aerokurier 11/2016
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<strong>11</strong>/<strong>2016</strong> Deutschland € 5,50 / Schweiz sfr 10 / Österreich € 6,30 / Benelux € 6,40 / Finnland € 8,30 www.<strong>aerokurier</strong>.de / 60. Jahrgang<br />
<strong>aerokurier</strong><br />
DAS MAGAZIN FÜR PILOTEN<br />
Solar<br />
Impulse<br />
Ed Force One<br />
Tourbus mit Turbinen<br />
Elektro-Twister<br />
Die Strom-Schnelle<br />
MIT DER RYAN<br />
NACH VENEDIG<br />
Bird Dog<br />
CESSNAS<br />
ANGRY BIRD<br />
MC-30 Luciole<br />
Zwerg im Selbstbau<br />
Gordon-Bennett-Cup<br />
Gasballone<br />
über Gladbeck<br />
Werbespot<br />
Antares und<br />
der Amarok
Fliegende<br />
Legenden<br />
www.klassiker-der-luftfahrt.de<br />
Jetzt neu im Handel
[ EDITORIAL November ]<br />
DIE ZUKUNFT BEGINNT<br />
Mit HY4 und der Elektro-Twister sind schon wieder zwei neue Flugzeuge<br />
mit alternativen Antriebssystemen in die Luft gegangen. Bleibt zu hoffen,<br />
dass die Industrie aufspringt und die Prototypen weiterentwickelt.<br />
Lars Reinhold,<br />
Redaktionsleiter <strong>aerokurier</strong><br />
Das Solar-Impulse-Projekt von Bertrand Piccard und André Borschberg ist absolut faszinierend, keine<br />
Frage. Allerdings muss man sich als kritischer Beobachter eingestehen, dass zwischen der Weltumrundung<br />
im Solarflugzeug – die insgesamt 505 Tage dauerte und ein 90 Mann starkes Team samt<br />
portablem Hangar benötigte – und einer kommerziellen Anwendung dieser Technologie doch Welten<br />
liegen. Der Wert von Solar Impulse liegt eher darin, zu zeigen, dass so etwas überhaupt möglich ist.<br />
Die praxistaugliche Umsetzung fliegerischer Zukunftsvisionen leistet, wie so oft, die Allgemeine Luftfahrt.<br />
Der E-Genius fliegt seit 20<strong>11</strong> zuverlässig mit Strom, Mitte dieses Jahres hob die Extra 330LE ab<br />
und zeigte, dass ein elektrisch angetriebenes Kunstflugzeug machbar ist. Mit der Silence Twister –<br />
deren Konstrukteur Matthias Strieker schon bei der Entwicklung den Einbau eines Elektromotors im<br />
Hinterkopf hatte – wird noch einmal deutlich, dass die elektrische Fliegerei keine Spinnerei ist. Nun<br />
liegt es auch ein Stück weit an uns, an den Piloten, die Entwicklung mit Interesse zu verfolgen und<br />
klarzumachen, dass wir diese Zukunft wollen. Eine Zukunft, in die auch die HY4 weist. Mit Strom aus<br />
einer Brennstoffzelle haben das DLR, die Universität Ulm, Pipistrel und Hydrogenics einen Doppelrumpf-Taurus<br />
in die Luft gebracht, dessen Technik eine Reichweite von bis zu 1500 Kilometern<br />
ermöglichen soll. Man kann das freilich alles als Spinnerei von Ingenieuren und Professoren abtun,<br />
deren Entwicklungen für den Privatflieger nie und nimmer bezahlbar sind. Dann sollte man es doch<br />
aber bitte tunlichst unterlassen, beim nächsten Tanken darüber zu jammern, dass das Avgas wieder<br />
mal teurer geworden ist. Am Anfang ist jede technische (R)Evolution teuer, aber der Preis ist noch<br />
immer gesunken, wenn die Nachfrage eine industrielle Produktion rechtfertigt.<br />
Von der Zukunft noch kurz ein Sprung in die Vergangenheit. Eigentlich sind historische und vor allem<br />
Militärflugzeuge eher das Metier unseres Schwestermagazins „Klassiker der Luftfahrt“. Dennoch<br />
erzählen wir in dieser <strong>aerokurier</strong>-Ausgabe die Geschichte von Andrea Rossettos Cessna O-1 Bird<br />
Dog. Denn Andrea hat bei der Restaurierung des Flugzeugs genau das an den Tag gelegt, was ganz<br />
tief in jedem Privatpiloten schlummert, ja die ganze Fliegerschaft eint: Leidenschaft. Und es ist ein<br />
Genuss, daran teilhaben zu dürfen.<br />
Diskutieren Sie mit! Wir freuen uns über eine E-Mail (redaktion@<strong>aerokurier</strong>.de), ein Fax (+49 7<strong>11</strong> 182-1781)<br />
oder einen Brief (Redaktion <strong>aerokurier</strong>, Leuschnerstr. 1, 70174 Stuttgart) für unser Leserforum. Bitte vergessen<br />
Sie nicht, Ihre Adresse und Telefonnummer für eventuelle Rückfragen anzugeben.<br />
Fotos: Flughafen Stuttgart, Ralf Athen<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 3
78<br />
Motorfliegen<br />
6 Solar Impulse<br />
40 000 Kilometer mit der Kraft<br />
der Sonne – ein Projekt, das<br />
Grenzen verschiebt<br />
13 Kolumne<br />
Dr. Spornrad philosophiert über<br />
alternative Antriebstechniken<br />
16 Bird Dog aus Italien<br />
Andrea Rossetto hat aus<br />
einem Scheunenfund einen<br />
wahren Schatz aufgebaut<br />
26 Im Cabrio nach Venedig<br />
Unsere beiden Autoren wagten<br />
in einer Ryan PT den Sprung<br />
über die Alpen<br />
Titelthemen<br />
im Abo<br />
Coupons auf den Seiten 59 und 83<br />
Magazin<br />
34 Tipps für Trips<br />
Zell am See ist nicht nur fliegerisch<br />
eine kleine Reise wert<br />
38 Geschenke<br />
Der <strong>aerokurier</strong> hilft bei der Suche<br />
nach den passenden Weihnachtsgeschenken<br />
für Piloten<br />
40 Berufe in der GA<br />
Als Businesspilot unterwegs<br />
42 HY4 hebt ab<br />
Mit dem Brennstoffzellenflieger<br />
HY4 will das DLR die Luftfahrt<br />
revolutionieren<br />
Flying<br />
44 Gordon-Bennett-Cup<br />
Die 60. Auflage des legendären<br />
Gasballonrennens führte von<br />
Gladbeck nach Griechenland<br />
Inhalt Nr. <strong>11</strong> <br />
November <strong>2016</strong> I 60. Jahrgang<br />
50<br />
4 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong><br />
<strong>aerokurier</strong> gibt es auch als E-Paper.<br />
Mehr Infos: www.<strong>aerokurier</strong>.de/epaper
UL/LSA<br />
50 MC-30 Luciole<br />
Vom Modellflugzeug zu<br />
Colombans „Glühwürmchen“<br />
56 Elektro-Twister<br />
Nach der Extra 330 LE hebt der<br />
zweite Strom-Kunstflieger ab<br />
58 Die Wellness-Flugschule<br />
Lernen und entspannen<br />
Business Aviation<br />
60 Ed Force One<br />
Iron Maiden und ihre Version der<br />
Show-Business-Aviation<br />
Praxis<br />
65 Motoröl<br />
Alles rund um den dunklen<br />
Lebenssaft fürs Triebwerk<br />
68 Hard- und Software<br />
Prüfungsvorbereitung mit Exam<br />
– und analoge Alternativen<br />
70 Expertentipp<br />
Reifenschäden erkennen<br />
und vorbeugen<br />
Segelfliegen<br />
72 Start am Abgrund<br />
Für den neuen Amarok wirbt<br />
VW mit dem spektakulären<br />
Autoschleppstart einer Antares<br />
76 Championnat de France<br />
Eine gut organisierte Meisterschaft<br />
für viel Flugspaß<br />
77 Jetantrieb<br />
Die Draline-Turbine kann jetzt mit<br />
Kerosin gestartet werden<br />
78 Malen mit der Ka 6E<br />
Ilka Armitter deutet Kunstflug<br />
auf ganz neue Weise<br />
82 Unfallanalyse<br />
Ein schneller, tiefer Überflug<br />
endet tödlich<br />
84 Fliegen in Namibia<br />
Pokweni: Fast ein<br />
Wintermärchen<br />
Porträt<br />
104 Matthias Arnold<br />
Der OLC-Preisträger erklärt<br />
seine Freude am Segelfliegen<br />
Rubriken<br />
3 Editorial<br />
14 News<br />
87 <strong>aerokurier</strong>-Markt<br />
94 Jobbörse<br />
103 Termine<br />
103 Impressum<br />
106 Vorschau<br />
6<br />
26<br />
60<br />
44<br />
Titelfotos: Frank Herzog, gub, Philipp Prinzing, Solar Impulse<br />
Fotos: Justin De Reuck , Frank Herzog, Christoph Kappenstein, Frank Martini, Solar Impulse<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 5
[ MOTORFLIEGEN Reportage ]<br />
Solar Impulse<br />
SONNEN<br />
FLIEGER<br />
40 000 Kilometer nur mit der Kraft der Sonne:<br />
Bertrand Piccard und André Borschberg ist mit ihrer<br />
Weltumrundung in der Solar Impulse 2 eine Leistung<br />
gelungen, die in einer Reihe steht mit denen anderer<br />
Abenteurer wie Blériot oder Lindbergh. Und wieder ging<br />
es vor allem darum, eins zu zeigen: dass etwas geht.<br />
6 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
AUTOR: Oliver Schenk<br />
FOTOS: Solar Impulse<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 7
[ MOTORFLIEGEN Reportage ]<br />
„SELBST WENN ES DEN KLIMAWANDEL NICHT GÄBE, WÄRE ES NOCH<br />
IMMER SINNVOLL, AUF ERNEUERBARE ENERGIEN UMZUSTELLEN.“<br />
@bertrandpiccard<br />
8 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong><br />
Der Moment, in dem die Solar<br />
Impulse 2 am 26. Juli<br />
<strong>2016</strong> um 0.05 Uhr Ortszeit<br />
in Abu Dhabi auf der Landebahn<br />
aufsetzt, markiert den bisherigen<br />
Endpunkt einer Evolution.<br />
Einer Evolution, die ihren Anfang<br />
nahm, als Otto Lilienthal gut 125 Jahre<br />
zuvor seine ersten, systematisch<br />
geplanten Gleitflüge unternahm. Mit<br />
ihrer Weltumrundung in einem Solarflugzeug<br />
stellen sich André Borschberg<br />
und Bertrand Piccard in eine<br />
Reihe mit Luftfahrtpionieren wie den<br />
Wrights und Gustav Weißkopf, aber<br />
auch Abenteurern wie Blériot, Charles<br />
Lindbergh oder Klaus Ohlmann. Menschen,<br />
die fliegerische Meilensteine<br />
gesetzt haben, mitunter allein aus<br />
dem Grund, zu beweisen, dass es<br />
geht.<br />
Auch Borschberg und Piccard<br />
wollten etwas beweisen, nämlich dass<br />
es möglich ist, mit einem allein durch<br />
Solarenergie angetriebenen Flugzeug<br />
die Welt zu umrunden. Das Projekt,<br />
das vor vielleicht 25 Jahren noch als<br />
größenwahnsinnige Spinnerei eines<br />
Millionärs durchgegangen wäre, erscheint<br />
in einer Zeit, in der Umweltund<br />
Energieprobleme die Frage nach<br />
der Zukunftsfähigkeit der Menschheit<br />
in den Fokus rücken, geradezu zwangsläufig,<br />
zeigt es doch, welche Chancen<br />
die moderne Technik bietet. Und die<br />
Zahlen belegen die Leistungsfähigkeit<br />
eindrucksvoll: In 17 Etappen legten<br />
Piccard und Borschberg in knapp 558<br />
Flugstunden insgesamt 43 041 Kilometer<br />
zurück. Dabei produzierten die<br />
Solarzellen der Solar Impulse 2<strong>11</strong> 655<br />
Kilowattstunden.<br />
Der Vorlauf des Rekordfluges, inklusive<br />
Forschung und Entwicklung<br />
sowie Bau und Test des Flugzeugs,<br />
betrug zwölf Jahre. Piccard, Doktor<br />
der Medizin im Spezialgebiet Psychiatrie,<br />
Entdecker und Luftfahrer,<br />
der 1999 die erste Nonstop-Weltumrundung<br />
im Ballon durchführte,<br />
ist der Initiator mit avantgardistischer<br />
Vision. Borschberg, Ingenieur und<br />
erfolgreicher Unternehmer, Kampfflugzeug-<br />
und Helikopterpilot, brachte<br />
seine Managementerfahrung ein.<br />
Borschberg leitete das Ingenieursteam,<br />
das die Solar Impulse 2 baute – ein<br />
Flugzeug der Extreme. Ihre Spannweite<br />
ist größer als die einer Boeing<br />
747 – auch, um die 17 000 Solarzellen<br />
unterzubringen. Die außergewöhnliche<br />
Konstruktion mit großer Spannweite<br />
und geringer Geschwindigkeit<br />
von im Schnitt nur 75 km/h brachte<br />
schwierige Flugeigenschaften mit<br />
sich. Turbulenzen und Schwingungen<br />
können die Solarpaneele beschädigen,<br />
weshalb genaue Wetteranalysen und<br />
Flugsimulationen nötig waren. Die<br />
vier Elektromotoren arbeiten mit<br />
einem Wirkungsgrad von 97 Prozent<br />
– die eines Verbrenners liegt bei<br />
gerade einmal 30 bis 35 Prozent. Die<br />
Struktur des Flugzeugs ist um ein<br />
Vielfaches leichter als die herkömm-
[ 1 ] [ 4 ]<br />
[ 2 ]<br />
[ 3 ]<br />
[ 5 ] [ 6 ]<br />
licher Flugzeugkonstruktionen. Um<br />
Gewicht zu sparen, musste auf<br />
Heizung und Druckkabine verzichtet<br />
werden, also auf jeden Komfort für<br />
den Piloten. Die Kabine ist dennoch<br />
so konzipiert, dass der Pilot das Flugzeug<br />
mehrere Tage am Stück steuern<br />
kann. Der Sitz ist zugleich Bett, Toilette<br />
und Fitnessgerät. Zudem enthält<br />
er Fallschirm, Rettungsfloß und Überlebensausrüstung.<br />
Eine Notwasserung<br />
wurde nicht in Betracht gezogen – das<br />
Risiko, durch die elektrische Ausrüstung<br />
einen tödlichen Stromschlag zu<br />
erleiden, wäre zu hoch. Im Notfall<br />
hätte der Pilot abspringen müssen.<br />
Doch nicht nur technisch wandelte<br />
Solar Impulse auf neuem Terrain.<br />
Auch fliegerisch mussten die Etappen<br />
so effizient wie möglich ablaufen. So<br />
startete das Flugzeug auf den meisten<br />
Etappen frühmorgens bis sechs<br />
Uhr mit der Batterieladung vom Vortag.<br />
In den nächsten zwölf Stunden<br />
stieg es auf mehr als 8000 Meter und<br />
nutzte die Energie, die durch die<br />
Sonneneinstrahlung erzeugt wurde.<br />
Dabei wurden auch die Batterien<br />
vollgeladen. Dann drosselte der Pilot<br />
die Leistung, und das Flugzeug sank<br />
[ 1 ] Das Kontrollzentrum<br />
in Monaco mit Livedaten.<br />
[ 2 ] Der portable Hangar<br />
wurde zum Schutz des<br />
Flugzeuges von der<br />
mobilen Bodenmannschaft<br />
mitgeführt.<br />
[ 3 ] Im Cockpit herrschten<br />
Extrembedingungen. Der<br />
Pilot war Sauerstoffmangel<br />
und Temperaturen bis zu<br />
-20 °C ausgesetzt.<br />
[ 4 ] Über dem Pazifik produzierte<br />
das Flugzeug mehr<br />
Strom, als ein deutscher<br />
Zweipersonenhaushalt im<br />
Jahr verbraucht.<br />
[ 5 ] Ein Teil des Teams folgte<br />
dem Flugzeug, um sich um<br />
Wartung und Handling zu<br />
kümmern.<br />
[ 6 ] Das Flight-Mission-Team<br />
stand in ständigem Funkkontakt<br />
mit dem Piloten.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 9
[ MOTORFLIEGEN Reportage ]<br />
„PIONIERE SUCHEN QUA DEFINITION DAS UNBEKANNTE.<br />
DAS IST IHR EIGENER ANTRIEB, DAS IST IHRE ENERGIE.“<br />
@andreborschberg<br />
[ 1 ]<br />
[ 3 ]<br />
[ 2 ]<br />
[ 1 ] Die Berichterstattung war ein<br />
enorm wichtiger Teil der Unternehmung.<br />
Ein möglichst großes<br />
Medienecho sollte die Vision einer<br />
sauberen Zukunft verbreiten.<br />
[ 2 ] Das Handling-Team flog per<br />
II-76 und ATR 72 vorweg.<br />
[ 3 ] Ankunft in New York. Von hier<br />
aus startete die Solar Impulse 2<br />
ihre Reise über den Atlantik.<br />
10 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 4 ]<br />
[ 5 ]<br />
[ 6 ]<br />
innerhalb von etwa vier Stunden auf<br />
nur noch 1500 Meter Höhe. So konnte<br />
es die Nacht durchfliegen, bis die<br />
aufgehende Sonne wieder Energie<br />
für den Steigflug lieferte. Der Zyklus<br />
begann von vorne.<br />
Trotz des Einsatzes modernster<br />
Werkstoffe kam es im Cockpit zu<br />
Temperaturschwankungen von –20<br />
bis +35 °C. Die Kleidung der Piloten<br />
bestand daher aus mehreren Schichten,<br />
die flexibel zu kombinieren<br />
waren. In Höhen über 3600 Meter<br />
ermöglichte eine Sauerstoffanlage<br />
das Atmen. Mahlzeiten mussten leicht,<br />
aber auch nahrhaft sein und wurden<br />
speziell für jeden Piloten entwickelt.<br />
Schwieriger war es mit der Erholung.<br />
Über bewohntem Gebiet und bei<br />
Flügen bis zu 46 Stunden gab es keinen<br />
Schlaf, nur Entspannungszeiten.<br />
Da das Flugzeug keinen Autopiloten,<br />
sondern nur eine Kurssteuerhilfe hat,<br />
waren auch auf den mehrtägigen<br />
Flügen nur Schlafphasen von 20 Minuten<br />
möglich. Bei einem Problem<br />
wurde der Pilot durch vibrierende<br />
Armbänder geweckt. Jeder Pilot hielt<br />
sich auf seine Weise fit: Selbsthypnose<br />
half Bertrand Piccard, André<br />
