WIRTSCHAFT+MARKT 5/2016
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SACHSEN | 17<br />
Fotos: Ralf Succo<br />
Gruppenbild im Bundesrat: W+M-Herausgeber Frank Nehring, die<br />
Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich und Dietmar Woidke sowie<br />
W+M-Chefredakteur Karsten Hintzmann (v. l.).<br />
Stanislaw Tillich: Reserven gibt es immer.<br />
Wir müssen unseren Unternehmen<br />
nicht sagen, was sie tun sollten, das wissen<br />
sie selbst. Aber wir müssen die Voraussetzungen<br />
für wirtschaftliches Engagement<br />
schaffen. So versuchen wir<br />
etwa Druck zu machen, gerade bei den<br />
Infrastrukturprojekten, die an der sächsisch-brandenburgischen<br />
Landesgrenze<br />
liegen – im Raum zwischen Torgau und<br />
Herzberg oder auch in Schwarzheide und<br />
Schwarze Pumpe. Wir haben in Sachsen<br />
eine etwas üppigere Ausstattung<br />
bei den Hochschulen. Da gibt es sicher<br />
noch Potenziale, die wir für die Kooperation<br />
nutzen können. Und wir haben das<br />
System der Berufsakademien, das wichtig<br />
für die Fachkräfteversorgung ist. Der<br />
BASF in Schwarzheide fällt es zum Beispiel<br />
zunehmend schwer, Fachkräfte für<br />
den Standort zu bekommen. Das ist ein<br />
Punkt, um den wir uns gemeinsam kümmern<br />
müssen. Eine Frage steht dabei im<br />
Mittelpunkt: Wie schaffen wir es, diese<br />
Grenzregion so attraktiv zu machen, dass<br />
dort Fachkräfte hingehen?<br />
W+M: Wenn es um die wirtschaftliche<br />
Entwicklung und um Ansiedlungen von<br />
Investoren geht, sind Sie vermutlich Konkurrenten.<br />
Kam es schon vor, dass Sie<br />
sich potenzielle Investoren abgeworben<br />
haben?<br />
Dietmar Woidke: An so etwas kann<br />
ich mich nicht erinnern. Entscheidend<br />
ist für die Menschen in den branden-<br />
burgisch-sächsi-<br />
schen Grenzregionen,<br />
dass vor allem<br />
die Investitionen<br />
in der Region<br />
erfolgen.<br />
Stanislaw Tillich:<br />
Einer meiner Vorgänger<br />
hat mal gesagt:<br />
„Windräder<br />
sind Gelddruckmaschinen.“<br />
Daraufhin<br />
hat sich der<br />
Investor entschieden,<br />
in Lauchhammer<br />
zu bauen und<br />
nicht in Sachsen.<br />
Insofern hatte damals eine politische Äußerung<br />
dazu beigetragen, dass Brandenburg<br />
eine zusätzliche Investition bekam.<br />
W+M: Ein nach wie vor wichtiger Wirtschaftszweig<br />
ist der Braunkohleabbau<br />
und die nachfolgende Braunkohleverstromung.<br />
Wie lange hat Braunkohle in ihren<br />
Ländern noch eine Zukunft?<br />
Stanislaw Tillich: Ich bin davon überzeugt,<br />
dass wir mit der Braunkohle noch<br />
bis weit in die 2040er Jahre arbeiten werden.<br />
Weil wir sie als Brückentechnologie<br />
und zur stabilen Energieversorgung<br />
brauchen. Gerade auch, wenn ab 2022<br />
keine Kernenergie mehr in Deutschland<br />
produziert wird.<br />
Dietmar Woidke: Das betrifft die deutsche<br />
Industrie und Deutschland insgesamt.<br />
Es ist wichtig, die Energiedebatte<br />
ehrlich zu führen. Und das heißt, dass<br />
wir auf konventionelle Energieträger, also<br />
die Kohle, erst dann verzichten können,<br />
wenn wir die heute noch unzuverlässigen<br />
Erneuerbaren Energien zu zuverlässigen<br />
Energieträgern gemacht haben. Da<br />
stecken wir aktuell noch in den Kinderschuhen.<br />
W+M: Brandenburg plant als Reaktion<br />
auf den Bevölkerungsrückgang in den<br />
ländlichen und Randregionen eine Verwaltungsreform,<br />
die aktuell nicht unumstritten<br />
ist. Wie ist Sachsen auf den demografischen<br />
Wandel vorbereitet, stehen<br />
Sie auch vor einer Straffung der Verwaltung,<br />
Herr Tillich?<br />
Stanislaw Tillich: Wir haben unsere Verwaltung<br />
bereits in den letzten Jahren gestrafft.<br />
Noch vor rund zehn Jahren hatten<br />
wir 22 Landkreise und sieben kreisfreie<br />
Städte, heute sind es zehn Landkreise<br />
und drei. Die Reduzierung war 2008<br />
mit einer Verwaltungs- und Funktionalreform<br />
verbunden. Solche Vorhaben stoßen<br />
nicht immer auf Gegenliebe. Oft sind es<br />
Befindlichkeiten, die zur Gegenwehr führen.<br />
Meine Meinung zu solch einem politischen<br />
Vorhaben: Wenn du einmal gestartet<br />
bist, musst du durch und es immer wieder<br />
im Dialog erklären. Und am Ende des<br />
Tages zahlt es sich auch für die Bürger aus.<br />
W+M: Sowohl in Sachsen als auch in<br />
Brandenburg gab es in den zurückliegenden<br />
Monaten fremdenfeindliche Aktionen,<br />
über die auch in den internationalen<br />
Medien berichtet wurde. Befürchten Sie,<br />
dass dies negative Auswirkungen auf die<br />
Attraktivität der Standorte Sachsen und<br />
Brandenburg haben wird?<br />
ZUR PERSON<br />
Stanislaw Tillich wurde am 10. April 1959<br />
in Neudörfel bei Kamenz geboren. An<br />
der Technischen Universität Dresden<br />
studierte er Konstruktion und Getriebetechnik.<br />
Bereits zu DDR-Zeiten trat er<br />
der CDU bei. Seine politische Karriere im<br />
geeinten Deutschland startete Tillich in<br />
Brüssel – bis 1994 arbeitete er als Beobachter<br />
im Europaparlament, danach bis<br />
1999 als Abgeordneter. Ab 1999 bekleidete<br />
er in Sachsen verschiedene Ministerposten.<br />
Seit 2008 ist Stanislaw Tillich<br />
sächsischer Ministerpräsident. Er ist verheiratet<br />
und Vater zweier Kinder.<br />
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