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Facetten Mai 2013

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Ausgabe 24 • <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

Kasseler Werkstatt · Kindertagesstätte Georg-Wündisch-Haus<br />

Seniorenzentrum Renthof · Tagespflege am Holzmarkt · Pro Dokument<br />

Die Sozialgruppe Kassel e.V. feiert ihre Jubiläen<br />

documenta-Halle, Kassel<br />

80 Jahre Sozialgruppe Kassel e.V.<br />

50 Jahre Kasseler Werkstatt<br />

25 Jahre Fachbereich Gartenbau<br />

25 Jahre Eltern- und Förderverein<br />

10 Jahre Pro Dokument gGmbH<br />

10.–12. Oktober <strong>2013</strong>


Ihr Dienstleistungsunternehmen<br />

für die Beförderung von<br />

Menschen mit Behinderungen<br />

wünscht stets<br />

eine gute, angenehme<br />

und vor allem sichere Mitfahrt.<br />

Markt der<br />

Möglichkeiten<br />

Samstag<br />

8. Juni <strong>2013</strong><br />

ab 14 Uhr<br />

Unterneustädter Schule<br />

Leipziger Straße 13<br />

Die Unterneustadt zeigt ihr Profil<br />

Projekte und<br />

Institutionen<br />

stellen sich vor<br />

Gelegenheit zu Rundgängen in den beteiligten Einrichtungen<br />

Kinderschminken, Torwandschießen, Tombola,<br />

Informationen, Fakten, Neues, Bewährtes,<br />

Kulinarisches und Musikalisches in der Unterneustadt<br />

Kaffee &<br />

Kuchen<br />

Tanzgruppe unter der Leitung von Denise Rohde<br />

Kulinarisches &<br />

Musikalisches<br />

Theater Chaosium<br />

Musikalisches von Caro. Kiste. Kontrabass.<br />

In der Nähe der Zufriedenheit<br />

Ausklang Sommerfest mit Cocktails (auch alkoholfrei)<br />

Spiel, Spaß, Unterhaltung


Gastbeitrag<br />

des Hessischen Sozialministers Stefan Grüttner<br />

Das Hessische Sozialministerium engagiert<br />

sich gemeinsam mit unzähligen<br />

Sozialverbänden und -gruppen dafür,<br />

dass Menschen mit Behinderungen gleiche<br />

Teilhabe-Chancen in Gesellschaft<br />

und Wirtschaft er- und behalten. Das soziale<br />

Eingebundensein ist für alle Menschen,<br />

besonders für Menschen mit Behinderungen,<br />

von zentraler Bedeutung.<br />

Teilhabe am Arbeitsleben ist elementar<br />

für die Teilhabe am gesamten gesellschaftlichen<br />

Leben.<br />

Um dies zu erreichen, ist das Land Hessen<br />

auf verschiedenen Handlungsfeldern<br />

aktiv: Das sind Hilfen für Schülerinnen<br />

und Schüler mit sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf durch eine aktive Berufsorientierung,<br />

Schaffung von neuen Ausbildungsplätzen<br />

für junge Menschen<br />

mit Schwerbehinderung und Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen für über 50-jährige<br />

schwerbehinderte Menschen.<br />

Vorrangiges Ziel ist es, Menschen mit<br />

Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

zu integrieren. Da dieses aber<br />

nicht in allen Fällen gelingen kann, ist<br />

der Staat auf gemeinnützige Betreiber von<br />

Werkstätten angewiesen, in denen Menschen<br />

ihrer Behinderung entsprechend<br />

sinnvoll arbeiten können. Sie gewinnen<br />

damit an Selbstvertrauen und Kompetenz<br />

für ein eigenständiges Leben und<br />

Arbeiten.<br />

Eine bedeutende und seit Jahren erfolgreiche<br />

Organisation, die sich in hohem<br />

Maße im sozialen Bereich engagiert, ist<br />

die Sozialgruppe Kassel e. V. Als Träger<br />

der Kasseler Werkstatt und der Pro Dokument<br />

gGmbH bietet sie vielen Menschen<br />

aus dem nordhessischen Raum Beschäftigung<br />

und Betreuung. Hier werden Menschen<br />

mit Behinderung individuell und<br />

bedürfnisorientiert gefördert, können an<br />

vielfältigen Bildungsangeboten teilnehmen<br />

und bekommen weitgehende Hilfen,<br />

wenn es um die Eingliederung in den allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt geht.<br />

Die Kasseler Werkstatt feiert in diesem<br />

Jahr ihr 50-jähriges und der Fachbereich<br />

Gartenbau feiert sein 25-jähriges Jubiläum.<br />

Herzlichen Glückwunsch! Ihr Beitrag<br />

zur Integration von Menschen mit Behinderungen<br />

verdient hohe Anerkennung<br />

und ist für ein gutes Funktionieren des<br />

Sozialstaates eine wertvolle Ergänzung.<br />

Auch in Zukunft setzt das Land Hessen<br />

auf die engagierte Unterstützung gemeinnützig<br />

tätiger Organisationen. Das<br />

Land fördert die Zusammenarbeit und<br />

trägt mit seiner finanziellen Unterstützung<br />

dazu bei, dass Organisationen wie<br />

die Sozialgruppe Kassel weiterhin ihren<br />

gemeinnützigen Aufgaben im Sinne und<br />

zum Wohle benachteiligter Menschen<br />

nachkommen können.<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

Intro<br />

die zahlreichen Jubiläen, die wir in diesem Jahr feiern,<br />

laden natürlich zu einem Rückblick ein. Die Beiträge<br />

in dieser Ausgabe verbinden die Erfahrungen<br />

aus der Vergangenheit mit den Herausforderungen<br />

des heutigen Lebens. Einige Veränderungen kommen<br />

plötzlich, ohne dass man sich wirklich vorbereiten<br />

kann, andere hingegen stellen sich eher schleichend,<br />

unmerklich ein. Es ist immer nützlich, wenn man aus<br />

einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen kann.<br />

Gerald Reißmann<br />

(Vorsitzender des Vorstands Sozialgruppe Kassel e. V.)<br />

FACETTEN 3


„Alleine wäre<br />

es nicht gegangen“<br />

80 Jahre Vereinsgeschichte<br />

Alleine nicht: (von links) Marcus Bergmann, Sandra Schneider, David Klemmstein und Tanja Rinder.<br />

4 FACETTEN


„Alleine wäre es nicht gegangen“ – das<br />

war ein spontaner Kommentar während<br />

unserer Ausstellung Soziale Verantwortung<br />

und Solidarität, der kurz erklärt werden<br />

muss. Im aktiven Teil dieser Ausstellung<br />

konnte der Begriff der Inklusion mit<br />

verschiedenen Holzstücken und Seilen<br />

sichtbar gemacht werden. Ein Besucher<br />

versammelte die im Raum befindlichen<br />

Personen um sich, stellte die Holzstücke<br />

so übereinander, dass mehrere Personen<br />

mit ihren Händen immer zwei Holzstücke<br />

miteinander verbanden – nur so hielt der<br />

Turm –, und sagte: „Alleine wäre es nicht<br />

gegangen.“<br />

Auf Nachfrage erhielten wir ausdrücklich<br />

grünes Licht, unsere Jubiläumsfeierlichkeiten<br />

im Oktober in der documenta-<br />

Halle mit diesem Motto zu schmücken<br />

(siehe auch Seite 20).<br />

Die Sozialgruppe Kassel e. V. (SGK)<br />

(vormals Verein für Volkswohl e. V.) wird<br />

80 Jahre alt!<br />

Soziale Arbeit hat sich in den vergangenen<br />

acht Jahrzehnten immens<br />

gewandelt. Sie ist auf die Prioritätenliste<br />

gerückt und zunehmend professionalisiert<br />

worden. Engagement und Leidenschaft<br />

zu entfalten für Menschen,<br />

die auf eine Assistenz angewiesen sind,<br />

war die notwendige Grundlage, auf der<br />

sich eine gewollte Landschaft sozialer<br />

Dienstleistungen entwickelt hat. Soziale<br />

Verantwortung, die eine Gesellschaft<br />

trägt und qualifiziert, bekennt sich<br />

folglich zur Solidarität. Sie stellt eine<br />

Augen höhe her zwischen Menschen, die<br />

entweder eine Assistenz benötigen oder<br />

diese anbieten; nicht Bevormundung,<br />

sondern Kooperation und Partnerschaft<br />

heißt die Devise.<br />

In der Zeit des Nationalsozialismus<br />

erhoben sich manche Menschen über<br />

andere, diese dünkten sich besser, gar<br />

wertvoller als jene; die Würde so vieler<br />

Menschen wurde mit Füßen getreten.<br />

Auch in unserer Vereinsgeschichte gab es<br />

während des Nationalsozialismus Phasen,<br />

in denen das konsequente Eintreten<br />

für die Menschenwürde erhebliche Lücken<br />

aufwies. Dies ist uns Mahnung und<br />

Auftrag zugleich, daher sind für uns soziales<br />

Handeln und permanenter Einsatz<br />

für die Würde jedes einzelnen Menschen<br />

immanent. So gehört der offene Umgang<br />

mit unserer Vergangenheit, der von zahlreichen<br />

BesucherInnen der Ausstellung<br />

gelobt wurde, zum Selbstverständnis der<br />

SGK.<br />

In den Jahrzehnten von 1945 bis heute<br />

zeichnet unsere Unternehmenspolitik ein<br />

konsequentes Eintreten für die Grundsätze<br />

der Humanität, der Gleichbehandlung<br />

und der gegenseitigen Achtung aus. Und<br />

genau dafür können wir viele Wegbegleiter<br />

benennen – alleine wäre es in der Tat<br />

nicht gegangen.<br />

Zum 50-jährigen Jubiläum des Vereins<br />

bezeichnete uns Hans Eichel, langjähriger<br />

Oberbürgermeister der Stadt Kassel und<br />

Ehrenmitglied der SGK, als „Schrittmacher<br />

für den Ausbau sozialer Leistungen<br />

und Einrichtungen im Bereich der Stadt<br />

Kassel und des Verständnisses, der Aufmerksamkeit<br />

und des Handelns für Menschen<br />

in unserer Stadt“.<br />

Wir danken unserem Personal, welches<br />

engagiert die Unternehmensziele umsetzt<br />

sowie kreativ und motiviert mitgestaltet.<br />

Wir danken den Einrichtungsleitungen,<br />

die unseren sozialen Dienstleistungen ihr<br />

Profil geben. Wir danken vielen sozial engagierten<br />

Personen in der Sozial politik,<br />

den Leistungsträgern und der Fachöffentlichkeit.<br />

Auch danken wir den zahlreichen<br />

ehrenamtlichen HelferInnen, den<br />

Beiräten sowie dem Eltern- und Förderverein<br />

der Kasseler Werkstatt für ihren Einsatz<br />

und ihre konstruktiv-kritische Begleitung<br />

unserer Arbeit.<br />

Ein besonderer Dank gilt den zahlreichen<br />

kleinen und großen Unternehmen<br />

aus Industrie, Handel und Handwerk, die<br />

durch ihre Aufträge eine Beschäftigung<br />

der MitarbeiterInnen der Kasseler Werkstatt<br />

möglich machen.<br />

Und wir danken den Vereinsgremien<br />

für ihr Vertrauen in die Arbeit und Leistung<br />

der SGK.<br />

Wir wünschen uns sehr, dass wir mit<br />

allen Beteiligten auch in Zukunft einen<br />

gemeinsamen und erfolgreichen Weg gehen.<br />

Ilona Caroli<br />

(Vorsitzende des Verwaltungsrats)<br />

Gerald Reißmann<br />

(Vorsitzender des Vorstands)<br />

FACETTEN 5


lichen Veränderungen des Arbeitsmarktes<br />

nahm die damalige Beschützende Werkstatt<br />

bis zum heutigen Sozialunternehmen<br />

eine rasante Entwicklung.<br />

Die heutige KSW ist mehr als ein Arbeitsplatz.<br />

Es findet Kommunikation ohne<br />

Barrieren statt. Die Landesarbeitsgemeinschaft<br />

Werkstätten in Hessen bezeichnet<br />

Werkstätten nicht mehr als ein Gebäude,<br />

sondern als Systemanbieter: als Agentur<br />

für angepasste Arbeit.<br />

Kommunikation<br />

ohne Barrieren<br />

50 Jahre Sozialunternehmen Kasseler Werkstatt<br />

Viele Menschen ganz unterschiedlicher<br />

Generationen und verschiedenster<br />

Lebenssituationen sind mit der Kasseler<br />

Werkstatt (KSW) verbunden, befreundet<br />

und vernetzt. Sozialpolitisch Verantwortliche,<br />

Behörden, Auftraggeber und das<br />

Personal der Sozialgruppe Kassel konnten<br />

sich in fünf Jahrzehnten einbringen und<br />

sich solidarisch an die Seite von Menschen<br />

mit Behinderung stellen.<br />

Seit ihren Anfängen vor 50 Jahren ist<br />

die KSW stetig gewachsen, ohne dabei<br />

ihre Grundstruktur wesentlich zu ändern.<br />

Im Laufe ihrer Existenz hat sich die<br />

KSW zu einem erfolgreichen und effizienten<br />

Sozialunternehmen in der Region<br />

Nordhessen entwickelt.<br />

Aufgrund des stetig steigenden Bedarfs<br />

an neuen Werkstattplätzen und wesent-<br />

Aufgaben der WfbM<br />

Werkstätten für behinderte Menschen haben nach<br />

§ 136 SGB IX, Satz 1, u. a. folgende Aufgaben:<br />

– behinderten Menschen eine angemessene berufliche<br />

Bildung und Beschäftigung zu bieten,<br />

– individuelle Leistungs- und Erwerbsfähigkeiten zu<br />

erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wieder herzustellen<br />

und dabei die Persönlichkeit weiterzuentwickeln,<br />

– den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt zu fördern.<br />

Bundeswerkstätten-Tag 2012<br />

Werkstätten bieten Maßarbeit an.<br />

Maßarbeit, das war auch das Motto des<br />

Bundeswerkstätten-Tages 2012 in Freiburg.<br />

„Wir sind Spezialisten darin, Arbeitsschritte<br />

zu zergliedern, sodass Arbeit<br />

für alle Menschen da ist“, erklärte<br />

Martin Berg, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Werkstätten. Die Zukunft<br />

