des beigeordneten<br />

Verkehrsanwalts für den Vergleichsabschluss ursächlich war (so<br />

OLG Oldenburg JurBüro 1993, 155 m. Anm. Mümmler; OLG<br />

Zweibrücken JurBüro 1994, 607 m. Anm. Mümmler; OLG<br />

Düsseldorf JurBüro 1981, 563; OLG Stuttgart JurBüro 1979, 865).<br />

346 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

• Die Kommentarliteratur billigt dem beigeordneten Verkehrsanwalt<br />

bei entsprechender Mitwirkung am Vergleichsabschluss<br />

aus der Landeskasse die Einigungsgebühr zu (AnwKomm-<br />

RVG/Onderka/Schafhausen/Schneider/Thiel, 7. Aufl., Nr. 1000<br />

VV RVG Rn 217 ff.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl.,<br />

§ 48 Rn 138 f.).<br />

2. Die Argumente des LAG Nürnberg<br />

Die auch hier vom LAG Nürnberg vertretene einschränkende<br />

Auffassung, nach der dem beigeordneten Verkehrsanwalt keine<br />

Einigungsgebühr aus der Staatskasse zusteht, überzeugt nicht.<br />

Dieser wird zwar gem. § 121 Abs. 4 ZPO der bedürftigen Partei „zur<br />

Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten“<br />

beigeordnet. Hierzu gehört jedoch nicht nur der reine Schriftverkehr<br />

des Verkehrsanwalts mit dem Prozessbevollmächtigten<br />

über Rechts- und Sachfragen. Vielmehr gehören zum Aufgabenbereich<br />

des Verkehrsanwalts auch außergerichtliche Verhandlungen,<br />

die sich auf den Abschluss eines Vergleichs erstrecken<br />

können (s. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVG).<br />

Auf jeden Fall steht dem im Wege der PKH beigeordneten<br />

Verkehrsanwalt aus der Landeskasse für eine entsprechende<br />

Tätigkeit auch die Einigungsgebühr zu, wenn er ausdrücklich<br />

auch für den Abschluss des Einigungsvertrags beigeordnet<br />

worden ist. Vorsorglich sollte deshalb der beigeordnete Verkehrsanwalt<br />

vor Beginn seiner die Einigungsgebühr auslösenden Tätigkeit<br />

ggf. die Erweiterung seiner Beiordnung bei dem Prozessgericht<br />

beantragen. Die Gerichte werden dem zugeneigt sein,<br />

wenn ihnen mitgeteilt wird, dass sich der Rechtsstreit aufgrund<br />

der Vergleichsbemühungen des Verkehrsanwalt voraussichtlich<br />

ohne gerichtliche Entscheidung erledigt.<br />

3. Exkurs: Kostenerstattung<br />

Die dem Verkehrsanwalt angefallene Einigungsgebühr ist neben<br />

derjenigen des Prozessbevollmächtigten unter besonderen Voraussetzungen<br />

erstattungsfähig, wenn der Vergleich ohne Mitwirkung<br />

des Verkehrsanwalts nicht zustande gekommen wäre<br />

(OLG Stuttgart JurBüro 1980, 1470; OLG Saarbrücken JurBüro 1987,<br />

700; OLG Schleswig JurBüro 1989, 632; OLG Zweibrücken<br />

<strong>RVGreport</strong> 2004, 192 [Hansens] = AGS 2004, 497; OLG Brandenburg<br />

AnwBl. 2001, 125). Dies kann – folgt man der einschränkenden<br />

Auffassung des LAG Nürnberg hier – dazu führen, dass der<br />

beigeordnete Verkehrsanwalt aus der Landeskasse die Einigungsgebühr<br />

nicht ersetzt bekommt, der obsiegende bedürftige Mandant<br />

jedoch insoweit einen Kostenerstattungsanspruch gegen den<br />

unterlegenen Gegner hat.<br />

H. Hansens<br />

Längenzuschlag für den Pflichtverteidiger<br />

Nrn. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122, 4123, 4128, 4129, 4134, 4135 VV RVG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Bei der Berechnung der für den Längenzuschlag des Pflichtverteidigers<br />

maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer ist auf<br />

den tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung abzustellen,<br />

nicht auf den in der Ladung genannten Beginn des<br />

Termins.<br />

AG Pirmasens, Beschl. v. 6.1.<strong>2016</strong> – 1 Ls 4372 Js 13002/13 jug<br />

I. Sachverhalt<br />

Die RAin war Pflichtverteidigerin. Sie hat für ihre Teilnahme an der<br />

Hauptverhandlung auch den sog. Längenzuschlag Nr. 4110 VV RVG<br />

beantragt. Die Hauptverhandlung war für 9.00 Uhr angesetzt, sie<br />

endete um 14.13 Uhr. Die Pflichtverteidigerin war pünktlich erschienen.<br />

Die Hauptverhandlung begann jedoch erst um 9.20 Uhr.<br />

Der Längenzuschlag ist nicht gewährt worden.<br />

II. Wartezeit ohne Bedeutung<br />

Der sog. Längenzuschlag für den Pflichtverteidiger, hier nach<br />

Nr. 4110 VV RVG, fällt zusätzlich neben der je Hauptverhandlungstag<br />

anfallenden Terminsgebühr, hier nach Nr. 4108 VV RVG an,<br />

wenn der gerichtlich bestellte oder beigeordnete RA mehr als 5<br />

und bis 8 Stunden an der Hauptverhandlung teilnimmt. Ob<br />

und inwieweit bei der Berechnung der Zeit, die ein RA an „der<br />

Hauptverhandlung“ teilnimmt, ein verspäteter Beginn oder die<br />

Dauer von Sitzungsunterbrechungen zu berücksichtigen sind, ist<br />

gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt und wird in der obergerichtlichen<br />

Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt.<br />

Das AG schließt sich hier der Mindermeinung in der Rechtsprechung<br />

der OLG an (soweit ersichtlich nur OLG Saarbrücken <strong>RVGreport</strong><br />

2006, 261). Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO beginne die Hauptverhandlung<br />

(erst) mit dem Aufruf der Sache, sodass folglich eine<br />

Teilnahme an dieser erst ab diesem Zeitpunkt möglich sei. Zudem<br />

soll durch Nr. 4110 VV RVG der besondere Zeitaufwand für die<br />

anwaltliche Tätigkeit (BT-Drucks 15/1971, S. 224) in der Hauptverhandlung<br />

angemessen honoriert werden. Eine Tätigkeit in diesem<br />

Sinne könne jedoch erst dann vorliegen, wenn der RA an der<br />

Hauptverhandlung teilnehme. Auch unter diesem Aspekt könne<br />

daher eine „Wartezeit“ nicht ohne Weiteres mit einer „Tätigkeit“ in<br />

diesem Sinne gleichgesetzt werden. Auch wäre beispielsweise bei<br />

einer mehrstündigen Verspätung – etwa bei der Vorführung eines<br />

Zeugen – fraglich, ob dies dann zu einer mehrstündigen Hauptverhandlung<br />

führen könne. Hinzu komme, dass der bloße Zeitaufwand<br />

eines Verteidigers bereits durch die Terminsgebühr abgegolten<br />

werde, sodass davon auszugehen sei, dass der Gesetzgeber<br />

mit dem Längenzuschlag der Nr. 4110 VV RVG etwas qualitativ<br />

anderes abgelten wollte als den bloßen Zeitaufwand (so nach<br />

Ansicht des AG zutreffend OLG Saarbrücken, a.a.O.).<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Frage der Berechnung der für die Gewährung eines Längenzuschlags<br />

maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer war nach Inkrafttreten<br />

des RVG am 1.7.2004 zunächst einer der „Hauptkampfplätze“<br />

in der obergerichtlichen Rechtsprechung, wobei allerdings<br />

die Frage der Berücksichtigung von Pausen im Vordergrund<br />

gestanden hat (vgl. zu allem Burhoff, RVG, 4. Aufl., Nr. 4110 VV RVG<br />

Rn 15 ff. m.w.N.). Die obergerichtliche Rechtsprechung war sich<br />

hingegen einig darin, dass für den Beginn der Zeitberechnung der<br />

Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem der RA geladen worden ist<br />

und nicht, wann die Hauptverhandlung tatsächlich begonnen hat<br />

(vgl. die Nachw. bei Burhoff, a.a.O., Nr. 4110 VV RVG Rn 18).<br />

Lediglich das OLG Saarbrücken (a.a.O.; s. auch noch <strong>RVGreport</strong><br />

2014, 103) hat das anders gesehen. Dabei übersieht es – und mit<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 347


Rechtsprechungsreport – Anwaltsvergütung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

ihm das AG – aber, dass es gerade auch Sinn und Zweck des RVG<br />

war, dem RA nutzlose Zeit zu vergüten, was in der Regelung der<br />

Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG – geplatzter Termin – zum<br />

Ausdruck kommt. Und nutzloser als mit Warten kann man Zeit<br />

wohl kaum verbringen. Und warum das nicht auch eine „Tätigkeit“<br />

des RA ist, erschließt sich mir nicht. Soweit das AG in seiner<br />

Entscheidung auf zwei weitere OLG- Entscheidungen verweist,<br />

nämlich auf OLG Koblenz NJW 2006, 1149 und auf OLG Bamberg<br />

AGS 2006, 124, stützt das seine Ansicht übrigens nicht. Die<br />

Entscheidungen verhalten sich nämlich nicht zur (Nicht)Berücksichtigung<br />

der sog. Wartezeit. Das AG hat die Beschwerde<br />

zugelassen. Es ist zu hoffen, dass das LG oder ggf. sogar das OLG<br />

die Entscheidung „reparieren“.<br />

D. Burhoff<br />

Verfahrensgebühr für das vorbereitende<br />

Verfahren nach<br />

Rücknahme der Anklage<br />

Nrn. 4104, 4141 VV RVG; § 170 StPO<br />

Leitsätze des Verfassers:<br />

1. Nimmt die Staatsanwaltschaft ihre Anklage zurück, versetzt<br />

sie damit das Verfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens<br />

zurück, mit der Folge, dass der Rechtsanwalt,<br />

der vom Beschuldigten erst nach Anklageerhebung<br />

beauftragt worden ist, die Verfahrensgebühr Nr. 4104<br />

VV RVG verdient.<br />

2. Eine Einstellungsentscheidung nach § 170 Abs. 2 Satz 1<br />

StPO ist auch nach Rücknahme der Anklage ein Anwendungsfall<br />

von Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG.<br />

AG Gießen, Beschl. v. 29.6.<strong>2016</strong> – 507 Ds-604 Js 35439/13<br />

I. Sachverhalt<br />

Gegen die Angeklagte A war ein Verfahren wegen uneidlicher<br />

Falschaussage beim AG anhängig. In diesem wurde der Angeklagten<br />

A die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft (StA) gem.<br />

§ 201 StPO am 13.12.2014 zugestellt. Ein Beschluss über die<br />

Eröffnung des Hauptverfahrens erging nicht. Vielmehr wurde<br />

wegen der Relevanz des Verfahrens gegen die Angeklagte der<br />

Ausgang eines anderen Strafverfahrens abgewartet. Der Angeklagte<br />

B dieses Verfahrens wurde am 17.11.2015 rechtskräftig<br />

freigesprochen. Dem Verteidiger der Angeklagten A wurde das<br />

rechtskräftig freisprechende Urteil gegen den Angeklagten B zur<br />

Kenntnisnahme übersandt. Gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass<br />

die StA die Anklage gegen A zurückgenommen hat. Der Verteidiger<br />

beantragte bei der StA, im Hinblick auf die zurückgenommene<br />

Anklage das Verfahren endgültig gem. § 170 Abs. 2 StPO<br />

einzustellen und die der ehemals Angeklagten A entstandenen<br />

Kosten und notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen.<br />

Das Verfahren wurde eingestellt, die notwendigen Auslagen der<br />

Angeklagten A wurden der Staatskasse auferlegt. Der Verteidiger<br />

hat in seinem Kostenfestsetzungsantrag auch die Verfahrensgebühr<br />

Nr. 4104 VV RVG und die zusätzliche Verfahrensgebühr<br />

Nr. 4141 VV RVG geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat diese<br />

nicht festgesetzt. Das Rechtsmittel des Verteidigers hatte Erfolg.<br />

II. Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG<br />

Die Rechtspflegerin hatte die Nichtfestsetzung der Nr. 4104<br />

VV RVG damit begründet, dass diese nicht rückwirkend nach<br />

einer Anklagerücknahme entstehen könne. Diese Begründung<br />

spricht dafür, dass der Verteidiger erst nach Eingang der Anklage<br />

beim AG für die Angeklagte tätig geworden ist, obwohl es im<br />

angefochtenen Beschluss heißt: „Die ehemals Angeklagte wurde<br />

während des gesamten gegen sie geführten Strafverfahrens durch<br />

Rechtsanwalt … vertreten“. Nur, wenn man davon ausgeht, dass<br />

der RA erst nach Anklageerhebung tätig geworden ist, machen<br />

die Ausführungen des AG zur Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG<br />

aber Sinn. Denn war er schon vorher tätig, ist die Gebühr nach der<br />

Anm. zur Nr. 4104 VV RVG ohne weiteres entstanden.<br />

Das AG bejaht aber auch für die von ihm angenommene Konstellation<br />

den Anfall der Nr. 4104 VV RVG. Das Hauptverfahren sei<br />

vorliegend noch nicht eröffnet worden, so dass die StA die Anklage<br />

noch jederzeit zurücknehmen konnte (vgl. § 156 StPO). Als sie das<br />

getan hat, habe sie damit das Verfahren in den Stand des<br />

Ermittlungsverfahrens/vorbereitenden Verfahrens zurückversetzt<br />

(vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., <strong>2016</strong>, § 156 Rn 2),<br />

weshalb die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren<br />

gem. Nr. 4104 VV RVG (zusätzlich) angefallen sei. Das Legalitätsprinzip<br />

(§ 152 Abs. 2 StPO) werde durch die Rücknahme jedoch<br />

nicht berührt. Die Rücknahme könne darauf beruhen, dass die<br />

Klage nachträglich als unbegründet erscheint. In diesem Fall könne<br />

die StA das Verfahren nach der Rücknahme der Klage einstellen,<br />

was vorliegend schließlich erfolgte. Dass eine Rücknahme der<br />

Anklage automatisch eine Einstellungsentscheidung nach § 170<br />

Abs. 2 StPO nach sich ziehe, sei hingegen nicht zwingend der Fall.<br />

Ebenso hätte die Klage erneut oder in abgeänderter Form eingereicht<br />

werden können. Auch könne die Rücknahme den Zweck<br />

verfolgen, das Verfahren nach den Opportunitätsbestimmungen<br />

der §§ 153 ff. StPO einzustellen. Durch die erfolgte Rücknahme der<br />

Anklage sei vorliegend weder partielle, noch vollständige materielle<br />

Rechtskraft in dem Strafverfahren gegen die ehemals<br />

Angeklagte eingetreten.<br />

III. Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG<br />

Gegen die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG hatte die<br />

Rechtspflegerin eingewendet, dass eine Mitwirkung des Verteidigers<br />

an der Einstellung des Verfahrens nicht ersichtlich sei. Diesen<br />

Einwand hat das AG zurückgewiesen.<br />

1. Nicht nur vorläufige Einstellung<br />

Eine Einstellungsentscheidung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO sei<br />

auch nach Rücknahme der Anklage ein Anwendungsfall der Nr. 4141<br />

Anm. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG (vgl. LG Köln StV 2004, 34 = AGS 2003,<br />

