NEUE MOBILITÄT 18
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Ausflug in die Zukunft - Antares DLR-H2<br />
Ausflug in die Zukunft - Antares DLR-H2<br />
Elektromobilität in die Luft<br />
gebracht<br />
Prof. Rolf Henke<br />
Vorstand für den Bereich Luftfahrt<br />
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)<br />
www.dlr.de<br />
Die Behälter unter der Tragfläche enthalten das Brennstoffzellensystem sowie den Wasserstofftank<br />
Quelle: DLR /Ernsting<br />
Beim Thema Elektromobilität denken viele an Elektroautos,<br />
die in den kommenden Jahren die Straßen erobern sollen.<br />
Elektroautos haben viele Vorteile: Sie fahren effizient, leise<br />
und - wenn mit Ökostrom betankt - nahezu emissionsfrei.<br />
Diese Vorteile lassen sich prinzipiell auch auf die Luftfahrt<br />
übertragen. Allerdings sind die Herausforderungen in der<br />
Luftfahrt sehr viel größer als auf der Straße.<br />
Mit Batterie und Brennstoffzelle in der Luft<br />
Die Antares DLR-H2, ein kleiner einsitziger Motorsegler, war<br />
2009 das erste Flugzeug, das ausschließlich mit Brennstoffzellen<br />
angetrieben wurde. Mit an Bord: ein Wasserstofftank,<br />
eine Brennstoffzelle und ein sehr effizienter Elektromotor, der<br />
das Flugzeug in Bewegung setzte. Bei den ersten Starts hob die<br />
Antares nur mit Mühe ab und gewann sehr langsam an Höhe.<br />
Der Grund dafür: Die Leistung der hocheffizienten Brennstoffzelle<br />
ist für den Reiseflug auf konstanter Höhe ausgelegt.<br />
Sie wandelt die Energie, die in der elektrochemischen Reaktion<br />
von Wasserstoff und Sauerstoff frei wird, in elektrische<br />
Energie um. Dies geschieht in einer sehr gleichmäßigen Reaktion,<br />
die Brennstoffzelle kann daher kaum die Lastspitzen<br />
liefern, die man zum Abheben eines Flugzeugs braucht.<br />
Andererseits hat ein Brennstoffzellenantrieb große Vorteile:<br />
Aufgrund der hohen Energiedichte von Wasserstoff wird nur<br />
ein kleiner Tank benötigt, um einen Motorsegler über eine lan-<br />
ge Zeit mit elektrischer Energie zu versorgen. Eine Batterie<br />
kann dagegen sehr hohe elektrische Leistungen bereitstellen,<br />
das allerdings nur für eine relativ kurze Zeit.<br />
Bei der Weiterentwicklung des Forschungsflugzeugs setzten<br />
die DLR-Forscher daher schnell auf einen Hybridantrieb und<br />
nahmen eine Batterie mit an Bord. Damit konnten sie die Vorteile<br />
der beiden Systeme vereinen: Die Brennstoffzelle liefert<br />
eine zuverlässige Leistungsabgabe, um die Maschine in der<br />
Luft zu halten. Die Batterie bedient Leistungsspitzen wie sie<br />
beim Start oder im Steigflug vorkommen. Zudem bietet ein<br />
Hybridantrieb einen weiteren Vorteil für die Luftfahrt: Der<br />
Einsatz von zwei Leistungsquellen erhöht die Zuverlässigkeit.<br />
Fällt ein System aus, können sich Brennstoffzellen- und<br />
Batterieantrieb kurzzeitig gegenseitig ersetzen.<br />
Einsatz der Brennstoffzelle in Verkehrsflugzeugen<br />
Eine große Herausforderung in der Luftfahrt ist es, technische<br />
Systeme für den sicheren Einsatz in einem Flugzeug<br />
weiterzuentwickeln, denn dort müssen sie luftfahrtrelevanten<br />
Bedingungen wie Druck- und Temperaturschwankungen,<br />
ständige Vibration und Beschleunigung standhalten. Wenngleich<br />