liege darin, „Menschen in ihrem<br />

Arbeitswunsch zu unterstützen, egal wo<br />

sie arbeiten wollen. Wesentliche Voraussetzungen<br />

dafür sind Bildung und Qualifizierung.“<br />

Ulrike Mascher, Vorsitzende des Deutschen<br />

Behindertenrates, stellte klar:<br />

„Unsere Gesellschaft braucht Werkstätten<br />

für behinderte Menschen. Sie sind<br />

unverzichtbar und nicht wegzudenken,<br />

weil sie etwas bieten, das private und<br />

öffentliche Arbeitgeber nicht bieten: auf<br />

individuelle Fähigkeiten angepasste Beschäftigungschancen.“<br />

Sie äußert die<br />

Sorge, dass aufgrund knapper öffentlicher<br />

Kassen Werkstätten in ihrer Entwicklung<br />

eingeschränkt werden. „Wir<br />

dürfen nicht zulassen, dass soziale Errungenschaften<br />

weggespart werden“, so<br />

Maschers Appell.<br />

Dr. Heiner Geißler forderte eine neue<br />

Form der Aufklärung. Die Ökonomisierung<br />

unserer Gesellschaft habe alle ge-<br />

6 FACETTEN Kasseler Werkstatt


sellschaftlichen Bereiche durchdrungen.<br />

Aus dieser Perspektive werde der Mensch,<br />

der auf Unterstützung angewiesen ist,<br />

vorrangig als Kostenfaktor gesehen. Der<br />

erste ethische Grundsatz von Wirtschaft<br />

und Politik müsse jedoch sein, jeden<br />

Menschen in seiner Würde anzuerkennen.<br />

Den Besuchern des Werkstätten-Tages<br />

gab Geißler den Rat: „Sie können in<br />

der Politik nur etwas erreichen, wenn Sie<br />

Krach machen, wenn Sie Streit anfangen.<br />

Lassen Sie sich nichts gefallen, streiten Sie<br />

für Ihre Ziele.“<br />

„Inklusion muss allen Teilhabechancen<br />

bieten“, schloss der BAG:WfbM-Vorsitzende<br />

Günter Mosen. „Die Gruppe der Menschen<br />

mit schweren Behinderungen darf<br />

nicht rausfallen.“<br />

Potenzial und Dank<br />

Wie ich mir die Werkstatt wünsche<br />

Wünsche von MitarbeiterInnen aus der Werkstatt<br />

– wertschätzende und vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />

zwischen Personal und Mitarbeitern<br />

– passgenauer Arbeitsplatz nach den Fähigkeiten der<br />

Mitarbeiter, um bestmöglich die Arbeitsabläufe umzusetzen<br />

– mehr Mitbestimmung im Tagesgeschäft und in der<br />

Weiterentwicklung der Werkstatt<br />

– die Bezahlung sollte so sein, dass keine Grundsicherung<br />

benötigt wird<br />

– mehr Außenarbeits- und Praktikumsplätze in verschiedenen<br />

Arbeitsfeldern<br />

– zielgerichtete Qualifizierung am Arbeitsplatz<br />

– die Förderpläne sollten in Zielvereinbarungen für Mitarbeiter<br />

umgewandelt werden so wie beim Personal<br />

– dass die Unterscheidung der Begriffe Fachpersonal<br />

und Werkstattbeschäftigte oder Personal und Mitarbeiter<br />

aufgegeben wird<br />

– Werkstätten sollte es auch in Zukunft geben<br />

Die KSW besitzt ein großes Potential,<br />

aus dem wir schöpfen. Wir haben gemeinsam<br />

viel bewegt und Gutes geschaffen<br />

– so können wir mit großem Selbstvertrauen<br />

in die Zukunft gehen. Zusammen<br />

– Belegschaft, Eltern, Förderer, Freunde<br />

und ehrenamtliche HelferInnen – sind<br />

wir auf einem guten Weg und können mit<br />

großem Stolz und mit ausgelassener Freude<br />

unser 50-jähriges Jubiläum feiern.<br />

Ich möchte allen Verantwortlichen, allen<br />

KollegInnen in der KSW meine Hochachtung<br />

und meinen Dank aussprechen.<br />

Mit ihrem täglichen Einsatz, mit viel Engagement<br />

und Kreativität, mit viel Zuwendung<br />

und auch Geduld realisieren<br />

sie vielen Menschen mit Behinderung<br />

den Zugang zum Lebensbereich Arbeit.<br />

Sie tragen dazu bei, dass sich auch Menschen<br />

mit schweren Behinderungen wertschöpfend<br />

erleben und mit Stolz auf ihre<br />

Arbeit und damit auf ihre Leistung blicken<br />

können.<br />

Ich selbst habe zum 31. März <strong>2013</strong>,<br />

nach 25 Jahren in der KSW, davon 18 Jahre<br />

in leitender Funktion, meine aktive Verantwortung<br />

abgegeben. Ich danke für das<br />

Vertrauen, das mir in den vergangenen<br />

Jahren entgegengebracht wurde, und ich<br />

bitte, meine beiden Nachfolger, Lieselotte<br />

Schramm und Christian Lehnert in gleicher<br />

Weise zu unterstützen. Ich danke<br />

zum Schluss allen, die uns geholfen haben,<br />

dass sich dieses Sozialunternehmen<br />

KSW erfolgreich entwickeln konnte, und<br />

lade alle recht herzlich ein, das auch weiterhin<br />

vertrauensvoll zu tun. Im Sinne des<br />

Mottos der Sozialgruppe Kassel e. V.: „Die<br />

Stärke eines Systems ist daran abzulesen,<br />

wie es mit den vermeintlich Schwachen<br />

umgeht.“<br />

Peter Liesert<br />

(Leitung KSW bis März <strong>2013</strong>)<br />

Kasseler Werkstatt FACETTEN 7


Niemand ist länger da als sie!<br />

46 Jahre in der Kasseler Werkstatt<br />

Die Kasseler Werkstatt feiert dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Eine von den MitarbeiterInnen<br />

selbst verfasste Jubiläumszeitschrift wird im Herbst erscheinen. Vorab aber<br />

sollen hier die beiden Menschen zu Wort kommen, die 46 der 50 Jahre miterlebt haben:<br />

Birgit Stemmler ist die dienstälteste Mitarbeiterin und Günther Hubenthal der dienstälteste<br />

Mitarbeiter der Kasseler Werkstatt. Ihren ersten Arbeitstag hatten beide am 2.<br />