[ 4 ] Kurz vor Abschluss der<br />
Mission stattete die Solar<br />
Impulse auch Kairo noch<br />
einen Besuch ab.<br />
[ 5 ] Halbzeit über<br />
San Francisco.<br />
[ 6 ] Gruppenbild nach der<br />
erfolgreichen Rückkehr.<br />
Die Grafik veranschaulicht<br />
das Flugprofil und die<br />
Lade- und Entladezyklen<br />
der Akkus der Solar<br />
Impulse 2.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> <strong>11</strong>
[ MOTORFLIEGEN Reportage ]<br />
„DIE ANKUNFT ÜBER DEN PYRAMIDEN, ALS DIE SONNE GERADE<br />
AUFZUGEHEN BEGANN – DAS WAR EIN BERAUSCHENDES GEFÜHL.“<br />
@andreborschberg<br />
[ 1 ] Die Gesamtdistanz der Reise betrug<br />
43 041 km und bestand aus 17 Etappen.<br />
[ 2 ] Bertrand Piccard und André Borschberg in<br />
Siegerpose nach Erreichen des großen Ziels.<br />
[ 3 ] Von insgesamt 505 Tagen für die gesamte<br />
Tour war das Flugzeug 23 Tage in der Luft.<br />
[ 3 ]<br />
[ 1 ]<br />
[ 2 ]<br />
Borschberg putschte sich mit Yoga<br />
und Meditation auf.<br />
Höhepunkt der Reise war die Überquerung<br />
des Pazifiks. Die erste Etappe<br />
nach Hawaii dauerte fast <strong>11</strong>8<br />
Stunden. Zum Vergleich: Lindberghs<br />
Nonstop-Flug über den Atlantik 1927<br />
dauerte gerade einmal 33,5 Stunden.<br />
Die enorme Leistung forderte allerdings<br />
ihren Tribut. Die Batterien<br />
überhitzten und wurden nach dem<br />
Flug vorsorglich ausgetauscht. Das<br />
verzögerte die Weltumrundung um<br />
mehr als ein Dreivierteljahr und kostete<br />
rund 20 Millionen Euro extra. Seit<br />
2003 betrug das Gesamtbudget für<br />
das Projekt rund 170 Millionen Dollar.<br />
Insgesamt waren etwa 90 Personen,<br />
darunter Ingenieure, Techniker,<br />
Meteorologen, Mathematiker und<br />
Fluglotsen, im Team dabei, ein Teil<br />
davon folgte dem Flugzeug, um sich<br />
um Wartung und Handling zu kümmern.<br />
Auf den Reisen hatte es einen<br />
speziellen portablen Hangar dabei,<br />
um das übergroße Flugzeug vor der<br />
Witterung zu schützen. Für den Transport<br />
wurden eine Iljuschin Il-76 und<br />
eine ATR 72 gechartert.<br />
ae<br />
12 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ KOLUMNE ]<br />
Als Dr. Spornrad beleuchtet ein Kenner der Szene exklusiv für den <strong>aerokurier</strong> die großen und kleinen Geheimnisse der GA<br />
Muskelkraft, Gummimotor oder<br />
doch der Elektroantrieb?<br />
Unser Kolumnist, der große Verbrenner wirklich mag, springt über seinen Schatten und gibt zu,<br />
dass an der Elektrotechnik für die Fliegerei der Zukunft wohl kein Weg vorbeiführen wird.<br />
Illustrationen: Harald Hornig<br />
schritt“. Okay – zu Zeiten, wo alles (zu Recht!)<br />
auf Bio und Öko steht, warum nicht auch mit<br />
„Fort-Schritt“, sprich Muskelkraft, in die<br />
dritte Dimension entfliegen? Nee – scheidet<br />
auch wieder aus wegen mangelnder<br />
Kondition. Ich will ja nicht<br />
schon bei der Halbbahnmarkierung<br />
meiner 500-Meter-<br />
Piste mit ’nem Kreislaufkollaps<br />
den Landevorgang<br />
einleiten müssen.<br />
Was bleibt also<br />
abseits von fossilen<br />
Brennstoffen übrig –<br />
den Holzvergaser mal<br />
außen vorgelassen –, um<br />
unseren Flugapparat in<br />
eine stabile „Erdumlaufbahn“<br />
zu bringen? Elektrizität könnte<br />
das Zauberwort für die echte Zukunft<br />
sein. Tolle Sache! Bedenklich nur die Berichte<br />
der Tagespresse im Zusammenhang mit den<br />
gegenwärtig noch verbauten Akkus. Egal ob<br />
Mobiltelefon, Pkw, Tablet oder Flugzeugbatterie<br />
– zuweilen neigen die Dinger zur Selbstentzündung<br />
ähnlich einer Ansammlung falsch<br />
gelagerter Strohballen. Aber halt – wie war<br />
das vor etwas mehr als 100 Jahren? Sind da<br />
nicht auch irgendwelche Zerknalltreiblinge<br />
neu entwickelt worden, die am Anfang ihrer<br />
Evolution womöglich mehr Flammen nach<br />
außen als im Verbrennungsraum erzeugt<br />
haben?<br />
Ich finde es faszinierend, wenn an umweltverträglichen<br />
und sogenannten Nullemissions-<br />
Triebwerken geforscht und entwickelt wird.<br />
Ist der Weg dorthin noch weit? Geht es via<br />
Hybrid vielleicht schneller? In diesen Tagen<br />
habe ich eine Neuentwicklung von Dr. Reiner<br />
Stemme wahrgenommen. Einen doppelsitzigen<br />
elektrisch betriebenen Selbststarter (die EASA<br />
muss final noch mitteilen, ob das<br />
ein TMG ist oder ein Segelflugzeug).<br />
Die Antriebstechnologie<br />
– Elektromotor via<br />
Akku. Unter dem Flügel ein,<br />
ähm, Wetterradar? Nein<br />
– ein kleiner Verbrennungsmotor,<br />
der den<br />
Generator betreibt, um<br />
den Akku zu laden. Die<br />
Reichweite ist mit mehr<br />
als 1000 Kilometern prognostiziert.<br />
Und die Gegenwart lässt<br />
es bereits heute zu, dass ein<br />
manntragendes Flugzeug um den<br />
Erdball fliegt – 40000 Kilometer, und<br />
das fast ohne Akku, nur mit Solarkraft gespeist.<br />
Das ist Innovation! Dem Solar-Impulse-Team<br />
gebührt der gleiche Platz in der Luftfahrtgeschichte<br />
wie Otto Lilienthal, Gustav Weißkopf<br />
und von mir aus auch den Gebrüdern Wright.<br />
Statt zu forschen, wie das seit 30 Jahren totgesagte<br />
Avgas alternativ weiterröhren darf,<br />
sollten diese Gelder lieber in innovative neue<br />
Antriebstechnologien gesteckt werden.<br />
Vielleicht schlägt eines Tages ein mit Soundprozessor<br />
versehener Elektromotor als Herz<br />
in einer Stearman und erlaubt es der alten<br />
Dame, mittels Tausender Newtonmeter Drehmoment<br />
die Hawker Harrier als Senkrechtstarter<br />
abzulösen? Ein verrückter Gedanke? Von<br />
mir aus ja – aber nur durch verrückte Ideen<br />
sind wir alle überhaupt erst in die Luft gekommen<br />
–, weiter so!<br />
ae<br />
Antriebstechnologien für Flugzeuge<br />
haben mich schon immer irgendwie<br />
fasziniert. Mit Schrecken erinnere ich<br />
mich an den Gummimotorantrieb meiner Balsa-Bölkow-Monsun<br />
aus dem Repertoire eines<br />
großen deutschen Modellflugzeugherstellers.<br />
Gut oder – korrekter – zu gut aufgezogen, zerriss<br />
der Gummi den schön gebauten Rumpf<br />
nach wenigen Sekunden Flug in zwei Hälften,<br />
und ich konnte den Apparat als Schrotthaufen<br />
in der Totalverlustliste meines Modellbautagebuches<br />
archivieren.<br />
Nachdem ich vom Modellflug in den manntragenden<br />
motorlosen Flug gewechselt hatte,<br />
habe ich in die Holzbautechnologie dank<br />
Konstrukteur Kaiser wieder mehr Vertrauen<br />
bekommen. Mein Segelfluglehrer allerdings<br />
bescheinigte mir schon von Anfang an, dass<br />
ich mehr der Motor- als der Segelflieger sei.<br />
Ich glaube, er hatte recht.<br />
Nun gut, meine Lieblingsmotoren sind großvolumige<br />
Viertaktmotoren – meist als Herz in<br />
weisen, lebenserfahrenen Flugzeugen vorzufinden.<br />
Das Zeug, welches hochdreht und die<br />
Kraft über ein Getriebe reduziert auf die Latte<br />
bringt, fand ich noch nie überzeugend. Was<br />
gibt’s denn sonst noch? „Watt is ’n Dampfmaschin’?“<br />
wird in der „Feuerzangenbowle“<br />
gefragt. Aber als Antriebstechnologie? Nee<br />
– das kommt nur in den Märchenbüchern der<br />
französischen Luftfahrtgeschichte mit Clément<br />
Ader vor. Oder vielleicht einen Fluxkompensator?<br />
Nee – das war ja wieder nur das Ding<br />
mit dem „Zurück in die Zukunft“-Bonus. Da<br />
müssen wir wohl noch etwas drauf warten.<br />
Impulsantrieb vom „Raumschiff Enterprise“?<br />
Da sind wir auch noch zu jung dafür. Obwohl,<br />
1966 erstmals auf der Mattscheibe zu sehen,<br />
hätte der Amerikaner ja genug Zeit gehabt,<br />
das Ding aus dem Film serienreif zu<br />
entwickeln. Er gibt ja auch vor,<br />
nur drei Jahre nach der Uraufführung<br />
auf dem Mond gewesen<br />
sein zu wollen, und<br />
für diese Antriebstechnologie<br />
hat er nur zehn<br />
Jahre gebraucht.<br />
Sei’s drum. Die<br />
Bücher und Fotos<br />
dokumentieren<br />
ja den „Fort<strong>aerokurier</strong><br />
<strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 13
[ NEWS ]<br />
Red Bull Air Race<br />
DOLDERER HOLT DEN TITEL<br />
Mit seinem Sieg beim 7. Lauf der Red Bull Air Race Series <strong>2016</strong> in Indianapolis hat sich Matthias<br />
Dolderer vorzeitig den Titel der Red-Bull-Air-Race-Weltmeisterschaft <strong>2016</strong> gesichert. „Wahnsinn, ein Traum<br />
ist wahr geworden!“, jubelte Dolderer nach seinem Coup. „Ich habe versucht, alles auszublenden, und<br />
habe mich nur von Lauf zu Lauf konzentriert.“ Der Tannheimer setzte sich im Final 4 mit 1:03,335 Minuten<br />
gegen den Briten Nigel Lamb (1:04,326) und Pete McLeod aus Kanada (1:05,398) durch. Vizeweltmeister<br />
Matt Hall war der einzige Pilot, der dem Deutschen den Titel noch hätte streitig machen können, traf<br />
im Final 4 jedoch einen Pylonen und erhielt eine Strafe von drei Sekunden (1:06,623). Der Australier<br />
wurde Vizeweltmeister. Das Finalrennen der Red-Bull-Air-Race-Weltmeisterschaft <strong>2016</strong> steht am 15./16.<br />
Oktober im Sportkalender. Ausgetragen wird es, auch wenn es an den Spitzenplatzierungen nichts mehr<br />
ändern wird, in der Spielerstadt Las Vegas in Nevada, USA.<br />
Für das Garmin G5 gibt es jetzt die<br />
FAA-Zulassung mit einer „approved<br />
model list“ (AML), sodass dieses<br />
Primary Flight Display in bis<br />
zu 562 verschiedenen Flugzeugmustern<br />
verwendet werden kann.<br />
Das Garmin G5 kann den pneumatisch<br />
betriebenen künstlichen<br />
Horizont und Wendezeiger ersetzen<br />
und liefert darüber hinaus auf<br />
dem brillanten 3,5 Zoll großen<br />
Farbdisplay die Anzeigen für Fahrt<br />
und barometrische Höhe, des<br />
Variometers, der Drehrate und<br />
einer Libelle (Slip/Skid). Ebenso<br />
werden der GPS-Track und die<br />
Geschwindigkeit über Grund<br />
dargestellt. Mit einem Drehknopf<br />
kann die Einstellung des barometrischen<br />
Drucks (QNH) aktualisiert<br />
werden, zudem sind Flughöhen<br />
vorwählbar. Das Garmin G5 ist für<br />
VFR- und IFR-Flüge zugelassen.<br />
Start am 1. November: Der DWD<br />
gestaltet Flugwetterberichte moderner.<br />
Offener Side-by-Side-Gyrocopter<br />
TRIXY AVIATION SORGT FÜR SPIRIT<br />
Große Twin<br />
DIE TECNAM P2012 TRAVELLER FLIEGT<br />
Die mit zwei 350 PS starken Lycoming bestückte P2012 Traveller, die bis<br />
zu elf Personen aufnehmen kann, nahm auf dem Werksflugplatz in Capua,<br />
Italien, erfolgreich die Flugerprobung auf. Testpilot Lorenzo De Stefano<br />
konnte die Tecnam P2012 in einer ganzen Reihe von Manövern erproben.<br />
„Die P2012 verhielt sich exakt so, wie wir das erwartet hatten“, berichtete<br />
De Stefano. Das Entwicklungs- und Konstruktionsteam von Professor<br />
Luigi Pascale hat damit eine moderne Twin in der Zulassungskategorie<br />
FAR 23/CS 23 auf den Weg gebracht, die viele inzwischen im Oldtimerstatus<br />
angelangte Flugzeuge dieser Größenklasse ersetzen kann.<br />
Mit dem offenen Side-by-side-Tragschrauber „Spirit“ landet Rainer<br />
Farrag, Inhaber und Mastermind von Trixy Aviation, den nächsten<br />
Coup. Offene Tandemsitzer sind bei den Gyrocoptern üblich – aber<br />
den Wind um die Nase und den Co-Piloten neben sich, das bietet<br />
bislang kein Hersteller. Auch das Design ist für Tragschrauber-Verhältnisse<br />
ein Novum: Das Rumpfboot ist flach wie ein Sportwagen und<br />
vor jedem Cockpit sorgt<br />
eine kleine Scheibe für<br />
etwas Windschutz.<br />
Am 8. Oktober ist der<br />
Trixy Spirit in Slowenien<br />
das erste Mal geflogen,<br />
pilotiert von Rainer Farrag<br />
höchstselbst. In der Dezemberausgabe<br />
nimmt<br />
<strong>aerokurier</strong>-Autor Toni<br />
Ganzmann den Trixy<br />
Spirit ganz genau unter<br />
die Lupe.<br />
14 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Jubiläum bei Daher<br />
800. TBM VERLÄSST DAS WERK<br />
Erstflug in Dübendorf<br />
JUNKERS F13 VON RIMOWA<br />
Mit einem offiziellen Erstflug wurde in Dübendorf die Fertigstellung<br />
des historischen Verkehrsflugzeugs durch die Rimowa Flugzeugwerke<br />
AG gefeiert. Im Cockpit saßen Oliver Bachmann, verantwortlich<br />
für das Flugtestprogramm, und Rimowa-Chef Dieter Morszeck als<br />
Copilot. „Mein Traum ist wahr geworden“, sagte Morszeck, Privatpilot<br />
und Finanzier des Projekts, überglücklich. Die Rimowa-F13<br />
entspricht weitgehend dem Original von 1919, hat aber einige<br />
Attribute für den Betrieb auf modernen Pisten wie Radbremsen<br />
und Spornrad statt Schleifsporn. Für den Antrieb sorgt ein 450 PS<br />
starker Sternmotor Wasp Junior R985 von Pratt & Whitney. Dem<br />
etwa zwei Jahre dauernden Bau waren umfangreiche Recherchen<br />
vorausgegangen, da es keine kompletten Originalpläne des ersten<br />
Ganzmetall-Verkehrsflugzeugs der Welt mehr gibt.<br />
Der französische Flugzeughersteller Daher hat das 800. Flugzeug seiner<br />
Business-Turboprop-Reihe TBM fertiggestellt. Dabei handelt es sich um<br />
eine TBM 930, das jüngste Muster der erfolgreichen Business-Turboprop-<br />
Familie. Die TBM 700, die 1991 in Produktion ging, war die erste zivile<br />
Single-Turboprop mit Druckkabine. Nicolas Chabbert, Senior Vice President<br />
der Flugzeugsparte von Daher, gab sich bei der feierlichen Auslieferung<br />
des 800. Exemplars zuversichtlich, dass Daher mit den kontinuierlichen<br />
Weiterentwicklungen für die Zukunft gut aufgestellt sei. Den Erfolg<br />
verdanke man nicht zuletzt den engagierten Mitarbeitern und treuen<br />
Kunden, die dem Unternehmen über Jahre die Treue gehalten haben.<br />
„Die Auslieferung der 800. TBM ist ein Meilenstein, der den Erfolg unserer<br />
Flugzeugfamilie aus schnellen Turboprops unterstreicht, die sich seit 25<br />
Jahren erfolgreich am Markt behauptet“, sagte Nicolas Chabbert. Einen<br />
Aufschwung nahm das Unternehmen 2006 mit Einführung der TBM 850,<br />
deren Pratt & Whitney Canada PT6 850 PS leistete.<br />
Daher lieferte jetzt in der jüngsten Variante der TBM 930 das 800.<br />
Flugzeug der erfolgreichen Business-Turboprop-Reihe aus.<br />
Einen Großauftrag über 15 ES15<br />
hat jetzt die Ecarys GmbH, ein<br />
Tochterunternehmen der Stemme<br />
AG, vom französischen Mischkonzern<br />
Safran erhalten und erweitert<br />
nun für die Fertigung den Standort<br />
in Strausberg. Ecarys bietet<br />
das Nutzflugzeug als Plattform für<br />
Aufklärungs- und Überwachungszwecke<br />
seit 2014 an. Entwickelt<br />
hat Stemme die ES15 in Zusammenarbeit<br />
mit der Technischen<br />
Universität Dresden. Für Safran<br />
wird sie für das französische Heer<br />
angepasst. Wichtigste Kriterien im<br />
Auswahlprozess waren die Größe<br />
des Flugzeugs sowie das Abfluggewicht<br />
von <strong>11</strong>00 Kilogramm. Mit<br />
dem Safran Patroller System wird<br />
das Flugzeug ein noch mal höheres<br />
Abfluggewicht aufweisen, womit<br />
eine Flugzeit von mindestens<br />
20 Stunden möglich sein soll.<br />
Ecarys stellt mit der Erweiterung<br />
im Technologie- und Gründerzentrum<br />
STIC Arbeitsplätze für weitere<br />
15 Ingenieure bereit.<br />