544), das Verfahren werde „nicht nur vorläufig“ eingestellt.<br />

2. Anwaltliche Mitwirkung<br />

Auch habe der Verteidiger an der Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung<br />

mitgewirkt. Als Mitwirkung reicht jede Tätigkeit des<br />

Verteidigers aus, die geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf<br />

eine Erledigung durch Einstellung zu fördern (vgl. u.a. BGH<br />

<strong>RVGreport</strong> 2008, 431; OLG Stuttgart <strong>RVGreport</strong> 2010, 263). Es sei<br />

unerheblich, in welchem Verfahrensabschnitt die Mitwirkung erbracht<br />

werde (vgl. auch Burhoff, RVG, 4. Aufl., Nr. 4141 VV RVG<br />

Rn 14 ff.). Ausreichend sei, dass ein in einem früheren Verfahrensabschnitt<br />

erbrachter Beitrag des Verteidigers bei der Einstellung in<br />

einem späteren Verfahrensabschnitt, in dem es dann zur Erledigung<br />

des Verfahrens kommt, noch fortwirke. Bereits nach Anklage-<br />

348 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Kostenerstattung<br />

zustellung habe hier aber der Verteidiger der ehemals Angeklagten<br />

A geraten, den Abschluss des Verfahrens gegen den gesondert<br />

Verfolgten B abzuwarten, da dessen Ausgang für das vorliegende<br />

Verfahren von Relevanz sei. Nach fernmündlicher Mitteilung der<br />

Anklagerücknahme im Verfahren gegen die Angeklagte A und<br />

Übersendung des freisprechenden Urteils gegen den gesondert<br />

Verfolgten B habe er den Antrag auf Einstellung des Verfahrens<br />

nach § 170 Abs. 2 StPO gestellt. Diesem Antrag sei mit der<br />

Einstellungsentscheidung vom 11.3.<strong>2016</strong> entsprochen worden.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Zusätzliche Verfahrensgebühr<br />

Beginnen wir mit der Stellungnahme zur zusätzlichen Verfahrensgebühr<br />

Nr. 4141 VV RVG. Die ist unproblematisch nach Abs. 1 Nr. 1<br />

der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG entstanden. Hier kam es m.E. nur<br />

vordergründig auf die Problematik an, ob auf die Rücknahme der<br />

Anklage die Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG analog angewendet<br />

werden kann. Davon wird in Rechtsprechung und Literatur nicht<br />

ohne weiteres ausgegangen, da nicht jede Rücknahme der Anklage<br />

automatisch das Verfahren beende. Die Rücknahme könne<br />

auch andere Gründe haben. Deshalb wird in diesen Fällen in<br />

Rechtsprechung und Literatur immer noch weiter geprüft, ob die<br />

Rücknahme der Anklage mit einer „nicht nur vorläufigen Einstellung<br />

des Verfahrens“ i.S.d. Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 4141<br />

VV RVG vergleichbar ist/war, die StA das Verfahren also<br />

subjektiv endgültig beenden wollte (vgl. dazu OLG Köln AGS<br />

2010, 175 = JurBüro 2010, 362; zur BRAGO OLG Düsseldorf AGS<br />

1999, 120; LG Aachen AGS 1999, 59; LG Osnabrück AGS 1999, 136;<br />

AG Bad Urach <strong>RVGreport</strong> 2007, 272 = JurBüro 2007, 361 [ebenfalls<br />

inzidenter]; s. auch AnwKomm-RVG/N. Schneider, 7. Aufl., Nr. 4141<br />

VV RVG Rn 114 f.; AGkompakt 2014, 122, 127; vgl. noch Burhoff<br />

<strong>RVGreport</strong> 2015, 242, 246 und Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV RVG<br />

Rn 35). Hier ist aber von der StA nach Rücknahme der Anklage das<br />

Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, so dass im<br />

Grunde genommen das der Anknüpfungspunkt für den Anfall der<br />

zusätzlichen Gebühr Nr. 4141 VV RVG ist. Und dass der RA an<br />

dieser Einstellung „mitgewirkt“ hat, ist nicht zweifelhaft.<br />

2. Verfahrensgebühr<br />

Der Anfall der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG erscheint<br />

hingegen auf den ersten Blick fragwürdig, weil der Verfahrensabschnitt<br />

„vorbereitendes Verfahren“ nach der Anm. zur Nr. 4104<br />

VV RVG bereits abgeschlossen war, als der Verteidiger tätig geworden<br />

ist. Die Bedenken kann man jedoch nicht aufrechterhalten.<br />

Denn das AG hat überzeugend auf die verfahrensrechtliche<br />

Situation abgestellt. Das Verfahren wird nämlich, was zutreffend<br />

ist, durch die Rücknahme der Anklage vom Verfahrensstadium<br />

„gerichtliches Verfahren“ in das Verfahrensstadium „vorbereitendes<br />

Verfahren“ zurückversetzt. Das hat zur Folge, dass nun<br />

für den RA, der erst im gerichtlichen Verfahren erstmals tätig<br />

geworden ist, auch noch die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG<br />

entsteht, die er wegen der Anm. zu Nr. 4104 VV RVG sonst an sich<br />

nicht (mehr) verdient hätte (so auch LG Oldenburg, Beschl. v.<br />

25.6.2008 – 5 Qs 230/08; Burhoff, RVG, Nr. 4104 VV RVG Rn 10 f.).<br />

Aber: Für den RA, der bereits vor Erhebung der Anklage tätig war,<br />

entsteht in dem Fall die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG nicht<br />

noch einmal. Es handelt sich um dieselbe Angelegenheit, sodass<br />

§ 15 Abs. 2 gilt (OLG Düsseldorf <strong>RVGreport</strong> 2015, 64 = NStZ-RR 2014,<br />

359 = AGS 2015, 128; OLG Köln AGS 2010, 175 = JurBüro 2010, 362).<br />

D. Burhoff<br />

Kostenerstattung<br />

Erstattungsfähigkeit der Kosten<br />

einer Auskunft aus dem<br />

Vermögensverzeichnis<br />

§§ 788 Abs. 1 Satz 1, 802k ZPO; Nr. 7008 VV RVG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Die Gerichtskosten für die Einholung einer Vermögensauskunft<br />

sind als notwendige Kosten der (Vorbereitung<br />

der) Zwangsvollstreckung erstattungsfähig.<br />

VG Berlin, Beschl. v. 10.5.<strong>2016</strong> – 3 M 20.16<br />

I. Sachverhalt<br />

Die Vollstreckungsgläubigerin hatte bei dem Zentralen Vollstreckungsgericht<br />

für das Land Nordrhein-Westfalen, dem AG<br />

Hagen, eine Vermögensauskunft betreffend die Vollstreckungsschuldnerin<br />

eingeholt. Hierfür hat die Gläubigerin an die Justizkasse<br />

einen Betrag i.H.v. 4,50 € gezahlt. Die Einholung dieser<br />

Auskunft diente u.a. der Ermittlung, ob eine Zwangsvollstreckung<br />

gegen die Vollstreckungsschuldnerin nach dem Inhalt des Verzeichnisses<br />

Aussicht auf Erfolg versprechen könnte. Das mit<br />

der Zwangsvollstreckung beauftragte Finanzamt Charlottenburg<br />

von Berlin hatte die Vollstreckung dieser Kosten abgelehnt. Die<br />

hiergegen eingelegte Beschwerde der Vollstreckungsgläubigerin<br />

hatte Erfolg.<br />

II. Notwendigkeit der Kosten der Zwangsvollstreckung<br />

Gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung<br />

dem Schuldner zur Last, soweit diese notwendig<br />

i.S.v. § 91 ZPO waren. Diese Kosten der Zwangsvollstreckung sind<br />

zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Hauptanspruch<br />

beizutreiben. Sie können allerdings auch in einem gesonderten<br />

Kostenfestsetzungsbeschluss tituliert werden.<br />

Nach Auffassung des VG Berlin sind die von der Vollstreckungsgläubigerin<br />

aufgewandten Gerichtskosten notwendige Kosten der<br />

(Vorbereitung der) Zwangsvollstreckung. Diese Kosten hätten u.a.<br />

der Ermittlung gedient, ob eine Zwangsvollstreckung gegen die<br />

Vollstreckungsschuldnerin nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses<br />

Aussicht auf Erfolg versprechen könnte. Deshalb seien<br />

diese Kosten im konkreten Fall notwendig und nach § 788 Abs. 1<br />

Satz 1 ZPO erstattungsfähig.<br />

III. Höhe der Kosten<br />

Der Kostenbetrag für die Vermögensauskunft i.H.v. 4,50 € netto<br />

war nach Auffassung des VG Berlin nach Nr. 7008 VV RVG um den<br />

Umsatzsteuerbetrag von 0,86 € zu erhöhen.<br />

Das VG Berlin hat deshalb das mit der Zwangsvollstreckung<br />

beauftragte Finanzamt Charlottenburg von Berlin angewiesen,<br />

die Zwangsvollstreckung gegen die Vollstreckungsschuldnerin<br />

in Höhe weiterer Kosten der Zwangsvollstreckung i.H.v. 5,36 €<br />

durchzuführen und den beigetriebenen Betrag auf das Konto der<br />

Vollstreckungsgläubigerin zu überweisen.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung bedarf einiger Anmerkungen.<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 349


Rechtsprechungsreport – Kostenerstattung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

1. Erstattungsfähigkeit<br />

Ob die Kosten der (Vorbereitung der) Zwangsvollstreckung<br />

notwendig und damit erstattungsfähig sind, bestimmt sich nach<br />

dem Standpunkt des Gläubigers zu dem Zeitpunkt, in dem<br />

die Kosten verursacht wurden (BGH BRAGOreport 2003, 200<br />

[Hansens] = AGS 2003, 562 m. Anm. Mock für eine anwaltliche<br />

Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung). Dabei<br />

kommt es darauf an, ob der Gläubiger die Maßnahme zu diesem<br />

Zeitpunkt objektiv für notwendig halten konnte. Dies gilt selbst<br />

dann, wenn die betreffende Maßnahme letztlich erfolglos geblieben<br />

ist (BGH AGS 2005, 416 m. Anm. Mock = JurBüro 2005,<br />

496 für die Kosten einer Zwangsverwaltung).<br />

In Anwendung dieser Grundsätze können folgende Kostenpositionen<br />

erstattungsfähig sein:<br />

• So können Kosten für die Einholung einer Auskunft über die<br />

Anschrift des Schuldners erstattungsfähig sein (LG Berlin<br />

JurBüro 1985, 628; LG Bochum JurBüro 1988, 256; LG Bonn<br />

JurBüro 1990, 349; LG Köln JurBüro 1983, 1571).<br />

• Ebenso erstattungsfähig können Kosten der Ermittlung der<br />

Arbeitsstelle des Schuldners sein (LG Bochum JurBüro 1988,<br />

256).<br />

• Gleiches gilt für Ermittlungen, ob der Schuldner noch arbeitslos<br />

ist (LG Braunschweig JurBüro 2002, 322).<br />

• Ebenso können Kosten für die Einholung einer Auskunft über<br />

die Kreditwürdigkeit des Schuldners erstattungsfähig sein<br />

(LG Bonn JurBüro 1990, 349; LG Köln JurBüro 1983, 1571).<br />

• Das AG Aurich JurBüro 2011, 383 = DGVZ 2011, 214 m. Anm. Mroß<br />

hat sogar die Kosten einer Detektei für erstattungsfähig<br />

gehalten, die eingeschaltet wurde, um den Arbeitgeber und die<br />

Bankverbindung des Schuldners zu ermitteln, wenn der Gläubiger<br />

diese Informationen nicht auf kostengünstigere Weise<br />

erhalten kann.<br />

Auf dieser Linie liegen auch die Kosten für die Einholung einer<br />

Vermögensauskunft beim Zentralen Vollstreckungsgericht. Die<br />

Begründung des VG Berlin, die Vermögensauskunft diene der<br />

Ermittlung, ob eine Zwangsvollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner<br />