Januar 1967.<br />

Birgit Stemmler (61)) arbeitet heute in der<br />

KSW 1, in der Gruppe Verpackung für SMA<br />

(Gruppenleitung: Birgit Voigt).<br />

„Zuerst war ich im Herwigsmühlenweg,<br />

da hatten wir mit Packen zu tun. Dann<br />

wurde das hier (die KSW 1) gebaut und<br />

wir sind hierher gezogen – das war schön.<br />

Früher haben wir viel für Buntpapier Bär<br />

gearbeitet, zum Beispiel Folienrollen gemacht.<br />

Jetzt machen wir viel für SMA. Ich<br />

war auch schon mal bei SMA. Da haben<br />

wir die Leute besucht und besichtigt, was<br />

die in der Verpackung so an Arbeit machen.<br />

Ich wohne in der Geibelstraße, im Haus<br />

Eder. Da habe ich ein Einzelzimmer. Am<br />

Wochenende räume ich auf, wir trinken<br />

Kaffee oder gehen spazieren. Ich treffe da<br />

viele Leute.<br />

Ich arbeite jetzt halbe Tage, von halb<br />

acht bis zwei. Dann kommt der Bus und<br />

holt uns ab. Früher habe ich ganze Tage<br />

gemacht, aber das ist jetzt so lang. Wenn<br />

ich keine Arbeit habe, dann lese ich. Ich<br />

bringe mir Bücher von zu Hause mit.<br />

Wenn ich mit 65 hier aufhöre, weiß ich<br />

gar nicht, was ich machen soll. Von morgens<br />

bis abends zu Hause sitzen ist langweilig<br />

– hier ist mehr Abwechslung.“<br />

Günther Hubenthal (61) arbeitet heute in der<br />

KSW 2, in der Gruppe Verpackung für VW<br />

(Gruppenleitung: Ivo Pavlekovic).<br />

„Fünf Leute von uns sind schon 61 Jahre<br />

alt. Ich werde am 7. 11. schon 62, aber ich<br />

möchte noch hier weiter arbeiten und bei<br />

Ivo bleiben. Ich bin sehr zufrieden hier.<br />

Als ich angefangen habe, hab‘ ich mit<br />

Kalendern zu tun gehabt, das war am<br />

besten. Dann sind wir in die Mündener<br />

Straße 45 gezogen, und als das hier (die<br />

KSW 2) fertig war, sind wir hierher gezogen.<br />

Jetzt bin ich schon sehr lange hier.<br />

Hier gefällt es mir am besten, es gibt nette<br />

Leute. Edda Eberle und Jackie Kutz sind<br />

meine Freundinnen, die kommen aus<br />

Melsungen, wie ich. Mein Vater hat mich<br />

da großgezogen.<br />

Ich mache jetzt öfter VW-Arbeit, ein<br />

bisschen sortieren, ich arbeite fast alles.<br />

Es gibt große Lkw, in denen kommt die<br />

Arbeit.<br />

So, jetzt habe ich alles gesagt.“<br />

aufgezeichnet von Nora Wetzel<br />

8 FACETTEN Kasseler Werkstatt


Der Weg zum<br />

Sozialunternehmen<br />

Gelebte Inklusion – 25 Jahre prägte Peter Liesert die KSW<br />

Als Peter Liesert 1988 die technische<br />

Leitung der Kasseler Werkstatt (KSW)<br />

übernahm, feierte die KSW 25-jähriges<br />

Bestehen und bot 320 Menschen mit Behinderung<br />

einen Arbeitsplatz. Um den<br />

beschäftigten Menschen ein breiteres Arbeitsspektrum<br />

bieten zu können, begann<br />

Liesert Industriestandards in der KSW<br />

einzuführen. Arbeitsplätze wurden nach<br />

ergonomischen Aspekten einheitlich gestaltet<br />

– nach und nach hielt immer mehr<br />

Technologie Einzug in die KSW. Die Arbeit<br />

mit computergesteuerten Fräs- und<br />

Drehmaschinen galt anfangs noch für<br />

undenkbar – der Geist, der meinte, Behinderung<br />

und hochkomplexe Technik<br />

gingen nicht zusammen, schwebte über<br />

vielem. Mit Einführung dieser neuen<br />

Standards gelang es Liesert, aus Industrie,<br />

Handel und Handwerk für die KSW neue<br />

Kunden zu werben beziehungsweise die<br />

Zusammenarbeit mit vorhandenen Kunden<br />

zu intensivieren.<br />

Das alles war nur durch eine vertrauensvolle<br />

und kreative Zusammenarbeit mit<br />

allen Beteiligten möglich. Als „alter Wehlheider<br />

Junge“ liegt das Bestreben Lieserts<br />

seit jeher darin, alte Bekanntschaften zu<br />

pflegen und neue zu knüpfen – „Netz zu<br />

werken“.<br />

Normalität – heute: Inklusion – für alle in<br />

und mit der KSW arbeitenden Menschen<br />

zu schaffen, war immer Antrieb. Nicht<br />

den Fokus darauf legend, was nicht geht,<br />

sondern den Blick auf das, wie es geht,<br />

gerichtet. So entstanden ,nebenbei’ Projekte<br />

wie zum Beispiel der Brüder-Grimm-<br />

Naturerlebnis-Pfad, das fledermausfreundliche<br />

Haus oder der Sinnesgarten.<br />

Die KSW wandelte sich unter Lieserts<br />

Leitung von einer Beschützenden Werkstatt<br />

hin zum Sozialunternehmen – was<br />

seit dem Jahr 2000 durch eine Änderung<br />

des Firmenlogos und des gesamten Auftritts<br />

des Unternehmens in der Öffentlichkeit<br />

voller Selbstbewusstsein nach außen<br />

getragen wird. Selbstbewusstsein – das ist<br />

es, was die KSW in all den Jahren erhalten<br />

hat.<br />

Viele KollegInnen hat Liesert in den<br />

25 Jahren als Mentor begleitet und ihre<br />

berufliche Karriere gefördert – Lieselotte<br />

Schramm und ich sind hierfür Beispiele.<br />

Wir sind bestrebt, die KSW im Sinne Lieserts<br />

weiterzuentwickeln. Wir danken<br />

ihm von Herzen für seine erbrachten<br />

Leistungen, die uns entgegengebrachte<br />

Förderung und das Vertrauen.<br />

Christian Lehnert (Leitung KSW)<br />

Herzlichen Glückwunsch<br />

zum 50. Geburtstag:<br />

Thomas Wagner 29. 1.<br />

Ralf Reuter 23. 4.<br />

zum 60. Geburtstag:<br />

Bernd Jacob 16. 3.<br />

Kasseler Werkstatt FACETTEN 9


Peter Liesert nimmt Abschied<br />

Christian Lehnert und Lieselotte Schramm folgen<br />

Viele sind zu Ehren von Peter Liesert<br />

zu seiner Verabschiedung gekommen:<br />

Vertreter aus der nordhessischen Industrie,<br />

benachbarten und vernetzten sozialen<br />

Einrichtungen, MitarbeiterInnen,<br />

KollegInnen, Betriebsrat, Werkstattrat,<br />

Eltern- und Förderverein,<br />

seine<br />

Familie ...<br />

„Der 1. Februar<br />

1988 war<br />

ein guter Tag<br />

für die Kasseler<br />

Werkstatt“,<br />

so Gerald Reißmann.<br />

Liesert<br />

übernahm an<br />

diesem Tag die<br />

technische Leitung<br />

der KSW<br />

und gab ihr im Laufe von 25 Jahren<br />

eine neue, eine professionelle Richtung.<br />

Es war dafür die richtige Zeit. Der Vorstandsvorsitzende<br />

lobte die konsequente<br />

Zielrichtung, der Liesert all die Jahre<br />

folgte. Die Werkstattkonzeption, der Förderbereich,<br />

die Personal- und Verantwortungsentwicklung,<br />

Bildung, Ergonomie,<br />

Qualitätssicherung, die Gründung<br />

der Pro Dokument gGmbH als Integrationsunternehmens<br />

und vor allem die<br />

grundsätzliche Wertschätzung der Kompetenz<br />

jedes einzelnen Menschen waren<br />

Lieserts Themen.<br />

Dazu passend gab er seinen Nachfolgern<br />

und der gesamten Werkstatt einen<br />

Wunsch mit auf den Weg: „Vielleicht gelingt<br />

es ja einmal, dass wir nur noch Mitarbeiter<br />

oder nur noch Personal haben<br />

und nicht mehr unterscheiden zwischen<br />

Menschen mit<br />

und Menschen<br />

ohne Behinderung.“<br />

Unter der Leitung<br />

von Jolanda<br />

Ckekala-Mnich<br />

und<br />

Sarah Ibl mit<br />

einer Choreografie<br />

und musikalischen<br />

Untermalung<br />

von<br />

Gerald Reißmann<br />

(Klavier) und Sabrina Imeray (Flöte)<br />

nach Grieg’s Morgenstimmung zeigten<br />

die Tanzmäuse der Kasseler Werkstatt<br />

durch Farben, Bewegung und Rollen, wie<br />

sich Peter Liesert und seine Familie auf<br />

noch ganz viele wunderschöne Sonnenaufgänge<br />

freuen können.<br />

Mit einer doppelten Schlüsselübergabe<br />

endete die Feierstunde am 27. März, sowohl<br />

Peter Liesert als auch Gerald Reißmann<br />

wünschten Lieselotte Schramm<br />

und Christian Lehnert als EinrichtungsleiterInnen<br />

viel Erfolg und eine gute Zusammenarbeit.<br />

Der Eltern- und Förderverein lädt ein<br />

Tanz nachmittag<br />

14. September, 14–17 Uhr<br />

KSW 2, Werner-Heisenberg-Str. 18, Kassel<br />

Eintritt frei<br />

10 FACETTEN Kasseler Werkstatt


Trommeln, Tanz, Entspannung<br />

Rhythmus und Bewegung während der Arbeit<br />

Trommeln, Schellenkranz, Xylophon<br />

und Rasseln – das sind<br />

die Instrumente, die jeden Freitag<br />

ab 13.15 Uhr aus der Sporthalle<br />

zu hören sind. Der Kurs „Rhythmus<br />

und Bewegung“ unter Leitung<br />

von Beate Hauptmann<br />

und Tobias Ferber hat acht bis<br />

zehn Teilnehmende. Im Mittelpunkt<br />

stehen rhythmische und<br />

melodische Stehgreifspiele, Experimente<br />

mit Tönen und Klängen,<br />

die Wiedergabe von freien<br />

Rhythmen, einfache Interpretationen<br />

von Liedern sowie Bewegungen<br />

und Entspannungsübungen<br />

zu Musik.<br />

Das Wiederholen sowie klare<br />

Strukturen sind für die unterschiedlichen<br />

Menschen im<br />

rhythmisch-melodischen und<br />

motorischen Bereich wichtig.<br />

Was bringt den Teilnehmern<br />

dieser Kurs außer der Freude<br />

an Musizieren und Bewegung?<br />

Gemeinschafts- und Gruppengefühle<br />

werden gestärkt, es<br />

entsteht Vertrauen zueinander,<br />

man kann Gefühle zeigen und<br />

sich am Ende der Arbeitswoche<br />

entspannen. Und was macht den<br />

TeilnehmerInnen besonders viel<br />

Spaß? Das ist sehr unterschiedlich.<br />

Manchen gefällt es, einen<br />

Rhythmus nachspielen, den ein<br />

anderer Teilnehmer vorgibt, andere<br />

trommeln am liebsten zu<br />

einem Lieblingslied, welches auf<br />

CD mitgebracht wurde.<br />

Beate Hauptmann, Tobias Ferber<br />

Alle Jahre wieder<br />

Seit über 40 Jahren ein Highlight: der Adventsbazar<br />

Es ist drei Minuten vor zwei,<br />

die Tür zur Sporthalle öffnet<br />

sich, die Menschen, die sich davor<br />

schon gestaut haben, stürzen<br />

zum langgestreckten Tresentisch.<br />

Innerhalb weniger<br />

Minuten verschwinden rund die<br />

Hälfte der 100 Adventsgestecke<br />

in Beuteln und Taschen. Zum<br />

39. Mal haben Johanna Köhler,<br />

Werner Loos, Erhard Weinreich<br />

und Helmut Wittig zwei Novemberwochen<br />

Zeit investiert<br />

und die Unikate hergestellt. Der<br />

Überschuss aus dem Verkauf<br />

geht an die Kasseler Werkstatt,<br />

in der der Eltern- und Förderverein<br />

seit über 40 Jahren jeweils<br />

am Freitag vor dem 1. Advent<br />

den bei MitarbeiterInnen, Eltern,<br />

Personal und BesucherInnen beliebten<br />

Bazar organisiert.<br />

Breit ist die Palette an kunsthandwerklichen<br />

Produkten, die<br />

vom hauseigenen Berufsbildungsbereich,<br />

vor allem aber<br />

von externen Initiativen und befreundeten<br />

Werkstätten angeboten<br />

wird. Natürlich gibt es Kaffee<br />

und Kuchen, in der liebevoll<br />

dekorierten Bar in der Aktenvernichtung<br />

auch Punsch und<br />

Glühwein. Auch<br />

wie jedes Jahr:<br />

einen Stand<br />

des Gartenbaus<br />

und einen Flohmarkt<br />

der MitarbeiterInnen.<br />

Eine Märchenerzählerin<br />

tritt<br />

auf, ein Film<br />

über Arbeit und<br />

Bildung in der<br />

Werkstatt wird<br />

gezeigt – und<br />

der Qualitätspreis<br />

Bunte Kuh<br />

wird verliehen, dieses Jahr an<br />

die Beschäftigten des Arbeitsbereichs<br />

3 für die beispielhafte<br />

Teamleistung (MitarbeiterInnen<br />

und Personal), die zur Neugestaltung<br />

der Metallabteilung geführt<br />

hat.<br />

Kirsten Alers<br />

Peter Liesert überreicht den Qualitätspreis Bunte Kuh an (von links)<br />

Thomas Fischer (AB3), Alexander Jaeger (Betriebsrat), Olaf Haarbusch<br />

(Werkstattrat).<br />

Kasseler Werkstatt FACETTEN 11


Fördern, Fordern und alles Bio<br />

25 Jahre Fachbereich Gartenbau<br />

Fachbereich Gartenbau – am 1. Juli<br />

1987 begann der Anbau von Gemüse sowie<br />

Beet- und Balkonpflanzen am Standort<br />

Kaufungen-Papierfabrik auf 9.000 qm<br />

Freiland und 3.000 qm unter Glas. Offiziell<br />

eröffnet wurde der Fachbereich 1988.<br />

Der Gemüseanbau erfolgt heute nach Bioland-Richtlinien.<br />

Da die benachbarte Firma Hackländer<br />

ihren Standort in Kaufungen vergrößern<br />

wollte, erwarben wir auf dem Gelände der<br />

ehemaligen Lehr- und Versuchsanstalt<br />

des Landes Hessen in Kassel Oberzwehren<br />

auf 27.000 qm inklusive 1500 qm Gewächshausfläche<br />

unseren neuen Standort.<br />

Für weitere Anbauflächen und um<br />