EPS Graflight V8<br />
ZERTIFIZIERUNG 2017<br />
Gerhard Glaser, Gründer von Glaser-<br />
Dirks Flugzeugbau und damit auch<br />
Mitschöpfer zahlreicher Segelflugzeugmuster,<br />
ist Ende August im Alter von<br />
80 Jahren gestorben. Zusammen mit<br />
Konstrukteur Wilhelm Dirks hatte der<br />
Unternehmer und engagierte Segelflieger<br />
1973 die Firma Glaser-Dirks Flugzeugbau<br />
aus der Taufe gehoben. Es<br />
Der Flugdiesel der 300- bis 400-PS-Klasse des USamerikanischen<br />
Unternehmens EPS soll jetzt reif<br />
sein für den Zulassungsprozess bei der FAA. Der<br />
EPS Graflight V8 ist für die Verwendung von Jet A-1,<br />
JP-8 und Diesel ausgelegt. Das Triebwerk verfügt<br />
über ein vollelektronisches Motormanagement von<br />
Bosch, die Einhebelbedienung soll die Arbeitsbelastung<br />
des Piloten deutlich reduzieren. Avisiert wird<br />
eine TBO von 3000 Stunden, das wäre ein neuer<br />
Spitzenwert bei Flugdieselmotoren.<br />
entstand sehr schnell das Standard-<br />
Klasse-Flugzeug DG-100. Für die<br />
Rennklasse folgte die DG-200 und als<br />
Doppelsitzer die DG-500. Ein großer<br />
Erfolg wurde der erste serienmäßig<br />
hergestellte, alltagstaugliche Eigenstarter,<br />
die DG-400. Heute fliegen mehr als<br />
2000 Flugzeuge mit den Initialen von<br />
Gerhard Glaser und Wilhelm Dirks.<br />
Fotos: EPS, Daher, Diamond Aircraft, Philipp Prinzing, Tecnam, Toni Ganzmann<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 15
[ MOTORFLIEGEN Flugzeugreport ]<br />
Cessna O-1 Bird Dog<br />
AUTOREN:<br />
Andrea Rossetto, Lars Reinhold<br />
ÜBERSETZUNG:<br />
Vanessa K. Spinetti<br />
FOTOS: Philipp Prinzing<br />
CESSNAS<br />
16 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Luftaufklärung, Kurierdienst,<br />
Search and Rescue: Die Cessna<br />
O-1 Bird Dog war für US-Army,<br />
Marines und Air Force das<br />
fleißige Arbeitstier. Mit seiner<br />
detailverliebten Restaurierung<br />
setzt der Italiener Andrea Rossetto<br />
diesem Flugzeug und seinen<br />
Piloten ein würdiges Denkmal.<br />
ANGRY BIRD<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 17
[ MOTORFLIEGEN Flugzeugreport ]<br />
In der Frontansicht wirkt die<br />
Bird Dog aggressiver als andere<br />
Cessnas, nicht nur wegen der<br />
gefletschten Zähne.<br />
18 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 1 ]<br />
[ 1 ] Im Cokpit ist fast alles original geblieben. Das M16 gehörte in Vietnam zur<br />
Grundausstattung – damals allerdings nicht als Attrappe. [ 2 ] Sicherheitshinweise auf<br />
dem Raketenstartrohr. [ 3 ] Beim Vorbild war der Feuerlöscher-Schriftzug schief<br />
aufgebracht. Andreas Bird Dog folgt auch hier dem Original. [ 4 ] Detailverliebt bis ins<br />
Letzte ist die Restaurierung, einschließlich alter Hanfseile.<br />
[ 2 ]<br />
[ 3 ]<br />
[ 4 ]<br />
Für den Anfang dieser<br />
Geschichte muss man zurückgehen<br />
bis ins Jahr 2000,<br />
als ich eine Einweisung auf<br />
eine Cessna O-1 bekam. Und ehrlich,<br />
es war Liebe auf den ersten Blick.<br />
Mein Erfahrungsschatz auf Spornradflugzeugen<br />
beschränkte sich auf<br />
einige Dutzend Stunden auf einer<br />
PA-18, 90 PS und ohne<br />
Klappen. Entsprechend<br />
großen Respekt<br />
hatte ich vor der Bird<br />
Dog. Eigentlich war<br />
es sogar eine bittersüße<br />
Angst. Der riesige<br />
Propeller, das hohe Fahrgestell<br />
und der zweifelhafte Ruf, bei der Landung<br />
wie ein wildgewordenes Pferd<br />
gezähmt werden zu müssen – die Bird<br />
Dog hatte mich in ihren Bann gezogen.<br />
Aber ich hatte einen fantastischen<br />
Lehrer, der mir beibrachte,<br />
die Marotten des Flugzeugs zu beherrschen.<br />
Im Zuge vieler Flüge, bei<br />
denen ich Segelflugzeuge in die Luft<br />
schleppte, konnte ich später reichlich<br />
Erfahrung auf dem Muster sammeln.<br />
Die Geschichte meiner eigenen<br />
Bird Dog beginnt 2009. Ich hatte gerade<br />
die Restauration einer Aermacchi<br />
MB 308 abgeschlossen und Lust<br />
auf ein neues Projekt. Das Interesse<br />
an der Bird Dog flammte wieder auf,<br />
und ich arbeitete mich durch alle<br />
Informationen, die ich zu diesem Typ<br />
finden konnte. Videos, Fotos und<br />
Nachrichten aller Art zum Einsatz in<br />
Korea, in Vietnam und schließlich zu<br />
ALLEIN DER GERUCH, DEN DER<br />
HAUFEN FLUGSCHROTT VOR MIR<br />
VERSTRÖMT, FASZINIERT MICH.<br />
ihrer Verwendung in der italienischen<br />
Armee – unschätzbare Quellen! Ich<br />
begann auch, Bilder von jedem italienischen<br />
Exemplar zu sammeln.<br />
Bei den Nachforschungen fällt mir<br />
auf, dass in Foligno, 120 Kilometer<br />
nördlich von Rom, ein Exemplar existieren<br />
soll, von dem ich noch nie gehört<br />
habe: die I-EIAI. Kaum meldet<br />
sich der Präsident des dortigen Aeroclubs<br />
am Telefon, habe ich Gewissheit.<br />
Es gibt sie, aber beschädigt. Wenige<br />
Tage später fahre ich hin. Als sich<br />
die Tore des rostigen Hangars öffnen,<br />
ist es, als ob eine Schatztruhe aufgeht.<br />
Ganz am Ende der Halle entdecke<br />
ich zwischen vielen Segelflugzeug-<br />
Tragflächen hindurch das wunderschöne<br />
Leitwerk der Bird Dog. Ich<br />
muss meine Gefühle im Zaum halten,<br />
als ich mich nähere, bin aufgeregt<br />
wie ein kleines Kind. Sie sieht mitgenommen<br />
aus. Fingerdicker Staub,<br />
eine beschädigte<br />
Tragfläche ohne<br />
Querruder, ein Riss<br />
im Bauch, der wohl<br />
von der Kollision mit<br />
einer Lampe der Pistenbeleuchtung<br />
herrührt.<br />
Das Cockpit eine einzige Rumpelkammer<br />
mit Verkleidungen und<br />
Anbauteilen voller Vogelkacke. Dennoch<br />
zieht mich das Flugzeug in seinen<br />
Bann, die Zeit scheint stillzustehen.<br />
Allein der Geruch, den dieser<br />
Haufen Flugschrott verströmt, lässt<br />
in meinem Kopf längst vergangene<br />
Einsatzszenarien lebendig werden.<br />
Als ich etwas Staub abwische,<br />
merke ich, dass die Substanz besser<br />
ist, als sie auf den ersten Blick aussieht.<br />
Die Verhandlungen sind kurz und<br />
schmerzlos. Seit neun Jahren hat sich<br />
Die saubere Bemalung<br />
der Cowling war alles<br />
andere als einfach, gibt<br />
Andrea freimütig zu.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 19
[ MOTORFLIEGEN Flugzeugreport ]<br />
In diesem Zustand fand<br />
Andrea Rossetto seine<br />
Bird Dog im Hangar eines<br />
Clubs in Mittelitalien.<br />
Lichtspiel: Andreas Bird Dog mit<br />
einer zweiten O-1 im Formationsflug<br />
über der Eifel.<br />
niemand für die Bird Dog interessiert,<br />
und der Clubpräsident und ich einigen<br />
uns per Handschlag. Es ist der 30.<br />
Januar 2009, und ich glaube mich zu<br />
erinnern, dass es mir auf der Heimfahrt<br />
im Auto vorkam, als würde ich fliegen.<br />
Nachdem einige bürokratische<br />
Hürden gemeistert sind, geht es wieder<br />
nach Foligno. Es ist ein heißer<br />
Julitag, als mein Vater und Gianni<br />
Pesce, ein Flugzeugtechniker, mir<br />
dabei helfen, die Bird Dog transportfertig<br />
zu zerlegen. Die Hitze macht<br />
es fast unmöglich, die dunklen Teile<br />
zu berühren, aber schließlich tritt die<br />
Bird Dog den Weg in ihr zweites<br />
Leben an. In einem Sägewerk in<br />
Padua unweit von Venedig habe ich<br />
in einer kleinen Halle die Möglichkeit,<br />
das Projekt in aller Ruhe durchzuziehen.<br />
Dort angekommen, heißt es die<br />
Maschine komplett zu zerlegen. Ich<br />
katalogisiere alle Einzelteile und analysiere<br />
die Schäden, um mir einen<br />
genauen Plan der anstehenden Arbeiten<br />
zu machen. Das Ziel steht zu<br />
diesem Zeitpunkt bereits fest: eine<br />
komplette Restaurierung der Zelle<br />
und Anbauteile, die so nahe wie möglich<br />
am Original sein sollte.<br />
20 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 1 ]<br />
[ 2 ]<br />
[ 1 ] Das Vorbild für Andreas Bird Dog im Einsatz in Vietnam. [ 2 ] Andrea Rossetto vor<br />
seinem Werk. Sogar den Helm hat er passend gestaltet. [ 3 ] Pilot Warrant Officer Rick<br />
Shoup posiert bei der Vorflugkontrolle für den Fotografen. 1967/68 flog er insgesamt mehr<br />
als 1000 Stunden als Aufklärer über dem Mekongdelta. [ 4 ] Die unverwechselbare Tür mit<br />
dem Drachen und Rick Shoups Namen. Mit diesem Schriftzug nahm auch Andreas<br />
Recherche zur „Mekong Mauler“ ihren Anfang. [ 5 ] Startbereitschaft in Vietnam.<br />
[ 3 ] [ 4 ]<br />
[ 5 ]<br />
Historische Fotos: Archiv Andrea Rossetto<br />
Jetzt kommt mir meine intensive<br />
Recherche vorab zugute, denn ich<br />
kenne jedes Gerät, jedes Instrument<br />
und jedes Ausstattungsdetail, das<br />
irgendwann mal an oder in diesem<br />
Flugzeug verbaut war. Was fehlt, muss<br />
organisiert werden, beispielsweise<br />
die Antennen, passende Scheinwerfer,<br />
Pylonen, das alte Funkgerät ...<br />
Die eigentliche<br />
Restauration beginnt<br />
mit dem Entfernen<br />
der Lackierung. Ich<br />
prüfe alle Einzelteile<br />
auf Korrosion und<br />
Schäden. Was reparabel<br />
ist, wird instand gesetzt; ist<br />
eine Reparatur nicht möglich, müssen<br />
Ersatzteile her. Die Steuerseile kommen<br />
allesamt neu, die Instrumente<br />
gehen ebenso zur Überprüfung wie<br />
die Hilfsaggregate. Motor und Propeller<br />
bekommen eine Revision, die<br />
gesamte Elektronik wird auf den Stand<br />
der Technik gebracht, und zwar so,<br />
dass das historische Ambiente nicht<br />
darunter leidet. Auch das Interieur,<br />
die Sitze, Polster und Bezüge, erhalten<br />
eine Frischzellenkur, sodass die<br />
Bird Dog am Ende aussieht, als sei<br />
sie frisch an die Air Force oder die<br />
Army ausgeliefert worden.<br />
Einmal mehr wird mir bewusst,<br />
wie anspruchsvoll ein solches Projekt<br />
ist, denn man muss bei der Arbeit<br />
die Eigenheiten der seinerzeit verwendeten<br />
Materialien und Techniken<br />
beachten. Das gilt umso mehr, wenn<br />
das Ergebnis authentisch sein soll.<br />
AUF DEN FOTOS WAR EIN NAME<br />
ZU LESEN: SHOUP. NUN KONNTE<br />
DIE SPURENSUCHE BEGINNEN.<br />
Kunststoff-Kabelbinder? Ein No-Go!<br />
Gewachster Faden ist in diesem Fall<br />
das Mittel der Wahl.<br />
Die Entscheidung, wie meine Bird<br />
Dog am Ende aussehen soll, schiebe<br />
ich lange vor mir her. Fest steht nur,<br />
es soll keine nach Vorbild derer sein,<br />
die in der italienischen Armee geflogen<br />
sind. Renzo Catellani hat bereits<br />
eine großartig restaurierte Bird Dog<br />
in diesem Design, und meine hätte<br />
sich dann nur in Details von seiner<br />
unterschieden. Beim Surfen im Internet<br />
finde ich schließlich ein Vorbild:<br />
eine O-1 der 199th Recon Airplane<br />
Company „Swamp Foxes“. Das aggressive<br />
Maul und die dazu passenden<br />
Augen auf der Cowling stehen<br />
bei dieser Cessna in interessantem<br />
Kontrast zur liebevollen Gestaltung<br />
der Tür, auf die ein Soldat einen stilisierten<br />
Drachen und den Schriftzug<br />
„Mekong Mauler“ gepinselt hatte.<br />
Das würde meine Bird<br />
Dog werden! Auf den<br />
Fotos ist sogar ein<br />
Name zu lesen:<br />
Shoup. P. WO I Shoup.<br />
Ich setze alles daran,<br />
so viel wie möglich<br />
über die Bird Dog des Soldaten Shoup<br />
herauszufinden. Anhand der Identifikationsnummer<br />
O-<strong>11</strong>952 finde ich<br />
einige Fotos in Publikationen der<br />
damaligen Zeit – die gefletschten<br />
Zähne haben offenbar nicht nur mich<br />
fasziniert. Die Lackierung der Dog<br />
– olivgrün mit schwarzer Schrift – war<br />
seinerzeit US-Army-Standard. Allerdings<br />
waren die Querruder, Landeklappen<br />
und das Höhenruder an<br />
Shoups Flugzeug chromgelb lackiert,<br />
um den Aufklärer aus Sicht von Bomberbesatzungen<br />
vor dem Hintergrund<br />
Ein besonderes Autogramm:<br />
Rick Shoups<br />
Grüße auf der Kartenbox<br />
der restaurierten Bird Dog.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 21
[ MOTORFLIEGEN Flugzeugreport ]<br />
Daten Cessna O-1 Bird Dog<br />
Hersteller: Cessna Zulassung: italienisch<br />
Sitzplätze: 2 Bauweise: Ganzmetall<br />
Verwendung: Beobachtungs-/Verbindungsflugzeug<br />
Antrieb<br />
HerstellerContinental<br />
Art <br />
Sechszylinder-Boxermotor<br />
TypO-470-<strong>11</strong><br />
max. Leistung<br />
213 PS/158 kW<br />
Propeller<br />
HerstellerMcCauley<br />
Typ<br />
Zweiblatt-Festpropeller aus Metall<br />
Abmessungen<br />
Länge<br />
7,38 m<br />
Spannweite<br />
10,97 m<br />
Flügelfläche 16,17 m²<br />
Massen und Mengen<br />
Leermasse<br />
Maximalmasse<br />
Tankinhalt<br />
Flugleistungen<br />
Startrollstrecke, Klappen 30°<br />
bestes Steigen<br />
Reisegeschwindigkeit<br />
V NE <br />
V S mit voll gesetzten Klappen<br />
830 kg<br />
1090 kg<br />
158 l<br />
<strong>11</strong>5 m<br />
2000 ft/min<br />
90 KIAS<br />
165 KIAS<br />
41 KIAS<br />
Der Spaß steht Andrea<br />
ins Gesicht geschrieben,<br />
wenn er mit seiner Bird<br />
Dog unterwegs ist.<br />
Andrea und Renzo eint<br />
die Leidenschaft für die<br />
Flugzeuge der Forward Air<br />
Controllers über Vietnam.<br />
des grünen Dschungels besser sichtbar<br />
zu machen. Eine weitere Besonderheit<br />
von Shoups Maschine: Sie<br />
trägt vier Startrohre für Markierungsraketen<br />
unter jeder Tragfläche. Üblich<br />
waren sonst nur zwei.<br />
Immer tiefer steige ich in die<br />
Geschichte meiner Bird Dog ein. Ich<br />
finde sogar einen alten Dienstplan<br />
der Piloten, die in dieser Abteilung<br />
flogen, und – ich traue meinen Augen<br />
kaum – eine E-Mail-Adresse! Die von<br />
Rick Shoup. Sofort schreibe ich ihm<br />
und erzähle voll überschwänglichem<br />
Enthusiasmus von meinem Projekt<br />
und dass ich dafür Fotos, Publikationen<br />
und Anekdoten benötige. Und<br />
in diesem Moment beginnt ein Abenteuer<br />
im Abenteuer!<br />
Rick Shoup ist überrascht und fühlt<br />
sich geehrt, dass sich jemand auf der<br />
anderen Seite der Welt, der diese Zeit<br />
gar nicht erlebt hat, so für seine<br />
Geschichte und die seines Flugzeugs<br />
interessiert. Später erzählt er mir, dass<br />
ihn mein Anruf dazu bewegt habe,<br />
sich mit einem Teil seines Lebens<br />
zu beschäftigen, den er aus vielerlei<br />
Gründen in einer Schublade eingeschlossen,<br />
aber nie vergessen hatte.<br />
Der Nachrichtenaustausch intensiviert<br />
sich, und eines Tages erhalte<br />
ich ein kleines Paket aus den Vereinigten<br />
Staaten. Absender: Rick Shoup.<br />
Als ich es öffne, schießen mir die<br />
Tränen in die Augen, denn mir wird<br />
schlagartig bewusst, wie viel Vertrauen<br />
ich mir mit meinem Projekt<br />
von Rick Shoup erworben habe. In<br />
dem Paket finde ich seine Medaillen,<br />
die er für Einsätze erhielt, die Abzeichen<br />
seiner Uniform sowie eine Karte<br />
und seinen Flughelm. Den Helm,<br />
den er in Vietnam bei seinen gefährlichen<br />
Einsätzen getragen hatte! Welch<br />
wertvolle, authentische Reliquien!<br />
Die Arbeit am Flugzeug geht<br />
unterdessen beständig voran – auch<br />
wenn die Bürokratie zwischenzeitlich<br />
