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RE KW 36

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Wie in einer vorigen Ausgabe geschildert, nahm sich der Heiterwanger<br />

Pfarrer Engelbert Wörle (von 1855 – 1872) zur Verbesserung<br />

der religiösen Situation zwei Aufgaben vor: die Herstellung<br />

eines würdigen Gotteshauses und die „Hebung der Schule“. Mit<br />

stürmischem Eifer und eigensinnigen Vorstellungen machte er<br />

sich daran, wobei vieles, aber nicht alles gelingen konnte.<br />

Von Peter Linser<br />

Mit einer gründlichen Renovierung<br />

des hundert Jahre zuvor barockisierten<br />

Gotteshauses begann<br />

Pfarrer Engelbert Wörle. Längst<br />

war die Kirche nämlich unansehnlich<br />

und baufällig geworden. Auch<br />

die Innenausstattung entsprach<br />

nicht mehr dem damaligen Zeitgeschmack.<br />

Die Gemeinde wollte<br />

das ihr vorgeschriebene Drittel an<br />

der Gesamtsumme mit einigen Vorschlägen<br />

möglichst niedrig halten.<br />

So plädierte sie für die Arbeit in Eigenregie<br />

aus folgenden Gründen:<br />

1. Hätte man in der Gemeinde<br />

den Vortheil mit dem Holz, wo man<br />

es wolfeiler auf den Platz bringen<br />

würde durch Gutthäter und Frohnarbeiten,<br />

auch mit den Zimerleut<br />

und Maurer, welche man in der Gemeinde<br />

um einen billigeren Taglohn<br />

bekäme, als wenn etwa ein Übernehmer<br />

Fremde herstellen müßte.<br />

2. Mit Kalk und Sand, da man<br />

durch einen Gemeindsmann, welchem<br />

von der Gemeinde Holz abgeben<br />

würde, damit er den Kalch billiger<br />

liefern könnte, und Sand könnte<br />

man vielleicht leichter gewinnen, da<br />

der Bach auf einige Grundstücke der<br />

Anrainer Sand hinliegend hinterlassen<br />

hat.<br />

3. Mit Beischaffung der Dachblatten<br />

würde man solche auch von<br />

Der alte „Kolbebrunnen“, um 1910.<br />

RUNDSCHAU Seite 18<br />

Katzenmusik vor dem Widum<br />

Eine mittelgroße stattliche Erscheinung mit einem schönen schwarzen Rollkopf<br />