wetterunabhängig arbeiten zu können,<br />

wurde 2011 ein Foliengewächshaus von<br />

2.000 qm aufgebaut. In Oberzwehren haben<br />

heute 50 Menschen mit und ohne Behinderung<br />

einen Arbeitsplatz.<br />

Rehabilitationsauftrag<br />

Die berufliche Rehabilitation für Menschen<br />

mit Behinderung ist ein wesentliches<br />

Ziel im Berufsbildungsbereich<br />

(BBB) des Gartenbaus. Der BBB vermittelt<br />

fachspezifische Grundlagen, welche<br />

durch den wöchentlichen Besuch der Berufsschule<br />

ergänzt werden.<br />

In den letzten Jahren konnten mit Hilfe<br />

der Fachkraft für berufliche Integration<br />

mehrere MitarbeiterInnen durch externe<br />

Praktika soweit gefördert werden, dass<br />

sie einen Arbeitsplatz auf dem 1. Arbeitsmarkt,<br />

z. B. in einer Friedhofsgärtnerei<br />

oder einem gemeindlichen Bauhof, erhalten<br />

haben.<br />

Die individuelle Förderung spiegelt<br />

sich in den sich erweiternden Fähigkeiten<br />

der MitarbeiterInnen. So werden in Zukunft<br />

MitarbeiterInnen des Garten- und<br />

Landschaftsbau-Bereichs voraussichtlich<br />

die Pflegearbeiten der Außenflächen der<br />

Werke 1 und 2 in Eigenregie übernehmen.<br />

Derzeit wird auch ein Mitarbeiter<br />

mit Führerschein für Kurier- und Lieferfahrten<br />

vom Personal eingewiesen, sodass<br />

er Fahrten selbständig erledigen kann.<br />

Für die Beschickung des Wochenmarkts<br />

sind MitarbeiterInnen soweit geschult,<br />

dass sie selbstständig früh morgens auf<br />

dem Markt erscheinen und beim Aufund<br />

Abbau sowie beim Verkauf helfen.<br />

Unsere Kunden<br />

Im Bereich Garten- und Landschaftsbau<br />

sind sowohl Privatkundenaufträge<br />

als auch Dauerpflegeaufträge aus dem<br />

Geschäftskundenbereich zu erfüllen. Die<br />

Resonanz ist sehr gut, da die Aufträge<br />

professionell ausgeführt werden. Die Vermarktung<br />

der Biolandprodukte erfolgt<br />

über die Belieferung von Bio-Läden, wobei<br />

zum Teil mit dem Erzeugerhinweis<br />

„Kasseler Werkstatt“ geworben wird.<br />

Ein Teil der Produktion wird direkt vermarktet<br />

(Wochenmarkt, Hofverkauf). Hier<br />

ist für die weitere Entwicklung vor Ort die<br />

Errichtung eines kleinen Hofladens geplant.<br />

Nicht zuletzt werden für MitarbeiterInnen<br />

und Personal bei der jährlich am<br />

12 FACETTEN Kasseler Werkstatt


letzten Samstag im April stattfindenden<br />

Eröffnung des Beet – und Balkonpflanzenverkaufs<br />

die Professionalität und<br />

Wertschätzung ihrer Arbeit unmittelbar<br />

erlebbar durch die von Jahr zu Jahr zahlreicher<br />

werdenden Besucherzahlen.<br />

Heinz-Richard Klose (Bereichsleiter)<br />

Lilo Schramm (Leitung KSW)<br />

Gelebte Inklusion<br />

25 Jahre Eltern- und Förderverein der Kasseler Werkstatt<br />

Am 6. <strong>Mai</strong> 1988 wurde der Eltern- und<br />

Förderverein e. V. (EFV) der Kasseler Werkstatt<br />

(KSW) gegründet. Zuvor gab es seit<br />

1963 lediglich eine Elternvertretung, die<br />

sich für die Belange der Mitarbeiter und<br />

Mitarbeiterinnen in der KSW einsetzte.<br />

Der EFV konnte sich als gemeinnütziger<br />

Verein etablieren, der sich besonders dafür<br />

engagierte, Menschen mit Behinderung<br />

außerhalb des Arbeitslebens Anerkennung<br />

und Zuwendung zukommen zu<br />

lassen. Ziele des neuen Vereins waren, die<br />

Elternvertretung zu erhalten sowie Fördermaßnahmen<br />

für Menschen mit Behinderung<br />

zu entwickeln, um sie in der Gesellschaft<br />

besser zu integrieren.<br />

Fördermaßnahmen sind ohne finanzielle<br />

Unterstützung nur bedingt umsetzbar,<br />

vor allem Siegfried Braun gelang es<br />

durch unermüdlichen Einsatz, neben den<br />

Mitgliedsbeiträgen auch Spenden einzuwerben.<br />

So konnten jedes Jahr große<br />

Veranstaltungen und Tagesfahrten angeboten<br />

werden – seit 1991 kostenlos für<br />

Menschen mit Behinderung. Hier nur<br />

einige Beispiele: Besuche im Safaripark<br />

Stukenbrock und des EXPO-Zoos in Hannover,<br />

Dampferfahrten auf Rhein, Mosel<br />

und ,Fulle’, Fahrten mit dem Museumszug<br />

Hessencourrier, Ausflug zu den Karl<br />

May-Festspielen in Elspe/Sauerland, Tanznachmittage<br />

und Karnevals- sowie verschiedene<br />

Reiterhof-Veranstaltungen, u. a.<br />

der American Day 2000 mit über 1.000<br />

Besuchern. Zu den Großveranstaltungen,<br />

die manchmal mit neun Bussen und mit<br />

bis zu 500 Beteiligten stattfanden, gehört<br />

eine ordentliche Portion Organisation.<br />

Die hat der EFV vorbildlich geschafft.<br />

Alle Unternehmungen dienten nicht<br />

zuletzt dem Ziel, Menschen mit Behinderungen<br />

und deren Angehörigen mehr Akzeptanz<br />

und Kontakte in unserer Gesellschaft<br />

zu verschaffen. Auf der Rheinfahrt z.<br />

B. fand der EFV Unterstützung von Freunden<br />

aus Koblenz; sogar der Bürgermeister<br />

von Koblenz begrüßte alle Teilnehmenden.<br />

Unsere Koblenzer Freunde und Vereinsmitglieder<br />

haben auch zu insgesamt<br />

vier Kanu-Freizeiten mit jeweils 15 Werkstattmitarbeitern<br />

in Koblenz eingeladen.<br />

von links: Hans-Joachim Noll, Ilse Noll, Meta Girod, Siegfried Braun, Thea Haarbusch.<br />

Kasseler Werkstatt FACETTEN 13


Hans-Joachim Noll<br />

mit seiner Tochter<br />

Beate (Sommerfest<br />

2008).<br />

Um ein gutes, erfolgreiches Zusammenspiel<br />

in einem Verein zu ermöglichen,<br />

braucht es viele hilfreiche Hände. Da<br />

muss zunächst ein aktiver Vorstand sein.<br />

Den Posten als Vorsitzender hat Siegfried<br />

Braun bis 2006 sehr erfolgreich ausgefüllt.<br />

Außerdem bedarf es eines einsatzfreudigen<br />

Beirats. Hier muss Thea Haarbusch<br />

genannt werden, die sich seit März<br />

2000 bis heute unermüdlich einsetzt.<br />

Doch kein Verein kann seine Vorsätze<br />

allein umsetzen. Es bedarf guter Verbindungen.<br />

Eine äußerst vertrauensvolle<br />

Zusammenarbeit hat sich im Laufe der<br />

Jahre mit der KSW unter der Leitung von<br />

Peter Liesert und dem Werkstattrat der<br />

KSW ergeben. Die gute Kooperation mit<br />

der Leitung der Sozialgruppe Kassel wurde<br />

besonders vom Geschäftsführer Gerald<br />

Reißmann gefördert.<br />

Als Dank unterstützte der EFV auch<br />

immer wieder großzügig die KSW. Als<br />

Beispiele sind hier zu nennen: der Natur-<br />

Erlebnispark an der KSW 2, der Sinnesgarten<br />

an der KSW I, regelmäßige Zuschüsse<br />

für Freizeiten und Investitionen,<br />

Mitgestaltung von Veranstaltungen.<br />

Seit 2006 liegt die von Beginn an ehrenamtliche<br />

Führung des EFV in den<br />

Händen neuer Vorstände, der aktuelle<br />

wird von Meta Girod geführt, die sich<br />

mit Herz engagiert. Bedauerlicherweise<br />

stagniert die Mitgliederzahl des EFV<br />

bei ca. 120, obwohl mittlerweile fast 600<br />

Menschen mit Behinderung in der KSW<br />

arbeiten. Eine deutliche Steigerung wäre<br />

nötig, um die Ziele des Vereins auch weiterhin<br />

umsetzen zu können. Es ist – so<br />

können wir aus eigener Erfahrung berichten<br />

– bereichernd, zu gestalten und die<br />

damit verbundene Freude bei den Betroffenen<br />

zu erleben. Dem EFV sei eine erfolgreiche<br />

Zukunft gewünscht.<br />

Ilse und Hans-Joachim Noll<br />

(Elternpaar der ersten Stunde des EFV)<br />

Das Recht auf Glück<br />

Lothar Sandfort: Das Recht auf Liebeskummer. Emanzipatorische Sexualberatung für Behinderte (Sachbuch)<br />

ISBN 978-3-940865-08-3, 130 S., 16 Euro, AG SPAK Bücher, Neu-Ulm 2012<br />

Behinderte haben doch keine<br />

Sexualität! Ein immer noch<br />

weit verbreitetes Vorurteil. Dass<br />

dem nicht so ist, und dass Menschen<br />

mit Behinderung nicht<br />

nur ein Recht auf Sexualität<br />

haben, sondern einen guten<br />

Umgang mit dieser lernen und<br />

haben können, das schreibt Lothar<br />

Sandfort in seinem Buch<br />

Das Recht auf Liebeskummer.<br />

Emanzipatorische Sexualberatung<br />

für Behinderte.<br />

Weil eine solche Beratung<br />

nicht nur verbal und theoretisch<br />

sein kann, sondern vor<br />

allem praktisch erfahren werden<br />

muss, damit sie von den<br />

Menschen in ihrem täglichen<br />

Umfeld gelebt werden kann,<br />

bietet das Institut zur Selbst-<br />

Bestimmung Behinderter (ISBB)<br />

einen geschützten Rahmen für<br />

ein ebensolches Erleben an.<br />

Das Buch vermittelt lebendig,<br />

wie ein erotischer Workshop an<br />

einem Wochenende exemplarisch<br />

ablaufen kann. So unterschiedlich,<br />

wie die jeweiligen<br />

Teilnehmer mit ihren unterschiedlichen<br />

Behinderungen<br />

sind, so unterschiedlich gehen<br />

die SexualbetreuerInnen mit<br />

den Teilnehmenden und deren<br />

BezugsbetreuerInnen um.<br />

Es gibt keine feste Regel außer:<br />

Der Mensch mit Behinderung<br />

muss seine Wünsche selbst äußern<br />

und sich attraktiv machen.<br />

Denn nur so wird er als<br />

Partner fürs Leben oder Sex<br />

begehrenswert. Und weil es darin<br />

– wie bei ,ganz normalen’<br />

Menschen auch – die Chance<br />

des Scheiterns gibt, haben die<br />

Menschen mit Behinderung<br />

eben auch ein Recht auf Liebeskummer.<br />

Und auf Glück!<br />

Sylvia Hubele<br />

14 FACETTEN Kasseler Werkstatt


„Ich fordere die Jungs!“<br />

Heiko Fischer – 20 Jahre ehrenamtlicher Fußballtrainer<br />

Trainer Heiko Fischer<br />

Ein schöner Sportplatz – aber leider voller<br />

Disteln und Unkraut: Das fiel Heiko<br />

Fischer gleich auf, als er 1990 in der Kasseler<br />

Werkstatt 1 als Lkw-Fahrer anfing.<br />

„Ich dachte mir: Schade, da könnte man<br />

doch super Fußball spielen“, erzählt der<br />

heutige Gruppenleiter in der Verpackung.<br />

Also nahm er die Sache in die Hand,<br />

sorgte dafür, dass das Unkraut vom Platz<br />

verschwand, stellte ein Team zusammen<br />

und trainiert bis heute die Fußballmannschaft<br />

der Kasseler Werkstatt – ehrenamtlich<br />

in seiner Freizeit.<br />

Dazu gehört mehr als das wöchentliche<br />

Training: Trikots waschen, Turniere ausrichten,<br />

Sponsoren finden und Fahrten zu<br />

Auswärtsspielen organisieren – auch darum<br />

kümmert sich der Trainer. Warum er<br />

das macht? „Keine Ahnung“, sagt er und<br />

grinst.<br />

Und dann fallen ihm doch ein paar<br />

Gründe ein: „Ich spiele einfach selbst<br />

gern Fußball. Und natürlich habe ich<br />

auch Ehrgeiz – ich fahre nicht auf ein<br />

Turnier, um zu verlieren. Die ersten ein,<br />

zwei Jahre haben wir erst mal nur trainiert,<br />

vor allem Taktik: Auf Position bleiben,<br />

abspielen oder darauf achten, wo die<br />

anderen stehen.“ Dann konnte es losgehen<br />

mit Spielen gegen andere Werkstätten,<br />

auch an den Special Olympics nahm<br />

die Mannschaft teil. 35 Spieler hat Fischer<br />

in den 20 Jahren gefordert und gefordert,<br />

zwei sind von Anfang an dabei.<br />

Der Höhepunkt? „Als wir die Hessenmeisterschaften<br />

gewonnen haben. Vorher<br />

waren wir ein paar mal ganz knapp<br />

dran, waren immer Zweiter oder Dritter.<br />

Aber 2005 hat es dann endlich geklappt.“<br />

Solche Erfolge kommen nicht von allein.<br />

„Ich fordere die Jungs, und auf dem<br />

Platz schreie ich manchmal ganz schön<br />

rum – aber nach dem Spiel ist alles wieder<br />

okay.“<br />

Auch die Spieler nehmen das gelassen.<br />

„Nett sein bringt nichts“, sagt Andreas<br />

Januzi. „Heiko ist streng, aber das muss<br />

man sein. Und das Training ist nie langweilig.“<br />

„Die Spieler können ihr Niveau ganz<br />

gut einschätzen“, sagt der Trainer. „Und<br />

gegen eine andere Mannschaft 12:0 zu<br />

gewinnen, finden sie langweilig. Auf Augenhöhe<br />

gegeneinander zu spielen, das<br />

ist doch hundertprozentig.“<br />

Die nächste Herausforderung: Am<br />

29. Juni spielt das Team um den Pokal im<br />

Integrationscup in Eschwege.<br />

Nora Wetzel<br />

Die aktuelle Mannschaft. Obere Reihe (von links): Dimitri Kloster, Kai-Uwe Vogel,<br />

Andreas Januzi, Jens Hucke. Untere Reihe: Ferdi Kartop, Konay Abdelaziz und<br />