die Brennstoffzelle in absehbarer Zeit als primäre Energiequelle<br />
für den Antrieb von Verkehrsflugzeugen nicht in<br />
Frage kommt, kann sie einen großen Anteil der Stromversorgung<br />
an Bord übernehmen. Im DLR-Forschungsflugzeug Airbus<br />
A320-ATRA wurde eine Brennstoffzelle getestet, die beim<br />
Ausfall der Triebwerke die Notstromversorgung übernehmen<br />
kann, um beispielsweise den Hydraulikdruck zum Bewegen<br />
der Ruder zu erzeugen. Am Boden können Brennstoffzellen<br />
zudem den Betrieb der Hilfstriebwerke ersetzen und<br />
Energie für die elektrischen Systeme und Druckluftsysteme,<br />
inklusive der Klimaanlage an Bord eines Flugzeugs liefern.<br />
Erfolgreich getestet hat das DLR auch den Einsatz eines<br />
brennstoffzellenbetriebenen Bugrades, womit sich Lärm<br />
und Abgase an Flughäfen im Bodenbetrieb an Flughäfen<br />
vermeiden lassen. Ein Ziel der Forschungsarbeiten sind<br />
Brennstoffzellensysteme, die in der kommerziellen Luftfahrt<br />
als zuverlässige Bordstromversorgung eingesetzt werden<br />
können. Für solche Tests und Qualifizierungen dient der Motorsegler<br />
Antares DLR-H2 als kostengünstiges und flexibles<br />
fliegendes Testlabor.<br />
Weiterentwicklungen<br />
Nicht nur das DLR entwickelt kleine Propellermaschinen, die<br />
mit elektrischer Energie fliegen. Bertrand Piccard will in diesen<br />
Monaten mit seinem Flugzeug »Solar Impuls 2« beweisen,<br />
dass es möglich ist, allein mit Energie der Sonne um die<br />
Erde zu fliegen. Dabei wird die Energie der Photovoltaikzellen<br />
in einer Batterie gespeichert und das Flugzeug mit einem<br />
Elektromotor angetrieben. Der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus<br />
entwickelt mit dem E-Fan derzeit ein zweisitziges Elektro-<br />
flugzeug und die Firma AutoGyro in Hildesheim verzeichnete<br />
im Juni 2015 mit ihrem eGyro den ersten rein elektrisch<br />
angetriebenen Tragschrauberflug.<br />
Das DLR hat sein Konzept zum elektrischen Fliegen seit dem<br />
Erstflug der Antares DLR-H2 inzwischen weiterentwickelt und<br />
arbeitet an einem mehrsitzigen Flugzeugkonzept. Durch den<br />
Einsatz von Elektroflugzeugen auf Regionalflughäfen könnte<br />
zwischen manchen Städten die Reisedauer im Vergleich zur<br />
Bahn deutlich reduzieren werden. Derzeit stößt das elektrische<br />
Fliegen jedoch ganz klar an seine Grenzen und bleibt für die<br />
Luftfahrtforschung noch geraume Zeit eine Herausforderung.<br />
Neue Flugzeugkonzepte werden möglich<br />
Gleichzeitig eröffnet die Entwicklung neuer elektrischer Antriebsstränge<br />
Freiräume für andersartige Flugzeugkonzepte<br />
und Designs: Die Antriebsmotoren werden wesentlich leichter<br />
als heutige Verbrennungsmaschinen sein. Zudem müssen<br />
sie nicht mehr zwingend nah an der Leistungsquelle angebracht<br />
sein. Stattdessen können Batterien und Brennstoffzellen<br />
so in das Flugzeugdesign integriert werden, dass sie<br />
sich möglichst vorteilhaft auf Aerodynamik und Auftrieb auswirken.<br />
Auch wird erwartet, dass in der Luftfahrt, in den kommenden<br />
Jahren erheblich leichtere Materialien eingesetzt<br />
werden können. Entwicklungen wie diese werden auch dem<br />
Fortschritt beim Fliegen mit Elektroantrieb zugutekommen.<br />
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