Barftgaans Oktober/November 2016
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
DAS LETZTE ZUHAUSE<br />
In Würde sterben: Hospiz am Stadtwald<br />
Der Tag beginnt, die Sonne strahlt vom blauen Himmel.<br />
Noch ist es still an diesem Morgen im Hospiz<br />
am Stadtwald. Ruhig gehen die Mitarbeiter ihren<br />
Aufgaben nach, die Gäste, wie die Sterbenskranken hier<br />
genannt werden, sind auf ihren Zimmern. Sie verbringen<br />
den Lebensabend hier. Es ist ihr Zuhause auf Zeit, die letzte<br />
Lebensstation.<br />
Tod – diesem Teil des Lebens entkommt niemand. Krank<br />
und alt werden, damit verbundene Leiden und auch das<br />
Abschiednehmen gehören zum Leben. Doch wie geht man<br />
mit dem Sterben um? Als Person, als Gesellschaft? Wie umgehen<br />
mit der Zeit, die bleibt? „Wir versuchen, dem Gast<br />
noch so viel schöne Lebenszeit wie möglich zu geben“,<br />
sagt Martina Schubert-Messenbrink, Pflegedienstleiterin<br />
im Hospiz. Zu ihr ins Haus kommen Menschen ab 25 Jahre,<br />
die unheilbar krank sind und die allein zuhause nicht mehr<br />
zurechtkommen. Einige bleiben ein paar Stunden, einige<br />
Wochen oder auch mal Monate. „Die Gäste können jederzeit<br />
nach Hause und später zurückkommen oder sie bleiben<br />
bei uns, um für kurze Zeit die pflegenden Angehörigen<br />
zu entlasten“, so die Pflegdienstleiterin.<br />
In den letzten Lebenstagen gehe es oft darum, die verbleibende<br />
Zeit zu nutzen. Der Gast und seine Wünsche stehen<br />
ganz im Mittelpunkt. Was braucht er, um sich wohlzufühlen?<br />
Was möchte er vielleicht noch mal unternehmen, wenn möglich?<br />
Möchte er Besuch haben oder für sich sein? – Auch noch<br />
so kleine Wünsche versuchen Schubert-Messenbrink und ihr<br />
engagiertes Team zu erfüllen. „Eine Dame hatte nachts um<br />
halb eins Lust auf ein Eis mit heißen Kirschen. Das haben wir<br />
selbstverständlich möglich gemacht. Dass wir solche Freude<br />
schenken und letzte Wünsche erfüllen können, das macht<br />
unsere Arbeit so wertvoll.“ Am Lebensende zählen vor allem<br />
die kostbaren Kleinigkeiten, die schönen Momente und<br />
Gespräche. „Es gibt Menschen, die haben zum Beispiel keinen<br />
Kontakt mehr zu Familienangehörigen, da versuchen<br />
wir zu vermitteln, wenn es der Sterbende wünscht.“<br />
Der Gast soll sich im Hospiz wohlfühlen, ein bisschen wie zuhause.<br />
Es dürfen persönliche Kleinigkeiten mitgebracht werden;<br />
jeder Gast hat ein Einzelzimmer mit Bad. Es gibt die Möglichkeit,<br />
ein weiteres Bett in das Zimmer zu stellen für den<br />
Ehepartner oder das Kind. Dazu gibt es ein separates Übernachtungszimmer.<br />
Es stehen rund um die Uhr Fachkräfte zur<br />
Verfügung, die sich um die Gäste kümmern. „Wir versuchen<br />
alles, um es dem Gast angenehm zu machen“, sagt Schubert-Messenbrink.<br />
Und dazu gehört auch mal ein Bier oder<br />
ein Eierlikör. Viele Menschen haben Angst, dass sie während<br />
des Sterbeprozesses oder Krankheitsverlaufs starke Schmerzen<br />
haben. Sie haben oftmals Atemnot und Ängste. „Da ist<br />
es besonders wichtig, zusammen mit Palliativmedizinern die<br />
richtige Schmerzbehandlung zu finden und die Beschwerden<br />
zu lindern. Der Sterbende soll keine unnötigen Schmerzen erleiden.“<br />
Zur Unterstützung gibt es zusätzlich die Möglichkeit,<br />
Ergo- und Physiotherapie, Krankengymnastik und Lymphdrainage<br />
zu nutzen, um die Lebensqualität zu verbessern. „Ganz<br />
wichtig sind Gespräche, um die Ängste zu lindern oder letzte,<br />
ungelöste Probleme zu besprechen.“ Im Hospiz gehe es aber<br />
nicht nur den ganzen Tag um das Sterben. Es ist das Leben,<br />
das zählt. Das vergangene, das unwiederbringlich vorbeigeht<br />
und das gegenwärtige, das so schön wie möglich verbracht<br />
werden sollte. „Im Hospiz wird gefeiert, es wird gelacht, aber<br />
auch getrauert. Alle Emotionen haben ihren Platz.“<br />
Heute brennt die Kerze am Empfang nicht, das bedeutet,<br />
dass heute noch kein Gast verstorben ist. Die Erinnerung an<br />
die Toten wird bewahrt: Einmal im Jahr gibt es einen Erinnerungstag,<br />
einmal im Monat ein Erinnerungsfrühstück. „Wir<br />
halten auch den Kontakt zu den Angehörigen, wenn das gewünscht<br />
wird, wir lassen sie nicht allein.“<br />
Das Leben endet mit dem Tod – wir wissen das. Und doch<br />
schieben wir diese Gedanken oftmals weit von uns weg, setzen<br />
uns nicht mit den wichtigen Fragen auseinander: Wie<br />
möchte ich sterben? Welche Behandlung möchte ich? Wie<br />
möchte ich ernährt werden? „Wir sollten uns alle unserer<br />
Vergänglichkeit bewusst sein. Wir müssen uns das wirklich<br />
klarmachen – und überlegen, was wir wollen“, so Martina<br />
Schubert-Messenbrink. <br />
[Nicole Lütke]<br />
Kontakt<br />
Interessierte sind eingeladen, sich die Räumlichkeiten<br />
des „Hospiz am Stadtwald“, anzusehen und sich<br />
über das Pflegekonzept zu informieren. Übrigens:<br />
Die Kosten für einen Aufenthalt werden von der<br />
Krankenkasse übernommen.<br />
Hospiz Am Stadtwald gemeinnützige GmbH<br />
Peter-Cordes-Weg 3a<br />
29525 Uelzen<br />
0581 971656-00<br />
www.hospiz-am-stadtwald.de<br />
36 www.barftgaans.de | <strong>Oktober</strong>/<strong>November</strong> <strong>2016</strong>