Barftgaans Oktober/November 2016
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AM ENDE EINES LANGEN LEBENS<br />
Gespräch über Erinnerung und das Sterben<br />
Besuch bei einer alten Dame, 88 Jahre alt, aus dem<br />
Kreis Lüchow-Dannenberg. Sie liegt auf dem Bett,<br />
versteckt, eingewickelt in eine leichte Decke. Über<br />
was reden? – Den Tod, das Leben. Die Enttäuschungen, Beziehungen,<br />
die Ehe, die Krankheit. Den Lungenkrebs. Die<br />
letzte Lebensstation: das Hospiz am Stadtwald.<br />
Sie redet und redet. Worauf warte ich?, fragt sie in den<br />
Raum. Auf nichts, außer auf den Tod. Aber sie ist froh, dass<br />
sie in diesem Hospiz ist, umsorgt von liebevollen Mitarbeitern,<br />
in einem schönen Zimmer, das sie ganz allein bewohnt.<br />
Im Altenheim vorher musste sie sich ein Zimmer mit einer<br />
anderen Dame teilen, die den ganzen Platz für sich beanspruchte.<br />
Regelmäßig kommt eine Ehrenamtliche des Hospizdienstes<br />
vorbei, dann gehen sie spazieren, draußen im<br />
Grünen. Ein bisschen Leben spüren.<br />
Was bleibt übrig, am Ende des Lebens? Ein blauer, altmodischer<br />
Koffer aus Leder, ein Bild, Porzellan und eine alte<br />
Holztruhe, in der sie wohl Papiere verwahrt. Lang erzählt<br />
sie von der Krankheit, dem „Scheiß-Krebs“, dem Aufenthalt<br />
im Krankenhaus und im Altenheim. Manchmal hadert die<br />
88-Jährige mit ihrem Schicksal.<br />
Immer wieder wird sie von Erinnerungen überwältigt, an<br />
ihre Kindheit und Jugend. Den Krieg und die Flucht aus Oberschlesien.<br />
Im Januar 1945 ist sie losmarschiert, dann ging<br />
es mit der Bahn weiter. Wasser gab es während der Fahrt<br />
keines. „Wir haben an einem Eiszapfen gelutscht“, lacht<br />
sie. Vieles ist ihr lebendig in Erinnerung geblieben wie die<br />
erste Bombardierung. Manchmal weint die alte Dame, greift<br />
dann zum Sauerstoffschlauch. Das Atmen, das Erzählen ist<br />
anstrengend. Aber auch komische Situationen kommen ihr<br />
in den Sinn, dann lacht sie herzlich. „Nach dem Krieg wollten<br />
wir einfach nur noch leben, wir waren ja jung“, sagt die alte<br />
Frau. Siebzehn war sie bei Kriegsende. – Nicht auf jede Frage<br />
gibt sie eine Antwort, dann wirkt sie nachdenklich. Einen<br />
Ehemann und einen Lebenspartner hat sie begraben, verloren<br />
an Lungenkrebs. „Warum muss ich diese Krankheit auch<br />
noch kriegen“, fragt sie. Diese „teuflische Krankheit“.<br />
Eine Mitarbeiterin des Hospizes kommt herein und fragt,<br />
welches Mittagessen es sein darf. „Ich esse auch mal etwas,<br />
was ich eigentlich nicht essen sollte. Aber das macht ja<br />
nun nichts mehr“, sagt die Dannenbergerin ironisch. Dann<br />
schweigt sie. Das Fenster muss auf, frische Luft kommt herein.<br />
Sie wünscht sich keinen Besuch, sagt sie. Warum, erklärt<br />
sie nicht. Allein mit sich und ihren Erinnerungen. Fällt<br />
es ihr schwer, loszulassen vom Leben? „Ich bin 88, hatte<br />
ein langes Leben. Was soll ich mich beklagen?“ – Es fällt mir<br />
schwer, zu gehen und die alte Dame zurückzulassen. Was<br />
kann man sagen? „Gibt es etwas, was Sie sich noch wünschen?<br />
Ich wünsche mir, einfach einzuschlafen. Hinüberträumen<br />
... das wäre ein schöner Tod.“ [Nicole Lütke]<br />
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