Führung Der beste Manager des 20. Jahrhunderts Jack Welch stand zwanzig Jahre an der Spitze von General Electric. Viele bahnbrechende Managementkonzepte wurden von ihm mit Erfolg eingeführt. Heute begeistert Welch mit seinen Vorträgen weltweit unzählige Manager. Sie leiten eine Firma, kein Sozialamt. Bild und Cover: Campus 74 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 01/2016 . Erfolg magazin
Führung Jack Welch Auszug aus dem Buch „Setze dir größere Ziele“ von Dr. Rainer Zitelmann Bei Managern kann man zwei Typen beobachten: den harmoniebedürftigen „Kuschel- Chef “, dem es vor allem um Konsens geht und dessen oberstes Ziel es ist, dass seine Mitarbeiter ihn lieben. Und dann den Manager, dem es vor allem um den Erfolg und um die Sache geht, und der deshalb auch bereit ist, zur Not massive Konflikte in Kauf zu nehmen. Prototyp für den zweiten Managertyp ist Jack Welch, der in den Jahren 1981 bis 2001, als er mit General Electric (GE) eines der weltweit größten Unternehmen führte, dessen Umsatz von 27 auf 130 Milliarden US-Dollar steigerte und den Jahresgewinn auf 12,7 Milliarden US-Dollar versiebenfachte. In der gleichen Zeit verringerte sich die Mitarbeiterzahl von 400.000 auf 300.000 Mitarbeiter. Eine der hervorstechendsten Eigenschaften von Welch, der 1999 von Fortune zum „Manager des Jahrhunderts“ gewählt wurde, war dessen ausgeprägte Konfliktfähigkeit. Allein in den ersten beiden Jahren verkaufte er 71 Unternehmensbereiche, was zwar die Profitabilität des Unternehmens massiv steigerte, aber zu einer erheblichen Unruhe führte. Viele Manager hätten sich aus Angst vor dieser Unruhe gescheut, solch einschneidende Maßnahmen durchzuführen. Als Welch den Bereich der „kleinen Haushaltsgeräte“ verkaufte, gab es jede Menge empörte Beschwerdebriefe erboster Mitarbeiter: „Was für ein Mensch sind Sie? Wenn Sie das fertig bringen, sind Sie zu allem imstande!“ Welch legte sich nicht nur mit den Managern und Mitarbeitern des eigenen Unternehmens an, sondern auch mit Gewerkschaftsführern und Politikern, die ihn unter Druck setzen wollten. Als er den Gouverneur von Massachusetts besuchte, verlieh dieser seiner Hoffnung Ausdruck, dass GE hier mehr neue Arbeitsplätze schaffen werde. „Herr Gouverneur“, entgegnete Welch, „ich muss Ihnen leider sagen, dass Lynn der letzte Ort der Erde ist, an dem ich neue Arbeitsplätze schaffen werde.“ Der Grund lag darin, dass die Stadt der einzige Standort des Unternehmens war, der die nationale Vereinbarung, die GE mit den Gewerkschaften geschlossen hatte, ablehnte. „Warum sollte ich an einem solchen Ort Arbeitsplätze schaffen und Geld investieren, wenn ich Fabriken an Orten bauen kann, wo die Leute sie wollen »Für ihn zu arbeiten ist wie Krieg!« und sie verdienen?“ Die Zeitschrift Fortune erklärte Welch schließlich zu einem der „zehn härtesten Bosse Amerikas“. In dem Artikel erklärten Mitarbeiter, die nicht wollten, dass ihr Name genannt wird: „Für ihn zu arbeiten ist wie ein Krieg. Viele Leute bleiben auf der Strecke, und die Überlebenden müssen in die nächste Schlacht ziehen.“ In dem Artikel hieß es, Welch attackiere die Menschen beinahe körperlich mit Fragen. Die Kritik prallte an Welch ab. In seiner Autobiografie erklärte er sogar: „Ich hätte nicht so viele Mitarbeiter mit mir herumschleppen müssen, die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind. Rückblickend muss ich sagen, dass ich in all den Jahren vielfach zu vorsichtig war. Ich hätte die Strukturen früher zerschlagen und schwache Unternehmensbereiche rascher abstoßen müssen.“ Kompromisslos war Welch auch gegen Mitarbeiter, die gegen die Werte des Unternehmens verstießen. Er gab allen Managern den Ratschlag, solche Mitarbeiter nicht „heimlich“ loszuwerden, etwa mit Ausflüchten wie „Charles hat aus persönlichen Gründen gekündigt, um mehr Zeit mit seiner Familie verbringen zu können.“ Stattdessen solle man unumwunden öffentlich erklären, dass der Mitarbeiter gefeuert wurde, weil er gegen Werte des Unternehmens verstoßen habe. Nörgelnde Mitarbeiter, die ständig darüber klagen, mit was sie alles unzufrieden seien, was in der Firma falsch laufe und dass man sie nicht genügend anerkenne, waren Welch ebenfalls ein Gräuel. Chefs, die solche Mitarbeiter hätten, seien selbst schuld, weil sie eine falsche Anspruchshaltung geschaffen hätten. Die Mitarbeiter hätten nunmehr ein „ziemlich verqueres Bild von der Realität. Sie denken nämlich, Sie arbeiteten für Ihre Mitarbeiter“. Den SoftManagern hielt er entgegen: „Sie leiten ein Unternehmen, nicht das Sozialamt oder eine psychologische Beratungsstelle.“ Er riet den Managern, die Unternehmenskultur rasch zu ändern, und forderte von ihnen Konfliktbereitschaft: „Zweifellos wird ein Aufschrei der Empörung durch die Flure hallen, während Sie Ihre Unternehmenskultur über Bord werfen. Es kann sogar sein, dass einige der Angestellten, die Sie persönlich mögen und deren Arbeit Sie schätzen, aus Protest das Unternehmen verlassen. Tragen Sie es mit Fassung und wünschen Sie den Leuten alles Gute für ihre weitere Zukunft.“ Vor allem predigte Welch immer wieder eine offene Kommunikationskultur, damit jeder Mitarbeiter einschätzen könne, woran er sei und wie seine Leistungen bewertet würden. Viele Manager seien zu „lieb“ oder zu „nett“, um ihren Leuten, „und zwar vor allem den echtern Versagern genau zu sagen, wo sie stehen“. Der Grund liege in der mangelnden Konfliktfähigkeit solcher „Soft-Manager“. Menschen spüren jedoch instinktiv, wenn ihr Gegenüber allzu harmoniebedürftig und konfliktscheu ist. Und sie bewerten dies zu Recht als Schwäche. In gut funktionierenden Unternehmen werden solche Menschen mit übergroßem Harmoniebedürfnis keine Führungsverantwortung übertragen bekommen. Erfolg magazin . Ausgabe 01/2016 . www.erfolg-magazin.de 75