Aussicht auf Erfolg verspricht, gilt allerdings<br />

praktisch für jede Vollstreckungsmaßnahme. Folgt man dieser<br />

Argumentation, so ist es für den Vollstreckungsgläubiger praktisch<br />

bei jeder Zwangsvollstreckung notwendig, zunächst einmal<br />

eine Vermögensauskunft über den Vollstreckungsschuldner einzuholen.<br />

2. Umsatzsteuer<br />

Das VG Berlin hat den Nettobetrag an Gerichtskosten noch um<br />

die Umsatzsteuer von 19 % erhöht und dies mit der Vorschrift der<br />

Nr. 7008 VV RVG begründet. Dies setzt voraus, dass für den<br />

Vollstreckungsgläubiger ein RA tätig war und die Gerichtskosten<br />

zu dessen Vergütung gehören. Nähere Ausführungen hierzu<br />

enthalten die Gründe des Beschlusses des VG Berlin allerdings<br />

nicht. Gerichtskosten unterliegen jedoch nur dann der Umsatzsteuerpflicht,<br />

wenn sie zur gesetzlichen Vergütung des RA<br />

gehören und für diesen keinen durchlaufenden Posten i.S.v.<br />

§ 10 Abs. 1 Satz 6 UStG darstellen (BGH <strong>RVGreport</strong> 2011, 215<br />

[Hansens] = zfs 2011, 402 m. Anm. Hansens = AGS 2011, 262 für<br />

die Aktenversendungspauschale). Dies setzt wiederum voraus,<br />

dass der betreffende RA persönlich Kostenschuldner der Gerichtskosten<br />

ist. Ob diese Voraussetzung hier gegeben war, lässt<br />

sich dem mitgeteilten Sachverhalt nicht entnehmen.<br />

H. Hansens<br />

Kosten eines Simultandolmetschers<br />

§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO<br />

Leitsätze des Verfassers:<br />

1. Ist der an der mündlichen Verhandlung teilnehmende<br />

gesetzliche Vertreter oder sonstige Mitarbeiter einer<br />

ausländischen Partei der deutschen Sprache nicht mächtig,<br />

sind die Kosten für die Hinzuziehung eines Simultandolmetschers<br />

grundsätzlich dann nicht erstattungsfähig,<br />

wenn der Vertreter der Partei und seine Anwälte in einer<br />

ihnen gemeinsam geläufigen Fremdsprache (hier Englisch)<br />

miteinander kommunizieren können.<br />

2. Die Kosten eines Simultandolmetschers können ausnahmsweise<br />

dann erstattungsfähig sein, wenn der<br />

erschienene Parteivertreter über keine Fremdsprachenkenntnisse<br />

verfügt, die eine mündliche Verständigung<br />

mit den Prozessbevollmächtigten erlauben oder wenn<br />

ohne Einschaltung eines Simultandolmetschers die Teilnahme<br />

an der mündlichen Verhandlung so erschwert<br />

wird, dass angesichts der Kosten für den Simultandolmetscher<br />

sinnvollerweise von der Möglichkeit einer<br />

Simultanübersetzung Gebrauch gemacht werden kann.<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.4.<strong>2016</strong> – 15 W 6/16<br />

I. Sachverhalt<br />

In einer Patentstreitsache vor dem LG Düsseldorf erschienen zum<br />

Termin zur mündlichen Verhandlung für die Klägerin, ein ausländisches<br />

Unternehmen, deren gesetzlicher Vertreter F und der<br />

technisch verantwortliche Mitarbeiter P, ohne dass das Gericht<br />

das persönliche Erscheinen der Partei bzw. eines entsprechenden<br />

Vertreters angeordnet hätte. Sowohl die erschienenen Vertreter<br />

der Klägerin als auch deren Prozessbevollmächtigter beherrschten<br />

die englische Sprache und hätten sich in dieser Sprache auch<br />

verständigen können. Ferner war die Klägerin durch einen Patentanwalt<br />

vertreten. In der mündlichen Verhandlung hatte die<br />

Beklagte verfahrensgegenständliche Verschlussvorrichtungen im<br />

Original vorgelegt, die dem RA und dem Patentanwalt der Klägerin<br />

zur Besichtigung vorgelegt wurden. Der Prozessbevollmächtigte<br />

der Klägerin hat sich dahin eingelassen, die Klägerin<br />

bestreite mit Nichtwissen, dass die gegnerische Verschlussvorrichtung<br />

aus der fraglichen Produktion stamme.<br />

Für die Mitwirkung an der mündlichen Verhandlung hatte die<br />

Klägerin einen Simultandolmetscher eingeschaltet. Die hierfür<br />

angefallenen Kosten i.H.v. 3.477,58 € hat sie im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

geltend gemacht. Der Rechtspfleger des LG<br />

Düsseldorf hat die Festsetzung insoweit abgelehnt. Die hiergegen<br />

eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin hatte vor dem OLG<br />

Düsseldorf keinen Erfolg.<br />

350 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Kostenerstattung<br />

II. Erstattungsfähigkeit von Simultandolmetscherkosten<br />

1. Grundsätze<br />

Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterlegene Partei die dem<br />

Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur entsprechenden<br />

Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig<br />

waren. Dies kann nach den Ausführungen des OLG Düsseldorf<br />

dann der Fall sein, wenn auf Seiten der ausländischen Partei bzw.<br />

ihres in der mündlichen Verhandlung erschienen Vertreters keine<br />

Fremdsprachenkenntnisse vorhanden sind, die eine mündliche<br />

Verständigung mit dem Prozessbevollmächtigten erlauben. Ferner<br />

können diese Kosten ausnahmsweise erstattungsfähig sein, wenn<br />

die ohne Simultanübersetzung eintretenden Erschwernisse bei<br />

der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung so gravierend<br />

sind, dass angesichts der in Rede stehenden Kosten sinnvollerweise<br />

von der Möglichkeit einer Simultanübersetzung Gebrauch<br />

zu machen sei. Als solche für die Erstattungsfähigkeit sprechenden<br />

Umstände führt das OLG beispielsweise die technische Komplexität<br />

der Materie und die Unverzichtbarkeit des jederzeit<br />

verfügbaren Sachverstandes derjenigen Person an, für die simultan<br />

übersetzt wird.<br />

Das OLG Düsseldorf weist darauf hin, dass auch eine anwaltlich<br />

vertretene Partei grundsätzlich das Recht hat, an dem Termin zur<br />

mündlichen Verhandlung teilzunehmen, um auf den Gang des<br />

Verfahrens Einfluss nehmen zu können. Dies kann etwa durch<br />

Erteilung ergänzender, im schriftlichen Vorbringen möglicherweise<br />

fehlender Informationen, durch die Beseitigung von Missverständnissen<br />

oder durch eine sofortige Stellungnahme zu Vergleichsangeboten<br />

erfolgen. Dies bedeutet jedoch nach Auffassung des OLG<br />

Düsseldorf nicht automatisch, dass der ausländischen Partei bzw.<br />

ihrem erschienenen Vertreter simultan alle Äußerungen in der<br />

mündlichen Verhandlung Wort für Wort übersetzt werden müssen.<br />

2. Die Umstände des vorliegenden Falles<br />

a) Verständigung auf Englisch<br />

Unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Umstände hat das<br />

OLG Düsseldorf die Kosten für die Hinzuziehung eines Simultandolmetschers<br />

nicht als notwendig angesehen. Das OLG hat darauf<br />

hingewiesen, dass sowohl der in der mündlichen Verhandlung<br />

anwesende Vertreter der Klägerin, ihr gesetzlicher Vertreter F, als<br />

auch der technisch verantwortliche Mitarbeiter P ebenso wie der<br />

Prozessbevollmächtigte der Klägerin die englische Sprache beherrschten<br />

und sich in dieser Sprache hätten verständigen können.<br />

Deshalb hätte es ausgereicht, dass der gesetzliche Vertreter der<br />

Klägerin bzw. deren Mitarbeiter von dem Prozessbevollmächtigten<br />

in englischer Sprache nur sinngemäß über den Verlauf und<br />

Inhalt der Verhandlung unterrichtet worden wäre. Ggf. hätte<br />

die Klägerin dann bei dem Gericht auf kurze Unterbrechung der<br />

mündlichen Verhandlung hinwirken können.<br />

b) Weiterer Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung<br />

Dem stand nach Auffassung des OLG auch nicht entgegen, dass die<br />

Klägerin selbst ihr Vorbringen zur Patentverletzung noch kurz vor<br />

der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich ergänzt und sich<br />

weiteren Sachvortrag zur Verletzung in der mündlichen Verhandlung<br />

vorbehalten hatte. Auch insoweit sei nämlich die Hinzuziehung<br />

eines Simultandolmetschers nicht notwendig gewesen. Das OLG<br />

hat darauf hingewiesen, dass in erster Linie der Prozessbevollmächtigte<br />

und der Patentanwalt einer Partei berufen seien, den<br />

Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung zu ergänzen. Diese<br />

hätten die Möglichkeit gehabt, mit den im Verhandlungstermin<br />

anwesenden Vertretern der Klägerin Rücksprache zu nehmen und<br />

hierzu um Unterbrechung der mündlichen Verhandlung zu bitten.<br />

Warum eine solche Verfahrensweise hier nicht ausgereicht hätte,<br />

habe die Klägerin auch im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt.<br />

c) Vorlage von Vorrichtungen im Termin<br />

Auch die Vorlage der Verschlussvorrichtungen durch die Beklagte<br />

im Termin zur mündlichen Verhandlung führte hier zu keinem<br />

anderen Ergebnis. In der mündlichen Verhandlung hatte sich<br />

nämlich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hierzu erklärt,<br />

diese bestreite mit Nichtwissen, dass die gegnerische Verschlussvorrichtung<br />

aus der betreffenden Produktion stamme. Insoweit<br />

habe die Klägerin auch nicht vorgebracht, warum eine punktuelle<br />

Rücksprache mit ihrem RA und/oder Patentanwalt nicht ausgereicht<br />

hätte, um über sie die Stellungnahme vor Gericht abgeben<br />

zu können.<br />

d) Keine Übersetzung jedes gesprochenen Wortes<br />

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände hat es das OLG<br />

Düsseldorf nicht für notwendig gehalten, dass es zur Wahrnehmung<br />

der Rechte der Klägerin unabdingbar gewesen sei, ihr<br />

jedes in der mündlichen Verhandlung gesprochene Wort simultan<br />

zu übersetzen. Vielmehr wäre eine wirtschaftlich vernünftige<br />

Partei, die das Gebot zur Kostengeringhaltung im Blick gehabt<br />

hätte, davon ausgegangen, dass aus Sicht des Gerichts ausreichend<br />

vorgetragen worden sei und sie über den maßgeblichen<br />

Verlauf der Sitzung ausreichend durch ihren Prozessbevollmächtigten<br />

unterrichtet werde. Der damit ggf. verbundene zeitliche<br />

Mehraufwand sei im Hinblick auf die sonst anfallenden erheblichen<br />

Kosten für den Simultandolmetscher zumutbar. Soweit die<br />

Klägerin vorgebracht hatte, eine Kommunikation des Prozessbevollmächtigten<br />

mit den beiden Parteivertretern mittels Dolmetscher<br />

sei wegen der Komplexität der Materie erforderlich<br />

gewesen, hat dies das OLG Düsseldorf als pauschal und nicht<br />

näher substantiiert angesehen.<br />

e) Keine fortwährende Übersetzung durch den<br />

Prozessbevollmächtigten<br />

Schließlich hat das OLG auch das Argument der Klägerin nicht<br />

gelten lassen, eine Übersetzung durch ihren RA sei praktisch<br />

unmöglich gewesen, weil ein sich an der mündlichen Verhandlung<br />

beteiligender RA während der laufenden Verhandlung keine<br />

fortwährende Übersetzung vornehmen könne. Dem hat das OLG<br />

entgegengehalten, dass eine solche Tätigkeit von dem Prozessbevollmächtigten<br />

gar nicht erwartet werde. Es gehe vielmehr<br />

lediglich darum, dass der Prozessbevollmächtigte um eine kurze<br />

Unterbrechung der Verhandlung bitte, um mit den anwesenden<br />

Parteivertretern Rücksprache zu nehmen, sofern er ergänzende<br />

Informationen von diesen/ihnen benötige, und während einer<br />

solchen Unterbrechung den wesentlichen Verlauf der Verhandlung<br />

erläutere.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Kosten des Simultandolmetschers<br />

Mit dem Problem der Erstattungsfähigkeit von für die Übersetzung<br />

in der mündlichen Verhandlung angefallenen Kosten eines<br />

Simultandolmetschers muss sich die Praxis relativ selten befassen.<br />

Das OLG Düsseldorf hat hier unter Berücksichtigung der vorliegenden<br />

Umstände nachvollziehbar begründet, warum es die<br />

Kosten für die Einschaltung des Simultandolmetschers nicht für<br />

erstattungsfähig hält.<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 351


Rechtsprechungsreport – Kostenfestsetzung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