Andre Marquardt.<br />

Kasseler Werkstatt FACETTEN 15


Inklusion? Inklusion!<br />

Informationstag für den Werkstattrat<br />

Das Übereinkommen der Vereinten<br />

Nationen über die Rechte von Menschen<br />

mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention)<br />

dient dem Schutz von<br />

Menschenrechten. Die Konvention ist am<br />

26. März 2009 in Deutschland in Kraft<br />

getreten. Das generelle Recht auf Teilhabe<br />

von Menschen mit Behinderung ist das<br />

zentrale Menschenrecht.<br />

Die Konvention folgt außerdem dem<br />

Leitbild der sogenannten Inklusion. Das<br />

bedeutet: Nicht der Mensch mit Behinderung<br />

muss sich anpassen, um ,dabei’ sein<br />

zu können, sondern wir müssen alle gesellschaftlichen<br />

Bereiche seinen Bedürfnissen<br />

entsprechend anpassen und öffnen.<br />

Dem Thema Inklusion widmete sich<br />

auch der vom Sozialen Dienst initiierte<br />

Informationstag für den Werkstattrat am<br />

21. <strong>Mai</strong> 2012 in der Kasseler Werkstatt.<br />

Inklusion – wie geht das? Was bedeutet<br />

das und was heißt das für mich persönlich?<br />

Das waren die zentralen Fragen, denen<br />

die Mitglieder des Werkstattrates und<br />

weitere engagierte und interessierte MitarbeiterInnen<br />

an diesem Tage nachgingen.<br />

Mit Klaus Reichenbach konnte ein<br />

erfahrener Dozent gewonnen werden,<br />

der sich gemeinsam mit den TeilnehmerInnen<br />

mit praktischen Übungen dem<br />

Thema annäherte.<br />

Die Menschenrechte in ,Leichter Sprache’<br />

findet man übrigens im Internet:<br />

www.ich-kenne-meine-rechte.de<br />

Heike Klöckl (Sozialer Dienst)<br />

16 FACETTEN Kasseler Werkstatt


Was ist Inklusion?<br />

Zwei Mitglieder des Werkstattrates definieren<br />

den so sperrigen Begriff<br />

Olaf Haarbusch (44), arbeitet im AB 3 (Metall),<br />

engagiert sich seit acht Jahren im Werkstattrat<br />

und ist derzeit der 1. Vorsitzende.<br />

„Inklusion ist mehr Zusammenhalt.<br />

Alles muss barrierefrei sein. Alle Menschen<br />

sollen gleich behandelt werden.<br />

Inklusion heißt Selbstbestimmungsrecht<br />

für alle und dass vieles vereinfacht wird.<br />

Es ist ein weiter Begriff, manche Politiker<br />

sehen Inklusion anders, sie wollen die<br />

nicht, verschieben die in die Zukunft.<br />

Am Arbeitsplatz heißt Inklusion, dass<br />

alle Mitarbeiter sich gut verstehen, dass<br />

man sich hilft und dass man sich helfen<br />

lässt. Wir machen jetzt ein Projekt mit<br />

Studenten, da übersetzen wir zusammen<br />

Bücher in einfache Sprache, das ist<br />

auch Inklusion. Und manchmal muss<br />

auch jemandem was vorgelesen werden,<br />

nur weil man nicht lesen und schreiben<br />

kann, darf man ja nicht ausgeschlossen<br />

werden.“<br />

Petra Groß (47), arbeitet im AB 2 (Verpackung),<br />

engagiert sich seit vielen Jahren für<br />

das Projekt ,Leichte Sprache’ und seit drei<br />

Jahren als Beisitzerin im Werkstattrat.<br />

„Inklusion auf der Arbeit ist, dass jeder<br />

weiß, was gemeint ist, egal aus welchem<br />

Land er kommt. Die gute Zusammenarbeit<br />

zwischen Werkstattrat, Betriebsrat<br />

und Sozialem Dienst, dass alles gut läuft,<br />

das ist auch schon Inklusion. Und es ist<br />

gemeint, dass man die Türen öffnet, damit<br />

zum Beispiel Politiker Kontakt mit<br />

den Menschen hier in der Werkstatt haben.<br />

Durch das Projekt ,Leichte Sprache’<br />

habe ich ja viel mit Politikern zu tun.<br />

Dass wir jetzt zu dritt vom Werkstattrat<br />

mit den Grünen auf Bildungsfahrt in<br />

Berlin waren, das ist Inklusion. Und bei<br />

der Initiative ,Mensch zuerst’ gibt es ein<br />

neues Projekt: ,Mut zur Inklusion machen’,<br />

da werden Menschen mit Lernschwierigkeiten<br />

stark gemacht.“<br />

Kasseler Werkstatt FACETTEN 17


Sicher zur Arbeit und<br />

wieder nach Hause<br />

Der Fahrdienst der Kasseler Werkstatt<br />

Die Kasseler Werkstatt (KSW) beschäftigt<br />

derzeit ca. 530 Menschen mit Behinderung<br />

– das Spektrum der Beeinträchtigungen<br />

dieser MitarbeiterInnen ist groß. Für die einen<br />

ist es kein Problem, den täglichen Weg<br />

zur Arbeit selbstständig zu bewältigen; für<br />

andere wiederum wäre es eine unüberwindliche<br />

Hürde, ohne fremde Hilfe die<br />

Werkstatt zu erreichen. Deshalb gibt es einen<br />

Fahrdienst, organisiert durch die KSW.<br />

Momentan werden 220 Beschäftigte<br />

mit unterschiedlichen Fahrdienst-Unternehmen<br />

zu ihrem Arbeitsplatz befördert.<br />

Dazu gehören ASB, Köhler Transfer, Mini-<br />

Car, TaxiTeam und Taxi Stemmer. Die interne<br />

Organisation und die Koordination<br />

mit den Unternehmen wird von mir, Uta<br />

Glappa, aus dem Geschäftszimmer der<br />

KSW 2 geleitet.<br />

Wer in den Fahrdienst aufgenommen<br />

wird, entscheidet der Soziale Dienst nach<br />

ausführlichem Gespräch mit MitarbeiterIn<br />

und BetreuerIn bzw. Angehörigen.<br />

Bei der Tourenauswahl sind unterschiedliche<br />

Punkte zu berücksichtigen: Handelt<br />

es sich um einen Rollstuhlfahrer? Gibt es<br />

Einschränkungen bei den Abholzeiten?<br />

Sind besondere Beeinträchtigungen zu beachten?<br />

Auch wirtschaftliche (Fahrtroute)<br />

und zeitliche (Dauer der Fahrt) Überlegungen<br />

spielen eine Rolle – alles in allem<br />

ist das Eingliedern einer Neuaufnahme<br />

in die bestehenden Touren oftmals eine<br />

knifflige Angelegenheit. Im Laufe der Zeit<br />

kommen auch spezielle Wünsche oder<br />

Probleme der Fahrgäste hinzu, die wir berücksichtigen,<br />

wenn es möglich ist.<br />

Doch damit erschöpft sich die Fahrdienstkoordination<br />

keineswegs. Es gibt<br />

Ab- und Ummeldungen z. B. wegen Umzug,<br />

Gruppenwechsel, Krankheit oder<br />

Praktikum; die Touren für Sommerfest,<br />

Discobesuch, Freizeitfahrten und Adventsbasar<br />

müssen organisiert werden;<br />

es gilt, Lösungen zu finden bei hin und<br />

wieder auftretenden Problemen zwischen<br />

MitarbeiterInnen untereinander oder MitarbeiterIn<br />

und Fahrdienst, auch hier ist<br />

die Fahrdienstorganisatorin gefragt. Gelegentlich<br />

muss sogar der komplette Austausch<br />

eines Fahrdienstunternehmens bewältigt<br />

werden.<br />

Im Laufe der Jahre ist eine Struktur gewachsen<br />

ist, die gut und zur Zufriedenheit<br />

aller Beteiligten funktioniert.<br />

Uta Glappa (Fahrdienstkoordinatorin)<br />

18 FACETTEN Kasseler Werkstatt


Hightech – gewollte<br />

Herausforderung<br />

Fünf Jahre Erweiterungsbau KSW 2<br />

Stillstand ist Rückschritt – eins der Mottos,<br />

mit denen sich die Kasseler Werkstatt<br />

(KSW) in den 50 Jahren ihrer Existenz<br />

immer weiterentwickelt hat. Die letzte<br />

große Erweiterung kann dieses Jahr auch<br />

schon ihren 5. Geburtstag feiern:<br />

Im August 2008 wurde der Erweiterungsbau<br />

der KSW 2 bezugsfertig. Die<br />

Halle in der Werner-Heisenberg-Straße<br />

beheimatet seitdem den Arbeitsbereich 3<br />

Metallbearbeitung und Industriemontage<br />

der KSW. Auf ca. 1.800 qm Fläche befinden<br />

sich Produktionsmöglichkeiten, die so<br />

manchen Besucher ins Staunen versetzen.<br />

Schon oft hörten wir den Satz: „Mit so einer<br />

Hightech-Fertigung hätte ich nie gerechnet!“<br />

Rund 20 Kunden schenken dem<br />

Arbeitsbereich 3 das Vertrauen. Unser<br />

Teilestamm ist mittlerweile auf über 2.000<br />

Teile für unterschiedlichste Anwendungen<br />

angewachsen, unsere Teile befinden sich<br />

in Pkw, Lkw, Bussen, Bahnen und sogar<br />

im ICE, auch auf so manchem Hausdach<br />

(Solartechnik) sind unsere Teile verbaut.<br />

Die wohl größte Investition in Maschinentechnik<br />

wurde im Dezember 2012 in<br />

Betrieb genommen: ein Fünf-Achsen-Bearbeitungszentrum<br />

mit angegliedertem Paletten-Speicher<br />

und Werkzeughintergrundmagazin.<br />

In dieser Ausbaustufe existieren<br />

zurzeit nur drei Maschinen weltweit, in der<br />

Schweiz, den Niederlanden – und eben in<br />

der KSW. Diese neue Dimension der Fertigungstechnik<br />

schafft neue Arbeitsfelder<br />

für Menschen mit Behinderung.<br />

So mancher wird sich die Frage stellen:<br />

Hightech und Menschen mit geistiger Behinderung,<br />

wie geht das zusammen? Die<br />

Antwort ist einfach: Natürlich geht das<br />

zusammen, mit Zutrauen, Bildung und<br />

Unterstützung. Seit Dezember ist unsere<br />

Maschine voll ausgelastet und ununterbrochen<br />

in Betrieb.<br />

Neue komplizierte Fertigungsteile schaffen<br />

immer neue Herausforderungen für<br />

Personal und MitarbeiterInnen. Teile, die<br />

wir in der Vergangenheit in drei bis fünf<br />

Arbeitsschritten gefertigt haben, werden<br />

nun komplett in einem Arbeitsschritt fertig<br />

gestellt, dies spart Zeit und reduziert<br />

die Fehlermöglichkeiten. Viele neue Aufgaben<br />

sind durch die neue Maschine entstanden<br />

besonders in den Bereichen der<br />

Werkzeugspanntechnik, Vorrichtungstechnik<br />

und Qualitätssicherung.<br />

Frank Heinemann (Bereichsleiter AB3)<br />

Kasseler Werkstatt FACETTEN 19


documenta-Halle, Kassel<br />

Die Sozialgruppe Kassel e.V.<br />

80 Jahre Sozialgruppe Kassel e.V.<br />

50 Jahre Kasseler Werkstatt<br />

25 Jahre Fachbereich Gartenbau<br />

25 Jahre Eltern- und Förderverein der KSW<br />

10 Jahre Pro Dokument gGmbH<br />

feiert ihre Jubiläen<br />

10.–12. 10. <strong>2013</strong> Jeder ist herzlich willkommen!<br />

12. 10. <strong>2013</strong>, 14.00–17.00 Uhr Großer Aktionstag, Jubiläumsfeier<br />