einigen Stress verursacht. Die Restauration<br />
wird vom Club Aviazone<br />
Popolare – dem italienischen Äquivalent<br />
zur amerikanischen EAA –<br />
begleitet, und die Vorbereitung der<br />
vielen notwendigen Dokumente ist<br />
alles andere als einfach.<br />
Die Lackierung ist eine besondere<br />
Herausforderung. Ich stelle mich<br />
ihr im Wissen, dass diese die für alle<br />
Außenstehenden auf Anhieb offensichtlichste<br />
Visitenkarte der gesamten<br />
Restaurierung sein wird. Das Maul<br />
auf der Cowling ist ein Albtraum, auch<br />
wenn ich von Rick viele Detailfotos<br />
bekommen habe, auf denen alle<br />
Linien genau zu erkennen sind. Sie<br />
aber auf die gewellten Bleche zu malen<br />
ist wirklich schwierig, allerdings<br />
gelingt mir mit viel Geduld und Sorgfalt<br />
ein Ergebnis, das sich sehen<br />
lassen kann. Für die Service-Schriftzüge<br />
organisiere ich mir zwei alte<br />
Militär-Schablonenmaschinen. So kann<br />
ich für jeden Schriftzug die passende<br />
Schablone anfertigen und die Begriffe<br />
sauber aufs Blechkleid malen.<br />
Genauso viel Aufmerksamkeit<br />
widme ich der militärischen Ausstattung.<br />
Zwar finde ich zuhauf Reproduktionen<br />
von Raketenbehältern, das<br />
reicht mir aber nicht. Über einen<br />
Freund bekomme ich schließlich zwei<br />
historische Vierfachstarter, die ich<br />
mit Attrappen der Markierungsraketen<br />
bestücke. Die zwei Granatbehälter<br />
liefert ein amerikanischer Militär-<br />
Devotionalienhändler für sagenhafte<br />
100 Dollar pro Stück. Als schließlich<br />
das Drachenemblem und der Schriftzug<br />
„Mekong Mauler“ auf der Tür<br />
22 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 1 ]<br />
[ 2 ]<br />
[ 1 ] Beim Classic-Cessna-Meeting<br />
in Wershofen<br />
waren mehrere Bird<br />
Dogs zu Gast, ein Formationsflug<br />
obligatorisch.<br />
[ 2 ] Der Blick von vorn<br />
zeigt das filigrane<br />
Fahrwerk, das bei der<br />
Landung zum Springen<br />
neigt. [ 3 ] Flakweste und<br />
Helm gehören dazu,<br />
wenn Andrea mit der<br />
Bird Dog „historisch<br />
korrekt“ unterwegs ist.<br />
[ 3 ]<br />
prangen, gehen sechs Jahre Spurensuche<br />
und Restaurierung zu Ende.<br />
Am 4. Februar dieses Jahres ist<br />
es endlich so weit: Ich stehe startbereit<br />
auf dem Flugplatz Montagnana,<br />
die Hand am Gashebel. Aber<br />
ein Schwarm Enten kreist über der<br />
Landebahn. Wollen die Birds etwa<br />
die Bird Dog aufhalten? Sie an der<br />
Rückkehr in ihr Element<br />
hindern? Niemals!<br />
Als die Räder<br />
der Maschine mit der<br />
historischen Kennung<br />
O-<strong>11</strong>952 frei sind,<br />
schreie ich vor Freude<br />
laut auf. Die Gefühle übermannen<br />
mich, weil so viel Last von mir abfällt.<br />
Und ich denke an Rick Shoup, der mir<br />
so sehr geholfen hat. Abgesehen von<br />
einem Defekt am Funkgerät ist sie<br />
perfekt. Der Trimm passt, und sie<br />
fliegt sich einfach toll. Es ist eben<br />
doch „nur“ eine Cessna.<br />
Die Bird Dog wurde als Gewinner<br />
einer Ausschreibung, mit der die<br />
Army die veralteten Stinson L5 und<br />
Piper L4 ersetzen wollte, von Cessna<br />
auf Basis der 170er und 195er entwickelt.<br />
Im Dezember 1949 flog der<br />
erste Prototyp, insgesamt wurden<br />
fast 3500 Exemplare gebaut. Der<br />
Continental-Motor vom Typ O-470-<strong>11</strong><br />
leistet 213 PS und gibt seine Kraft an<br />
einen im Vergleich zum Flugzeug<br />
riesigen Metall-Festpropeller von<br />
McCauley ab. Auch bei meiner Bird<br />
Dog spüre ich das, was diesen Flieger<br />
ausmacht: Mumm, Kraft. Bisweilen<br />
ALS WIR ABHEBEN, SCHREIE ICH<br />
VOR FREUDE AUF. EINE LAST FÄLLT<br />
VON MEINEN SCHULTERN AB.<br />
rohe Gewalt. Einem Piloten, der das<br />
weiß und respektiert, dem bietet sie<br />
garantiert Spaß und Adrenalin. Ihre<br />
Auslegung als Taildragger und die<br />
Tendenz zum Springen dürfte ein<br />
Grund dafür sein, warum sie mitunter<br />
den Nimbus eines störrischen<br />
Pferdes hat. Wenn man nicht blitzsauber<br />
landet, wirkt das elastische<br />
Fahrwerk wie eine Sprungfeder. Hier<br />
muss der Pilot sofort korrigieren, sonst<br />
springt sie unkontrolliert herum.<br />
Der Start erfolgt mit 30 Grad Klappen,<br />
und nach ein paar Sekunden<br />
brutaler Beschleunigung ist man in<br />
der Luft und kann steil in den Himmel<br />
steigen. Im Flug ist die Bird Dog sehr<br />
stabil und sogar einigermaßen komfortabel.<br />
Beim Überziehen zeigt sie<br />
sich allerdings nervös im Vergleich<br />
zu den klassischen „Familientourern“.<br />
Dennoch eignet sie sich für schöne<br />
Ausflüge, rund viereinhalb Stunden<br />
Flugzeit sind drin.<br />
Bei der Landung ist<br />
– wie bereits angedeutet<br />
– Vorsicht<br />
geboten. 60 Grad<br />
Klappenstellung ermöglichen<br />
einen steilen<br />
Anflugwinkel, der Abfangbogen<br />
muss dann wirklich präzise sitzen.<br />
Für geübte Piloten ist sie aber absolut<br />
beherrschbar, und nach Jahren<br />
auf der Bird Dog und einigen Tausend<br />
Landungen kann ich sagen, es ist ein<br />
aufrichtiges Flugzeug, das bewusst<br />
geflogen werden muss und keine<br />
Unachtsamkeit erlaubt. Und genau<br />
das mag ich an ihm!<br />
Aber zurück zu Rick Shoup.<br />
Anlässlich der jährlichen Versammlung<br />
der Historical Aircraft Group, der ich<br />
als Präsident vorstehe, beschließt<br />
Mit der detaillierten<br />
Bemalung hat Andrea<br />
viele Stunden zugebracht.<br />
Kontakt zu<br />
Andrea Rossetto<br />
mekongmauler@libero.it<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 23
[ MOTORFLIEGEN Flugzeugreport ]<br />
Foto: Andrea Rossetto<br />
Ein emotionaler Moment:<br />
Rick Shoup auf Tuchfühlung<br />
mit dem Replikat<br />
seiner „Mekong Mauler“.<br />
Rick, das Ergebnis unseres intensiven<br />
Austauschs und nicht zuletzt meiner<br />
vielen Hundert Arbeitsstunden selbst<br />
in Augenschein zu nehmen: das originalgetreue,<br />
fliegende Abbild seiner<br />
„Mekong Mauler“, mit der er in<br />
Vietnam so vieles, sicher auch viel<br />
Tragisches, erlebt hat.<br />
Die Begegnung zweier Protagonisten<br />
eines Konflikts – eines Flugzeuges<br />
und eines Piloten – ist ein<br />
unglaublich emotionaler Moment. Wir<br />
betreten den Hangar, Rick geht schweigend<br />
und in sich gekehrt um die<br />
Maschine herum. Dann geht er zur<br />
Seite der Kabine, legt seine Hand auf<br />
die Cowling und steht dort ein paar<br />
Minuten in völliger Stille, den Kopf<br />
gesenkt. Ich verstehe in diesem<br />
Moment, dass sich zwei Seelen wiedergefunden<br />
haben, dass ein Buch,<br />
das lange Zeit geschlossen und verstaubt<br />
in einer Abstellkammer gelegen<br />
hatte, wieder aufgeschlagen<br />
wurde. Vielleicht hatten in diesem<br />
Augenblick auch längst verheilt<br />
geglaubte Wunden wieder angefangen<br />
zu bluten. Ich nähere mich ganz<br />
langsam und lege Rick meine Hand<br />
auf die Schulter. Er soll einfach wissen,<br />
dass ich da bin. Er dreht sich um<br />
und wir umarmen uns. Das ist für<br />
mich das größte Geschenk – und ich<br />
werte es als ein Dankeschön dafür,<br />
dass ich Ricks Bird Dog mit meiner<br />
detailverliebten Restaurierung ein<br />
fliegendes Denkmal gesetzt habe.<br />
Bei diesem Besuch bringt mir Rick<br />
weitere Geschenke mit, die etwas<br />
mit seiner Zeit in Vietnam zu tun<br />
haben. Darunter sind zwei Vietcong-<br />
Flaggen und die originale Pitotrohr-<br />
Abdeckung der „Mekong Mauler“.<br />
Es war sein persönliches Andenken<br />
an Vietnam, das er am Ende seiner<br />
Dienstzeit mit nach Hause nehmen<br />
konnte. In den Jahren 1967 und 1968<br />
flog er etwa 1000 Stunden von seiner<br />
Basis Vhin Lange aus Aufklärungseinsätze<br />
über dem Mekongdelta,<br />
zuerst mit der Einheit 221a und später<br />
der 199a, den „Swamp Foxes“.<br />
Für seine Leistungen erhielt Rick sechs<br />
Air Medals. Zweimal wurde er abgeschossen,<br />
einmal mit der O-<strong>11</strong>952.<br />
Heute denke ich jedes Mal, wenn<br />
ich in meine Bird Dog steige, über<br />
das nach, was einst in Vietnam passiert<br />
ist. Ganz ehrlich: In einem mit<br />
ein paar Markierungsraketen und<br />
Hintergrund: Forward Air Controllers<br />
Bereits zu Beginn des Vietnamkrieges wird den Strategen<br />
auf Seiten der Vereinigten Staaten klar, dass im von Wald<br />
und Dschungel geprägten Kampfgebiet Luftaufklärung nötig<br />
ist, um Bodentruppen mit Informationen über den Gegner zu<br />
unterstützen und der Air Force Ziele zuzuweisen. Die Piloten<br />
beflogen in der Regel immer dasselbe Gebiet, sodass sie sich<br />
in ihrem Revier bestens auskannten und jede Veränderung –<br />
vor allem Truppenbewegungen – sofort bemerkten.<br />
Die Crew bestand normalerweise aus Pilot und Beobachter,<br />
häufig wurde auch allein geflogen, um das Gewicht der<br />
Maschine zu reduzieren. Wenn sie Ziele zur Bekämpfung<br />
ausmachte, rief sie über Funk Verstärkung. Die Ziele wurden<br />
mit speziellen Raketen markiert, sodass sie für Kampfflieger<br />
und Bomber einfach zu finden waren. Die FACs waren aber<br />
nicht nur für das Aufspüren der Ziele zuständig, bisweilen<br />
übernahmen sie auch die Führung des Angriffs und gaben den<br />
Bomberbesatzungen Anweisung, welche Munition zu verwenden<br />
war. Dabei waren sie nicht selten selbst Gejagte, wenn sie<br />
in geringer Höhe mit rund 90 Knoten über dem Dschungel<br />
kreisten, in dem es von Gegnern nur so wimmelte.<br />
Für die FACs gab es kaum Ruhepausen. Geflogen wurde<br />
jeden Tag, bisweilen auch in der Nacht, und ein Einsatz<br />
konnte bis zu vier Stunden dauern, bis der Pilot zum Auftanken<br />
zurückkehren musste. Im Laufe des Krieges wurde die<br />
Bird Dog sukzessive an die Einsatzerfordernisse angepasst.<br />
So erhielt sie beispielsweise eine Panzerung unter den Sitzen<br />
und Raketen mit Sprengsatz, um selbst Bodenangriffe durchführen<br />
zu können. Letzteres bedingte allerdings einen starken<br />
Sturzflug, der nicht selten mitten ins gegnerische Abwehrfeuer<br />
führte. Neben der Cessna O-1 Bird Dog kamen die Cessna<br />
O-2 Skymaster und die North American OV-10 Bronco bei den<br />
FACs zum Einsatz.<br />
24 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Funkausrüstung auf Militär getrimmten<br />
Reiseflugzeug knapp über den<br />
Wipfeln des von verbissenen Gegnern<br />
gehaltenen Dschungels seinen Auftrag<br />
ICH LEGE RICK MEINE HAND<br />
AUF DIE SCHULTER. ER SOLL<br />
WISSEN, DASS ICH DA BIN.<br />
erfüllen zu müssen – ich hätte nicht<br />
mit Rick tauschen wollen. Umso mehr<br />
mit dem Wissen, dass viele von Ricks<br />
Kameraden der Forward Air Controllers,<br />
kurz FACs, von ihren Missionen<br />
nicht zurückgekommen sind. ae<br />
THE GLOBAL<br />
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GENERAL<br />
AVIATION<br />
Friedrichshafen | Germany<br />
April 05 – 08, 2017<br />
www.aero-expo.com<br />
Formation auflösen!<br />
Andrea Rossetto und<br />
Renzo Catellani kurven<br />
auseinander.<br />
Supported by
[ MOTORFLIEGEN Reise ]<br />
In der Ryan PT22 von Aachen nach Venedig<br />
OBEN OHNE<br />
Eine betagte Ryan PT-22 Recruit, ein<br />
erfahrener Pilot, eine Copilotin mit Flugangst<br />
und ein Ziel: über die Alpen nach Venedig.<br />
Dagmar Mohr und Christoph Kappenstein<br />
berichten aus sehr verschiedenen Blickwinkeln<br />
über ihr gemeinsames Abenteuer.<br />
TEXT UND FOTOS: Dagmar Mohr, Christoph Kappenstein<br />
26 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
ÜBER DIE ALPEN<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 27
[ MOTORFLIEGEN Reise ]<br />
[ 1 ]<br />
Zeit für Zweisamkeit<br />
abseits der Touristenströme<br />
in den Gassen<br />
Venedigs.<br />
Freitagmorgen um neun Uhr<br />
ist es so weit: DWD und GA-<br />
FOR Österreich haben Recht<br />
behalten, und pünktlich stellt<br />
sich das für unser kleines Abenteuer<br />
erhoffte Wetter ein.<br />
Nachdem im letzten Jahr Helgoland,<br />
Föhr und Fehmarn auf dem Reiseplan<br />
standen, sollte dieses Jahr ein lang<br />
ersehnter Traum in Erfüllung gehen:<br />
mit der Ryan im offenen Cockpit über<br />
die Alpen vom Flugplatz Aachen-<br />
Merzbrück nach Venedig. Und wenn<br />
schon, dann auch gleich übers Timmelsjoch,<br />
der mit gut 8100 Fuß höchsten<br />
Passstraße in den Alpen.<br />
Die Tanks sind gefüllt, der Ölstand<br />
kontrolliert, und während ich das<br />
wenige Gepäck verstaue, hat Dagmar<br />
noch Zeit, eine letzte Zigarette vor<br />
dem Start zu rauchen. Ich habe großen<br />
Respekt vor ihrer Entscheidung,<br />
als Nicht-Fliegerin und bis vor kurzem<br />
noch mit Flugangst gepeinigt, diesen<br />
Trip mit mir und dem schon etwas<br />
betagten Flieger, Baujahr 1942, zu<br />
wagen. Unsere Devise: Der Weg ist<br />
das Ziel. Und wenn das Ziel Venedig<br />
heißt, umso besser.<br />
Nervosität!<br />
Schön, dass Maria und Detlef, zwei<br />
gute Bekannte, am Flugplatz sind und<br />
nach Kufstein fliegen. Das schwächt<br />
meine Unruhe ein bisschen ab. Ich<br />
denke, Christoph ist auch nervös,<br />
zeigt es aber kaum. Wenn ich mir die<br />
Kommentare meiner „bodenständigen“<br />
Bekannten noch mal vor Augen führe<br />
… Ne, lasse ich lieber.<br />
So, endlich gestartet! Auf unserer<br />
ersten Etappe bis Bad Dürkheim ist<br />
mir ziemlich kalt. Irgendwie sind auch<br />
mehr Wolken am Himmel, als der<br />
Wetterbericht angekündigt hatte. Ich<br />
friere trotz Lederhose.<br />
Erstes Etappenziel erreicht, kalt<br />
ist mir immer noch. Und die Ohren<br />
tun weh. Headset ist nicht immer<br />
angenehm. Zigarettenpause! Ohrenpause!<br />
Pinkelpause, war aber gar<br />
nicht nötig. Auf geht’s , weiter nach<br />
Leutkirch-Unterzeil zum Tanken.<br />
Christoph hat mir seine Handschuhe<br />
gegeben. So ist es doch angenehmer.<br />
Das Wetter wird auch langsam besser.<br />
Es wird klarer und deutlich wärmer.<br />
Ich vergaß zu erwähnen, dass die<br />
Zuladungsmöglichkeiten für unser<br />
Gepäck ziemlich begrenzt sind. Nun<br />
denn, ich hatte mich wirklich sehr<br />
eingeschränkt, aber eine Frau braucht<br />
doch einiges mehr als ein Mann. Meint<br />
sie zumindest. Aber man muss ja nun<br />
die Qual der Wahl haben, was man<br />
denn anzieht. Ergo habe ich nun vorne<br />
einen kleinen Seesack quer unter<br />
meinen Unterschenkeln zwischen Sitz<br />
und Steuerknüppel. Die Füße finden<br />
kaum – oder besser gesagt gar nicht<br />
– die Seitenruderpedale. Meine Position<br />
und Funktion als Copilotin<br />
verbessert das nicht unbedingt.<br />
Leutkirch ist unser Sprungbrett<br />
für die Alpenüberquerung. Volltanken,<br />
ein letzter Außencheck, zweite Jacke,<br />
Handschuhe und Schal anziehen –<br />
trotz mittlerweile 27 Grad Celsius am<br />
Boden –, den Flugplan nach Trento<br />
aktivieren, und dann geht’s los!<br />
Nach kurzer Zeit schon kommen<br />
die Berge in Sicht. Vorbei geht’s an<br />
Kempten, Pfronten und Reutte über<br />