2. Höhe der Kosten<br />

Die hierfür angefallenen Kosten i.H.v. 3.477,58 € erscheinen in der<br />

Tat sehr hoch. Den mitgeteilten Beschlussgründen ist nicht zu<br />

entnehmen, wie lange der Simultandolmetscher tätig war, in<br />

welche Sprache er übersetzt hat und wie sich seine Vergütung im<br />

Einzelnen zusammensetzt. Allerdings müssen diese Kosten in<br />

Relation zu der Bedeutung der Patentstreitsache und des Streitwertes<br />

nicht zwingend unverhältnismäßig hoch sein. Hierzu teilt<br />

das OLG Düsseldorf allerdings keine Einzelheiten mit.<br />

3. Kosten für Übersetzungen<br />

Etwas häufiger hat sich die Rechtsprechung mit der Erstattungsfähigkeit<br />

von Kosten befasst, die dadurch entstehen, dass die<br />

ausländische Partei Schriftstücke, vorzulegende Urkunden und<br />

den an sie gerichteten gerichtlichen Schriftverkehr übersetzen<br />

lässt. Diese Kosten sind im Regelfall erstattungsfähig (s. OLG<br />

Brandenburg Rpfleger 2002, 367; OLG Köln JurBüro 2010, 37; OLG<br />

Celle OLGR 2008, 758; OLG Hamburg Rpfleger 1996, 370; OLG<br />

Frankfurt JurBüro 1981, 146). Die Übersetzung sämtlicher in einem<br />

Rechtsstreit entstandener schriftlicher Unterlagen ist jedoch im<br />

Regelfall nicht notwendig (OLG Celle a.a.O.; OLG Düsseldorf<br />

Beschl. v. 8.12.2004 – 2 W 43/04).<br />

Ist die Übersetzung solcher Schriftsätze dem Grunde nach notwendig,<br />

sind die Übersetzungskosten nur i.H.d. im § 11 JVEG für<br />

den gerichtlich beauftragten Dolmetscher oder Übersetzer vorgesehenen<br />

Sätze erstattungsfähig (OLG Celle a.a.O.).<br />

Die ausländische Partei muss sich jedoch auch bei der Übersetzung<br />

von Schriftstücken an ihre aus dem Prozessrechtsverhältnis<br />

und aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgende Verpflichtung halten, die<br />

Kosten des Rechtsstreits möglichst niedrig zu halten (BVerfG<br />

NJW 1990, 3072 = zfs 1991, 17; OLG Brandenburg a.a.O.).<br />

Verfügt der Prozessbevollmächtigte der ausländischen Partei<br />

jedoch über ausreichende Sprachkenntnisse, so sind die Kosten<br />

für die Übersetzung von Schriftstücken grundsätzlich nicht erstattungsfähig<br />

(OLG Köln JurBüro 2002, 501).<br />

H. Hansens<br />

Kostenfestsetzung<br />

Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses<br />

nach § 107 ZPO<br />

§§ 104 Abs. 2, 107 ZPO<br />

Leitsätze des Verfassers:<br />

1. Im Verfahren nach § 107 ZPO kann ein Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

nur bei einer Änderung des ihm zugrunde<br />

gelegten Streitwertes abgeändert werden. Somit sind nur<br />

Änderungen zulässig, die streitwertabhängig sind. Eine<br />

Nachprüfung betroffener Gebühren dem Grunde nach<br />

kommt deshalb nicht in Betracht.<br />

2. Wird der im ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

festgesetzte Betrag aufgrund einer Streitwertänderung<br />

trotz Versäumung der Antragsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO<br />

abgeändert, kann dies von der hierdurch begünstigten<br />

Partei nicht mit der Erinnerung/sofortigen Beschwerde<br />

angegriffen werden.<br />

OLG Hamburg, Beschl. v. 5.4.<strong>2016</strong> – 8 W 36/16<br />

I. Sachverhalt<br />

In einem Kapitalanlageverfahren hatte der Rechtspfleger durch<br />

Kostenfestsetzungsbeschluss v. 28.4.2015 die von dem Kläger an<br />

die Beklagten zu 3 und 4 zu erstattenden Kosten auf 3.838,30 €<br />

festgesetzt. In dem festgesetzten Betrag enthalten war eine<br />

1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG i.H.v. 1.599,60 €. Die<br />

Beklagten haben den Anfall dieser Terminsgebühr auf eine<br />

Besprechung ihres Prozessbevollmächtigten mit dem RA des<br />

Klägers, Prof. Dr. S, über eine vergleichsweise Erledigung dieses<br />

Rechtsstreits sowie zahlreicher Parallelverfahren, in denen Prof.<br />

Dr. S ebenfalls Prozessbevollmächtigter war, gestützt. Die anwaltlichen<br />

Gebühren hatten die Beklagten zu 3 und 4 auf der Grundlage<br />

eines Beschlusses des LG Hamburg v. 20.10.2014 berechnet, in dem<br />

der Streitwert auf 69.004,21 € festgesetzt wurde. Der antragsgemäß<br />

ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten<br />

des Klägers am 4.5.2015 zugestellt.<br />

Auf die Streitwertbeschwerde des Klägers hat das OLG Hamburg<br />

den Streitwert durch Beschluss v. 20.8.2015 auf 58.300 € herabgesetzt.<br />

Mit ihrem am 10.11.2015 beim LG Hamburg eingegangenen<br />

Änderungsantrag v. 4.11.2015 beantragten die Beklagten zu 3 und 4<br />

die Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses v. 28.4.2015.<br />

Dem kam der Rechtspfleger durch Kostenfestsetzungsbeschluss v.<br />

13.11.2015 nach, in dem der vom Kläger zu erstattende Betrag<br />

nunmehr auf 3.600,30 € herabgesetzt wurde. Darin enthalten<br />

war eine 1,2 Terminsgebühr i.H.v. nunmehr noch 1.407,60 €. Zur<br />

einmonatigen Antragsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO führte der<br />

Rechtspfleger des LG Hamburg aus: „Wenngleich die Frist des § 107<br />

ZPO verstrichen ist, erfolgt die Berichtigung aus rein pragmatischen<br />

Gründen.“<br />

Der Änderungsbeschluss v. 13.11.2015 wurde an den Kläger zu<br />

Händen seines Prozessbevollmächtigten, Prof. Dr. S, am 23.11.2015<br />

zugestellt. Hiergegen hat der Kläger durch einen weiteren Verfahrensbevollmächtigten<br />

sofortige Beschwerde eingelegt. Diese<br />

hat er damit begründet, eine Terminsgebühr sei nicht entstanden,<br />

weil er RA Prof. Dr. S erst zeitlich nach den Vergleichsverhandlungen<br />

beauftragt habe.<br />

Das OLG Hamburg hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.<br />

II. Abänderung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses<br />

1. Gesetzliche Grundlagen<br />

Ergeht nach der Kostenfestsetzung eine Entscheidung, durch die<br />

der Wert des Streitgegenstandes festgesetzt wird, so ist, falls diese<br />

Entscheidung von der Wertberechnung abweicht, die der Kostenfestsetzung<br />

zugrunde liegt, auf Antrag die Kostenfestsetzung<br />

entsprechend abzuändern. Der Abänderungsantrag muss gem.<br />

§ 107 Abs. 2 ZPO binnen einer Frist von einem Monat gestellt<br />

werden, die mit der Zustellung bzw. der Verkündung des den<br />

Streitwert ändernden Beschlusses zu laufen beginnt.<br />

2. Änderung der Streitwertfestsetzung<br />

Das OLG Hamburg hat darauf hingewiesen, dass eine Abänderung<br />

eines Kostenfestsetzungsbeschlusses nur im Hinblick auf den<br />

abgeänderten Streitwert zulässig sei. Somit seien nur Änderungen<br />

gestattet, die streitwertabhängig seien. Demgegenüber<br />

352 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Kostenfestsetzung<br />

finde eine Nachprüfung bereits festgesetzter Gebühren (und<br />

Auslagen) dem Grunde nach nicht statt. § 107 ZPO ermögliche<br />

nämlich lediglich, die festgesetzten Kostenpositionen der Streitwertänderung<br />

anzupassen (so auch OLG Hamm JurBüro 1983,<br />

1719; OLG Koblenz AGS 2000, 36; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl.,<br />

§ 107 Rn 1).<br />

Dies hat nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamburg zur<br />

Folge, dass eine Nachprüfung der bereits festgesetzten Gebühren<br />

dem Grunde nach auch im Beschwerdeverfahren nach § 11 Abs. 1<br />

RPflG, §§ 104 Abs. 3, 107 Abs. 3 ZPO nicht zulässig sei. Ein solcher<br />

Fall liege hier jedoch vor, weil der Kläger geltend gemacht hatte,<br />

die Terminsgebühr hätte von Anfang an nicht festgesetzt werden<br />

dürfen.<br />

Das OLG hat darauf hingewiesen, der Kläger hätte deshalb den<br />

Kostenfestsetzungsbeschluss v. 28.4.2015 rechtzeitig anfechten<br />

müssen. Die Beschwerdefrist sei jedoch längst verstrichen.<br />

III. Versäumung der Antragsfrist<br />

Das OLG Hamburg hat dahinstehen lassen, ob die hier vom<br />

Rechtspfleger vorgenommene Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses<br />

v. 28.4.2015 trotz Ablaufs der Antragsfrist des<br />

§ 107 Abs. 2 ZPO zulässig ist. Der Kläger sei nämlich hierdurch<br />

nicht beschwert, weil er aufgrund des Änderungsbeschlusses v.<br />

13.11.2015 den Beklagten zu 3 und 4 geringere Kosten zu erstatten<br />

habe als nach dem ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

v. 28.4.2015.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Möglichkeit, einen Kostenfestsetzungsbeschluss gem. § 107<br />

Abs. 1 ZPO nachträglich trotz zwischenzeitlich eingetretener<br />

Rechtskraft ändern zu lassen, und die hierfür vorgesehene<br />

Antragsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO ist in der Praxis erstaunlicherweise<br />

nicht durchgängig bekannt. Dies zeigt gerade der hier<br />

vorliegende Fall, in dem der durch die geänderte Streitwertfestsetzung<br />

begünstigte Kläger keinen Änderungsantrag nach § 107<br />

Abs. 1 ZPO gestellt hat, während die Beklagten zu 3 und 4 diesen<br />

zur Herabsetzung des Erstattungsbetrages zu ihrem Nachteil<br />

führenden Änderungsantrag erst nach Ablauf der Monatsfrist des<br />

§ 107 Abs. 2 ZPO eingereicht haben.<br />

1. Mögliche Abänderung<br />

Das OLG Hamburg weist zutreffend darauf hin, dass eine Abänderung<br />

gem. § 107 Abs. 1 ZPO nur hinsichtlich der streitwertabhängigen<br />

Kostenpositionen erfolgen kann. Dies kann somit<br />

betreffen:<br />

• Die nach einem zu hohen Streitwert berechneten mitfestgesetzten<br />

Gerichtskosten,<br />

• die Gebühren des Prozessbevollmächtigten der erstattungsberechtigten<br />

Partei,<br />

• bei geringen Gegenstandswerten auch die Postentgeltpauschale<br />

nach Nr. 7002 VV RVG sowie<br />

• die auf die Gebühren und Auslagen entfallende Umsatzsteuer<br />

nach Nr. 7008 VV RVG.<br />

2. Keine Abänderung zulässig<br />

Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtskraft des<br />

Kostenfestsetzungsbeschlusses können auch aufgrund einer<br />

Streitwertänderung die übrigen festgesetzten Kostenpositionen<br />

hingegen nicht abgeändert werden, etwa<br />

• die Gebühren dem Grunde nach (so das OLG Hamburg hier),<br />

• die von der Abänderung des Streitwertes nicht betroffenen<br />

Auslagen,<br />

• der – selbst unstreitige – Zahlungseinwand des Erstattungspflichtigen<br />

(LG Berlin JurBüro 1997, 646),<br />

• die Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten (OLG<br />

München Rpfleger 1973, 258).<br />

3. Versäumung der Antragsfrist<br />

Eine Abänderung gem. § 107 Abs. 1 ZPO kann nach wohl<br />

herrschender Auffassung dann nicht erfolgen, wenn die Antragsfrist<br />

des § 107 Abs. 2 ZPO versäumt worden ist (OLG München<br />

JurBüro 1991, 972; OLG Hamburg JurBüro 1990, 492; KG Rpfleger<br />

1975, 324; Zöller/Herget, a.a.O., § 107 ZPO Rn 3).<br />

Versäumt der Erstattungspflichtige die Antragsfrist des § 107 Abs. 2<br />

ZPO, kann er gleichwohl gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

Vollstreckungsgegenklage einreichen (OLG München MDR 1983,<br />

137). Hat der Erstattungsberechtigte bereits die Zwangsvollstreckung<br />

aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss betrieben oder hat der<br />