10.00–16.00 Uhr an allen Tagen Ausstellung Soziale Verantwortung<br />

Ausstellung und Solidarität<br />

Alleine wäre es nicht gegangen<br />

Mit Angehörigen gemeinsame Ziele verfolgen<br />

Der nun folgende Ausschnitt aus einem<br />

Gespräch am 6. März <strong>2013</strong> zwischen Gunda<br />

Hoßbach und Kurt von der Emde, der<br />

sich seit zehn Jahren der Pflege seiner dementen<br />

Schwester widmet, macht deutlich,<br />

wie hilfreich ein gutes Miteinander von<br />

pflegenden Angehörigen und Tagespflege<br />

ist, um die Pflege und Betreuung bestmöglichst<br />

zu gestalten.<br />

Hoßbach: Wie lässt sich Ihre derzeitige Lebenssituation<br />

beschreiben?<br />

Von der Emde: Durch den erst kurze Zeit<br />

zurückliegenden Tod meines Bruders<br />

liegen neben der Pflege meiner Schwester<br />

nun auch Aufgaben eines Hausverwalters,<br />

die früher von meinem Bruder<br />

übernommen wurden, bei mir. Dadurch,<br />

dass kein anderer Verwandter gesundheitlich<br />

in der Lage ist, sich mit um die<br />

Pflege meiner Schwester zu kümmern,<br />

liegen alle anfallenden Aufgaben einzig<br />

und allein bei mir. Die Möglichkeit, meine<br />

Schwester in eine vollstationäre Pflege<br />

abzugeben, steht für mich nicht zur Debatte,<br />

da ich ihr jetzt in ihrer Lebenssituation<br />

etwas von dem zurückgeben kann,<br />

was sie mir im Laufe des Lebens als große<br />

Schwester gegeben hat. In den Zeiten,<br />

als ich noch ein eigenes kleines Geschäft<br />

hatte, hat sie mich immer tatkräftig unterstützt.<br />

Mit anzusehen, wie sich ihr Zustand<br />

über die inzwischen zehn Jahre der<br />

Pflege stetig verschlechterte, macht mich<br />

traurig. Ich mache mir auch Sorgen über<br />

mein eigenes Altern.<br />

H: Wie entstand bei Ihnen der Gedanke Ihre<br />

Schwester zu uns in die Tagespflege zu geben?<br />

E: Nachdem ich mich einige Jahre um die<br />

Pflege meiner Schwester gekümmert hatte,<br />

20 FACETTEN Tagespflege


standen immer wieder regelmäßige Arztbesuche<br />

an. Als der behandelnde Neurologe<br />

Demenz feststellte und mit erklärte,<br />

dass dies ein fortschreitender Prozess sei<br />

und auch Medikamente nicht mehr helfen<br />

könnten, wurde mir bewusst, dass ich<br />

ab jetzt nur noch für meine Schwester da<br />

sein muss. Dadurch, dass ich seit Langem<br />

nicht nur meinen eigenen Haushalt, sondern<br />

auch den meiner Schwester mit den<br />

Einkäufen und Erledigungen geführt hatte,<br />

stieß ich deutlich an meine Grenzen,<br />

und mir wurde bewusst, dass ich das alles<br />

alleine nicht mehr schaffen kann. Letztlich<br />

ist es mir nur durch die Hilfe von Pflegedienst<br />

und Tagespflege möglich, von<br />

einem stationären Aufenthalt für meine<br />

Schwester abzusehen.<br />

H: Wie nutzen Sie die gewonnene Zeit, in der<br />

Sie auf Pflegedienst und Tagespflege zurückgreifen?<br />

E: Die freie Zeit nutze ich zumeist, um<br />

Wege zu erledigen, wie beispielsweise eigene<br />

Arztbesuche wahrzunehmen, den<br />

Haushalt zu machen oder um Papierkram<br />

für meine Schwester abzuarbeiten.<br />

Zeit zum Füßehochlegen habe ich somit<br />

leider lediglich abends, wobei ich zu dieser<br />

Zeit sogar zu müde zum Fernsehen<br />

bin und meistens noch vor dem Abendprogramm<br />

einschlafe.<br />

H: Was treibt Sie zu all dem an?<br />

E: Wie ich schon sagte, bin ich meiner<br />

Schwester für vieles, was sie für mich getan<br />

hat, dankbar. Und besonders sind<br />

es die Momente, in denen mich meine<br />

Schwester spüren lässt, dass sie für all meinen<br />

Einsatz dankbar ist. So zum Beispiel,<br />

wenn ich sie zu Bett bringe und sie zudecke.<br />

Dann nimmt sie meine Hand, schaut<br />

mich an und bedankt sich bei mir. Dies ist<br />

dann ein seltener Augenblick seit ihrer Erkrankung,<br />

in dem wir uns nah sind.<br />

H: Hat Ihnen der Kontakt zu Pflegedienst und<br />

Tagespflege geholfen, das Krankheitsbild der<br />

Demenz in seinen einzelnen <strong>Facetten</strong> besser<br />

zu verstehen?<br />

E: Ja, insbesondere die Ernährungstipps<br />

für eine noch bessere Versorgung meiner<br />

Schwester haben mir geholfen. So konnte<br />

ich auch besser verstehen, dass sie nicht<br />

aus Trotz oder Widerwillen oft nicht isst,<br />

sondern weil sie mit der Handhabung<br />

von Gabel und Messer überfordert ist. Des<br />

Weiteren erklärte man mir, dass Diskussionen<br />

mit Demenzkranken in keiner Weise<br />

hilfreich sind, weil die demente Person<br />

das Anliegen und die Perspektive des Anderen<br />

nicht verstehen kann.<br />

H: Die Zusammenarbeit mit den Angehörigen<br />

unserer Besucher ist für uns von großer<br />

Bedeutung. So auch bei Ihnen, Herr von der<br />

Emde. Nur durch den guten Austausch mit<br />

Ihnen ist es uns möglich, Ihre Schwester auf<br />

individuelle Art und Weise zu betreuen und<br />

zu pflegen. Durch die Informationen über die<br />

Biografie Ihrer Schwester, z. B. Ihre Leidenschaft<br />

fürs Tanzen, bieten wir gezielte musikalische<br />

Aktivitäten wie Singen, Sitztanz und<br />

Gesellschaftstanz für sie an.<br />

Auch verbessert sich durch unsere Zusammenarbeit<br />

die pflegerische Versorgung, da<br />

wir gemeinsame Pflegeziele verfolgen. Es<br />

ist wichtig, dass wir uns zum Befinden Ihrer<br />

Schwester austauschen, damit wir die richtige<br />

Unterstützung geben können. Eine gute<br />

Beobachtung der Befindlichkeit gehört da<br />

auf beiden Seiten dazu, gerade weil sich Ihre<br />

Schwester aufgrund der Demenz nicht mehr<br />

selbst mitteilen kann.<br />

Herr von der Emde, ich möchte mich an dieser<br />

Stelle für das Gespräch bedanken und Ihnen<br />

meinen größten Respekt ausdrücken und<br />

Sie darum bitten, dass unsere Zusammenarbeit<br />

auch in Zukunft so gut bleibt.<br />

E: Gerne, vielen Dank!<br />

Aufzeichnung: Pierre Daniel Schumann<br />

(Praktikant/Student, FB Sozialwesens,<br />

Universität Kassel)<br />

Tagespflege FACETTEN 21


Karla, Bobbi und Sissi<br />

Die Tiere vom Hollerhof zu Besuch in der Tagespflege<br />

Für Außenstehende mag der alle sechs<br />

Wochen wiederkehrende tierische Besuch<br />

in der Tagespflege am Holzmarkt<br />

befremdlich wirken. Schon im Eingangsbereich<br />

hört man Hahn Walter lauthals<br />

den Beginn eines neuen Tages verkünden<br />

sowie das amüsierte Lachen der Besucher<br />

über die Vielzahl der Tiere, die auch diesen<br />

Freitag wieder unter Begleitung von<br />

Kristina Heilmann Einzug in die Tagespflege<br />

halten. Neben Hahn Walter gehören<br />

zwei Seidenhuhnhennen und drei<br />

Meerschweinchen zu ihrem Gefolge. Besondere<br />

Aufmerksamkeit erhaschen bei<br />

jedem Besuch der Tiere vom Hollerhof jedoch<br />

Karla und Bobbi.<br />

Die beiden Therapie-Hunde genießen<br />

schon seit Jahren eine besondere pädagogische<br />

Ausbildung von Kristina Heilmann,<br />

durch die sie in ihrem Wesen<br />

und ihrem Verhalten einen einzigartigen<br />

Zugang zu Menschen mit Demenz finden<br />

können. Wie auch die anderen Tiere<br />

zeichnen sich die Hunde durch ihre friedvolle<br />

Art sowie einen offenen Umgang<br />

mit Menschen ungeachtet ihres geistigen<br />

Zustandes oder Aussehens aus. Die pädagogische<br />

Ausbildung aber trainierte und<br />

sensibilisierte besonders die Hunde.<br />

Für einen Teil der BesucherInnen ist<br />

schon die bloße Anwesenheit der possierlichen<br />

Tiere, die – bis auf die Hunde – ihr<br />

vorläufiges Domizil auf den zusammengeschobenen<br />

Tischen im Hauptraum der<br />

Tagespflege finden, ein Anlass, über das<br />

ganze Gesicht zu strahlen.<br />

Die BesucherInnen können bei jedem<br />

Besuch der Tiere vom Hollerhof ihren tierischen<br />

Freunden durch das Füttern von<br />

Salat und Körnern näher kommen und<br />

sie sogar streicheln. So sorgen viele auf<br />

eine besonders fürsorgliche Weise für ihre<br />

tierischen Freunde. Dies liegt nicht zuletzt<br />

daran, dass die Tiere spezielle Impulse<br />

aussenden, die ähnlich wie kleine Kinder<br />

Beschützerinstinkte und eine besondere<br />

Art der Aufmerksamkeit wecken.<br />

Nachdem die Tiere einige Zeit umhegt<br />

worden sind, kehrt üblicherweise eine<br />

wohlige Ruhe bei den Tieren ein, die sich<br />

nach einem Verdauungsschlaf sehnen.<br />

Nicht so bei Henne Sissi. Sie kreuzt sehr<br />

zur Verwunderung aller hektisch von einer<br />

Ecke des Tisches zur anderen. Plötzlich<br />

hält sie jedoch vor Frau D., Herrn H.<br />

und Frau E. inne. Die Zeit scheint für den<br />

Moment still zu stehen, in dem alle Besucher<br />

gebannt auf die still verharrende<br />

Henne schauen. Und dann – von großem<br />

Jubel begleitet – liegt des Rätsels Lösung<br />

hinter der Henne und damit mitten auf<br />

dem Tisch. Henne Sissi hat ein Ei gelegt.<br />

Selbst die lebenserfahrenen BesucherInnen<br />

der Tagespflege hatten wohl bis<br />

dahin noch nie gesehen, wie ein Ei live<br />

vor ihren Augen den Körper einer Henne<br />

verlässt.<br />

Vor dem Mittagessen verlässt Kristina<br />

Heilmann unter Begleitung ihrer<br />

Tiere vom Hollerhof die Tagespflege und<br />

lässt wie alle sechs Wochen glückliche<br />

und sehr amüsierte Menschen zurück,<br />

die nach diesem Besuch sogar ein wohlschmeckendes<br />

Bio-Ei als Andenken behalten<br />

dürfen.<br />

Pierre Daniel Schumann (Praktikant/Student,<br />

FB Sozialwesens, Universität Kassel)<br />

22 FACETTEN Tagespflege


Alleine wäre es nicht gegangen<br />

Kinder sind Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft<br />

Die Betreuung, Förderung und Erziehung<br />

von Kindern mit und ohne Behinderung,<br />

sind fester Bestandteil der Sozialgruppe<br />

Kassel e. V. Seit 1991 besteht das<br />

Angebot der Betreuung von Kindern mit<br />

und ohne Behinderung in der integrativen<br />

Kindertagesstätte Georg-Wündisch-<br />

Haus in Kassel-Wolfsanger.<br />

Frei, offen, hilfsbereit, ideenreich und<br />

an der Welt um sie herum positiv interessiert,<br />

so sind Kinder. Sie brauchen besondere<br />

Aufmerksamkeit und bewussten Umgang,<br />

um diese Fähigkeiten zu schätzen,<br />

zu schützen und zu unterstützen. Und<br />

diese Fähigkeiten lassen Kinder und Kindheit<br />

zu etwas sehr Besonderem werden.<br />

Im Georg-Wündisch-Haus ist es dem<br />

Team eine Herzensangelegenheit und besonderes<br />

Anliegen, Kindern Raum und<br />

Zeit für Entfaltung, Entwicklung und<br />

Freude zu schaffen.<br />

Im Austausch mit KollegInnen, Eltern<br />

und Fachstellen setzen wir Ziele, erreichen<br />

Ergebnisse und sammeln Erfahrungen. Es<br />

ist gut zu wissen, dass viele Menschen aktiv<br />

am Lebensraum der Kinder in der Kindertagesstätte<br />

mitgestalten. So war es in<br />

der Vergangenheit, so ist es in der Gegenwart<br />

und so planen wir für die Zukunft.<br />

Unser Dank gilt, neben dem Träger, allen,<br />

die uns in der Vergangenheit, Gegenwart<br />

und Zukunft konstruktiv und kritisch<br />

begleitet haben.<br />

Wenn der Verein im Oktober in der<br />

documenta-Halle 80. Geburtstag feiert,<br />

werden viele Hände gebraucht, um gemeinsam<br />

diese Tage zu etwas Besonderem<br />

werden zu lassen. Wir freuen uns auf<br />

dieses Fest mit Kindern, Eltern und Gästen!<br />

Die MitarbeiterInnen<br />

des Georg-Wündisch-Hauses<br />

Georg-Wündisch-Haus FACETTEN 23


Wir werden<br />

immer größer<br />

Spielerische Vorbereitung auf den Schulbeginn<br />

Für die Erzieherinnen wiederholt es<br />

sich jedes Jahr und ist immer eine schöne<br />

Herausforderung, aber für die jeweiligen<br />

Kinder ist es so neu wie aufregend:<br />

Unsere ,kleinen Großen’ sind voller Vorfreude<br />

und Spannung und warten auf die<br />

bevorstehende Einschulung. Um die zukünftigen<br />

Schulkinder auf ihrem Weg zu<br />