AUSSERFERNER<br />

SEIT 1922<br />

NACHRICHTEN<br />

Heiterwanger „Liebfrauenkirche“, 1898.<br />

einigen Mähnhaltern als Gutthäter<br />

beibringen. Da man nach Überlegung<br />

und Berathung mit Sachverständigen<br />

für besser erachtet, wenn<br />

das Kirchendach nur einfach mit<br />

Ziegelblatten abgedeckt würde, und<br />

die gegenwärtige Scharschindeldachung<br />

belassen, weil der Dachstuhl<br />

schwach ist und wäre auch ganz gesichert<br />

vor Einwehung des Schnees.<br />

(…)<br />

Da auch schon öfter Baulichkeiten<br />

und Reperationen an der Kirche geschehen,<br />

welche von der Gemeinde<br />

und Überschuß von der Kirche<br />

ohne Ansuchen eines Beitrages des<br />

Patronats Dritls erfolgt worden seyn,<br />

so erhoffen wir um so gewisser diesmal,<br />

da wir das Ansuchen gestellt<br />

haben, den Patronatsbeitrag.<br />

Heiterwang, am 18. Februar 1853,<br />

Rainer (Vorsteher)<br />

Zunächst einmal ließ der Pfarrer<br />

die Kirche ausmalen. Dann wurde<br />

die Empore mit der Orgel restauriert<br />

und die Orgel neu gestimmt.<br />

Als nächstes wurden das Pflaster des<br />

Presbyteriums und das Speisgitter erneuert.<br />

Der Hochaltar aus dem Jahre<br />

1754 wurde vom Jahrzehnte alten<br />

Staub gesäubert und die Figuren neu<br />

vergoldet. Eine ältere, wahrscheinlich<br />

gotische Madonnenstatue, die<br />

zunächst am Hochaltar gestanden<br />

war und das Missfallen des Pfarrers<br />

erregt hatte, wurde gegen den Willen<br />

der Bevölkerung entfernt und<br />

durch ein neues Altarblatt von Josef<br />

Keller ersetzt. Es entstanden ein<br />

neuer Tabernakel, eine neue Kanzel,<br />

neue Seitenaltäre und Kreuzwegstationen.<br />

Die Gesamtkosten der Neugestaltung<br />

in den Jahren 1854 – 1856<br />

beliefen sich auf über 800 Gulden.<br />

Leider war Pfarrer Wörle keineswegs<br />

beliebt, sparte er doch nicht<br />

mit beißender Kritik an seinen<br />

Schäflein. Als Pfarrer Adalbert Kätzler,<br />

von 1920 – 32 in Heiterwang<br />

die unterbrochene Chronik weiterführte,<br />

berichtete er aus der Amtszeit<br />

seines Vorgängers Engelbert Wörle:<br />

(…) Wie schon oben erwähnt, war<br />

Lehrer Hosp zugleich auch Organist<br />

und Mesner. Da kam nun in das<br />

sogenannte „Unschuldige-Kinder-<br />

Häuschen“ ein kleines Kind, in Papier<br />

eingewickelt. Zu gleicher Zeit<br />

verlangte der Pfarrer, dass ein neues<br />

Schloss daran befestigt werde. Von<br />

dem heimlichen Funde sagte nun<br />

der Lehrer unter die Leute aus. Der<br />

Verdacht, dieses Kind hineingelegt<br />

zu haben, fiel auf den Pfarrer, respektive<br />

auf eine gewisse Katharina<br />

Vilser.<br />

Diese Katharina war bei Pfarrer<br />

Wörle damals Häuserin. Die Weiber<br />

murmelten schon vorher, wenn<br />

die Trine nicht beim Pfarrer wäre,<br />

würden sie sagen, sie sei schwanger.<br />

Katharina wurde oder war auch tatsächlich<br />

marode und ihre Schwester<br />

half ihr aus. Dieses Gerede kam bald<br />

auch dem Gemeindevorsteher Michael<br />

Jäger zu Ohren und so musste<br />

RS-Repros: Linser<br />

Wörle auch an sich erfahren, wie der<br />

„Postmichelegeist“ sich austoben<br />

kann. Es bildeten sich zwei Parteien,<br />

die „Schwarzen“, die zum Pfarrer<br />

hielten, und deren es nur wenige<br />

gab, vor allem der Hirschenwirt Benedikt<br />

Hosp, die Familien Bußjäger<br />

und Krutzky, und die „Roten“, die<br />

mit dem Vorsteher gegen den Pfarrer<br />

waren. Ihre Zahl war viel größer. Der<br />

Streit und die Gehässigkeit wurden<br />

immer ärger.<br />

Als am Korpus-Christi-Sonntag<br />

der Pfarrer beim Hirschenwirt saß,<br />

kamen Steine in das Zimmer geflogen,<br />

der Christus wurde von der<br />

Wand geworfen, aus Rache, weil der<br />

Wirt zum Pfarrer hielt. Benedikt<br />

Hosp und Johann Georg Bußjäger<br />

gingen hinunter. Da trafen sie vor<br />

der Türe gerade den Vorsteher Jäger.<br />

„Du bist Schuld an allem“, sagten<br />

sie zu ihm. Dafür wurden sie 8 Tage<br />

eingesperrt. Der Pfarrer getraute sich<br />

an jenem Abend nicht mehr allein<br />

nach Hause. Auch im Pfarrhof wurden<br />

in der Nacht vom 10. bis 11.<br />

April 1871 die Fenster eingeworfen,<br />

der Tat verdächtig schien der Lehrer<br />

Josef Hosp. Man fand nämlich<br />

im Garten ein Notenheft, das Josef<br />

Anton Klotz von Bichlbach ihm<br />

tags zuvor übergeben hatte. Pfarrer<br />

Wörle reichte auch eine Klage ein;<br />

am 24. Mai war die Tagsatzung anberaumt,<br />

Lehrer Hosp wurde freigesprochen!<br />

Obwohl der Pfarrer<br />

Berufung einlegte, ja direkt an das<br />

Oberlandesgericht seine Klage einreichte,<br />

bezweckte er nichts. Franz<br />

7./8. September 2016

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