den Fernpass und das Inntal hinauf<br />
ins Ötztal. Auf der östlichen Talseite,<br />
möglichst nah am Hang, folgt die<br />
Ryan mühelos dem rasch ansteigenden<br />
Gelände. Unter uns kommt Sölden<br />
in Sicht. Jetzt leicht links halten, und<br />
dann liegt der Bergeinschnitt mit der<br />
Passhöhe vor uns.<br />
Im Westen liegen die meisten Gipfel<br />
noch in Wolken, aber östlich des<br />
Timmelsjochs ist die Basis deutlich<br />
höher. So überfliegen wir den Pass<br />
in komfortablen 9500 Fuß – und bei<br />
etwa sechs Grad Celsius! Schnell ein<br />
28 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 2 ]<br />
[ 1 ] Tankstopp in Trento-Mattarello vor traumhafter Bergkulisse. [ 2 ] Beim Anflug über<br />
den Lido di Venezia, der die Lagune von der offenen Adria trennt, bietet sich ein<br />
perfekter Blick auf die Inseln. [ 3 ] Am Ziel – geschafft, aber glücklich: Dagmar und<br />
Christoph am Aeroporto Nicelli in Venedig.<br />
[ 3 ]<br />
Blick nach unten, ein Foto und ein<br />
kurzer Glückwunsch übers Intercom.<br />
Grenzübergang Timmelsjoch. War<br />
ziemlich unspektakulär. Fotos. Christoph<br />
stößt einen Jauchzer aus. Sein<br />
Wunsch, sein Traum hat sich erfüllt:<br />
mit der Ryan (und mit mir!) über die<br />
Alpen zu fliegen. Für ihn ist es auch<br />
wichtig, dass es das Timmelsjoch ist.<br />
Weil es da ist. Weil es eine Herausforderung<br />
ist. Und weil es eben geht.<br />
Der langsame<br />
Sinkflug in das Passeiertal<br />
hinunter beginnt<br />
bei grandiosem<br />
Ausblick und Sicht<br />
bis weit in die Dolomiten.<br />
Vorbei an Meran<br />
und Bozen erreichen wir Trento<br />
(Trient). Am Platz ist es ruhig, und<br />
so können wir direkt ins lange Endteil<br />
auf die Piste 18. Am Boden erwarten<br />
uns über 30 Grad. Also erst mal raus<br />
aus den dicken Klamotten und auf<br />
Shorts und T-Shirt wechseln. Auf dem<br />
weitläufigen und leeren Gelände kommen<br />
wir uns etwas verloren vor. Außer<br />
einer Cessna aus Deutschland und<br />
unserer Ryan steht nichts vor dem<br />
modernen Abfertigungsgebäude.<br />
Wir haben uns für Trento als Tankstopp<br />
entschieden, da er einer der<br />
wenigen Flugplätze in Italien mit<br />
Super Plus ist und wir von hier aus<br />
bequem bis Venedig und wieder zurück<br />
kommen.<br />
Nachdem unser Flugplan geschlossen<br />
und der Flieger betankt ist, machen<br />
wir uns auf zur letzten Etappe.<br />
Aber wir haben nicht viel Zeit. Es ist<br />
schon spät geworden. Der Platz in<br />
Venedig schließt um 19 Uhr, und wir<br />
haben noch eine gute Stunde Flug<br />
ES MUSS DAS TIMMELSJOCH SEIN.<br />
WEIL ES DA IST UND EINE HERAUS-<br />
FORDERUNG. UND WEIL ES GEHT.<br />
vor uns. Nach dem Start müssen wir<br />
erst noch einmal auf über 5000 Fuß<br />
steigen, um die letzten Gebirgsausläufer<br />
zu queren. Dann liegt die heiße<br />
Ebene von Venezien im leichten<br />
Dunst des späten Nachmittags vor<br />
uns. Jetzt heißt es, schön unter 1500<br />
Fuß zu bleiben, um die kontrollierten<br />
Lufträume zu meiden. Und die Öltemperatur<br />
will auch im Auge behalten<br />
werden, da sie nicht mehr unter<br />
90 Grad fällt. Warum auch immer.<br />
Dann liegt sie vor uns, die blaue<br />
Lagune. In weitem Bogen geht es um<br />
die Kontrollzone des Flughafens von<br />
Venedig herum nach Chioggia und<br />
dann Richtung Osten zum Lido. In<br />
1000 Fuß fliegen wir an der schmalen<br />
Insel entlang. Rechts das offene Meer,<br />
links der grandiose Blick auf Venedig!<br />
Nach der Landung auf dem Aeroporto<br />
Nicelli bleibt nicht viel Zeit zum<br />
Verschnaufen. Es ist kurz vor sieben,<br />
und der Flugplatzchef möchte die<br />
Tore schließen und pünktlich Feierabend<br />
machen. Trotzdem<br />
nehmen wir uns<br />
noch die Zeit für einen<br />
kurzen Toast auf<br />
den gelungenen Flug<br />
– mit einer im Gepäckfach<br />
erstaunlich<br />
kühl gebliebenen Dose Hugo.<br />
Dann zu Fuß los zum Hotel. Gefühlte<br />
40 Grad, vor allen Dingen wegen<br />
Lederhose, warmen Schuhen,<br />
Pullover und dem Gepäck. Was ja<br />
eigentlich nicht viel war, mir aber bei<br />
der Hitze wie 100 Kilo vorkommt.<br />
Nach etwa 20 Minuten am Wasser<br />
entlang und mit Blick auf Venedig<br />
erreichen wir endlich unser Hotel. Da<br />
schaltet mein Kreislauf erst mal auf<br />
Standby. Vielleicht war es nicht ganz<br />
so clever, den ganzen Tag weder etwas<br />
zu essen noch zu trinken?<br />
Auf den Erfolg eine kleine<br />
Erfrischung: Der moderne<br />
Oldtimer-Pilot trinkt<br />
standesgemäß Hugo.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 29
[ MOTORFLIEGEN Reise ]<br />
[ 1 ]<br />
Der Aeroporto Nicelli<br />
bietet sich an als<br />
Ausgangspunkt für die<br />
Erkundung der Stadt per<br />
pedes.<br />
Abends nur noch in eine Trattoria,<br />
wo Christoph etwas isst. Ich bekomme<br />
keinen Bissen runter. Eine halbe<br />
Flasche Wasser, ein Glas Wein, eine<br />
Aspirin. Und dann nur noch schlafen.<br />
Nur nicht krank werden! Gott sei Dank<br />
ist am nächsten Tag alles gut.<br />
Wir verbringen zwei herrliche<br />
Tage auf dem Lido, erkunden die<br />
Insel mit dem Fahrrad, setzen mit<br />
dem Vaporetto über nach Venedig<br />
und bestaunen immer wieder die<br />
riesigen Kreuzfahrtschiffe, die direkt<br />
an unserem Hotel vorbeiziehen. Schaurig<br />
schön. Am Montagmorgen dann<br />
heißt es Abschied nehmen, und um<br />
elf Uhr heben wir vom uns inzwischen<br />
lieb gewordenen Aeroporto Nicelli<br />
ab. Noch einmal genießen wir bei<br />
strahlend blauem Himmel den fantastischen<br />
Blick auf die Lagunenstadt,<br />
bevor es wieder Richtung Norden<br />
nach Trento geht. Hier heißt es dann<br />
wieder volltanken, dicke Klamotten<br />
anziehen und den Flugplan nach<br />
Leutkirch via Timmelsjoch öffnen.<br />
Auf dem Flugplatz in Trento kennen<br />
wir uns ja mittlerweile gut aus,<br />
sodass das Tanken und Bezahlen recht<br />
zügig abläuft. Der Stopp ist kurz, und<br />
schon bald sind wir wieder in der<br />
Luft über den Alpen, Kurs Timmelsjoch.<br />
Die Bedingungen sind dieses<br />
Mal offenbar schwieriger, auch das<br />
Funkgerät funktioniert zeitweise<br />
schlecht bis gar nicht. Und irgendwie<br />
klingt der Motor auch nicht so richtig<br />
normal. Muss der so stottern? Also<br />
Frage an den Flugkapitän: „Was ist<br />
das?“ Seine Antwort: „Weiß ich nicht!“<br />
Das beruhigt irgendwie nicht, ich<br />
beschließe, einfach ruhig zu sein und<br />
meinen Mund lieber nicht mehr aufzumachen.<br />
Ich denke an seine 28<br />
Jahre Flugerfahrung, an das Vertrauen,<br />
das ich in ihn und die Ryan habe,<br />
und dass ich mich ja in meinen geliebten<br />
Bergen befinde. O.k., eine<br />
ganze Menge Gottvertrauen kommt<br />
auch noch dazu …<br />
Der Start in Trento klappt zunächst<br />
problemlos, doch im Steigflug Richtung<br />
Bozen beginnt der Motor unruhig zu<br />
laufen, und es kommt immer wieder<br />
kurz zu leichtem Drehzahlabfall.<br />
Die besorgte Frage von vorne, was<br />
denn da los sei, beantworte ich, zugegeben,<br />
nicht sehr ausführlich. Zudem<br />
bemerke ich, dass mein rechtes<br />
Hosenbein komplett voller Öl ist. Die<br />
braune Soße bahnt sich munter von<br />
der Öldruckanzeige ihren Weg übers<br />
Funkgerät und tropft dann auf mein<br />
Bein. Zum Glück habe ich noch ein<br />
paar Tücher unterm Sitz, die ich notdürftig<br />
hinters Panel stopfe, um wenigstens<br />
das Funkgerät trocken zu<br />
halten. Zu allem Überfluss nervt mich<br />
jetzt auch noch der Controller von<br />
Trento mit einer Reihe von Frequenzen,<br />
die ich doch bitte zurücklesen<br />
möchte. Schwierig, wenn das Funkgerät<br />
immer wieder aussetzt.<br />
Wenigstens beruhigt sich der Motor,<br />
und querab Meran läuft er wieder<br />
wie gewohnt. Vermutlich Dampfblasenbildung.<br />
Kein Wunder bei 30 Grad<br />
und dem kurzen Stopp in Trento.<br />
Als wir die Passhöhe in gut 8000<br />
Fuß erreichen und die alte Dame einfach<br />
nicht weiter steigen will, wird<br />
klar, dass wir im ersten Anlauf wohl<br />
30 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 3 ]<br />
[ 2 ]<br />
[ 1 ] Berge, wohin man blickt. Eine Alpenüberquerung fordert Mensch und<br />
Maschine. [ 2 ] Die Ryan PT-22 Recruit wurde in den 30er Jahren entwickelt und<br />
als Sportflugzeug und Basis-Militärtrainer eingesetzt. Gute 1000 Exemplare<br />
liefen in San Diego, Kalifornien, vom Band. [ 3 ] Am Canal Grande: Ein bisschen<br />
Touri-Feeling darf es schon sein. [ 4 ] Timmelsjoch I: Blick aus dem Cockpit auf<br />
die Passstraße. [ 5 ] Timmelsjoch II: Selbst bei einer Flughöhe von 9500 Fuß MSL<br />
ist der Boden immer noch ziemlich nah ...<br />
[ 4 ]<br />
nicht rüberkommen werden. Also<br />
wieder ein Stück zurück und an den<br />
Hängen nach geeigneten Aufwinden<br />
suchen. Hier macht sich die Segelflugerfahrung<br />
aus den französischen<br />
Alpen bezahlt, und nach einigen<br />
Achten und Schleifen am Hang reicht<br />
schließlich die Höhe.<br />
Dann passt es endlich, und wir<br />
drei haben auch auf dem Rückflug<br />
die schwierigste Stelle geschafft. Nun<br />
noch den „Restteil“ der Alpen und<br />
dann wieder Richtung Leutkirch zum<br />
Tanken. Während ich die Ryan steuere<br />
– mit Gepäcksack zwischen den<br />
Beinen mehr schlecht als recht – ,versucht<br />
Christoph, das Funkgerät wieder<br />
hinzukriegen.<br />
Nach der Landung erst mal eine<br />
Esspause. Für mich Pommes und<br />
[ 5 ]
[ MOTORFLIEGEN Reise ]<br />
[ 1 ]<br />
Die Reiseroute<br />
Kartenmaterial:<br />
ICAO-Karte Frankfurt, Stuttgart, Österreich,<br />
Aerotouring VFR-Karte Norditalien;<br />
Jeppesen Mobile FliteDeck<br />
Lande- und Abstellgebühren:<br />
Bad Dürkheim: 18,50 Euro mit erhöhtem<br />
Lärmschutz; Leutkirch: rund 10<br />
Euro; Trient: <strong>11</strong>,30 Euro; Lido: Landung<br />
im Centbereich, Abstellen pro<br />
Nacht: 15 Euro; Lachen-Speyerdorf:<br />
5,50 Euro mit erhöhtem Lärmschutz.<br />
Kraftstoff: In Italien ist die Versorgung<br />
mit Avgas deutlich schwieriger<br />
als in Deutschland, zudem ist der<br />
Sprit mit durchschnittlich 2,60 Euro<br />
pro Liter teuer. Es empfiehlt sich, in<br />
Deutschland oder Österreich vollzutanken.<br />
Auch für Mogas gilt, sich<br />
möglichst vorher über die Verfügbarkeit<br />
an den Plätzen zu informieren.<br />
Übernachtung: Hotelzimmer auf<br />
dem Lido in der Nebensaison: rund<br />
95 Euro pro Nacht.<br />
Apfelschorle. Ich habe keine Lust,<br />
dass es mir auf dem Rückflug wieder<br />
so mies geht wie nach dem Hinflug.<br />
Nach ausgiebiger Rast satteln wir auf,<br />
Kurs Lachen-Speyerdorf. Das Funkgerät<br />
funktioniert wieder, aber dann<br />
verabschiedet sich die hintere Öltemperaturanzeige.<br />
Dafür scheint meine<br />
umso besser zu funktionieren. Zumindest<br />
steigt der angezeigte Wert ständig.<br />
Also langsamer fliegen, um ihn<br />
knapp unter 90 Grad zu halten.<br />
Speyerdorf. Zigarettenpause, Pinkelpause,<br />
aber vor allem Headsetpause.<br />
Außentemperaturen noch<br />
immer bei fast 30 Grad. Ganz liebe<br />
Leute auf dem Flugplatz. Hier zu landen<br />
war eine gute Wahl. Eine eiskalte<br />
Apfelschorle, und dann schnell<br />
beziehungsweise langsam weiter. Der<br />
Öltemperatur wegen.<br />
Flirrende Hitze über dem Flugplatz<br />
Lachen-Speyerdorf. Im Anflug sind<br />
die Landereiter auf dem verdorrten<br />
Gras nur schwer auszumachen. Aber<br />
der Platz ist riesig und die Bahn mit<br />
1000 Metern lang genug. Also kein<br />
Problem. Beim Ölcheck zeigt sich,<br />
dass nicht nur wir bei der Hitze ins<br />
Schwitzen kommen, sondern auch<br />
der Motor. Aus allen Ritzen dringt Öl<br />
32 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 2 ]<br />
[ 3 ]<br />
[ 1 ] Wer das richtige Hotel bucht, der genießt in der Dämmerung eine solch<br />
fantastische Aussicht. [ 2 ] Praktischer Striptease: Wer sich beim Ölabwischen ans<br />
Mittelmeerklima anpasst, verhindert zugleich Flecken auf dem Hemd.<br />
[ 3 ] Dampflok-Feeling mit Blick auf die Tankanzeige. [ 4 ] Blick auf den Plansee.<br />
nach außen. Aber für die letzten anderthalb<br />
Stunden wird es noch reichen.<br />
Die letzte Etappe. Alles gut. Kurz<br />
vor Toresschluss Landung in Aachen-<br />
Merzbrück. Es ist 20:20 Uhr. Es tut<br />
gut, Detlef zu sehen, der aus Kufstein<br />
zurück ist und auf uns wartet. Für<br />
uns geht ein großartiges Erlebnis und<br />
Abenteuer gut zu Ende. Der Stolz, es<br />
gewagt zu haben, hallt noch einige<br />
Wochen nach. Hätte man mir vor einem<br />
Jahr gesagt, dass ich im offenen<br />
Oldtimer über die Alpen fliegen würde,<br />
ich hätte jeden für verrückt erklärt.<br />
Die Liebe hat zwar in dem Fall keine<br />
Berge versetzt – das sollte sie auch<br />
nicht –, aber mich von jeglicher Flugangst<br />
geheilt!<br />
ae<br />
[ 4 ]
[ MAGAZIN ]<br />
Tipps für Trips<br />
Alpenpanorama<br />
zum Anfassen<br />
Zell am See bietet<br />
reizvolle Landschaft und<br />
viele Freizeitaktivitäten für<br />
Wanderer, Skifahrer und<br />
Bergfreunde. Und allein<br />
der Flug dorthin ist ein<br />
Erlebnis für sich.<br />
Fotos: Gletscherbahnen Kaprun, Sabine Unger, Sochor, Verband MAXUM<br />
Zell am See (LOWZ)<br />
Lage: etwa 4 km südlich von<br />
Zell am See<br />
Frequenz: <strong>11</strong>9,70 MHz<br />
Pisten: 08/26, 660x18m, Asphalt<br />
Treibstoff: Avgas 100LL,<br />
Super Plus, Jet A-1<br />
Gebühren:<br />
Landegebühr 12,33 Euro,<br />
Parkgebühr pro Nacht 3,67 Euro<br />
Betriebszeiten:<br />
von 8.00 bis 20.00 bzw. ECET<br />
Telefon: 0043 6542 560410<br />
Web: www.flugplatz-zellamsee.at<br />
Hinweis: Bäume im unmittelbaren<br />
Anflugbereich zur Piste 08.<br />
Segel- und Hangflüge, sowie<br />
Fallschirmspringen. „Zell Flugplatz“<br />
spätestens in einer Entfernung von<br />
10 NM zum Platz auf Frequenz<br />
rufen. Weitere hilfreiche Hinweise<br />
finden sich auf der Website des<br />
Flugplatzes.<br />
Namhafte Berge und Seen<br />
lassen sich rund um Zell<br />
am See erkunden. Doch<br />
schon weit vorher, beim Anflug<br />
auf den Alpenkamm vom Bodensee<br />
kommend, berauschen Ausblicke<br />
auf türkisfarbene Flüsse<br />
nahe Füssen und das eng ans<br />
Ge birge geschmiegte Schloss Neuschwanstein.<br />
Das märchenhafte<br />
Schloss wurde ab 1869 auf Wunsch<br />
des damaligen bayerischen Königs<br />
Ludwigs II. in Gestalt einer idealisierten<br />
mittelalterlichen Ritterburg<br />
errichtet. Hier, am Fuße der<br />
Alpen, kann man seinen Anblick<br />
in noch geringer Höhe genießen.<br />
Kurz darauf ist Steigen angesagt:<br />
Denn zur Einstimmung – und um<br />
einen ersten Eindruck vom Hochgebirge<br />
zu erhalten – eignet sich<br />
ein Abstecher zur Zugspitze bestens.<br />
Bald ist die Höhe von 8000<br />
Fuß erreicht. Links kommt der<br />
Starnberger See in Sicht und rechts<br />
Die Region ist dafür bekannt, ein beliebtes Wintersportgebiet zu sein.<br />