Erstattungspflichtige die festgesetzten Kosten ohne eine solche<br />

Vollstreckung gezahlt, so kommt eine Bereicherungsklage gem.<br />

§ 812 BGB in Betracht (OLG München, a.a.O.; Zöller/Herget, a.a.O.).<br />

Der Rechtspfleger des LG Hamburg hat sich bei Erlass seines<br />

Änderungsbeschlusses v. 13.11.2015 nicht so sehr mit den formellen<br />

Kleinigkeiten befasst. Zwar hat er gesehen, dass die Beklagten zu 3<br />

und 4 die Antragsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO versäumt haben, er hat<br />

jedoch die Abänderung aus „rein pragmatischen Gründen“ dennoch<br />

vorgenommen. Außerdem hat sich der Rechtspfleger nicht die<br />

Frage gestellt, ob die Beklagten zu 3 und 4 überhaupt für den<br />

gestellten Abänderungsantrag ein Rechtsschutzbedürfnis haben,<br />

da ihr Antrag zu einer Herabsetzung des Erstattungsbetrages<br />

führt. Ein solches Rechtschutzbedürfnis kann allenfalls dann bestehen,<br />

wenn aufgrund der Abänderung des Streitwertes Ungewissheit<br />

darüber besteht, welcher Erstattungsbetrag an die Stelle<br />

des bisher festgesetzten Betrags tritt.<br />

4. Verfahrensweise des Prozessbevollmächtigten<br />

a) Beachtung der Monatsfrist<br />

Wird ein die ursprüngliche Streitwertfestsetzung abändernder<br />

Beschluss zugestellt oder verkündet, so sollte stets im Fristenkalender<br />

die – nicht verlängerbare – Monatsfrist des § 107 Abs. 2<br />

ZPO notiert werden. Innerhalb dieser Frist ist dann zu prüfen, ob<br />

die Streitwertänderung zu einer dem Mandanten günstigeren<br />

Kostenfestsetzung führt. In diesem Fall sollte dann der Abänderungsantrag<br />

innerhalb der Monatsfrist gestellt werden. Ein<br />

solcher Antrag kommt dann in Betracht, wenn eine Streitwertherabsetzung<br />

zu einem niedrigeren Erstattungsbetrag führt, den<br />

der Mandant zu erstatten hat. Umgekehrt kann eine Streitwerterhöhung<br />

auch zu einem höheren Kostenerstattungsanspruch des<br />

Mandanten führen, wenn dieser erstattungsberechtigt ist.<br />

b) Drohende Schadensersatzpflicht des<br />

Prozessbevollmächtigten<br />

Versäumt es der RA, für den Mandanten einen gebotenen<br />

Abänderungsantrag innerhalb der Monatsfrist zu stellen, kann er<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 353


Rechtsprechungsreport – Kostenfestsetzung<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

sich schadensersatzpflichtig machen, wenn der erstattungsberechtigte<br />

Gegner trotz der Herabsetzung des Streitwertes den<br />

unverminderten festgesetzten Betrag vollstreckt. Der Schaden<br />

besteht dann in den Kosten einer Vollstreckungsgegenklage, die<br />

sich dann gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem<br />

im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Mehrbetrag richtet.<br />

Dieser Schadensersatzpflicht entgeht der RA, wenn der Gegner in<br />

die Kosten des durch die Vollstreckungsgegenklage eingeleiteten<br />

Rechtsstreits verurteilt wird und dieser Kostenerstattungsanspruch<br />

auch durchgesetzt werden kann.<br />

c) Abänderungsantrag und Rückfestsetzung<br />

Bei einer Streitwertherabsetzung zugunsten des Mandanten kann<br />

neben dem Änderungsantrag auch ein Antrag auf Rückfestsetzung<br />

(§ 91 Abs. 4 ZPO) des überzahlten Betrages gestellt werden,<br />

wenn der Mandant den in dem ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

titulierten Betrag bereits gezahlt hat (zur Rückfestsetzung<br />

allgemein s. Hansens <strong>RVGreport</strong> 2014, 8 ff. und 2015,<br />

448 ff.).<br />

d) Abänderungsantrag und sofortige Beschwerde<br />

Erfolgt die Abänderung zugunsten des Mandanten noch innerhalb<br />

der Erinnerungs- /Beschwerdefrist (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3<br />

Satz 1 ZPO), kann der hierdurch begünstigte Mandant entweder<br />

einen Abänderungsantrag nach § 107 Abs. 1 ZPO stellen oder gegen<br />

den Kostenfestsetzungsbeschluss das gegebene Rechtsmittel<br />

einlegen. In diesem Verfahren kann er – anders als im Abänderungsverfahren<br />

– die Aussetzung der Vollstreckung aus dem<br />

Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 570 Abs. 2 ZPO) erreichen (s. OLG<br />

Hamm RVGReport 2004, 37 [Hansens]). Ggf. kann der Mandant<br />

auch beide Verfahren nebeneinander betreiben: Die befristete<br />

Erinnerung/sofortige Beschwerde wird gegen die Festsetzung<br />

einer Gebühr dem Grunde nach eingelegt, der Abänderungsantrag<br />

hinsichtlich deren Höhe.<br />

H. Hansens<br />

Überprüfung der Erklärung zur<br />

fehlenden Vorsteuerabzugsberechtigung<br />

§ 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Zur Festsetzung der Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

genügt die eindeutig und unmissverständlich<br />

abgegebene Erklärung, den Umsatzsteuerbetrag nicht als<br />

Vorsteuer abziehen zu können. Dagegen ist die Richtigkeit<br />

dieser Erklärung nicht zu überprüfen, weil das Kostenfestsetzungsverfahren<br />

nicht mit schwierigen Fragen des materiellen<br />

Umsatzsteuerrechts belastet werden soll.<br />

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.3.<strong>2016</strong> – 9 W 1/16<br />

I. Sachverhalt<br />

Parteien des vor dem LG Saarbrücken geführten Rechtsstreits<br />

waren zwei RAe, die früher gemeinschaftlich eine Kanzlei<br />

betrieben hatten. Das LG Saarbrücken hat den Beklagten zum<br />

Teil gem. dem Klageantrag verurteilt, weil dieser Mandanten aus<br />

der früher gemeinschaftlich betriebenen Kanzlei weiter betreut<br />

habe. Die Kosten des Rechtsstreits hat das LG Saarbrücken nach<br />

Quoten verteilt. In seinem Kostenausgleichungsantrag hat der<br />

Beklagte die Erklärung abgegeben, er sei nicht zum Vorsteuerabzug<br />

berechtigt. Hieraufhin hat die Rechtspflegerin bei der<br />

Kostenausgleichung die angemeldete Umsatzsteuer antragsgemäß<br />

berücksichtigt.<br />

Mit seiner sofortigen Beschwerde hiergegen hat der Kläger<br />

geltend gemacht, die Erklärung des Beklagten zum Vorsteuerabzug<br />

sei aufgrund unstreitiger, gerichtsbekannter Tatsachen<br />

offenkundig unrichtig. Der Beklagte betreibe nämlich mit seiner<br />

RA-Kanzlei ein Unternehmen, das umsatzsteuerpflichtige Leistungen<br />

erbringe.<br />

Der hierzu gehörte Beklagte hat eingewandt, die Leistung seines<br />

Prozessbevollmächtigten betreffe nicht seine Anwaltskanzlei,<br />

sondern ihn persönlich. Der Kläger habe ihn nämlich mit der<br />

verfahrensgegenständlichen Klage auf Zahlung einer Abfindung als<br />

ehemaliger Gesellschafter der Anwaltskanzlei persönlich in Anspruch<br />

genommen.<br />

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde des Klägers<br />

nicht abgeholfen und diese dem OLG Saarbrücken zur Entscheidung<br />

vorgelegt. Das OLG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.<br />

II. Berücksichtigung der Umsatzsteuer<br />

1. Grundsätzlich Erklärung nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO<br />

maßgeblich<br />

Nach Auffassung des OLG Saarbrücken hat die Rechtspflegerin die<br />

zur Ausgleichung angemeldete Umsatzsteuer in ihrem Kostenausgleichungsbeschluss<br />

zu Recht berücksichtigt. Dabei habe sie<br />

zutreffend die Bestimmung des § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO angewandt,<br />

weil der Beklagte in seinem Kostenausgleichungsantrag<br />

erklärt habe, er sei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Für die<br />

Berücksichtigung der Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsbeschluss<br />

genügt nach den weiteren Ausführungen des OLG Saarbrücken<br />

die eindeutige und unmissverständlich abgegebene<br />

Erklärung, den Umsatzsteuerbetrag nicht als Vorsteuer abziehen<br />

zu können.<br />

Die Richtigkeit dieser Erklärung sei demgegenüber im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

grundsätzlich nicht zu prüfen, weil dieses<br />

Verfahren nicht mit schwierigen Fragen des materiellen Umsatzsteuerrechts<br />

belastet werden solle.<br />

2. Ausnahmen<br />

Etwas anderes kommt nach den weiteren Ausführungen des OLG<br />

Saarbrücken ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die<br />

Erklärung vom Erstattungsschuldner bereits entkräftet oder<br />

ihre Unrichtigkeit offensichtlich ist. Ein solcher Fall habe hier<br />

jedoch nicht vorgelegen. Der Beklagte habe auf die Einwendungen<br />

des Klägers im Beschwerdeverfahren seine Erklärung sogar<br />

bekräftigt und ergänzend mit weiteren rechtlichen Ausführungen<br />

dahin erläutert, eine Vorsteuerabzugsberechtigung bestehe deshalb<br />

nicht, weil sich die Abfindung auf die persönliche Vermögensebene<br />

beziehe und sein Prozessbevollmächtigter seine Leistungen<br />

für ihn persönlich erbracht habe. Auf der Grundlage dieser<br />

Ausführungen kann nach Auffassung des OLG Saarbrücken nicht<br />

angenommen werden, die Erklärung des Beklagten zur fehlenden<br />

Vorsteuerabzugsberechtigung sei offensichtlich falsch oder gar<br />

bereits entkräftet.<br />

354 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Gegenstandswert<br />

Ob die Erklärung dem materiellen Umsatzsteuerrecht entspreche,<br />

sei hingegen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung bedarf einiger Anmerkungen. Im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

muss nämlich zwischen dem Anfall der<br />

Umsatzsteuer und der Möglichkeit zum Vorsteuerabzug<br />

unterschieden werden.<br />

1. Anfall der Umsatzsteuer<br />

Ob die geltend gemachte Umsatzsteuer überhaupt angefallen ist,<br />

ist im Kostenfestsetzungsverfahren trotz der Erklärung nach<br />

§ 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu prüfen. Denn diese Erklärung betrifft<br />

ausweislich des Gesetzeswortlautes lediglich die Frage, ob der<br />

Erstattungsberechtigte die Umsatzsteuer als Vorsteuer absetzen<br />

kann (genau genommen also nicht, ob der Erstattungsberechtigte<br />

zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, was hier jedoch keinen<br />

Unterschied macht). Die Erklärung nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO<br />

besagt demgegenüber nichts darüber, ob die geltend gemachten<br />

Kosten des Rechtsstreits überhaupt der Umsatzsteuerpflicht<br />

unterliegen, was das BVerfG NJW 1996, 382, der BGH – VIII. ZS,<br />

BRAGOreport 2003, 116 [Hansens] = AGS 2003, 276) und hier auch<br />

das OLG Saarbrücken übersehen haben.<br />

So fällt beispielsweise keine Umsatzsteuer an, wenn der RA in<br />

eigenen beruflichen Angelegenheiten tätig wird (so BGH NJW-<br />

RR 2005, 363 = JurBüro 2005, 145). Keiner Umsatzsteuerpflicht<br />

unterliegen auch bestimmte Geschäfte mit Auslandsbezug nach<br />

§ 3a UStG. Ob in solchen Fallgestaltungen die Leistungen des<br />

Prozessbevollmächtigten der Umsatzsteuerpflicht unterliegen, ist<br />

also – anders als das OLG Saarbrücken meint – im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

ungeachtet der vorliegenden Erklärung nach<br />

§ 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu prüfen. Denn nur eine tatsächlich<br />

angefallene Umsatzsteuer kann ggf. zum Vorsteuerabzug verwendet<br />

werden. Sind die anwaltlichen Leistungen hingegen gar<br />

nicht umsatzsteuerpflichtig, stellt sich die Frage der Möglichkeit<br />

zum Vorsteuerabzug erst gar nicht. Es ist dann Sache des<br />

Erstattungsberechtigten, den Anfall der Umsatzsteuer gem.<br />

§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft zu machen.<br />

Hier dürfte dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten die im<br />

Kostenausgleichungsantrag geltend gemachte Umsatzsteuer<br />

angefallen sein. Ein Fall mit Auslandsbezug lag nicht vor. Der<br />

Prozessbevollmächtigte des Beklagten war auch nicht in einer<br />

eigenen beruflichen Angelegenheit tätig, sondern hat im Wege<br />

der Fremdvertretung die Interessen des Beklagten wahrgenommen.<br />

Ob jener vom Kläger als Privatperson oder in seiner<br />

Eigenschaft als Mitglied der früher gemeinschaftlich betriebenen<br />

Anwaltssozietät in Anspruch genommen worden ist, ist für den<br />

Anfall der Umsatzsteuer bei seinem Prozessbevollmächtigten<br />

unerheblich. Dies wäre nur dann erheblich, wenn der Beklagte<br />

sich im Rechtsstreit selbst vertreten hätte, was jedoch hier<br />

nicht der Fall war.<br />

2. Richtigkeit der Erklärung nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht<br />

zu prüfen<br />

Ist somit vom Anfall der Umsatzsteuer auszugehen, ist lediglich zu<br />

prüfen, ob der Beklagte die Umsatzsteuer zum Vorsteuerabzug<br />

verwenden kann. Dies hat er in seinem Kostenausgleichungsantrag<br />

verneint und diese Erklärung auch im Beschwerdeverfahren auf das<br />

Vorbringen des Klägers hierzu weiter aufrechterhalten.<br />

Die Richtigkeit dieser von dem erstattungsberechtigten Beklagten<br />

gem. § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO abgegebenen Erklärung, er könne die<br />

