WIRTSCHAFT+MARKT 5/2016
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28 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Im Chemiepark Bitterfeld sind in den letzten Jahren 11.000<br />
Arbeitsplätze entstanden. Bitterfeld selbst hat 15.500 Einwohner.<br />
Warum Bitterfeld<br />
zur AfD-Hochburg wurde<br />
Für Bitterfeld und Wolfen stehen heute weder grassierende Deindustrialisierung<br />
und extreme Arbeitslosigkeit noch städtebaulicher Verfall<br />
oder Umweltnotstand. Die Menschen sind aufgrund der hohen<br />
Industriedichte zu DDR-Zeiten überdurchschnittlich gebildet, und<br />
inzwischen wandelte sich ein gewaltiger Tagebau zu einem idyllischen<br />
See direkt am Innenstadtrand. Dennoch gilt die Region seit der<br />
jüngsten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt als Hochburg der rechtspopulistischen<br />
Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Eine<br />
Ursachensuche. Von Harald Lachmann<br />
Schulschließungen stoppen, TTIP verhindern,<br />
Kita-Gebühren abschaffen,<br />
rot-grüne Bildungsexperimente aufhalten<br />
oder auch: Frühsexualisierung in Kita<br />
und Schule beenden. Auf der Webseite von<br />
Daniel Roi fehlt es nicht an politischen Themen.<br />
Doch Begriffe wie Flüchtlinge oder<br />
Asylmissbrauch finden sich nicht. Dabei<br />
steht auch der 29-jährige Bachelor of Engineering,<br />
der einige Zeit im Dessauer Landwirtschaftsamt<br />
arbeitete, für das ausländerfeindliche<br />
Profil der AfD im Südosten<br />
Sachsen-Anhalts. Denn für sie hatte er zur<br />
Landtagswahl im März kandidiert und mit<br />
31 Prozent der Erststimmen das Direktmandat<br />
im Wahlkreis Wolfen geholt.<br />
Ähnlich der 50-jährige Volker Olenicak<br />
aus Friedersdorf, ein Unternehmer, der in<br />
und um Bitterfeld mehrere Telefonshops<br />
betreibt. Er holte für die AfD mit 33,4 Prozent<br />
das Direktmandat in Bitterfeld und<br />
gehört inzwischen im Landtag sogar jener<br />
parlamentarischen Kommission an,<br />
die die Geheimdienste kontrollieren soll.<br />
Beide, Roi wie Olenicak, stehen damit nun<br />
bundesweit am Pranger für ein Phänomen,<br />
das in den großen Medien der Republik –<br />
von SPIEGEL ONLINE bis Tagesschau – als<br />
die „Schande von Bitterfeld“ gebrandmarkt<br />
wurde. Denn nirgendwo machten mehr<br />
Menschen bei der AfD ihr Kreuzchen. Dabei<br />
gewann die rechte Protestpartei im Süden<br />
Sachsen-Anhalts sogar 15 Direktmandate.<br />
Auch in Zeitz, Merseburg, Querfurt<br />
oder Staßfurt schnitt sie vergleichbar ab.<br />
Woran liegt das? Schnelle, seriöse Antworten<br />
fallen schwer. Es vor allem auf<br />
Foto: Harald Lachmann<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 5/<strong>2016</strong>