geht’s ab ins Tal Richtung Garmisch-Partenkirchen.<br />
Schon kurz<br />
nachdem man in das weite Tal abgebogen<br />
ist, hat man Deutschlands<br />
höchsten Berg voraus im Blick.<br />
Je näher man dem Zugspitzmassiv<br />
kommt, umso imposanter<br />
sind die Eindrücke: karstige Hochflächen,<br />
Gletscher und Schneefelder.<br />
Inzwischen auf 10 500 Fuß<br />
angekommen, lässt sich das Massiv,<br />
dessen Spitze 2962 Meter hoch<br />
liegt, gut überblicken. Der Name<br />
der Zugspitze leitet sich aus den<br />
Lawinenüberresten mit Steinen<br />
und Geröll ab, die im Winter vom<br />
oberen Massiv ins Tal abgehen<br />
und dabei die charakteristischen<br />
„Zugbahnen“ hinterlassen.<br />
Wieder zurück im Tal passiert<br />
man bald den Walchensee und kurz<br />
darauf den Tegernsee, rechts in<br />
der Ferne die 2194 Meter hohe<br />
Guffertspitze im Blick. An den<br />
vielen grünen Berghängen gleiten<br />
Paraglider mit ihren bunten Schirmen<br />
entlang. Jetzt geht es ab in<br />
die Berge nach Österreich: Über<br />
Kufstein entlang des Kaisergebirges,<br />
bevor es links ins nächste Tal<br />
über Ellmau nach St. Johann/Tirol<br />
mitten in die Alpen geht – man<br />
erkennt diesen Abzweig gut an<br />
einem sanften, grünbewachsenen<br />
Berg, der aussieht wie ein Elefant.<br />
Nachdem der Flugplatz von St.<br />
Johann überflogen ist (im ständigen<br />
Funkkontakt wegen der vielen<br />
Fallschirmspringer), erreicht man<br />
Saalfelden und hat Zell am See und<br />
in der Ferne die Hohen Tauern<br />
bereits im Blick. Kurs auf Zell am<br />
See, Funkkontakt herstellen, den<br />
Überflugpunkt November melden.<br />
Schon fliegt man über den See,<br />
unter sich die vielen kleinen Segelboote,<br />
vorbei an dem unmittelbar<br />
an das Ufer geschmiegten Ort.<br />
Die Platzrunde zur Piste 08 führt<br />
sehr nah am Hang entlang, der<br />
Endanflug über den Golfplatz. Wer<br />
mag, und später vielleicht lange<br />
34 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Die Schönheit der Region um<br />
Zell am See offenbart sich ganz<br />
besonders beim Blick aus der<br />
Vogelperspektive.<br />
Wer gerne wandert, der findet in<br />
den Kapruner Bergen ein wahres<br />
Paradies. Viele Gipfel und<br />
Gebirgsseen locken zu einer Tour.<br />
Zell am See bietet eine interessante<br />
Geschichte, die man bei einem<br />
ausgiebigen Bummel durch die<br />
Innenstadt erkunden kann.<br />
Wartezeiten vermeiden will, kann<br />
nach der Landung gleich zur Tankstelle<br />
vorrollen.<br />
Neben der Landebahn ist genügend<br />
Grasfläche vorhanden, um<br />
sein Flugzeug abzustellen und falls<br />
nötig am Boden zu sichern. Alternativ<br />
kann auch ein Hangarplatz<br />
gemietet werden. Auf der sonnigen<br />
Terrasse des Flugplatzrestaurants<br />
kann man zunächst einfach mal<br />
die Seele baumeln lassen und bei<br />
einem kühlen Bier den alpinen<br />
Panoramablick mit Kitzsteinhorn<br />
genießen. Es macht Spaß, das bunte<br />
Treiben des Flugbetriebes zu<br />
beobachten. Hubschrauber, Gyrokopter,<br />
Segelflieger und diverse<br />
Einmots sind auf der Bahn unterwegs.<br />
Und an den Hängen erhascht<br />
man Blicke auf Paraglider und<br />
Drachenflieger. Hier ist alles in der<br />
Luft, was Flügel oder Schirm hat.<br />
Wer mit wenig Gepäck unterwegs<br />
ist, kann am Flugplatz für<br />
10 Euro pro Tag Fahrräder mieten<br />
und am See entlang in etwa 30<br />
Minuten in die Stadt radeln. Räder<br />
können aber auch in Zell am See<br />
angemietet werden, beispielsweise,<br />
um von dort aus gemütlich den<br />
See zu umrunden. Mit mehr Gepäck<br />
bietet es sich an, für etwa 12 Euro<br />
ein Taxi vom Flugplatz in die Stadt<br />
zu nehmen, das die Flugleitung<br />
gerne telefonisch bestellt.<br />
Viele Unterkünfte<br />
und Freizeitangebote<br />
Der Flugplatz ist großzügig ausgebaut und bietet viel Platz.<br />
Unterkünfte in Pensionen und<br />
Hotels gibt es hier für jeden Geschmack.<br />
Wer mehr als eine Nacht<br />
in der Stadt einplant, kann zahlreiche<br />
Freizeitangebote wahrnehmen,<br />
über die man beispielsweise<br />
im Hotel „Fischerwirt“ gerne informiert.<br />
Für ein Doppelzimmer<br />
mit Balkon zahlt man dort um die<br />
150 Euro – inklusive sehr gutem<br />
Frühstücksbuffet, Kaprun-Sommerkarte<br />
mit Ermäßigungen für An<strong>aerokurier</strong><br />
<strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 35
[ MAGAZIN ]<br />
Insbesondere im Sommer bieten die Bäder der Stadt Zell am See<br />
Besuchern und Einheimischen eine willkommene Erfrischung.<br />
Auch für Familien mit Kindern hat Zell am See einiges zu bieten.<br />
Touristeninformation und Hoteliers helfen gern mit Hinweisen.<br />
gebote und einem Gästeabendessen-Angebot<br />
im nahe gelegenen<br />
Restaurant „Zum Metzgerwirt“.<br />
Diese Unterkunft in Laufnähe<br />
zum See erweist sich im Sommer<br />
als sehr praktisch: einfach die Badesachen<br />
einpacken, ein wenig<br />
durch den Ort schlendern, am See<br />
entlanglaufen und vom sehr gepflegten<br />
Strandbad aus ein erfrischendes<br />
Bad im kühlen See nehmen.<br />
Eintauchen und wieder auftauchen<br />
– fantastisch! Wer möchte,<br />
kann auch Wasserski ausprobieren,<br />
ein Elektroboot ausleihen<br />
oder Panoramarundfahrten auf dem<br />
Zeller See machen.<br />
Ein interessantes Ziel in den<br />
Bergen sind zweifelsfrei die beiden<br />
Kapruner Hochgebirgsstauseen,<br />
Mooserboden und Wasserfallboden.<br />
Ausflüge dorthin werden mit Transferbussen<br />
angeboten. Mit Europas<br />
größtem offenen Schrägaufzug<br />
gelangt man zu den Stauseen und<br />
ins Panorama der Glocknergruppe.<br />
Bei Führungen ins Innere der Moosersperre<br />
kann man einen Blick<br />
hinter die Kulissen der Stromerzeugung<br />
aus Wasserkraft werfen.<br />
Wer sich mehr für die Natur der<br />
Bergwelt interessiert, findet Wanderwege<br />
für jedes Level und kann<br />
beispielsweise die Schmittenhöhe<br />
– den Hausberg des Ortes – selbst<br />
erklimmen, aber auch die Seilbahn<br />
nehmen. Ein Wandererlebnisbus<br />
bringt Wanderer zum Maiskogel,<br />
einem Ausgangspunkt für schöne<br />
Wanderungen zu Almhütten mit<br />
selbst erzeugten regionalen Spezialitäten<br />
wie Bergkäse und Holundersaft.<br />
Wen es höher hinaus ins Hochalpine<br />
zieht, der kann Rangerführungen<br />
im Nationalpark Hohe<br />
Tauern erleben oder schnell und<br />
komfortabel mit der Gletscherbahn<br />
zum Kitzsteinhorn gelangen und<br />
hier Berge und Gletscherpanoramen<br />
genießen. Im Winter stehen dem<br />
passionierten Skifahrer reichlich<br />
Pistenkilometer in gleich mehreren<br />
berühmten Skigebieten wie beispielsweise<br />
Kaprun in unmittelbarer<br />
Umgebung zur Verfügung.<br />
Nach dem Start vom Flugplatz<br />
Zell am See zu einem Panoramaflug<br />
durch die Alpen bietet es sich an,<br />
zunächst die Kapruner Stauseen<br />
fliegerisch zu erkunden und vom<br />
Rande des Nationalparks Hohe<br />
Tauern (ein Einflug in den Nationalpark<br />
ist nicht gestattet) aus<br />
Blicke auf die Glocknergruppe und<br />
in der Ferne den Großglockner<br />
selbst zu werfen.<br />
Auf Tuchfühlung mit<br />
den hohen Bergen<br />
Bei guter Wetterlage startet man<br />
bevorzugt über den Ausflugpunkt<br />
Whiskey und hat zunächst das<br />
Kitzsteinhorn (3203 Meter MSL) in<br />
Sicht. Beim allmählichen Steigen<br />
tun sich Stück für Stück fantastische<br />
Aussichten auf: Zunächst erblickt<br />
man den tiefer gelegenen Stausee<br />
Wasserfallboden (1672 Meter) und<br />
die umliegenden Berge wie das<br />
Imbachhorn (2470 Meter) und die<br />
Hohe Tenn (3368 Meter). Weiter<br />
steigend, glitzert schon bald der<br />
türkisblaue und höher gelegene<br />
der beiden Stauseen, der sogenannte<br />
Mooserboden (2036 Meter),<br />
unter den Flügeln. Je höher man<br />
fliegt, desto weiter öffnet sich der<br />
überwältigende Blick zum großen<br />
Wiesbachhorn (3564 Meter), in die<br />
ostalpine Glocknergruppe und auf<br />
den höchsten Berg Österreichs:<br />
den Großglockner (3798 Meter) mit<br />
der markanten Spitze aus Gesteinen<br />
der Grünschieferfazies. Ein<br />
Zusammenspiel mehrerer Mineralkomponenten<br />
mit grüner Färbung<br />
wie beispielsweise Chlorit, Epidot<br />
und grüner Granat sorgt für die<br />
Farbe. Die Erstbesteigung erfolgte<br />
im Jahr 1800 durch vier Teilnehmer<br />
einer Großexpedition. Bis<br />
heute ist der Großglockner ein<br />
beliebtes Bergsteigerziel mit mehr<br />
als 5000 Gipfelbesteigungen pro<br />
Jahr. Die Zeit scheint stillzustehen,<br />
beim Fliegen in dieser magischen<br />
Landschaft.<br />
Beim Flug zurück nach Zell am<br />
See ist es schön, noch einen hohen<br />
Kreis über den See zu fliegen und<br />
Fotos: Christian Mairitsch, Zell am See Kaprun Tourismus, MAXUM Verbund, Sabine Unger<br />
36 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Auch im Winter ist die Stadt<br />
mit ihrer Lage zwischen hohen<br />
Bergen eine Augenweide.<br />
Die Hochgebirgsstauseen<br />
Mooserboden und Wasserfallboden<br />
sind aus der Luft und<br />
am Boden einen Besuch wert.<br />
sich dann einem weiteren alpinen<br />
Highlight zu nähern: dem Watzmann<br />
und dem Blick auf den Königssee.<br />
Die Salzburger Kalkalpen und das<br />
Steinerne Meer, ein karstiges Hochplateau,<br />
liegen schon bald vor uns.<br />
Wieder ist eine Höhe von 10 000<br />
Fuß erreicht. Der blaue Königssee<br />
schimmert in der Ferne, während<br />
im Vordergrund die Watzmanngruppe<br />
aufragt (2713 Meter). Schön<br />
zu erkennen ist die sagenumwobene<br />
„Familie“ Watzmann, die sich<br />
aus den nebeneinander aufgereihten<br />
Hauptgipfeln ergibt: die Watzmannfrau,<br />
die Zinnen der Kinder<br />
und der Große Watzmann. Bis ins<br />
19. Jahrhundert waren märchenhafte<br />
Zeichnungen der „Familie“<br />
ein beliebtes Ansichtskartenbild.<br />
Schließlich wird es Zeit für den<br />
Rückflug nach Frankfurt über St.<br />
Johann/Tirol und Ellmau. Man<br />
meldet „cross border“ an Wien<br />
Info und wechselt dann zu München<br />
Information. In der Umgebung des<br />
Segelfliegerstützpunktes Unterwössen<br />
gleiten viele der eleganten<br />
weißen Vögel durch die Luft; ein<br />
gebührender Abstand zu den motorlosen<br />
Verwandten ist selbstredend<br />
einzuhalten.<br />
Beim Überfliegen des großen<br />
Chiemsees mit seinen unzähligen,<br />
weißen Segelbooten und beim<br />
Weiterflug in die schier endlos<br />
scheinende flache Ebene Richtung<br />
Norden kann bereits in der Ferne<br />
München ausgemacht werden.<br />
Doch der gerade erst beendete<br />
Ausflug ins Herz der Alpen weckt<br />
Lust auf weitere Gipfelerkundungen<br />
und Flüge, die noch weiter in<br />
den Süden führen. Vielleicht sogar<br />
bis zum Meer.<br />
ae<br />
Sabine Unger<br />
Allwetterschutzbezüge<br />
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Lebensdauer<br />
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Staubbezüge<br />
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[ MAGAZIN ]<br />
Geschenke für Piloten<br />
Schönes<br />
unterm Baum<br />
Jedes Jahr die gleiche Leier: Was<br />
schenke ich dem Piloten des Hauses,<br />
ohne dabei mein Mitflugrecht komplett<br />
zu verspielen? Der <strong>aerokurier</strong><br />
hat in Luftfahrt-Shops gestöbert und<br />
das ein oder andere Präsent gefunden,<br />
mit dem Angehörige der selbsternannten<br />
Himmelsstürmer sicher<br />
nicht falsch liegen.<br />
1 Zum Durchstarten<br />
Das lässt das Herz eines jeden<br />
Luftfahrt-Fans höher schlagen:<br />
Für das kommende Jahr fängt der<br />
FLUG REVUE Kalender 2017 wieder<br />
tolle Impressionen aus der<br />
Luftfahrt ein. Großformatige Bilder<br />
zeigen Zivilflugzeuge, Militärmaschinen<br />
und Hubschrauber am<br />
Boden und in der Luft in spannenden<br />
Situationen. Für Luftfahrt-Fans<br />
ein perfekter Begleiter durch das<br />
Jahr. Der Kalender kommt im<br />
Format 55 x 45 cm und kostet<br />
19,95 Euro. Doch Achtung: Nur<br />
solange der Vorrat reicht!<br />
www.shop.motorpresse.de<br />
2 Musik zum Abheben<br />
Sanfte Gitarrenklänge, dezentes<br />
Piano, melancholisches Flügelhorn<br />
und sphärische Synthesizer – mit<br />
dem Album „707“ legen die Nighthawks<br />
ein avantgardistisches<br />
Jazzalbum vor. Ganz nebenbei<br />
erweisen Dal Martino und Reiner<br />
Winterschladen, die Köpfe der<br />
Band, der Boeing 707, die die beiden noch<br />
aus Kindheitstagen kennen, ihre Referenz.<br />
Raus aus dem Cockpit, rein in den Sessel,<br />
Füße hoch und musikalisch abheben.<br />
Mit „707“ klappt das ganz hervorragend!<br />
Die CD erscheint am 28. Oktober.<br />
www.herzogrecords.de<br />
1<br />
4<br />
2<br />
3<br />
3 Immer erreichbar<br />
Piloten können jetzt auf das kompakte<br />
Armbandtelefon LX8 von<br />
Locixx mit integrierter SOS-Taste<br />
und GPS-Ortung zurückgreifen.<br />
In einer Notsituation benachrichtigt<br />
das Quad Band GSM-Mobiltelefon<br />
mit einem einfachen<br />
Knopfdruck Helfer und übermittelt<br />
gleichzeitig den Standort. Auch<br />
Anwendungsmöglichkeiten im<br />
Hobbyflugbereich oder im Wettbewerb<br />
bieten sich an. Beispielsweise<br />
können Fluglehrer die<br />
Position von Flugschülern mit<br />
Locixx-Uhr jederzeit nachverfolgen.<br />
Ein weiterer Vorteil der LX8:<br />
Der Pilot ist über eine Mobilfunknummer<br />
jederzeit erreichbar und<br />
kann über die integrierte Freisprechfunktion<br />
anrufen und angerufen<br />
werden. Die Akkulaufzeit<br />
beträgt im Stand-by-Betrieb bis<br />
zu sechs Tage, im Online-Tracking-Modus<br />
etwa 10 Stunden.<br />
Gesehen bei www.flugversand.de,<br />
299 Euro.<br />
4 Kanadisches Leder<br />
Boing-777-Fans aufgepasst: Taschenspezialist<br />
Mariclaro stellt diese schicke Messenger-<br />
Tasche aus feinstem Leder her, mit dem einst<br />
Luxus-Flugzeugsitze bespannt waren. Genauer<br />
gesagt kommt der recycelte Lederbezug von<br />
Boing-777HD-Sitzen von Air Canada zum<br />
Einsatz. Die Umhängetasche heißt YYZ und<br />
entsteht in reiner Handarbeit in Kanada. Eine<br />
praktische Innenaufteilung rundet das feine<br />
Äußere adäquat ab: Eine Innentasche mit<br />
Reißverschluss und vier offene Zubehörtaschen<br />
bieten ausreichend Platz für allerlei<br />
Kleinkram. Für Laptops mit einer Größe von<br />
maximal 14,1 Zoll hält die YYZ ein separates<br />
Fach bereit. Optisches Sahnehäubchen, das<br />
die Idee dieser Messenger-Tasche auf die<br />
Spitze treibt: Eine Original-<br />
Schnalle eines Flugzeuggurtes<br />
dient<br />
auch bei der YYZ<br />
als Verschluss.<br />
Gesehen bei www.<br />
crewshop24.com,<br />
199 Euro.<br />
38 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Fotos: Motor Buch Verlag, Heruog Records, Flugversand, Crewshop24, Rosenheimer, Skyfox, Friebe, Mitzkat, aeroversand<br />
5 Pack ma’s!<br />
Wenn der ganze Kladderadatsch endlich<br />