Umsatzsteuerbeträge zum Vorsteuerabzug nicht verwenden, ist<br />

im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen<br />

(so BGH BRAGOreport 2003, 116 [Hansens] = AGS 2003, 276 = NJW<br />

2003, 1534; BGH <strong>RVGreport</strong> 2005, 35 [Ders.]; OLG Hamburg<br />

BRAGOreport 2002, 95 = AGS 2002, 84; OLG München BRAGOreport<br />

2003, 136 [Ders.]; s. auch OLG Hamm <strong>RVGreport</strong> 2015, 25<br />

[Ders.] = zfs 2014, 711 m. Anm. Hansens = AGS 2015, 146).<br />

3. Darlegungslast für Unrichtigkeit der Erklärung<br />

Der Erstattungspflichtige hat die Unrichtigkeit der Erklärung<br />

nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO darzulegen und ggf. glaubhaft zu<br />

machen (OLG Hamm, a.a.O.). Im Fall des OLG Hamm, a.a.O. lag<br />

der Sonderfall vor, dass wohl unstreitig war, dass eine Vorsteuerabzugsberechtigung<br />

des Klägers hinsichtlich des gesamten Umsatzsteuerbetrages<br />

nicht bestand. Offen war jedoch wegen der<br />

steuerrechtlichen Besonderheiten, in welcher Höhe des Umsatzsteuerbetrages<br />

die Vorsteuerabzugsberechtigung gegeben war.<br />

Das OLG Hamm hat deshalb die Festsetzung des gesamten<br />

Umsatzsteuerbetrages nicht beanstandet. Hier war die Ausgleichung<br />

der Umsatzsteuer aufgrund der vom Beklagten auch auf die<br />

Einwendungen des Klägers aufrechterhaltenen Erklärung nach<br />

§ 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht zu beanstanden.<br />

4. Möglichkeiten des Erstattungspflichtigen<br />

Den „Schwarzen Peter“ hat in einem solchen Fall der Erstattungspflichtige.<br />

Hat er mit seinem Einwand im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

keinen Erfolg, kann er die Festsetzung der Umsatzsteuer<br />

allenfalls mit einer Vollstreckungsgegenklage angreifen (s. KG<br />

JurBüro 1995, 34) oder gegen den Erstattungsberechtigten auf<br />

Rückzahlung des Umsatzsteuerbetrages aus ungerechtfertigter<br />

Bereicherung klagen (OLG Bamberg JurBüro 1991, 1332).<br />

Solche Klagen unterbleiben im Regelfall, da für die fehlende<br />

Vorsteuerabzugsberechtigung der Kläger und vormalige Erstattungspflichtige<br />

die Beweislast hat. Da dieser jedoch kaum Kenntnisse<br />

von den für die Bemessung der Umsatzsteuer maßgeblichen<br />

Besteuerungsgrundlagen haben wird, hat eine solche Klage selten<br />

Aussicht auf Erfolg.<br />

H. Hansens<br />

Gegenstandswert<br />

Gegenstandswert im Verfahren der<br />

Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss<br />

§§ 23 Abs. 1 Satz 2, 33 Abs. 1 RVG; § 94 VwGO; § 52 Abs. 3 GKG<br />

Leitsatz des Verfassers:<br />

Der Gegenstandswert für das Verfahren der Beschwerde<br />

gegen einen Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts<br />

beträgt ein Fünftel des Wertes der Hauptsache.<br />

Bay. VGH, Beschl. v. 26.4.<strong>2016</strong> – 3 C 15.2578<br />

I. Sachverhalt<br />

Das VG Regensburg hatte den Streitwert vorläufig auf<br />

158.501,71 EUR festgesetzt. Ferner hat das VG gem. § 94 VwGO<br />

angeordnet, dass die Verhandlung einstweilen auszusetzen sei.<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 355


Rechtsprechungsreport – Prozesskostenhilfe<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Die hiergegen gerichtete Beschwerde eines Verfahrensbeteiligten<br />

hat der Bay. VGH durch den Beschl. v. 2.3.<strong>2016</strong> zurückgewiesen. Im<br />

Hinblick auf den Anfall der Festgebühr nach Nr. 5502 GKG KV hatte<br />

der Senat keinen Streitwert festgesetzt. Der Prozessbevollmächtigte<br />

des Beklagten hat nunmehr beantragt, den Gegenstandswert<br />

für das Beschwerdeverfahren selbstständig festzusetzen.<br />

II. Festsetzung des Gegenstandswertes<br />

1. Gesetzliche Grundlagen<br />

Grundsätzlich bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen<br />

Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden<br />

Wertvorschriften. Dies gilt jedoch nur, soweit sich die dort<br />

anfallenden Gerichtsgebühren nach dem Streitwert richten<br />

(§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Das war hier für das vorangegangene<br />

Beschwerdeverfahren vor dem Bay. VGH jedoch nicht der Fall, da<br />

bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde nach<br />

Nr. 5502 GKG KV die dort bestimmte Festgebühr in Höhe von<br />

60 EUR angefallen war. Dies hatte hier nach Auffassung des<br />

Bay. VGH zur Folge, dass gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG für die<br />

Bemessung des Gegenstandswertes die Wertvorschriften des<br />

jeweiligen Kostengesetzes – das war hier das GKG – entsprechend<br />

anzuwenden sind.<br />

Die Festsetzung des Gegenstandswertes erfolgt nicht von Amts<br />

wegen, sondern gem. § 33 Abs. 1 RVG auf Antrag. Antragsberechtigt<br />

sind gem. § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG der RA, der<br />

Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner sowie – im Falle<br />

der Beiordnung eines RA gem. § 45 RVG – die Staatskasse.<br />

Vorliegend hatte der somit antragsberechtigte Prozessbevollmächtigte<br />

des Beklagten den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes<br />

gestellt.<br />

2. Ermittlung des Gegenstandswertes<br />

Der Klageantrag der Klägerin betraf hier mehrere bezifferte<br />

Geldleistungen. Der Bay. VGH hat darauf hingewiesen, dass damit<br />

für das Hauptsacheverfahren gem. § 52 Abs. 3 GKG deren Höhe<br />

maßgeblich sei. Gegen den Beschluss des VG, durch den der<br />

vorläufige Streitwert auf 158.501,71 EUR festgesetzt worden war,<br />

hatte hier keine der Parteien Einwendungen erhoben.<br />

Für Beschwerden in Aussetzungsfragen, die einen bloßen Zwischenstreit<br />

betreffen, beträgt nach den weiteren Ausführungen<br />

des Bay. VGH der Streitwert und damit auch der Gegenstandswert<br />

ein Fünftel des Wertes der Hauptsache. Der Bay. VGH hat<br />

deshalb den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren auf<br />

31.700,34 EUR festgesetzt.<br />

III. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Entscheidung bedarf einiger Anmerkungen.<br />

1. Angewandte Vorschrift<br />

Der Bay. VGH ist von der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Satz 2<br />

RVG ausgegangen. Dabei hat das Gericht übersehen, dass für den<br />

Gegenstandswert im Verfahren über die Beschwerde die<br />

Bestimmung des § 23 Abs. 2 RVG anwendbar ist. Danach<br />

bestimmt sich der Gegenstandswert in Beschwerdeverfahren, in<br />

denen sich – wie hier – die Gerichtsgebühren nicht nach dem<br />

Wert berechnen, unter Berücksichtigung des Interesses des<br />

Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG; es sei denn,<br />

aus dem RVG ergäbe sich etwas anderes. Dies hat zur Folge, dass<br />

der Gegenstandswert im Beschwerdeverfahren, soweit er nicht<br />

feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. In Ermangelung<br />

genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung<br />

und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenstandswerten<br />

beträgt der Gegenstandswert 5.000 EUR. Er kann jedoch<br />

nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über<br />

500.000 EUR angenommen werden. Auf jeden Fall ist der<br />

Gegenstandswert im Beschwerdeverfahren nach § 23 Abs. 2<br />

Satz 2 RVG durch den Wert des zugrunde liegenden Verfahrens<br />

begrenzt.<br />

Obwohl der Bay. VGH somit die falsche Rechtsvorschrift<br />

angewandt hat, ist davon auszugehen, dass der Senat unter<br />

Ausübung billigen Ermessens unter Berücksichtigung des Interesses<br />

des Beschwerdeführers den Gegenstandswert ebenfalls<br />

mit einem Fünftel des Hauptsachewertes bestimmt hätte.<br />

2. Gegenstandswert von Zwischenstreiten<br />

Geht es in dem gerichtlichen Verfahren – hier in dem Beschwerdeverfahren<br />

vor dem Bay. VGH – lediglich um einen bloßen<br />

Zwischenstreit, entspricht es weitgehend der Auffassung in der<br />

Rechtsprechung, dass der Gegenstandswert mit einem Fünftel des<br />

Hauptsachewertes zu bemessen ist, z.B.:<br />

• Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags, eine Person<br />

zum Verfahren beizuladen (Bay. VGH AGS 2002, 58; in jener<br />

Entscheidung hat der Bay. VGH allerdings zu Unrecht den<br />

Streitwert festgesetzt, obwohl in jenem Verfahren ebenfalls<br />

eine Festgebühr angefallen war).<br />

• Für das Rechtswegbeschwerdeverfahren nach § 17a GVG<br />

(BGH NJW 1998, 9<strong>09</strong>; Bay. VGH AGS 2000, 186; Bay. VGH<br />

<strong>RVGreport</strong> 2015, 154 [Hansens] = AGS 2015, 138).<br />

Für die Höhe des Wertes bei Rechtswegverweisungen in der<br />

ordentlichen Gerichtsbarkeit werden jedoch in der Rechtsprechung<br />

unterschiedliche Auffassungen vertreten (siehe hierzu<br />

Hansens <strong>RVGreport</strong> 2015, 154).<br />

H. Hansens<br />

Prozesskostenhilfe<br />

Reichweite des Beschwerdeausschlusses<br />

im PKH-Verfahren<br />

§§ 146 Abs. 2, 166 VwGO; §§ 120a Abs. 1 Satz 3, 124 Abs. 2 Nr. 2, 571<br />

Abs. 2 Satz 1 ZPO<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Der Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 2 VwGO erfasst nur<br />

die erstmalige Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung<br />

von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 2 Satz 2 VwGO,<br />

nicht aber Entscheidungen über deren nachträgliche Änderung<br />

oder Aufhebung nach § 166 Abs. 3 VwGO.<br />

Sächs. OVG, Beschl. v. 15.2.<strong>2016</strong> – 3 E 98/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Das VG Dresden hatte der Antragstellerin zu 2) für das von ihr<br />

betriebene Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz durch<br />

Beschl. v. 1.11.2012 PKH bewilligt. Einige Zeit später forderte das<br />

VG die Antragstellerin zu 2), die polnische Staatsangehörige ist<br />

356 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Prozesskostenhilfe<br />

und inzwischen wieder in Polen wohnt, zur Erklärung auf, ob eine<br />

Veränderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

eingetreten sei. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin zu 2)<br />

nicht nach. Durch Beschl. v. 16.3.2015 hob das VG Dresden die<br />

Bewilligung der PKH und die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten<br />

auf.<br />

Hiergegen hat die Antragstellerin zu 2) selbst Beschwerde eingelegt.<br />

Sie hat diese damit begründet, sie habe einen amtlichen<br />

Vordruck für ihre Erklärung bisher nicht erhalten. Nachdem das<br />

Sächs. OVG ihr einen Vordruck übersandt hatte, hat sie diesen<br />

unter Beifügung von Belegen ausgefüllt und dem Gericht zurückgesandt.<br />

Das Sächs. OVG hat die Beschwerde als zulässig und<br />

begründet angesehen.<br />

II. Zulässigkeit der Beschwerde<br />

1. Kein Vertretungszwang<br />

Die Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung der PKH<br />

und der Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten hatte hier<br />

der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des VG Dresden getroffen.<br />

Gegen diese Entscheidung kann gem. § 166 Abs. 6 VwGO<br />

innerhalb von zwei Wochen die Entscheidung des Gerichts<br />

beantragt werden. Das Sächs. OVG hat darauf hingewiesen, dass<br />

dieser Antrag nicht dem Vertretungszwang unterliege, sodass die<br />

Antragstellerin zu 2) den Antrag ohne anwaltliche Hilfe hat<br />

stellen können. Über diesen Antrag hatte das VG Dresden durch<br />

den angefochtenen Beschluss entschieden. Gegen diese Entscheidung<br />

war gem. § 146 Abs. 1 VwGO das Rechtsmittel der<br />

Beschwerde an das OVG gegeben.<br />

2. Kein Beschwerdeausschluss nach § 146 Abs. 2 VwGO<br />

Gem. § 146 Abs. 2 VwGO können Beschlüsse des VG über die<br />

Ablehnung der PKH nicht mit der Beschwerde angefochten<br />

werden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder<br />

wirtschaftlichen Voraussetzungen der PKH verneint hat. Dieser<br />

Beschwerdeausschluss ist nach Auffassung des Sächs. OVG bereits<br />

nach dem Gesetzeswortlaut auf Beschlüsse über die Ablehnung<br />

der PKH beschränkt und finde deshalb auf Entscheidungen über<br />

die nachträgliche Aufhebung der PKH keine Anwendung.<br />

Auch aus den Gesetzesmaterialien folgt nach den weiteren<br />

Ausführungen des Sächs. OVG nicht zwingend, dass der Beschwerdeausschluss<br />

des § 146 Abs. 2 VwGO über die Fälle der<br />

Ablehnung der PKH hinaus auch die weiteren in § 166 Abs. 3<br />

VwGO geregelten Fälle erfassen sollte, in denen der UdG über die<br />

Aufhebung der PKH entschieden hat. Hierzu hat das OVG auf die<br />

Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/11472, S. 48 f.) verwiesen:<br />

„In Anpassung an § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG wird in § 146 Abs. 2 die<br />

Beschwerdemöglichkeit in Verfahren der Prozesskostenhilfe eingeschränkt.<br />

Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe kann mit der<br />

Beschwerde nur noch angefochten werden, wenn die Erfolgsaussichten<br />

in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Hat das<br />

Gericht hingegen die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen<br />

verneint, ist die Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht<br />

statthaft.“<br />

III. Begründetheit der Beschwerde<br />

Gem. § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der<br />

PKH aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120a Abs. 1<br />

Satz 3 ZPO nicht oder ungenügend abgegeben hat. Nach dieser<br />

Vorschrift hat die Partei auf Verlangen des Gerichts jederzeit zu<br />

erklären, ob eine Veränderung der persönlichen und wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse eingetreten ist. Hierzu hat die Partei gem.<br />

