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FINANZIERUNG l STANDORTPOLITIK<br />
Zur Person<br />
Jürgen Gros (47) wur<strong>de</strong> im August 2016 Vorstandschef<br />
und Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Genossenschaftsverbands Bayern<br />
(GVB), für <strong>de</strong>n er seit 2005 arbeitet. Der GVB vertritt<br />
die Interessen von knapp 1 300 genossenschaftlichen<br />
Unternehmen wie etwa Volks- und Raiffeisenbanken.<br />
Foto: Studio Obermaier<br />
„Unsinnige Hür<strong>de</strong>n“<br />
Mit <strong>de</strong>n Richtlinien für Immobilienkredite gefähr<strong>de</strong>t die<br />
Bun<strong>de</strong>sregierung ihre eigenen Ziele, warnt Jürgen Gros,<br />
Vorstandschef <strong>de</strong>s Genossenschafts verbands Bayern.<br />
NADJA MATTHES<br />
Herr Gros, für Immobilienkredite gelten<br />
seit 21. März 2016 neue Regeln – mit drastischen<br />
Folgen. Viele Interessenten erhalten<br />
für die Finanzierung von Haus o<strong>de</strong>r Wohnung<br />
schlechtere Konditionen o<strong>de</strong>r überhaupt<br />
keine Zusage mehr. Was hat sich bei<br />
<strong>de</strong>r Kreditvergabe geän<strong>de</strong>rt?<br />
Mit <strong>de</strong>n neuen Vorgaben zwingt <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />
die Banken zu einer erheblich<br />
restriktiveren Vergabe von Baudarlehen.<br />
Warum? Weil die Banken bei <strong>de</strong>r Bonitätsprüfung<br />
neuerdings vor allem auf die Höhe<br />
<strong>de</strong>s laufen<strong>de</strong>n Einkommens achten müssen.<br />
An<strong>de</strong>rs als früher dürfen sie nicht<br />
mehr hauptsächlich auf die Werthaltigkeit<br />
<strong>de</strong>r finanzierten o<strong>de</strong>r belasteten Immobilie<br />
abstellen. Das führt zu <strong>de</strong>r absur<strong>de</strong>n Situation,<br />
dass Verbraucher, die bis zum 20.<br />
März 2016 kreditwürdig waren, seit <strong>de</strong>m<br />
21. März mitunter keinen Kredit mehr erhalten<br />
dürfen.<br />
Welche Auswirkungen beobachten Sie<br />
konkret?<br />
In <strong>de</strong>r Praxis wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlich mehr Kreditanfragen<br />
abgelehnt. Mir sind Institute bekannt,<br />
die von 20 bis 25 Prozent <strong>de</strong>r Anträge<br />
berichten. Und das liegt nicht etwa<br />
daran, dass die Banken nicht wollen. Sie<br />
dürfen laut Gesetz schlicht und ergreifend<br />
nicht. Gesamtwirtschaftlich ergibt das<br />
freilich überhaupt keinen Sinn. Denn zum<br />
einen wird die private Altersvorsorge vieler<br />
Bürger durch selbst genutztes Wohneigentum<br />
erschwert. Und zum an<strong>de</strong>ren wird die<br />
energetische Gebäu<strong>de</strong>sanierung ausgebremst.<br />
Das heißt, mit <strong>de</strong>n verschärften<br />
Regeln konterkariert <strong>de</strong>r Gesetzgeber seine<br />
eigenen politischen Ziele.<br />
Wer lei<strong>de</strong>t beson<strong>de</strong>rs unter <strong>de</strong>n restriktiven<br />
Vergabekriterien?<br />
Das geht quer durch alle Verbrauchergruppen.<br />
Junge Familien sind genauso betroffen<br />
wie Rentner o<strong>de</strong>r Selbstständige.<br />
Die Kreditvergabe wird in vielfältiger Weise<br />
eingeschränkt. In <strong>de</strong>r Praxis kommt es<br />
zum Beispiel bei altersgerechten Umbaumaßnahmen<br />
o<strong>de</strong>r bei Gebäu<strong>de</strong>sanierungen<br />
zu Schwierigkeiten. Aber auch bei <strong>de</strong>r<br />
Kreditaufnahme für Konsumzwecke o<strong>de</strong>r<br />
bei Anschlussfinanzierungen machen die<br />
neuen Regeln vielen Verbrauchern einen<br />
Strich durch die Rechnung.<br />
Die neuen Regeln sollen verhin<strong>de</strong>rn, dass<br />
sich Verbraucher in waghalsige Finanzierungen<br />
stürzen und übermäßig verschul<strong>de</strong>n.<br />
An sich doch ein ehrenwertes Ziel?<br />
Selbstverständlich ist das ein ehrenwertes<br />
Ziel. Die bayerischen Volksbanken und<br />
Raiffeisenbanken stehen voll dahinter, weil<br />
sie keinerlei Interesse daran haben, dass<br />
sich Kun<strong>de</strong>n in finanzielle Abenteuer stürzen.<br />
Deshalb haben die Institute die Kreditwürdigkeit<br />
auch schon vor Inkrafttreten<br />
<strong>de</strong>r Richtlinie sehr sorgfältig geprüft. Das<br />
zeigt die verschwin<strong>de</strong>nd geringe Ausfallquote<br />
von 0,5 Prozent bei Baudarlehen <strong>de</strong>r<br />
bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken.<br />
Warum <strong>de</strong>r Gesetzgeber angesichts<br />
solcher Werte nun so ein Buhei<br />
macht und die Regeln über die europäische<br />
Richtlinie hinaus <strong>de</strong>utlich verschärft<br />
hat, ist mir schleierhaft.<br />
Der Genossenschaftsverband Bayern<br />
setzt sich zusammen mit <strong>de</strong>m Bayerischen<br />
Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammertag und<br />
weiteren Wirtschaftsorganisationen für<br />
Korrekturen <strong>de</strong>s Gesetzes ein. Was genau<br />
wollen Sie erreichen?<br />
Ganz einfach: Der Gesetzgeber muss unsinnige<br />
Kredithür<strong>de</strong>n abbauen, die <strong>de</strong>n<br />
Verbraucher bevormun<strong>de</strong>n. Wichtig sind<br />
insbeson<strong>de</strong>re zwei Punkte: Erstens müssen<br />
auch künftig Bau- und Renovierungsdarlehen<br />
bei dinglicher Absicherung erlaubt<br />
sein. Und zweitens muss es weiterhin<br />
möglich sein, Kredite zu Konsumzwecken<br />
auszureichen und grundpfandrechtlich zu<br />
besichern – solange sie durch <strong>de</strong>n Wert<br />
<strong>de</strong>r Immobilie ge<strong>de</strong>ckt sind. Das wür<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>n Verbrauchern erheblich weiterhelfen.<br />
Dazu müssen einfach nur die Wahlrechte<br />
in <strong>de</strong>r Wohnimmobilienkreditrichtlinie<br />
ausgeschöpft wer<strong>de</strong>n. Das haben zum Beispiel<br />
die Österreicher von Anfang an gemacht<br />
und sich damit Ärger mit abgelehnten<br />
Kreditanträgen weitgehend erspart. Da<br />
frage ich mich, wieso die Politik in Deutschland<br />
immer noch eins draufsetzen muss. ■<br />
Wirtschaft – Das IHK-Magazin für München und Oberbayern – 09/2016 27