geshoppt ist, stellt sich natürlich<br />
die Frage nach der stilechten Verpackung.<br />
Hier sei der Pilotengeschenke-Einwickelfachkraft<br />
das fesche<br />
Geschenkpapier<br />
aus alten ICAO-<br />
Karten empfohlen.<br />
Entweder man<br />
kauft’s, oder man<br />
greift einfach ins eigene<br />
Kartenarchiv.<br />
Gesehen bei<br />
www.skyfox.de,<br />
5er-Set für 7,90 Euro.<br />
6 Lagebericht<br />
Das neue ICfly AHRS ist ein Fluglagesensor<br />
mit Druckanschlüssen und GPS,<br />
der Fluglageberechnungen in Echtzeit<br />
liefert. Die Datenübertragung auf Tablet<br />
oder Smartphone geschieht kabellos.<br />
Dabei soll die Anzeige des künstlichen<br />
Horizonts dank des ICfly viel schneller<br />
reagieren können als mit dem Kreisel<br />
innerhalb eines mobilen Gerätes. Der<br />
Fluglagesensor ist sogar in der Lage,<br />
den Windvektor im Geradeausflug zu<br />
bestimmen. Praktisch: Eine Kalibrierung<br />
des Gerätes ist auch während des Fluges<br />
möglich. Der eingebaute Akku ermöglicht<br />
eine Laufzeit von über 10 Stunden. Das ICfly<br />
ist kompatibel zu Sky-Map, iHUD Remote,<br />
AirNav Pro, WingX Pro7 und vielen anderen<br />
Programmen.<br />
Gesehen bei www.friebe.aero,<br />
599 Euro.<br />
7 Bis zu den Sternen<br />
Hannsdieter Loy hat als Starfighter-Pilot am<br />
eigenen Leib erfahren, was es heißt, die F-104<br />
zu fliegen. So gelingt es ihm in „Der Himmel ist<br />
das Ziel“ die Faszination und den Schrecken<br />
dieses Flugzeugs zu vermitteln, das für so viele<br />
Piloten zur tödlichen Versuchung wurde. In<br />
diesem 304-Seiten-Roman sollen die jungen<br />
Starfighter-Piloten Axel Kerner und Jochen<br />
Hesse in der Flugbasis Fürstenzell zu Elite-<br />
Kampfpiloten der NATO geformt werden. Ihr<br />
Vorgesetzter, Major Teufel, hat sich vorgenommen,<br />
mit einem teuflischen Spiel die Spreu<br />
vom Weizen zu trennen. Axel Kerner und seine<br />
Kameraden ahnen nicht, dass die Zeit im Verband<br />
für sie die Vorstufe zur Hölle werden soll.<br />
www.rosenheimer.com, 12,95 Euro<br />
5<br />
7<br />
6<br />
8<br />
8 Ohne Lärm<br />
Das Aero-Star Sport ist<br />
ein Headset mit passiver<br />
Geräuschunterdrückung<br />
und senkt den<br />
Pegel um bis zu 40 dB.<br />
Neben der lärmdämmenden<br />
Gehäusekonstruktion<br />
sind dafür auch die elastischen<br />
Gel-Ohrpolster verantwortlich,<br />
da sie die Ohren<br />
akustisch perfekt von der Umgebung<br />
isolieren. Ein Elektretmikrofon<br />
dient zur Kommunikation,<br />
das Nebengeräusche aufgrund seines<br />
schmalbandigen Arbeitsbereiches (400–5500<br />
Hz) wirksam unterdrückt. Der flexible Mikrofonarm<br />
kann rechts oder links angebracht werden,<br />
die Kabellänge beträgt etwa 1,8 Meter. Der<br />
Pegelsteller befindet sich an der Hörerkapsel.<br />
Das Headset wiegt 380 Gramm. Gesehen bei<br />
www.aeroversand.de, 175 Euro.<br />
9<br />
9 Ein Stück Segelfluggeschichte<br />
Der niedersächsische Höhenzug Ith ist eine der<br />
bekanntesten Segelflugregionen Deutschlands.<br />
Der informative Bildband „Im Aufwind des Ith“<br />
beleuchtet auf 160 Seiten und 277 Abbildungen<br />
die fast 90-jährige facettenreiche Geschichte<br />
des Flugplatzes Ithwiesen. Das Buch<br />
gibt dabei einen interessanten Einblick ins<br />
Vereinsleben und den Platzalltag im Wandel der<br />
Zeiten. Großformatige Stimmungsbilder tragen<br />
dazu bei, vergangene Zeiten wieder lebendig<br />
werden zu lassen. Einleitende Absätze strukturieren<br />
die Phasen der Nutzung.<br />
www.mitzkat.de, 19,80 Euro<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 39
[ MAGAZIN ]<br />
Fotos: Max Kühnl, Textron Aviation, Fotolia<br />
Die Geschäftsflieger<br />
Kein Tag ist wie der andere<br />
Immer neue Ziele und ein ausgeprägtes Organisationstalent:<br />
Piloten in der Business Aviation erleben weit mehr Abwechslung<br />
als ihre Kollegen aus dem Liniengeschäft.<br />
Gerade eben ist er aus Schanghai<br />
zurückgekommen, zuvor<br />
hatte er einen eiligen<br />
Geschäftskunden nach London gebracht:<br />
Michael Schafstein ist Ka-<br />
Michael Schafstein fliegt eine<br />
Gulfstream G550 bei DC Aviation.<br />
pitän auf einer Gulf stream G550<br />
beim Executive-Jet-Anbieter DC<br />
Aviation in Stuttgart. Seit 20 Jahren<br />
fliegt er in der Business Aviation.<br />
Was er an seinem Job am<br />
meisten mag? „Die Abwechslung“,<br />
sagt Schafstein. Und ohne zu zögern<br />
fügt er hinzu: „Es ist einfach<br />
kein einziger Flug wie der andere.“<br />
Das stehe dann doch im Gegensatz<br />
zur Arbeit regulärer Linienpiloten.<br />
Während DC Aviation mit ihren<br />
26 Flugzeugen jedes Jahr zu etwa<br />
600 unterschiedlichen Flughäfen<br />
unterwegs ist, ist es bei einer kommerziellen<br />
Airline mit einer größeren<br />
Flotte etwa die Hälfte. So<br />
hat Schafstein auch schon fast<br />
jeden Winkel dieser Erde selbst<br />
angesteuert – lediglich im Pazifik<br />
und in Südamerika befinden sich<br />
noch ein paar weiße Flecken auf<br />
seiner persönlichen<br />
Landkarte. „Und<br />
auch wenn man in<br />
die Metropolen<br />
W<br />
wie Los Angeles<br />
fliegt, sieht man<br />
meist nicht den<br />
großen internationalen<br />
Flughafen,<br />
sondern einen exklusiveren“,<br />
erzählt Schafstein.<br />
Während Linienpiloten häufig<br />
die gleiche Strecke befliegen, muss<br />
er sich vor den meisten Flügen im<br />
Selbststudium mit den Gegebenheiten<br />
auf der Route und am Zielort<br />
vertraut machen. „Deshalb ist<br />
für uns ein noch höheres Maß an<br />
N<br />
Business-<br />
O<br />
Pilot<br />
SERIE BERUFE<br />
S<br />
Eigenverantwortung gefragt“,<br />
erklärt Schafstein. Stolpersteine<br />
gibt es genug: Der Luftraum über<br />
dem Nordatlantik hat besondere<br />
Regeln, in Russland wird das metrische<br />
System<br />
für Höhenangaben<br />
genutzt,<br />
und nach<br />
einem<br />
Start in<br />
Taiwan<br />
darf chinesisches<br />
Territorium nicht<br />
überflogen werden. Dann gibt es<br />
noch sogenannte Special Airports,<br />
für die gar ein eigenes Training<br />
notwendig ist, wie beispielsweise<br />
London-City, wo der Anflugpfad<br />
besonders steil ist. Hier wird die<br />
Besatzung vor dem Flug im Simulator<br />
entsprechend geschult.<br />
Neben diesen Aufgaben sind<br />
die Piloten der Business Jets auch<br />
ein Stück weit Dienstleister für die<br />
Kunden: Während Linienpiloten<br />
ihre Passagiere meist kaum sehen<br />
40 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
und sich der Kontakt auf die Begrüßungsansage<br />
beschränkt, ist<br />
für Schafstein und seine Kollegen<br />
kundenorientiertes Denken gefragt.<br />
So wird der Gast persönlich und<br />
mit Handschlag an der Limousine<br />
begrüßt, und es kann vorkommen,<br />
dass der Pilot den Koffer seines<br />
Fluggastes zum Flugzeug trägt.<br />
Auch bei den Bodenabläufen<br />
steht der Pilot mehr in der Verantwortung.<br />
An den meisten Flughäfen<br />
arbeitet man mit einer Fremdfirma<br />
zusammen – gerade in Asien<br />
oder Afrika läuft das nicht<br />
immer reibungslos. „Da ist manchmal<br />
Improvisationstalent gefragt“,<br />
sagt Schafstein. Um als Pilot in der<br />
Business Aviation zu arbeiten, sind<br />
neben den erforderlichen kommerziellen<br />
Pilotenlizenzen (CPL oder<br />
ATPL) und der entsprechenden<br />
Flugerfahrung auch Soft Skills gefragt.<br />
Eine Typenberechtigung auf<br />
dem entsprechenden Muster ist<br />
meist ebenfalls von Vorteil. Die<br />
Gehälter sind von Firma zu Firma<br />
unterschiedlich und weichen teilweise<br />
stark vom Standard in der<br />
kommerziellen Fliegerei ab, sodass<br />
hier keine verbindliche Aussage<br />
getroffen werden kann.<br />
Bei DC Aviation geht es im<br />
aktiven Einsatz zweimal im Jahr<br />
in den Simulator, wo die Piloten<br />
für sämtliche Notfälle und besondere<br />
Situationen sensibilisiert und<br />
trainiert werden. Hinzu kommt ein<br />
jährlicher Checkflug während des<br />
täglichen Einsatzes im Flugzeug.<br />
Flexibilität muss ebenso vorhanden<br />
sein: Neben der typischen<br />
Bereitschaft zu Wochenend- und<br />
Nachtarbeit steht die Destination<br />
im Plan meist nicht zwingend fest.<br />
„Da wir auch Flüge mit wenigen<br />
Stunden Vorlaufzeit anbieten, wissen<br />
wir im Voraus meist nur, dass<br />
wir zu einem bestimmten Zeitraum<br />
Dienst haben“, erklärt Schafstein.<br />
Das Flugziel wird dann häufig<br />
kurzfristig am Telefon bekannt<br />
gegeben. Dann heißt es für<br />
Michael Schafstein wieder: Koffer<br />
packen und die Abwechslung<br />
erleben.<br />
ae<br />
Max Kühnl<br />
Beruf<br />
Business-Pilot<br />
Nötig ist eine kommerzielle<br />
Pilotenlizenz, also ein CPL oder<br />
ein ATPL. Die meisten<br />
Betreiber operieren im<br />
Zwei-Mann-Cockpit. Erfahrung<br />
in Form von Flugstunden ist<br />
meist ebenfalls von Vorteil.<br />
Darüber hinaus kommt der<br />
Persönlichkeit eine große<br />
Bedeutung zu – schließlich<br />
stehen die Piloten im direkten<br />
Kontakt mit ihren Gästen und<br />
werden als Teil der Dienstleistung<br />
wahrgenommen.<br />
Neben der reinen Beförderung von A nach B sind<br />
die Piloten von Business Jets auch für die Betreuung<br />
ihrer Gäste zuständig.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 41
[ MAGAZIN ]<br />
DLR-Brennstoffzellenantrieb<br />
Der Ökoflieger<br />
HY4, das erste Passagierflugzeug mit<br />
Brennstoffzellenantrieb, ist Ende September<br />
in Stuttgart zum Erstflug abgehoben.<br />
Wenn es nach dem DLR geht, ist das der<br />
Anfang einer Revolution in der Luftfahrt.<br />
Fotos: DLR (3), Ulrike Ebner (2), Flughafen Stuttgart<br />
So still ist es am Stuttgarter<br />
Flughafen sonst nur nachts:<br />
In der Mittagszeit haben die<br />
Testpiloten Johannes Anton und<br />
Nejc Faganelj an diesem 29. September<br />
den Luftraum über dem<br />
Airport zehn Minuten lang für sich<br />
und das Experimentalflugzeug HY4.<br />
Sie drehen mehrere Platzrunden<br />
in einer Höhe von etwa 500 Fuß.<br />
Als das Flugzeug mit der auffälligen<br />
Doppelrumpfkonstruktion über<br />
die Zuschauer schwebt, ist nur ein<br />
leises Brummen der Propeller zu<br />
hören. „Die HY4 fliegt sich ein<br />
bisschen ungewöhnlich, weil wir<br />
abseits der Mitte nach rechts versetzt<br />
sitzen, und sie reagiert etwas<br />
langsamer als andere Flugzeuge“,<br />
sagt Anton, technischer Pilot des<br />
Deutschen Zentrums für Luft- und<br />
Raumfahrt (DLR), nach der Landung.<br />
„Aber sie ist vibrationsarm und<br />
fast komplett lautlos. Wenn man<br />
anschließend auf ein Flugzeug<br />
mit Verbrennungsmotor umsteigt,<br />
kommt es einem vor wie eine<br />
Dampfmaschine.“<br />
Verantwortlich für die ungewohnte<br />
Akustik von HY4 ist der<br />
vom DLR entwickelte Antriebsstrang.<br />
Er besteht aus vier in Serie<br />
geschalteten Niedertemperatur-<br />
Brennstoffzellen des Herstellers<br />
Hydrogenics, zwei Wasserstofftanks<br />
und zwei Lithium-Ionen-Hochleistungsbatterien.<br />
Die Brennstoffzel-<br />
len wandeln den mitgeführten<br />
Wasserstoff und Luftsauerstoff in<br />
Wasser und elektrische Energie<br />
um. Damit wird ein permanenterregter<br />
Synchronmotor ohne Getriebe<br />
angetrieben, der mit einem<br />
langsam drehenden Zweiblattpropeller<br />
für den Vortrieb sorgt. Die<br />
Batterien kommen als Unterstützung<br />
beim Start und beim Steigflug<br />
zum Einsatz. Wird der benötigte<br />
Wasserstoff durch Elektrolyse erzeugt,<br />
die Strom aus erneuerbaren<br />
Energien nutzt, fliegt die HY4 nach<br />
DLR-Angaben emissionsfrei.<br />
Einsatz als elektrisches<br />
Lufttaxi denkbar<br />
Die HY4 basiert auf der Taurus<br />
G4, die aus zwei Rümpfen des<br />
Elektroseglers Taurus Electro G2<br />
des slowenischen Flugzeugherstellers<br />
und Projektpartners Pi pistrel<br />
zusammengebaut wurde. Brennstoffzellen,<br />
Motor und Propeller<br />
sitzen in der Mitte zwischen den<br />
beiden Kabinen, in denen jeweils<br />
zwei Personen – ein Pilot und drei<br />
Passagiere – Platz finden. Hinter<br />
den Sitzen sind die Batterien und<br />
Wasserstofftanks verbaut.<br />
Auch im Cockpit gibt es Besonderheiten.<br />
„In der Mittelkonsole<br />
ist ein zusätzliches Display, um<br />
das Antriebssystem zu überwachen“,<br />
erklärt Anton. Darauf sehen<br />
die Piloten beispielsweise Temperaturen<br />
und Drücke der Brennstoffzellen<br />
und Subsysteme. Zudem<br />
wurden weitere Schalter eingebaut,<br />
um einzelne Komponenten bedienen<br />
zu können. Bei Flugtests kann<br />
so beispielsweise der Ausfall einer<br />
Brennstoffzelle simuliert werden.<br />
Einsatzmöglichkeiten von HY4<br />
sehen die DLR-Forscher vor allem<br />
auf Kurzstrecken. „Kleine Passagierflugzeuge<br />
wie die HY4 können<br />
sehr bald im Regionalverkehr<br />
als Electric Air Taxis eingesetzt<br />
werden und eine flexible und<br />
schnelle Alternative zu bestehenden<br />
Transportmitteln bieten“, sagt<br />
Josef Kallo, HY4-Projektleiter und<br />
Professor an der Universität Ulm,<br />
die als Projektpartner die Leistungselektronik<br />
für HY4 beisteuert.<br />
Das Brennstoffzellensystem wird<br />
nun noch einmal im Labor getestet.<br />
Bei der Flugerprobung von März<br />
bis Oktober 2017 steht die Zuverlässigkeit<br />
und Effizienz im Alltagsbetrieb<br />
im Fokus. Die HY4 bleibt<br />
dafür zunächst am Flughafen<br />
Stuttgart, der das Projekt mit<br />
180 000 Euro unterstützt. Danach<br />
soll in die Produktentwicklung<br />
eingestiegen werden. „Wir wollen<br />
nach drei Jahren einen ersten Prototyp<br />
eines Antriebsstrangs ent-<br />
Die HY4 besteht aus zwei miteinander verbundenen Taurus von Pipistrel.<br />
Gesteuert wird der Brennstoffzellenflieger aus dem rechten Rumpf.<br />
42 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Wasserstoff als Treibstoff:<br />
In der Brennstoffzelle<br />
wird er in Strom umgewandelt,<br />
der einen 80<br />
Kilowatt starken Elektromotor<br />
antreibt.<br />
Der Stuttgarter Airport-Chef Georg Fundel, Prof. André Thess,<br />
Pipistrel-Geschäftsführer Ivo Boscarol und Prof. Josef Kallo (ab 3. v. l.).<br />
wickelt haben, der auch in anderen<br />
Plattformen eingesetzt werden<br />
kann“, sagt Kallo. In fünf bis zehn<br />
Jahren könnten Brennstoffzellen-<br />
Flugzeuge vier bis acht Passagiere<br />
auf Kurzstrecken transportieren.<br />
HY4 ist nicht das erste Flugzeug,<br />
das seine Antriebsenergie<br />
aus Brennstoffzellen gewinnt. Schon<br />
2008 flog eine zweisitzige Diamond<br />
HK36 Super Dimona in Spanien mit<br />
einem von Boeing entwickelten<br />
Hybridsystem aus Brennstoffzellen<br />
und Batterien. Und auch das DLR<br />
hat in den vergangenen zehn Jahren<br />
unter anderem mit der Antares<br />
DLR-H2, einem umgebauten ein-<br />
sitzigen Elektromotorsegler von<br />
Lange Aviation, Erfahrungen gesammelt.<br />
Doch HY4 hat mit vier<br />
Sitzen eine größere Kapazität – und<br />