begleiten und zu unterstützen, versuchen<br />

wir mögliche Unsicherheiten und Ängste<br />

vor dem Unbekannten mit den Kindern<br />

zu besprechen und ihnen Sicherheit zu<br />

vermitteln. Um positive Erwartungen zu<br />

wecken und um Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein<br />

und Selbstständigkeit zu stärken,<br />

achten die Erzieherinnen in dieser<br />

letzten Zeit vor der Einschulung vermehrt<br />

auf die individuelle Entwicklung der einzelnen<br />

Kinder und gehen gezielt darauf<br />

ein. Wie jedes Jahr begann auch in diesem<br />

Februar wieder die Arbeit mit der<br />

Schulkindgruppe in der Kindertagesstätte<br />

Georg-Wündisch-Haus.<br />

Die Förderung findet selbstverständlich<br />

nicht nur im letzten Kindergartenjahr<br />

und in der Schulkindgruppe statt, sondern<br />

ist von Anfang an in den ganzheitlichen<br />

KiTa-Alltag integriert. Allerdings<br />

dient die Schulkindgruppe nicht dazu,<br />

den Kindern Lesen, Schreiben und Rechnen<br />

beizubringen, sondern jedes Kind<br />

individuell zu betrachten und seine Entwicklung<br />

nach eigenem Tempo zu ermöglichen<br />

und somit gute Bedingungen für<br />

den Schuleintritt zu schaffen.<br />

Unsere Ziele<br />

Um die Schulreife der Kinder zu unterstützen,<br />

ist es wichtig, die Kinder körperlich,<br />

emotional, sozial und kognitiv zu fördern.<br />

Kompetenzen auf allen vier Ebenen<br />

benötigen die Kinder, um den Schulalltag<br />

zu bewältigen. Mit der emotional-sozialen,<br />

dem Alter entsprechenden Entwicklung<br />

gelingt es dem Kind immer mehr,<br />

sich auch in einer Gruppe mit Freude zu<br />

artikulieren, sich und andere Kinder zu<br />

respektieren sowie Frustrationstoleranz zu<br />

entwickeln. Ein weiterer wichtiger Aspekt<br />

ist die kognitive Leistungsfähigkeit: Konzentration,<br />

Merkfähigkeit, Fantasie und<br />

Neugier werden von Lehrern und Eltern<br />

erwartet. Auch die Sprachfähigkeit ist ein<br />

Teil des kognitiven Bereiches. Hier sollten<br />

die Kinder die Fähigkeit mitbringen, in<br />

vollständigen Sätzen zu sprechen und so<br />

z. B. von ihren Erlebnissen zu berichten.<br />

Für die Erzieherinnen ist dies ein durchdachtes<br />

Konzept mit intensiver Vorbereitung,<br />

für die Kinder ist es Spiel und<br />

Spaß. Die ,kleinen Großen’ empfinden<br />

das letzte Kindergartenjahr als ein besonderes,<br />

denn sie genießen andere Aufmerksamkeit,<br />

fühlen sich als die Großen<br />

24 FACETTEN Georg-Wündisch-Haus


und wollen Verantwortung übernehmen.<br />

Sie entwickeln Interesse an Buchstaben<br />

und Zahlen. Sie wollen gezielt lernen, wie<br />

man den eigenen Namen schreibt oder<br />

was 2+2 ergibt.<br />

Schwerpunkte<br />

der Schulkindgruppe<br />

In der ersten Stunde stehen das gegenseitige<br />

Kennenlernen und das soziale<br />

Miteinander der Schulkinder im Vordergrund.<br />

In darauffolgenden Stunden<br />

werden den Kindern spielerisch das ABC<br />

und Zahlen im Raum von 1 bis 10 näher<br />

gebracht, unter Einsatz verschiedener<br />

Materialien und Medien, wie etwa Bücher,<br />

Arbeitsblätter, Knete, Würfel, Lieder<br />

usw.; hier ist vor allem der kognitive Leistungsbereich<br />

angesprochen. Während<br />

ihres letzten halben Jahres im Georg-<br />

Wündisch-Haus erstellen die Kinder eine<br />

eigene Schulkind-Mappe, die sie am Ende<br />

ihrer Kindergartenzeit mit nach Hause<br />

nehmen können, um sich so auch später<br />

einmal an die schöne Zeit in der Schulkindgruppe<br />

zu erinnern.<br />

Einige feste spannende<br />

Bestandteile<br />

Neben der begleitenden Sprachförderung<br />

mit dem Würzburger Programm<br />

sorgen besondere Aktionen bei der Kinder<br />

für positive Aufregung. Der Besuch<br />

der Polizei in der Kindertagesstätte ist ein<br />

solches Ereignis. Die Kinder erfahren in<br />

dieser Stunde von einem geschulten Beamten<br />

Regeln für sicheres und richtiges<br />

Verhalten im Straßenverkehr, dazu gehört<br />

u. a. der richtige Umgang mit Zebrastreifen<br />

und Ampelanlagen.<br />

Wenn unsere Paten-Zahnärztin in die<br />

Einrichtung kommt, unterstützt sie die<br />

Arbeit der Erzieherinnen in Sachen Zähneputzen<br />

und Ernährung.<br />

In Kooperation mit der Grundschule<br />

Wolfsanger-Hasenhecke gestalten wir<br />

eine Schulrallye und eine Lesestunde. Die<br />

Schulrallye ist eine Aktion für die angehenden<br />

Schulkinder, die mit einem Patenkind<br />

das Schulgebäude erkunden.<br />

Am Vorlesetag ist die Schulkindgruppe<br />

zu Besuch in die Grundschule und bekommt<br />

von einem Kind der 3. Klasse eine<br />

Geschichte vorgelesen.<br />

Wir freuen uns<br />

Die angehenden Schulkinder haben<br />

uns erzählt, worauf sie sich am meisten<br />

in der Schule freuen:<br />

– Julia freut sich auf das Lernen und Lesen.<br />

– Tuana freut sich auf das Lernen und<br />

Schreiben.<br />

– Ronja freut sich auf Lernen, Schreiben<br />

und auf die schöne Zuckertüte.<br />

– Paul freut sich auf Schwimmen und<br />

Malen.<br />

– Maximilian freut sich darauf, mit seinem<br />

Bruder in der Pause Fußball spielen<br />

zu können.<br />

– Husejn freut sich auf Hausaufgaben<br />

und Fußballspielen.<br />

– Sinan freut sich auf das Lernen und<br />

Spielen.<br />

– Tyler freut sich auf die Hausaufgaben<br />

und Schulpausen.<br />

– Tobias freut sich auf Malen, Hausaufgaben<br />

und Lesen.<br />

Margarita Schlegel (Erzieherin,<br />

in Zusammenarbeit mit dem Team)<br />

Georg-Wündisch-Haus FACETTEN 25


„Allein hätten wir es nicht geschafft“<br />

Externe UnterstützerInnen des Seniorenzentrums Renthof<br />

In Jeder Einrichtung gibt es Personen<br />

und Institutionen, deren Hilfe unerlässlich<br />

zur Durchführung einer notwendigen<br />

oder erwünschten Aktion war.<br />

Uns, die wir im Seniorenzentrum Renthof<br />

arbeiten, kommen dabei spontan<br />

zwei Personengruppen in den Sinn: der<br />

Seniorenbeirat der Stadt Kassel und die<br />

externen Mitglieder unseres Heimbeirates.<br />

Seniorenbeirat der Stadt Kassel<br />

Seit Jahrzehnten ist es dem Seniorenzentrum<br />

Renthof ein Anliegen, den BewohnerInnen,<br />

die geistig und körperlich<br />

dazu noch in der Lage sind, regelmäßig<br />

eine kleine Reise zu ermöglichen. Einmal<br />

im Jahr sollen einige der BewohnerInnen<br />

wie gewohnt verreisen, in einer schönen<br />

Umgebung und in angenehmer Atmosphäre<br />

Neues und Interessantes erleben.<br />

Natürlich bedeutet dies nicht nur einen<br />

erheblichen organisatorischen und personellen<br />

Aufwand – auch das Finanzielle<br />

spielt eine Rolle. Ohne die jährlichen Zuwendungen<br />

des Seniorenbeirates würden<br />

wir es nicht schaffen, unser Anliegen so<br />

umzusetzen, wie es uns in den letzten<br />

Jahren möglich war. Dafür möchten wir<br />

uns herzlich bedanken.<br />

Externe Heimbeiratsmitglieder<br />

Unser Dank unter dem Motto „Allein<br />

hätten wir es nicht geschafft“ gilt auch<br />

den Menschen, die es ermöglichen, dass<br />

der Heimbeirat wichtige Anregungen zur<br />

Verbesserung der Qualität und Kundenzufriedenheit<br />

liefern kann. Ziel des vom<br />

Heimgesetz zwingend vorgeschriebenen<br />

Heimbeirates ist es, Anregungen zu geben,<br />

Verbesserungsvorschläge zu machen,<br />

auf Mängel oder Verfehlungen hinzuweisen<br />

und deren Beseitigung zu kontrollieren.<br />

Der überwiegende Teil unserer BewohnerInnen<br />

ist demenziell erkrankt und<br />

verfügt nicht mehr über die notwendigen<br />

Fähigkeiten, um die Aufgaben des Heimbeirates<br />

zu erfüllen. Das Gesetz erlaubt in<br />

den Fällen, in denen der Heimbeirat nicht<br />

ausschließlich mit BewohnerInnen besetzt<br />

werden kann, externe Mitglieder. Patricia<br />

Fiand, die Tochter einer ehemaligen Bewohnerin,<br />

die bereits seit fast zehn Jahren<br />

dem Heimbeirat angehört, und Renate Finis,<br />

eine ehemalige Mitarbeiterin, die sich<br />

auch im Ruhestand dem Seniorenzentrum<br />

weiterhin verbunden fühlt und seit einem<br />

Jahr ebenfalls externes Mitglied ist, stellen<br />

ihre Zeit und ihr Engagement dankenswerterweise<br />

zur Verfügung.<br />

Birgit Pöppler (Altenpflegerin)<br />

26 FACETTEN Renthof


Stolz und Freude<br />

Isis und ihr ,Job’ im Renthof<br />

„Wir haben es ja immer gewusst!“ „War<br />

doch klar, dass sie das schafft, so gut, wie<br />

sie sich entwickelt hat!“ – Das hört man in<br />

diesen Tagen immer wieder im Seniorenzentrum<br />

Renthof.<br />

Die, von der hier die Rede ist, schlendert<br />

indessen ruhig und gelassen von Einem<br />

zum Anderen, holt sich wie gewohnt<br />

Streicheleinheiten und Leckerlis ab, lässt<br />

sich für ihre Schönheit loben und erledigt<br />

dabei ganz souverän ihren ,Job’ als Besuchshund.<br />

Sie – Isis vom Holtkämper Tor, liebevoll<br />

von allen Hilde genannt – ist eine zweijährige<br />

Schäferhündin und hat soeben<br />

ihre erste ernsthafte Prüfung richtig gut<br />

bestanden. Sie hat damit nicht nur ihre<br />

Besitzerin – Jennifer Debus, Altenpflegerin<br />

im Renthof –, sondern auch die BewohnerInnen,<br />

die sich über Hildes regelmäßige<br />

Zuwendung freuen dürfen, und weitere<br />

Fans wirklich stolz gemacht.<br />

Jetzt drücken alle die Daumen für die<br />

im September im Auestadion stattfindende<br />

Bundessiegerzuchtschau. Bis dahin<br />

wird sich Isis gewohnt pflichtbewusst<br />

nicht nur ihrem Trainingsprogramm,<br />

sondern auch ,ihren’ BewohnerInnen<br />

widmen und mit ihrer weiteren Entwicklung<br />

Freude und Stolz hervorrufen.<br />

Birgit Pöppler (Altenpflegerin)<br />

Renthof FACETTEN 27


Ein anderes Leben<br />

Margit Peter zu ihren ersten Wochen im Renthof<br />

Geht es Ihnen auch so, dass Sie sich<br />

nicht vorstellen können, dass sich Ihr<br />

Leben plötzlich vollständig verändert?<br />

Bei mir war das so und jetzt lebe ich ein<br />

anderes Leben. Wie es dazu gekommen<br />

ist?<br />

Ich heiße Margit, bin 80 Jahre alt und<br />

wohne seit Dezember 2012 im Seniorenzentrum<br />

Renthof. Ich komme ja ursprünglich<br />

aus dem Sudetenland und bin nach<br />

dem Krieg nach Nieste hier im Landkreis<br />

Kassel gekommen. In Kassel heiratete ich<br />

auch meinen leider schon verstorbenen<br />

Mann und zog meine vier Mädchen und<br />

meinen Jungen groß. Eine schwere Zeit,<br />

denn mein Mann musste viel arbeiten,<br />

so dass ich die Kinder eigentlich allein<br />

aufziehen musste. Da musste man streng<br />

sein. Umso schöner war es dann für mich,<br />

meinen Enkeln und Urenkeln eine liebevolle<br />

und nachgiebige Großmutter sein zu<br />

können.<br />

2007 dann die erste unerwartete Veränderung<br />

– ich erkrankte an Darmkrebs.<br />

Ich kämpfte und siegte, aber irgendwie<br />

kam ich nie wieder richtig auf die Beine.<br />

Alles war plötzlich so anders … Familienfeiern,<br />

Feste, Geburtstage … alles sooo<br />

anstrengend. Auf der einen Seite wollte<br />

ich nicht alleine sein, an Festen und Feiern<br />

teilnehmen, andererseits konnte ich<br />

viele Menschen und das Laute auf einmal<br />

gar nicht mehr ertragen.<br />

Und auch sonst änderte sich was –<br />

Selbstverständliches fiel plötzlich schwer.<br />

Zum Beispiel habe ich mal die Wohnung<br />

unter Wasser gesetzt, weil ich einen Stecker<br />

nicht in die richtige Steckdose gesteckt<br />

habe. So – da bin ich im Dunkeln,<br />

warum auch immer, ins Bad und an die<br />

Dusche gekommen … mmh … Sie können<br />

sich denken, wie es weiterging. Meine<br />

Tochter wohnt, Gott sei Dank, gleich um<br />

die Ecke und stand auch recht schnell mit<br />

meiner Enkelin vor der Tür.<br />

Am 2. Weihnachtsfeiertag wurde wieder<br />

meine Tochter gerufen, weil ich in<br />

Socken und auch nur leicht bekleidet vor<br />

