WIRTSCHAFT+MARKT 5/2016
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BRÜSSELER SEGEN | 35<br />
W+M: Sie haben aufgrund Ihrer Biografie,<br />
Ihrer beruflichen Herkunft und als Mitglied<br />
im entsprechenden EU-Ausschuss einen<br />
besonderen Draht zu Russland. Wie bewerten<br />
Sie die aktuelle EU-Politik gegenüber<br />
Russland?<br />
Joachim Zeller: Die Annexion der Krim<br />
und die Einmischung Russlands im Osten<br />
der Ukraine waren ein Bruch des Völkerrechts.<br />
Das konnte nicht ohne Reaktion<br />
bleiben. Dass wir aber vom Präsidenten<br />
des EU-Parlaments seit zwei Jahren keine<br />
Genehmigung für offizielle Kontakte zum<br />
russischen Parlament erhalten, halte ich<br />
für falsch. Wir müssen mit den russischen<br />
Kollegen reden. Denn wo geredet wird,<br />
wird nicht geschossen.<br />
Foto: W+M<br />
W+M: Glauben Sie, dass der „Brexit“ zu<br />
einem Dominoeffekt innerhalb der EU führen<br />
wird?<br />
Joachim Zeller: Das sehe ich nicht. Wir<br />
haben eine eindeutige Stimmung im Parlament:<br />
Alle sind nach dem „Brexit“ erschrocken<br />
und auch die größten Schreihälse<br />
von Rechtsaußen sind abgetaucht.<br />
Was man hat, das weiß man. Was kommt,<br />
könnte aufs Glatteis führen. Jetzt müssen<br />
wir dringend die Diskussion darüber führen,<br />
worauf wir uns in Europa in den kommenden<br />
Jahren konzentrieren sollten.<br />
W+M: Wenn Sie die Chance hätten, was<br />
würden Sie persönlich tun, um die Arbeit<br />
des EU-Parlaments zu effektivieren?<br />
Joachim Zeller: Unsere Regeln sind<br />
schon sehr ausgefeilt. Allerdings sehe<br />
Seit 2009 für Berlin im<br />
Europaparlament: Joachim Zeller.<br />
ich, dass es Kollegen im Parlament gibt,<br />
die zu kommissionsgläubig sind. Das Parlament<br />
ist sich in Teilen nicht seiner gestiegenen<br />
Bedeutung bewusst, die es seit<br />
dem Lissabon-Vertrag zweifellos hat. Wir<br />
könnten durchaus öfter selbstbewusst auf<br />
den Tisch hauen und die EU-Kommissare<br />
härter anpacken.<br />
W+M: Gibt es ein konkretes Vorhaben,<br />
das Sie bis zum Ende der Legislaturperiode<br />
dringend realisieren möchten?<br />
Joachim Zeller: Mir ist vor allem wichtig,<br />
dass in Brüssel in den nächsten Jahren die<br />
richtigen Entscheidungen hinsichtlich der<br />
Kohäsions- und Strukturpolitik getroffen<br />
werden. Kohäsionspolitik heißt konkret,<br />
Politik für den inneren Zusammenhalt zu<br />
betreiben. Da es immer noch erhebliche<br />
regionale Unterschiede gibt, brauchen wir<br />
auch über 2020 hinaus eine Fortsetzung<br />
dieser Politik. In diesen Zusammenhang<br />
werde ich auch das Thema Stadt im Fokus<br />
behalten. Immerhin leben 70 Prozent<br />
der Europäer in Städten. Viele dieser Städte<br />
brauchen Unterstützung aus Brüssel.<br />
Berlin gehört dazu.<br />
Interview: Karsten Hintzmann<br />
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