§ 120a Abs. 4 Satz 1 ZPO zwingend den amtlichen Vordruck über<br />

die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozessund<br />

Verfahrenskostenhilfe zu verwenden.<br />

Vorliegend hatte die Antragstellerin zu 2) den von ihr ausgefüllten<br />

Vordruck nebst Belegen erst im Beschwerdeverfahren<br />

vorgelegt. Dies hat das Sächs. OVG gem. § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO<br />

berücksichtigt. Dabei ist das OVG zu dem Ergebnis gelangt, dass<br />

die Antragstellerin zu 2) nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen<br />

Verhältnissen auch weiterhin nicht in der Lage ist,<br />

die Kosten der abgeschlossenen Prozessführung ganz, zum Teil<br />

oder auch nur in Raten aufzubringen.<br />

Somit hat das OVG in Änderung des verwaltungsgerichtlichen<br />

Beschlusses die Entscheidung des UdG betreffend die Aufhebung<br />

der PKH-Bewilligung und der Beiordnung des RA wieder aufgehoben.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

Die Regelung des § 146 Abs. 2 VwGO entspricht inhaltlich dem<br />

Beschwerdeausschluss in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG für das<br />

sozialgerichtliche Verfahren. Auch dort ist die Beschwerde nur<br />

gegen Entscheidungen betreffend die Ablehnung von PKH in dem<br />

Fall ausgeschlossen, in dem das Gericht die persönlichen und<br />

wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint hat. Damit<br />

bleibt in beiden Verfahrensarten die Beschwerdemöglichkeit<br />

gegen die nachträgliche Aufhebung der PKH-Bewilligung<br />

bestehen.<br />

H. Hansens<br />

Statthaftigkeit der Beschwerde bei<br />

PKH-Bewilligung unter Anordnung<br />

von Raten, Beginn der Ratenzahlung<br />

§§ 73a Abs. 1 Satz 1, 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG; § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO<br />

Leitsätze des Verfassers:<br />

1. Hat das Prozessgericht die beantragte Bewilligung von<br />

Prozesskostenhilfe nur unter Anordnung von Ratenzahlung<br />

bewilligt, ist eine Beschwerde mit dem Ziel des<br />

Wegfalls der Raten nicht statthaft.<br />

2. Bei einer anwaltlich vertretenen Partei kann die Ratenzahlungspflicht<br />

bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe<br />

einsetzen, sobald der neben der Beiordnung bestehende<br />

Anwaltsvertrag zwischen dem Rechtsanwalt und dem<br />

bedürftigen Mandanten wirksam abgeschlossen ist.<br />

LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.1.<strong>2016</strong> – L 11 SB 324/15 B PKH<br />

I. Sachverhalt<br />

Das SG Neuruppin hat der Klägerin durch Beschl. v. 13.10.2015 PKH<br />

unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten mit der Maßgabe<br />

bewilligt, dass die Klägerin – beginnend mit dem Monat Dezember<br />

2015 – monatliche Raten i.H.v. 121 € an die Landeshauptkasse zu<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 357


Rechtsprechungsreport – Gerichtskosten<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

zahlen habe. Nach der diesem Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung<br />

war gegen die Entscheidung des SG die Beschwerde<br />

gegeben. Die Klägerin hat gegen den Beschluss des SG<br />

Neuruppin eine ausschließlich auf den Beginn der Ratenzahlung<br />

beschränkte Beschwerde eingelegt. Das LSG Berlin-Brandenburg<br />

hat diese Beschwerde als unzulässig verworfen.<br />

II. Statthaftigkeit der Beschwerde in PKH-Verfahren<br />

Gem. § 172 Abs. 3 Nr. 2a) SGG ist die Beschwerde gegen die<br />

Ablehnung von PKH ausgeschlossen, wenn das Gericht die<br />

persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH<br />

verneint hat. Dies hat nach den Ausführungen des LSG Berlin-<br />

Brandenburg zur Folge, dass die Möglichkeit der Beschwerde<br />

gegen die Ablehnung von PKH nur noch in solchen Fällen<br />

gegeben ist, in denen das erstinstanzliche Gericht die Erfolgsaussichten<br />

in der Hauptsache verneint hat. Ein solcher Fall sei<br />

hingegen insbesondere dann nicht gegeben, wenn das SG gem.<br />

§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO PKH nur<br />

gegen Ratenzahlung gewährt hat. Insoweit handele es sich<br />

nämlich um eine teilweise Ablehnung von (ratenfreier) PKH unter<br />

entsprechender Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse. Nach Auffassung des LSG würde es zu Wertungswidersprüchen<br />

führen, wenn eine teilweise Ablehnung von<br />

PKH im Falle der Bewilligung unter Festsetzung von Raten<br />

beschwerdefähig wäre, obwohl die vollständige Ablehnung von<br />

PKH mit der Beschwerde nicht angefochten werden könnte.<br />

Wenn die Bewilligung von PKH unter Festsetzung von Raten<br />

danach nicht beschwerdefähig ist, kann nach Auffassung des LSG<br />

für die Festsetzung des Ratenbeginns nichts anderes gelten.<br />

Das LSG Berlin-Brandenburg hat deshalb entgegen der insoweit<br />

fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung seitens des SG Neuruppin die<br />

Beschwerde der Klägerin als unzulässig verworfen.<br />

III. Bestimmung des Ratenzahlungsbeginns<br />

Gleichwohl hat das LSG Berlin-Brandenburg auch inhaltlich zu<br />

der vom SG Neuruppin vorgenommenen Bestimmung des Ratenzahlungsbeginns<br />

Stellung genommen. Diese sei der Sache<br />

nach nicht zu beanstanden. Bei einer anwaltlich vertretenen<br />

Partei darf nach den Ausführungen des LSG die Ratenzahlungspflicht<br />

bei Bewilligung von PKH einsetzen, sobald der neben<br />

der Beiordnung bestehende Anwaltsvertrag zwischen dem RA<br />

und seinem (bedürftigen) Mandanten wirksam abgeschlossen ist.<br />

Der Unbemittelte solle nämlich lediglich nicht schlechter gestellt<br />

sein als eine bemittelte Partei. Diese sei jedoch bereits bei<br />

Abschluss des Anwaltsvertrags mit dem bevollmächtigten RA<br />

einer Vorschusspflicht in Höhe der voraussichtlichen Anwaltsvergütung<br />

gem. § 9 RVG ausgesetzt, auch wenn die Vergütung<br />

selbst noch nicht gem. § 8 RVG fällig sei. Folglich dürfe die<br />

Ratenzahlung einsetzen, sobald der RA gegenüber einer bemittelten<br />

Partei einen Vorschuss geltend machen könnte. Somit<br />

komme es für die Frage des Ratenbeginns nicht auf die Abrechnung<br />

der Vergütung durch den RA an. Denn der beigeordnete<br />

RA könne gem. § 47 RVG mit der Beiordnung für die<br />

entstandenen Gebühren und die entstandenen und voraussichtlichen<br />

Auslagen aus der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss<br />

fordern.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Anfechtbarkeit der Entscheidung des SG<br />

Die Ausführungen des LSG Berlin-Brandenburg zur – hier fehlenden<br />

– Statthaftigkeit der Beschwerde entsprechen der allgemeinen<br />

Auffassung der LSG (s. LSG Rheinland-Pfalz NZS 20<strong>09</strong>, 240; LSG<br />

Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 2.2.20<strong>09</strong> – L 2 B 215/08 AS; LSG<br />

Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 24.7.2008 – L 12 B 20/08 AL).<br />

2. Beginn der Ratenzahlung<br />

Hinsichtlich des Beginns der Ratenzahlungspflicht bei anwaltlicher<br />

Vertretung hat sich das LSG Berlin-Brandenburg der Auffassung<br />

des Thür. LSG im Beschl. v. 15.7.2013 – L 8 SO 1785/12 B<br />

angeschlossen. Beide LSG stellen auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit<br />

des Anwaltsvertrags ab. Im Regelfall erteilt ein<br />

bedürftiger Mandant seinem RA den Prozessauftrag unter der<br />

Bedingung der Bewilligung der PKH. Diese Bedingung tritt dann<br />

mit Wirksamwerden des PKH-Bewilligungs- und Beiordnungsbeschlusses<br />

ein, der hier vom 13.10.2015 datiert. Zwischen dem<br />

Beschlussdatum und dem angeordneten Beginn der Ratenzahlung<br />

hat das SG Neuruppin hier noch einen Zeitraum von gut 6 Wochen<br />

berücksichtigt. In diesem Zeitraum dürfte der Beschluss dem RA<br />

zugegangen und der Anwaltsvertrag wirksam geworden sein.<br />

3. Verfahrensweise des PKH-Anwalts<br />

Je nach Höhe der bewilligten Raten einerseits und der Höhe der<br />

Vergütung andererseits kommt es in Betracht, dass die geleisteten<br />

Raten bereits nach einigen Monaten die Gerichtskosten und die<br />

Vergütung des PKH-Anwalts unter Einschluss der weiteren Vergütung<br />

nach § 50 RVG abdecken. In einem solchen Fall soll das<br />

Prozessgericht gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 3 Nr. 1<br />

ZPO die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen. Da<br />

dies bei den Gerichten gelegentlich aus dem Blickfeld gerät, sollte<br />

der Prozessbevollmächtigte bei Vorliegen der Voraussetzungen<br />

die vorläufige Einstellung der bewilligten Ratenzahlung ausdrücklich<br />

beantragen.<br />

H. Hansens<br />

Gerichtskosten<br />

Entscheidung über Absehen vom<br />

Kostenansatz im Erinnerungsverfahren<br />

nicht überprüfbar<br />

§ 81 Abs. 1 Satz 1 GNotKG; § 10 KostVfg<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

Sieht der Kostenbeamte nicht nach § 10 KostVfg vom Ansatz<br />

der Kosten ab, unterliegt dies bei einer Erinnerung des<br />

Kostenschuldners grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung.<br />

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.5.<strong>2016</strong> – 2 VAs 71/15 und 2 VAs 69/15<br />

I. Sachverhalt<br />

Das OLG Karlsruhe hatte den Antrag des Antragstellers auf<br />

gerichtliche Entscheidung gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft<br />

Karlsruhe verworfen. Die Kosten des Verfahrens<br />

hat das OLG dem Antragsteller auferlegt und den Geschäftswert<br />

auf 2.500 € festgesetzt. Nach Rechtskraft dieser Entscheidung hat<br />

die Kostenbeamtin des OLG dem Antragsteller nach Nr. 15301<br />

GNotKG KV die Gerichtskosten i.H.v. 108 € in Rechnung gestellt.<br />

Mit seiner als Erinnerung gegen diesen Kostenansatz angesehenen<br />

358 Nr. 9/<strong>2016</strong>


<strong>RVGreport</strong><br />

Rechtsprechungsreport – Gerichtskosten<br />

Eingabe hatte der Antragsteller geltend gemacht, die Kosten „gem.<br />

§ 21 GKG, §§ 59, 79 LHO, § 9 Abs. 2 LJKG, § 10 KostVfg niederzuschlagen“.<br />

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht<br />

abgeholfen und diese dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung<br />

vorgelegt. Der hierzu zunächst berufene Einzelrichter des OLG<br />

hat die Sache dem Senat übertragen. Das OLG hatte die<br />

Erinnerung des Antragstellers zunächst durch Beschl. v. 21.10.2015<br />

als unzulässig verworfen. Hiergegen hat der Antragsteller Gehörsrüge<br />

eingelegt, da der Senat ihm wegen einer vorübergehenden<br />

Überstellung in eine andere Justizvollzugsanstalt das rechtliche<br />

Gehör versagt habe. Aufgrund dieser dem Senat unbekannten<br />

Verlegung hat das OLG das Verfahren auf die Gehörsrüge<br />

fortgesetzt und seine Entscheidung vom 3.12.2015 in seinem<br />

weiteren Beschl. v. 28.1.<strong>2016</strong> aufrechterhalten.<br />

II. Zulässigkeit der Erinnerung<br />

Bei der vorangegangenen Entscheidung des 2. Strafsenats des<br />

OLG Karlsruhe gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft<br />

hat es sich um ein Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG gehandelt.<br />

Die Gerichtskosten in diesen Verfahren berechnen sich nach dem<br />

am 1.8.2013 in Kraft getretenen GNotKG (s. § 1 Abs. 2 Nr. 19<br />

GNotKG). Dementsprechend hatte die Kostenbeamtin nach dem<br />

vom OLG festgesetzten Wert gegen den Antragsteller eine 1,0<br />

Verfahrensgebühr nach Nr. 15301 GNotKG KV i.H.v. 108 €<br />

angesetzt, weil der Senat den Antrag zurückgewiesen hatte.<br />

Gegen diese Entscheidung war gem. § 81 Abs. 1 Satz 1 GNotKG die<br />

Erinnerung zulässig. Gem. § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG entscheidet<br />

über die Erinnerung das Gericht – hier der 2. Strafsenat des OLG<br />

Karlsruhe – durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Dieser<br />

hatte hier gem. § 81 Abs. 6 Satz 2 GNotKG wegen der grundsätzlichen<br />

Bedeutung das Verfahren dem Senat zur Entscheidung<br />

übertragen.<br />

III. Begründetheit der Erinnerung<br />

Der Antragsteller hatte jedenfalls durch das Zitat mehrerer<br />

Rechtsvorschriften den Gerichtskostenansatz in mehrfacher Hinsicht<br />

angegriffen.<br />

1. Unrichtige Sachbehandlung<br />

Durch Angabe der Vorschrift des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG hat der<br />