dem Haus hin und her irrte, früh morgens<br />

im Dunkeln. Später erzählten die<br />

Nachbarn meinen Kindern, dass ich das<br />

öfter mache, auch im Hausflur um Hilfe<br />

rufe und so weiter. Und ich lasse alle<br />

Menschen, egal ob ich sie kenne oder<br />

28 FACETTEN Renthof


nicht, in meine Wohnung ... was da alles<br />

hätte passieren können …<br />

Ja, Weihnachten war der Punkt gekommen,<br />

an dem meine Familie und ich beschlossen,<br />

dass ich zu Hause nicht mehr<br />

alleine bleiben kann.<br />

Gott sei Dank war in dem Haus, in<br />

dem meine Enkelin, eine examinierte Altenpflegerin,<br />

arbeitet, zufällig gerade ein<br />

Platz frei. Ich fand sofort Anschluss an<br />

die anderen Bewohner und fühlte mich<br />

auch gleich recht wohl. Ich wollte eigentlich<br />

nur ein paar Tage zur Probe bleiben.<br />

Aus ein „paar Tagen“ wurde recht schnell<br />

„für immer“. Ist aber nicht schlimm. Allein<br />

zu Hause geht einfach nicht mehr.<br />

Und so vernünftig muss man auch als<br />

alte Frau sein und das einsehen.<br />

Ich muss sagen, es ist wirklich ungewohnt<br />

und auch nicht einfach, wenn<br />

man lange und viel allein war, plötzlich<br />

und den ganzen Tag so viele Menschen<br />

um sich zu haben. Diese Geräuschkulisse!<br />

Aber alle sind sehr nett zu mir. Das Personal<br />

kümmert sich sehr gut um mich.<br />

Man achtet sehr darauf, dass ich genug<br />

esse und trinke. Seit der Krankheit bin ich<br />

ja leider etwas dünn und kraftlos. Aber<br />

hier schmeckt das Essen, und in Gemeinschaft<br />

zu essen ist ja auch viel schöner.<br />

An meiner Tür befindet sich ein Schild,<br />

auf dem groß mein Name steht und ein<br />

Bild von unserer Katze Minka klebt. So<br />

werde ich auch liebevoll von meinen Enkeln<br />

genannt: „Oma Minka“. Und mit<br />

dem Schild finde ich mein Zimmer fast<br />

immer wieder. Jeder Bewohner hat sein eigenes<br />

Schild mit seinem Namen und eigenen<br />

Wunschbild. Das ist nett, macht die<br />

Sache persönlicher und hilft wirklich.<br />

Trotzdem brauche ich noch Zeit, um<br />

mich richtig einzufinden. Es ist zu viel<br />

los, da piept und ruft es, oder eine andere<br />

Frau will immer nach Hause. Ich<br />

will auch nach Hause, aber was nicht<br />

geht, geht eben nicht. Sie macht es sich<br />

so schwer. Das belastet mich auch! Ich<br />

mache mir eigentlich immer große Sorgen<br />

um Andere – meinen Sohn, meine<br />

Mitbewohnerin und so weiter. Überhaupt<br />

mache ich mir zu viele Gedanken um die<br />

Anderen, aber so bin ich eben!<br />

Ich selbst merke es ja nicht so, aber<br />

mein Kopf lässt immer mehr nach. Ich<br />

habe Angst vor dem Alleinesein. Aber<br />

hier ist ja immer jemand von den Schwestern.<br />

Wenn was ist, dann klingele ich<br />

einfach. Oder rufe, dann kommt jemand.<br />

Das gibt einem schon Sicherheit.<br />

Und – meine Familie kommt mich sehr<br />

oft besuchen oder holt mich ab. Ich freue<br />

mich immer sehr, sie zu sehen.<br />

Im Sommer sollen wir aus dem Renthof<br />

ja alle in ein neues Haus ziehen, wo jeder<br />

ein großes Zimmer mit Bad für sich allein<br />

bekommt. Meine Enkelin hat mir schon<br />

Bilder vom Musterzimmer gezeigt. Wirklich<br />

sehr schön.<br />

Aber das Wichtigste sind ja die Menschen,<br />

das finden Sie doch sicher auch,<br />

oder?<br />

Jennifer Debus<br />

für ihre Großmutter Margit Peter<br />

Viel Platz für den neuen Lebensabschnitt<br />

Musterzimmer im Seniorenzentrum Unterneustadt<br />

Die Bilderfolge zeigt die Grundausstattung des Musterzimmers<br />

im neuen Seniorenzentrum Unterneustadt.<br />

Jede Bewohnerin, jeder Bewohner kann das geräumige<br />

Zimmer mit eigenen Möbeln und sonstigem Liebgewonnenen<br />

erweitern und sich so ein individuelles und<br />

gemütliches neues Zuhause schaffen.<br />

Im Sommer <strong>2013</strong> werden die jetzigen BewohnerInnen<br />

des Seniorenzentrums Renthof ihr neues Domizil beziehen.<br />

Außerdem stehen weitere Plätze für neue BewohnerInnen<br />

zur Verfügung. Insgesamt werden in acht Hausgemeinschaften<br />

Plätze für 80 SeniorInnen geschaffen.<br />

Kontakt:<br />

Heimbüro (Margitta Hochbaum) Tel. (0561) 70 99 311<br />

Renthof FACETTEN 29


10 Jahre Pro Dokument gGmbH<br />

Eines der erfolgreichsten Integrations unternehmen Deutschlands<br />

Im November 2002 wurde die Pro Job<br />

gGmbH als Integrationsunternehmen für<br />

Schwerbehinderte gegründet. Im Januar<br />

2003 begann man mit Verpackungsdienstleistungen<br />

für Mercedes Benz. „Der erste<br />

Mitarbeiter war Holger Fehr, ein Werkstattmitarbeiter<br />

der Kasseler Werkstatt“,<br />

erinnert sich Betriebsleiter Roland Müller.<br />

Schnell wurden weitere Kollegen eingestellt.<br />

Vladimir Kaaz, Alexander Beichel,<br />

Jürgen Kanold und Norbert Tyroll sind bis<br />

heute dabei. Heute heißt: In insgesamt<br />

fünf Geschäftsbereichen arbeiten 77 MitarbeiterInnen,<br />

von denen zwei Drittel eine<br />

Schwerbehinderung haben.<br />

Ende 2003 wurde das Dokumenten-<br />

Mangement-Center Kassel eröffnet. „Mit<br />

vier Kollegen und Kolleginnen haben wir<br />

für den kleineren Mittelstand Papier in<br />

digitale Akten verwandelt. Scan-Dienstleistungen<br />

waren damals noch für viele<br />

Unternehmen Neuland“, sagt der 49-jährige<br />

Betriebsleiter. Heute ist Dokumenten-<br />

Management (DMS) etablierte Praxis in<br />

nahezu allen Branchen. Im Dokumenten-<br />

Mangement-Center arbeiten heute bis<br />

zu 20 MitarbeiterInnen. Täglich werden<br />

über 200.000 Seiten digitalisiert, vom<br />

Parkschein bis zur A0-Zeichnung. „Früher<br />

haben wir die digitalisierten Akten<br />

auf CDs ausgeliefert. Heute bieten wir<br />

unseren Kunden DMS als umfängliche<br />

Cloud-Dienstleistung an. Das bedeutet:<br />

Die Daten werden in unserem Hochverfügbarkeitsrechenzentrum<br />

gehostet. Auch<br />

können Kunden bei uns ein umfängliches<br />

DMS als Softwarelösung mieten und über<br />

das Internet nutzen – nach Sicherheitsstandards,<br />

die selbst für das Militär ausreichend<br />

sind“, erläutert Müller die Technik<br />

vom Feinsten. 80 Prozent der über 300<br />

zufriedenen Kunden kommen aus dem<br />

gesamten Bundesgebiet. In der Mehrzahl<br />

sind es Firmen mit zwischen 200 und<br />

3.000 MitarbeiterInnen.<br />

2004 wurde die Pro Job in Pro Dokument<br />

umfirmiert; der Name Pro Job suggerierte<br />

eine Arbeitnehmerüberlassungsfirma.<br />

„Wir bekamen Anrufe, ob wir<br />

nicht ein paar Maurer hätten.“ Müller<br />

schmunzelt und ergänzt: „Zum anderen<br />

wollten wir unsere DMS-Dienstleistung<br />

auch im Firmennamen präsentieren.“<br />

Im Laufe der Jahre sind weitere Geschäftsfelder<br />

hinzugekommen: Etabliert<br />

haben sich Pro Clean als Gebäudereinigungsfirma<br />

in Kassel sowie Softwareentwicklungen<br />

wie die Kasseler-Kompetenz-Analyse<br />

(KKA) im WfbM-Markt<br />

bundesweit.<br />

Wachstum erfordert Veränderungen. So<br />

plant die Pro Dokument, 2014 ein eigenes<br />

Gebäude zu errichten, in dem das Dokumenten-Managment-Center<br />

und die Industriedienstleistungen<br />

eine neue Heimstadt<br />

unter einem Dach finden sollen.<br />

Das Dokumenten-Management-Center Kassel: Hightec-Scandienstleisungen für alle<br />

Branchen und bundesweit.<br />

Bernd Köhler (links) und Stefan Bornscheuer bereiten<br />

Dokumente zum Scannen vor.<br />

30 FACETTEN Pro Dokument


Beratung · Planung · Kundendienst · Ausführung<br />

● Industrie-Anlagen<br />

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seit 1957<br />

Internet: www.elektrobaron.com<br />

e<strong>Mai</strong>l: elektro-baron@t-online.de<br />

Leipziger Straße 472 • 34260 Kaufungen • Tel. (0 56 05) 27 60, Fax 71 43


Gerne öfter<br />

Bildungsangebot Schlittschuhlaufen<br />

„Schlittschuhlaufen finden wir Mädchen und Jungen<br />

ganz toll. Wir haben Spaß dabei und lachen sehr viel, Jürgen<br />

und Marco sind einfach toll“, sagt Uta Winkler aus<br />

dem Gartenbau. Endlich war es wieder soweit. Von Januar<br />

bis März fand das lang ersehnte Schlittschuhlaufen in der<br />

Kasseler Eissporthalle wieder statt. An den drei Terminen<br />

nahmen im Schnitt 18 MitarbeiterInnen aus der KSW 1<br />

und 2 sowie dem Gartenbau teil, betreut von zwei Gruppenfachkräften.<br />

Wie im Jahr 2012 fand das Schlittschuhlaufen während<br />

der Arbeitszeit statt. Dies ermöglichte auch den MitarbeiterInnen,<br />

die gefahren werden, die Teilnahme. Mit viel Spaß<br />

und Ehrgeiz wurden die Schlittschuhe angeschnallt und so<br />

manche Runde auf dem Eis gedreht.<br />

Felix-Boo Hankel aus der KSW 1 sagt: „Ich finde gut, dass<br />

wir in die Eishalle hin- und wieder zurück in die Werkstatt<br />

gebracht werden. Es macht mir jedes Mal sehr viel Spaß<br />

und ich würde gerne öfter Schlittschuhlaufen gehen.“<br />

Allen hat es Spaß gemacht, egal ob Anfänger und etwas<br />

unsicher auf dem Eis unterwegs oder Fortgeschrittener mit<br />

mehrjähriger Lauferfahrung. Und man ist sich in der Truppe<br />

einig: Auch im kommenden Winter soll das Schlittschuhlaufen<br />

wieder stattfinden.<br />

Jürgen Ramdohr, Marco Möller (Gruppenleiter KSW)<br />

Adressen<br />

Einrichtungen der Sozialgruppe Kassel e. V.<br />

n Kasseler Werkstatt 1<br />

Mündener Straße 45, 34123 Kassel<br />

Telefon (05 61) 9 52 34-0, Fax 9 52 34-34<br />

email: info@kasseler-werkstatt.de<br />

www.kasseler-werkstatt.de<br />

n Kasseler Werkstatt 2<br />

Werner-Heisenberg-Straße 18, 34123 Kassel<br />

Telefon (05 61) 58 06-0, Fax 58 06-100<br />

n Kasseler Werkstatt Gartenbau<br />

Oberzwehrener Straße 105, 34132 Kassel<br />

Telefon (05 61) 51 22 21, Fax 51 71 00<br />

n Georg-Wündisch-Haus –<br />

Kindertagesstätte mit Integrationsplätzen<br />

Bei den vier Äckern 11, 34125 Kassel<br />

Telefon (05 61) 87 77 84<br />

n Seniorenzentrum Renthof<br />

Renthof 3, 34117 Kassel<br />

Telefon (05 61) 7 09 93-16, Fax 7 09 93-28<br />

Internet: www.renthof.de<br />

n Tagespflege am Holzmarkt<br />

Holzmarkt 1, 34125 Kassel<br />

Tel. (05 61) 97 01 00-25/26, Fax 97 01 00-23<br />

n Pro Dokument gGmbH,<br />

Mündener Str. 45, 34123 Kassel<br />

Telefon (05 61) 22 07 99-00,<br />

Fax (05 61) 52 99 07-41<br />

email: info@pro-dokument.de<br />

www.pro-dokument.de<br />

Impressum<br />

<strong>Facetten</strong><br />

n Zeitung für MitarbeiterInnen, Personal,<br />

Eltern, Vereinsmitglieder, FreundInnen und<br />

interessierte Öffentlichkeit von: Kasseler<br />

Werkstatt, Georg-Wündisch-Haus,<br />

Seniorenzentrum Renthof, Tagespflege am<br />

Holzmarkt und ProDokument<br />

n Nummer 24, <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>, Auflage: 2000<br />

Herausgeber: Sozialgruppe Kassel e. V.,<br />

Holzmarkt 1, 34125 Kassel,<br />

Telefon (05 61) 97 01 00-0, Fax 97 01 00-21<br />

www.sozialgruppe-kassel.de<br />

n Redaktion/Lektorat: Kirsten Alers/Wortwechsel,<br />

Gestaltung/Gesamtherstellung:<br />

Ulrich Ahrend/Satzmanufaktur<br />

Raiffeisenstraße 15, 34260 Kaufungen,<br />

Tel. (0 56 05) 92 62 71, Fax 92 62 73,<br />

email: satzmanufaktur@t-online.de<br />

n AnsprechpartnerInnen:<br />

Lieselotte Schramm (Kasseler Werkstatt 1),<br />

Christian Lehnert (Kasseler Werkstatt2),<br />

Regina Loh (Georg-Wündisch-Haus),<br />

Martina Dittel (Seniorenzentrum Renthof),<br />

Gunda Hoßbach (Tagespflege),<br />

Roland Müller (Pro Dokument)<br />

n V.i.S.d.P.: Ilona Caroli, Gerald Reißmann<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />

geben nicht unbedingt die Meinung des<br />

Vereins oder der Redaktion wieder.<br />

Spendenkonto Sozialgruppe Kassel e. V.<br />

Konto 2062 897<br />

Kasseler Sparkasse (BLZ 520 503 53)<br />

32 FACETTEN

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