Antragsteller geltend gemacht, die gerichtliche Verfahrensgebühr<br />

sei wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen. Das<br />

OLG Karlsruhe hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen<br />

des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG hätten hier nicht vorgelegen, da eine<br />

unrichtige Behandlung der Sache nicht gegeben sei.<br />

Eine unrichtige Sachbehandlung hat der Senat auch nicht in der<br />

Fortsetzung des zunächst durch Beschl. v. 3.12.2015 beendeten<br />

Verfahrens aufgrund der erfolgreichen Anhörungsrüge des Antragstellers<br />

gesehen. Die Höhe der zu tragenden Kosten werde<br />

hierdurch nämlich nicht beeinflusst. Ebenso wenig haben nach<br />

Auffassung des OLG Karlsruhe die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1<br />

Satz 3 GKG vorgelegen, weil die Antragstellung nicht auf einer<br />

unverschuldeten Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen<br />

Verhältnisse beruht hatte.<br />

2. Absehen vom Kostenansatz gem. § 10 KostVfg<br />

Gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 KostVfg darf der Kostenbeamte vom Ansatz<br />

der Gerichtskosten nur dann absehen, wenn das dauernde<br />

Unvermögen des Kostenschuldners zur Zahlung offenkundig<br />

oder ihm aus anderen Vorgängen bekannt ist oder wenn sich<br />

der Kostenschuldner dauernd an einem Ort aufhält, an dem eine<br />

Beitreibung keinen Erfolg verspricht. Bei der Kostenverfügung<br />

handelt es sich um eine durch den Bundesminister der Justiz und<br />

alle Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich erlassene Verwaltungsvorschrift.<br />

Ob die Nichtanwendung des § 10 KostVfg im Erinnerungsverfahren<br />

gegen den Gerichtskostenansatz (§ 66 Abs. 1 GKG, § 81<br />

Abs. 1 GNotKG) gerichtlich überprüfbar ist, ist in Rechtsprechung<br />

und Literatur umstritten.<br />

a) Gerichtliche Überprüfung zulässig<br />

In mehreren Entscheidungen über eine Erinnerung gegen den<br />

Gerichtskostenansatz hat der BGH das Vorliegen der Voraussetzungen<br />

des § 10 Abs. 1 KostVfg verneint und damit eine<br />

inhaltliche Prüfung vorgenommen (so etwa BGH <strong>RVGreport</strong> 2006,<br />

77 [Hansens]). Im Beschl. v. 13.4.2011 – 5 StR 406/<strong>09</strong> hat der BGH<br />

beispielsweise ausgeführt: „mangels offenkundigen oder der Kostenbeamtin<br />

sonst bekannten Zahlungsunvermögens des Verurteilten widerstreitet<br />

der Kostenansatz auch nicht der – die Gerichte ohnehin nicht<br />

bindenden – Verwaltungsvorschrift des § 10 Abs. 1 KostVfg“. Im Beschl.<br />

v. 12.2.2013 – 2 StR 600/11 heißt es etwa: „Von ihr – der Erhebung der<br />

Gebühr – war auch nicht gem. § 10 KostVfg abzusehen, weil der<br />

Verurteilte, wie dem Urteilsspruch zu entnehmen war, über Vermögen<br />

verfügt“.<br />

Dem hat sich ein Teil der Kommentarliteratur angeschlossen<br />

(Volpert, Gesamtes Kostenrecht, 1. Aufl., 2014, § 66 GKG Rn 15;<br />

Hartmann, KostG, 46. Aufl., <strong>2016</strong>, § 16 GKG Rn 18; Meyer, GKG/<br />

FamGKG, 14. Aufl., 2014, § 66 GKG Rn 13). Dies wird überwiegend<br />

damit begründet, das Aufstellen verwaltungsinterner Vorschriften<br />

und ihre ständige Befolgung bewirke eine Selbstbindung des<br />

Kostenbeamten, die dessen Ermessen einschränke und ihn verpflichte,<br />

im Einzelfall diese Vorschriften zu befolgen.<br />

b) Keine gerichtliche Überprüfung<br />

Nach der Gegenauffassung ist die Frage, ob der Kostenbeamte zu<br />

Unrecht von der Nichterhebung der Kosten gem. § 10 KostVfg<br />

abgesehen hat, im Erinnerungsverfahren nicht zu prüfen (BFH<br />

<strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>, 35 [Hansens]; Hess. VGH NVwZ-RR 2012, 585).<br />

Dies wird damit begründet, die Verwaltungsvorschrift des § 10<br />

KostVfg gelte nur im Innenverhältnis zwischen dem Kostengläubiger,<br />

also der Staatskasse, und dem Kostenbeamten. Im<br />

Außenverhältnis zwischen dem Kostengläubiger und dem Kostenschuldner<br />

habe dieser hingegen kein subjektiv-öffentliches<br />

Recht auf ein Absehen vom Gerichtskostenansatz. Ähnlich hat sich<br />

das OLG Brandenburg <strong>RVGreport</strong> 2008, 38 [Hansens] = NJW 2007,<br />

1470 zur fehlenden Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften<br />

der Kostenverfügung für die Gerichte geäußert.<br />

c) Die Auffassung des OLG Karlsruhe<br />

Der letztgenannten Auffassung hat sich das OLG Karlsruhe hier<br />

angeschlossen. § 10 KostVfg diene zur Ersparnis von unnötigem<br />

Verwaltungsaufwand durch Erstellen eines Gerichtskostenansatzes,<br />

der nach Kenntnis des Kostenbeamten nicht durchsetzbar sei.<br />

Der mit der Erhebung der Gerichtskosten verbundene Aufwand<br />

solle nämlich vermieden werden, wenn von vornherein feststehe,<br />

dass eine Zahlung nicht zu erwarten sei. Deshalb sei eine<br />

Entscheidung nach § 10 KostVfg grundsätzlich auch nur vor dem<br />

Gerichtskostenansatz möglich. Nach dessen Aufstellung könne<br />

der Kostenbeamte diesen nicht mehr unter Hinweis auf § 10<br />

KostVfg aufheben. Dies könne nur auf Veranlassung der Prüfungsaufsicht<br />

nach den §§ 34, 35 KostVfg geschehen.<br />

Nr. 9/<strong>2016</strong> 359


Rechtsprechungsreport – Gerichtskosten<br />

<strong>RVGreport</strong><br />

Ferner hat das OLG Karlsruhe darauf hingewiesen, dass nach<br />

allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung eine Erinnerung<br />

gegen den Gerichtskostenansatz nur auf eine Verletzung des<br />

Kostenrechts gestützt werden kann, somit alle Einwendungen,<br />

die sich gegen die Kostenbelastung einer Partei als solche richten,<br />

nicht zulässig sind (so BGH <strong>RVGreport</strong> 2006, 77 [Hansens]).<br />

Hieraus folgt nach Auffassung des OLG, dass eine fehlende<br />

oder eingeschränkte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des<br />

Kostenschuldners im Erinnerungsverfahren ganz allgemein ohne<br />

Bedeutung ist.<br />

Schließlich hat das OLG auf den Wortlaut des § 10 Abs. 1 KostVfg<br />

hingewiesen, nach dem der Kostenbeamte unter bestimmten<br />

Voraussetzungen vom Ansatz der Kosten absehen „darf“. Diese<br />

in der Normsprache ungewöhnliche Formulierung zeige auf, dass<br />

es sich allein um eine im Innenverhältnis gegenüber dem Land als<br />

Kostengläubiger geregelte Befugnis des Kostenbeamten handele.<br />

Der Kostenschuldner könne hieraus keine Rechte herleiten. Die<br />

Vorschrift des § 10 KostVfg entfalte ggf. lediglich einen ihn begünstigenden<br />

objektiven Rechtsreflex.<br />

3. Anwendbarkeit der LHO und des LJKG<br />

Für die Entscheidungen über den Antrag des Antragstellers auf<br />

Niederschlagung der Kosten nach den Vorschriften des einschlägigen<br />

Landesjustizkostengesetzes und der Landeshaushaltsordnung<br />

war nach Auffassung des OLG eine gerichtliche Zuständigkeit<br />

nicht gegeben. Über die Anwendung der Vorschriften der LHO<br />

habe die Landesoberkasse zu befinden, während die Entscheidung<br />

über die Anwendung des LJKG dem Präsidenten des AG Karlsruhe<br />

obliege.<br />

IV. Bedeutung für die Praxis<br />

1. Nichterhebung der Gerichtskosten<br />

Hierfür hat das OLG Karlsruhe mehrfach die Bestimmung des § 21<br />

GKG zitiert, die hier jedoch nicht einschlägig war, da die Gerichtskosten<br />

nach dem GNotKG erhoben worden waren. Die deshalb<br />

einschlägige Bestimmung des § 21 GNotKG hat jedoch einen<br />

identischen Gesetzeswortlaut.<br />

2. Absehen vom Kostenansatz<br />

Das OLG Karlsruhe hat ebenso wie der BFH <strong>RVGreport</strong> <strong>2016</strong>, 35<br />

[Hansens] m.E. zutreffend die Auffassung vertreten, dass der<br />

Kostenschuldner keinen Anspruch auf ein Absehen vom Kostenansatz<br />

gem. § 10 KostVfg gegenüber der Landeskasse habe und die<br />

Entscheidung des Kostenbeamten im Erinnerungsverfahren nicht<br />

überprüfbar ist. Die Entscheidungen des BGH, in denen dieser<br />

meist nur mit einem Satz die Anwendbarkeit des § 10 KostVfg in<br />

dem entsprechenden Fall verneint hatte, haben sich mit der<br />

Rechtsnatur der Verwaltungsvorschrift und ihrem Sinn und Zweck<br />

nicht befasst.<br />

3. Erlass und Niederschlagung<br />

Die Voraussetzungen hierfür sind meist in den Landeskostengesetzen<br />

und in der Landes- bzw. Bundeshaushaltsordnung geregelt.<br />

Entscheidungen über den Erlass und die Niederschlagung der<br />

Gerichtskosten sind nicht im Kostenansatzverfahren und deshalb<br />

auch nicht im Verfahren über eine Erinnerung hiergegen zu treffen<br />

(s. auch hierzu BFH a.a.O.).<br />

4. Exkurs: Entscheidungen nach § 8 KostVfg<br />

§ 8 KostVfg regelt den Gerichtskostenansatz bei Gesamtschuldnern.<br />

So soll nach § 8 Abs. 1 KostVfg bei gesamtschuldnerisch<br />

haftenden Kostenschuldnern derjenige für die Gerichtskosten<br />

in Anspruch genommen werden, dem sie durch gerichtliche<br />

Entscheidung auferlegt worden sind oder der sie durch eine vor<br />

Gericht abgegebene oder ihm mitgeteilte Erklärung übernommen<br />

hat. Die Haftung des anderen gesamtschuldnerisch haftenden<br />

Kostenschuldners, der als Zweitschuldner bezeichnet wird, soll nur<br />

dann geltend gemacht werden, wenn eine Zwangsvollstreckung in<br />

das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben<br />

ist oder aussichtslos erscheint oder sonstige in der Vorschrift<br />

genannten Voraussetzungen vorliegen. § 8 Abs. 2 KostVfg betrifft<br />

die Inanspruchnahme eines Kostenschuldners bei Prozess- oder<br />

Verfahrenskostenhilfe. § 8 Abs. 4 KostVfg regelt die Reihenfolge<br />

der Inanspruchnahme bei mehreren gesamtschuldnerisch haftenden<br />

Kostenschuldnern.<br />

Nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung kann die<br />

Anwendung der verschiedenen in § 8 KostVfg geregelten Tatbestände<br />

durch den Kostenbeamten im Rahmen des Erinnerungsverfahrens<br />

gegen den Gerichtskostenansatz geprüft werden,<br />

da die Verwaltungsvorschrift insoweit die Staatskasse in ihrem<br />

Ermessen bei der Auswahl des Schuldners bindet (BGH MDR <strong>2016</strong>,<br />

241; BVerwG, Beschl. v. 18.5.2012 – 8 KSt 3/12; KG <strong>RVGreport</strong> 2005,<br />

436 [Hansens]; KG BRAGOreport 2002, 1<strong>09</strong> [Ders.] = AGS 2002,<br />

259; BFH BFH/NV 1997, 603; OLG Frankfurt AGS 2001, 130; OLG<br />

Koblenz JurBüro 1988, 1684 = Rpfleger 1088, 384).<br />

Im Unterschied zu § 10 KostVfg stellt § 8 KostVfg materielle<br />

Normen für die Inanspruchnahme des Kostenschuldners bei<br />

Gesamtschuldnern auf. § 8 KostVfg gibt also dem Kostenbeamten<br />

vor, gegen welchen von mehreren Kostenschuldnern er die<br />

Gerichtskosten anzusetzen hat. Somit bindet diese Verwaltungsvorschrift<br />

den Kostenbeamten in seinem Ermessen bei der Auswahl<br />

des Schuldners. Dabei geht es also direkt um die Frage, ob<br />

und ggf. von wem der Kostenbeamte die geschuldeten Gerichtskosten<br />

anfordern darf. Wirtschaftliche und persönliche Umstände<br />

wie bei dem Absehen vom Kostenansatz gem. § 10 KostVfg spielen<br />

dabei keine Rolle.<br />

H. Hansens<br />

360 Nr. 9/<strong>2016</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!