die Visionen der DLR-Wissenschaftler<br />
und ihrer Partner aus Industrie<br />
und Forschung gehen noch weiter.<br />
„Große Passagierflugzeuge<br />
werden auf absehbare Zeit noch<br />
mit konventionellen Antrieben<br />
fliegen“, sagt Prof. André Thess,<br />
Leiter des DLR-Instituts für Technische<br />
Thermodynamik in Stuttgart.<br />
Dennoch sieht er Potenziale für<br />
Brennstoffzellen in der Luftfahrt:<br />
„Unser Ziel ist es, den Brennstoffzellen-Antriebsstrang<br />
weiter zu<br />
verbessern und ihn langfristig auch<br />
in Regionalflugzeugen mit bis zu<br />
19 Passagieren zum Einsatz zu<br />
bringen.“<br />
ae<br />
Ulrike Ebner<br />
Daten HY4<br />
Abmessungen<br />
Länge<br />
7,4 m<br />
Spannweite <br />
21,36 m<br />
Antrieb<br />
Motorleistung<br />
80 kW<br />
Dauerleistung<br />
Brennstoffzelle/Batterie 45 kW/45 kW<br />
Batteriekapazität ca. 21 kWh bei 1°C<br />
Antriebsleistung im Reiseflug 26 kW<br />
Gewicht<br />
Leergewicht (ohne<br />
Brennstoffzelle/Batterie) ca. 630 kg<br />
Gewicht des Powermoduls<br />
mit Treibstoffspeicher ca. 400 kg<br />
Maximalgewicht<br />
1500 kg<br />
Geschwindigkeit & Reichweite<br />
Höchstgeschwindigkeit ca. 200 km/h<br />
Reisefluggeschwindigkeit 145 km/h<br />
Reichweite 750 bis 1500 km<br />
[ 1 ]<br />
[ 1 ] Johannes Anton vom DLR und Nejc Faganelj von Pipistrel (v. l.) nach<br />
der Landung. [ 2 ] Im Cockpit dient ein Display der Antriebsüberwachung.<br />
[ 2 ]
[ FLYING Ballonsport ]<br />
START FREI<br />
INS<br />
Mitte September fand der 60. Gordon-<br />
Bennett-Cup im Gasballonfliegen in<br />
Gladbeck statt. Ein Spektakel, das in<br />
die Frühzeit der Fliegerei zurückreicht.<br />
UNGEWISSE<br />
TEXT & FOTOS: Frank Martini<br />
44 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
„Nightglow“ der Heißluftballone am Freitagabend fürs<br />
Publikum. Einzelne waren vor der Show kurz aufgestiegen.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 45
[ FLYING Ballonsport ]<br />
Fotos: Laurent Sciboz (1und 2), Andy Cayton (rechts unten)<br />
[ 1 ]<br />
Links ein Panel für Avionik<br />
und Funk, rechts etwas für<br />
die liebe Not. Unter der<br />
Bank ist Platz für Proviant.<br />
Für die Mittelstadt im westfälischen<br />
Kreis Recklinghausen<br />
kam das Ereignis einem<br />
kleinen Volksfest gleich. Denn<br />
dass der Startort des 60. Gordon-Bennett-Cups<br />
ausgerechnet ihre Stadt<br />
geworden ist, haben die Gladbecker<br />
einem Mann aus Duisburg zu verdanken:<br />
Wilhelm Eimers. Der hatte mit<br />
seinem Sieg vor zwei Jahren in Vichy<br />
nicht nur das Rennen nach Deutschland<br />
geholt, sondern Gladbeck bereits<br />
zehn Jahre zuvor zu einem Mekka<br />
für Gasballonfahrer gemacht. Damals<br />
eröffnete er dort als Vorsitzender<br />
des Niederrheinischen Vereins<br />
für Luftschifffahrt 1902 e. V. den neuen<br />
Vereinsstartplatz, der auch als<br />
Leistungszentrum für die Sportart<br />
fungiert. Denn die Fläche hinter<br />
dem Wittringer Wasserschloss im<br />
Südwesten der Stadt verfügt über<br />
einen so direkten Zugang zum Traggas<br />
für die Ballone, wie es ihn sonst<br />
an nur wenigen Orten in Europa gibt.<br />
Direkt unter ihr verläuft die mit 240<br />
Kilometern längste Pipeline der Republik<br />
für industriellen Wasserstoff.<br />
Seither wird die Fläche in der Szene<br />
respektvoll „Willis Wiese“ genannt.<br />
Von der hoben mitternachts am Sonntag,<br />
dem 18. September, die 48 Wettbewerber<br />
um die weiteste Flugstrecke<br />
in ihren 24 Ballonen ab.<br />
Die Wetterlage und der Wind aus<br />
nördlichen Richtungen hatten angesichts<br />
der im Süden angrenzenden<br />
Kontrollzone des Düsseldorfer Airports<br />
eine Startfreigabe bis dahin verzögert.<br />
In einen durchbrochen bewölkten<br />
Himmel mit noch fast vollem Mond<br />
ging es dann endlich im Zwei-Minuten-Takt<br />
von einer kniehohen, etwa<br />
20 Quadratmeter großen Startplattform<br />
auf in die ungewisse Dunkelheit.<br />
Dem etwa einstündigen Ereignis<br />
war ein mehrtägiges buntes Präludium<br />
aus Pilotenempfang, Party und<br />
Showeinlagen vorausgegangen, zu<br />
dem sich bereits am Freitagnachmittag<br />
mehrere hundert Zuschauer eingefunden<br />
hatten. Während sich die<br />
Wettbewerber ziemlich entspannt<br />
vorbereiten konnten, sorgten etliche<br />
Heißluftballonteams für Publikumsattraktionen.<br />
Einige hoben ab, andere,<br />
historischen Vorbildern und<br />
witzigen Figuren nachempfundene<br />
Hüllen ließ man dicht über dem Platz<br />
schweben. Zur offiziellen Eröffnung<br />
am Freitagabend gab es dann einen<br />
optischen Höhepunkt, den „Nightglow“.<br />
Neun bunte Ballone wurden<br />
dazu am Rand des Startfelds in einer<br />
dichten Reihe postiert, um nach Einbruch<br />
der Dunkelheit im Rhythmus<br />
wummernder Partymusik gleich einer<br />
Lichtorgel von ihren Brennern illuminiert<br />
zu werden.<br />
WARTEN AUF DIE STARTFREIGABE,<br />
SONNTAG GING ES ENDLICH LOS.<br />
Während tags darauf wegen der<br />
ausbleibenden Startfreigabe noch<br />
lockere Volksfeststimmung herrschte,<br />
wurde es am frühen Sonntagnachmittag<br />
spannend: Der Moment, die<br />
Ballone mit Wasserstoff zu füllen, war<br />
gekommen. Für jedes der 24 Teams<br />
war dazu ein großer Platz ausgeflaggt<br />
worden. Schon dieser Füllvorgang,<br />
der jeweils eine halbe Stunde dauert<br />
und der zeitgleich für höchstens zwei<br />
Ballone ablief, war eine Show für sich.<br />
Denn der obere Teil der am Boden<br />
liegenden Hüllen wird dabei zunächst<br />
abgeschnürt oder von Helfern blockiert.<br />
46 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 2 ]<br />
[ 1 ] Die zweitplatzierten Laurent Sciboz (li.) und Nicolas Tièche vom Team Schweiz 2<br />
am Montag bei Sonnenuntergang vor dem Mont Blanc – erst gegen Mitternacht hatten<br />
sie Europas höchsten Berg erreicht. [ 2 ] Bereits am Morgen hatten sie die Spanier in<br />
Sicht, die schließlich am Dienstagabend, nur zwei Stunden vor ihnen, landen mussten.<br />
Das reichte für Platz drei. [ 3 ] Schlag auf Schlag ging am Sonntag das Auslegen und<br />
Befüllen der Ballone vonstatten, um Mitternacht hieß es „Start frei“.<br />
[ 3 ]<br />
Erst wenn etwa ein Drittel der 1050<br />
Kubikmeter fassenden Sportgeräte<br />
mit Gas gefüllt ist, wird der obere<br />
Teil freigegeben, sodass sich der<br />
Ballon schlagartig aufrichtet. Ein<br />
Vorgehen, das recht sportliche Anforderungen<br />
an die Teams und ihre<br />
Helfer stellt, aber dafür sorgt, dass<br />
die Riesenhülle nicht allzu gemächlich<br />
in instabiler Form emporgezogen wird,<br />
um dem Wind eine kaum mehr zu<br />
bändigende Angriffsfläche zu bieten.<br />
Erst danach werden die zunächst<br />
noch etwas unförmig schwebenden<br />
Teile von dem mit einem Bar Leitungsdruck<br />
nachströmenden Wasserstoff<br />
allmählich zu voller Pracht entfaltet.<br />
Im Unterschied zu Heißluftballonen<br />
ist die Hülle der Gasballone kugelrund,<br />
und ihre Größe beträgt nur etwa ein<br />
Drittel. Weil Wasserstoff einen wesentlich<br />
höheren Auftrieb als die<br />
maximal 130 Grad heiße Luft in brennerbetriebenen<br />
Montgolfièren erzeugt,<br />
sind mit Gasballonen dennoch Flughöhen<br />
jenseits FL 150 keine Ausnahme.<br />
Auch bleiben die für Streckenflüge<br />
favorisierten Geräte deutlich<br />
länger in der Luft, während Heißluftballone<br />
meist für Vergnügungsfahrten<br />
von nur wenigen Stunden in<br />
wenigen hundert Metern Flughöhe<br />
zum Einsatz kommen. Zudem sind<br />
jene deutlich leichter zu handhaben.<br />
Heiße Luft kann man nach Belieben<br />
erzeugen, zum Sinken ablassen und<br />
zum Steigen wieder aufheizen.<br />
Gasballone stellen dagegen deutlich<br />
höhere Anforderungen an ihre<br />
Piloten, weil die Ressourcen zur Höhensteuerung<br />
eng limitiert sind.<br />
Einmal zum Sinken abgelassenes Gas<br />
ist ebenso unwiederbringlich verloren<br />
wie zum Steigen abgeworfener Ballast.<br />
Anders können deren Piloten<br />
unerwünschtem Absinken, zum Beispiel<br />
durch nächtliche Abkühlung,<br />
aber nicht entgegenwirken. Außerdem<br />
sind ihre Körbe mit gerade mal einem<br />
Quadratmeter Grundfläche deutlich<br />
enger. Hier müssen die zweiköpfigen<br />
Teams nicht nur navigieren, essen<br />
und schlafen, sondern auch das für<br />
Streckenfahrten nötige Equipment<br />
unterbringen. Proviant und Reisetoilette,<br />
Funkgeräte, Transponder und<br />
ELT, GPS und Kartenmaterial, Taschenlampen,<br />
Wetterschutz, Notanzüge<br />
und sogar Satellitentelefone – all<br />
das stellt höchste Anforderungen ans<br />
Cockpitmanagement und schränkt<br />
die Bewegung auf ein Minimum ein.<br />
Gerade bei nächtlichen Temperaturen<br />
– in Flughöhe um den Gefrierpunkt<br />
– bedingen Kälte und Ermüdung<br />
neben dem physischen auch einen<br />
hohen psychischen Druck, der dem<br />
Gordon-Bennett-Cup den Ruf des<br />
härtesten Ballonrennens der Welt<br />
eingetragen hat. Die zweiköpfigen<br />
Teams müssen in großer Höhe noch<br />
mit einer dritten, höchst begrenzten<br />
Ressource haushalten – dem mitgeführten<br />
Sauerstoff. Nicht einfach,<br />
dabei aus den jeweiligen Wetterbedingungen<br />
die richtigen Schlüsse<br />
für eine möglichst weite Fahrt zu<br />
ziehen. Denn irgendwann muss und<br />
Christian Schömig vom Team USA 3 bei seiner Gymnastik im<br />
engen Korb – hilfreich, um der Kälte in der Höhe zu trotzen.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 47
[ FLYING Ballonsport ]<br />
[ 1 ]<br />
[ 1 ] Erst strömt der Wasserstoff nur ins Unterteil des<br />
ausgelegten Ballons. [ 2 ] Der obere Teil wird abgebunden<br />
und beschwert, bis der Pilot den Knebel löst.<br />
[ 3 ] Dann steigt die Gasblase schlagartig nach oben und<br />
richtet die Hülle auf, die [ 4 ] zunächst noch unförmig<br />
steht, ehe das nachströmende Gas sie zum vollen Rund<br />
entfaltet. [ 5 ] Dynamik in der Dunkelheit: Im Laufschritt<br />
wird jeder Korb zu einem Plateau getragen, von dem<br />
alle Ballone in schneller Folge aufsteigen.<br />
[ 2 ] [ 3 ]<br />
will jedes Team möglichst heil wieder<br />
landen – und nicht unbedingt wassern!<br />
Je nachdem, wohin der Wind trägt,<br />
sind weite Passagen über offenes<br />
Wasser also sorgfältig abzuwägen.<br />
Eine Überlegung, vor der allerdings<br />
nur die drei Siegerteams standen.<br />
Nach Überquerung der Alpen in großer<br />
Höhe hatten sie die monegassische<br />
Küste erreicht und konnten dort mit<br />
Gordon-Bennett-Cup für Gasballone<br />
Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portrait_of_James_Gordon_Bennett,_Jr..jpg<br />
Verleger und Sportmäzen: James Gordon Bennett jr.<br />
mehr oder minder südöstlicher Strömung<br />
vorbei an Korsika und Sardinien<br />
übers offene Meer der italienischen<br />
Küste folgen. Kurt Frieden und Pascal<br />
Witprächtiger vom Team Schweiz 1<br />
hatten dabei noch die stärkste östliche<br />
Drift erwischt und bereits südlich<br />
Salerno wieder italienisches Festland<br />
erreicht. Etwa bei Policoro gelangten<br />
sie mit genügend Höhe an die östliche<br />
Der Wettbewerb geht zurück auf James Gordon Bennett<br />
jr., den sportbegeisterten Spross des gleichnamigen<br />
„New York Herald“-Verlegers. Er wurde am 10. Mai<br />
1841 in New York geboren und starb am 14. Mai 1918<br />
im französischen Beaulieu-sur-Mer. Als 25-Jähriger<br />
übernahm er den väterlichen Verlag und kurbelte mit<br />
der Strategie, spektakuläre Expeditionen und Sportereignisse<br />
zu finanzieren und darüber in seiner Zeitung<br />
dann zu berichten, deren Auflage an. Dazu gehörten<br />
auch die Gordon-Bennett-Cups: ein Automobilrennen,<br />
das jährlich in den Jahren 1900 bis 1905 ausgetragen<br />
wurde, sowie ein Rennen von Segelyachten, das bis<br />
heute fortbesteht. Und eben jener spektakuläre Ballonwettbewerb,<br />
zu dem erstmals am 30. September 1906<br />
aus den Pariser Tuilerien gestartet wurde. Während des<br />
Ersten und nach Ende des Zweiten Weltkriegs fand das<br />
Ballonrennen nicht statt, bis es 1983 von der FAI wieder<br />
aufgenommen wurde. Je Nation dürfen nur drei Teams<br />
antreten. Sie werden zuvor durch eine weiteste und<br />
eine längste Fahrt ermittelt.<br />
Küste, von der sie in zwei weiteren<br />
Meeresetappen von je etwa 150<br />
Kilometern zunächst die „Absatzspitze“<br />
des italienischen Stiefels und<br />
dann Korfu erreichten, ehe sie zum<br />
letzten Sprung übers Meer Richtung<br />
griechischer Küste ansetzten. Erst<br />
am Dienstagmorgen, so Kurt Frieden<br />
nach der glücklichen Landung, habe<br />
ihnen eine Wetterbesserung klargemacht,<br />
dass sie es schaffen würden.<br />
Und so landeten sie vormittags nach<br />
1803,48 Kilometern und guten 58<br />
Stunden Flugzeit erstmals in der<br />
Geschichte des Cups auf dem griechischen<br />
Festland!<br />
Ihre Landsleute Nicolas Tièche<br />
und Laurent Sciboz hatten weniger<br />
Glück. Mit etwas stärkerer Süddrift<br />
bekamen sie, wie ihre spanischen<br />
Mitbewerber, erst nördlich und südlich<br />
Cosenza in Kalabrien wieder<br />
Festland unter die Körbe. Bei erneutem<br />
Erreichen der Küste um Cortone<br />
mussten die Spanier schon landen,<br />
als Frieden und Witprächtiger längst<br />
wieder hoch über dem Mittelmeer<br />
schwebten. Ihnen noch zu folgen,<br />
hätte eine Wasserpassage von 300<br />
Kilometern bedeutet – bei inzwischen<br />
aufgezehrten Sauerstoffreserven. Was<br />
für Anulfo Gonzales und Angel Aguirre<br />
nicht mehr zu schaffen war, schien<br />
auch Nicolas Tièche und Laurent<br />
Sciboz zu gewagt. Zwei Stunden nach<br />
den Spaniern landeten sie nach 51<br />
Stunden ebenfalls in Cortone – mit<br />
fast 1590 Kilometern allerdings gute<br />
48 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 4 ]<br />
vier Kilometer weiter auf Platz zwei.<br />
Alle drei Teams hatten erfolgreich<br />
die gleiche Strategie verfolgt: nach<br />
dem Start so schnell wie möglich<br />
steigen, um mit dem Südostwind über<br />
die Alpen ans Mittelmeer zu gelangen.<br />
Das war sonst nur noch je einem<br />
belgischen und amerikanischen Team<br />
gelungen. Das übrige Feld fuhr weiter<br />
westlich gen Süden, die Österreicher<br />
am westlichsten und weitesten<br />
auf Platz fünf. Ein polnischer Ballon<br />
konnte sich südlich von Genf noch<br />
über die Alpen absetzen, dem Rest<br />
blieb nur zu spekulieren, vom Mistral<br />
das Rhonetal hinabgetragen zu werden.<br />
Doch der wehte gefährlich stark,<br />
und so verteilte sich das Feld mit<br />
Landungen in Belgien und im südlichen<br />
Frankreich.<br />
Von den drei deutschen Ballonen<br />
kam das im Vorjahr noch zweitplatzierte<br />
Team Eimers/Zenge auf Platz<br />
zehn, gefolgt von dem Ärztepaar<br />
Lausch und dem jüngsten deutschen<br />
Team Hilbert/Haggeney auf den Plätzen<br />
14 und 15. Dem hatte eine Inversion<br />
am Montagmorgen Steigen in<br />
größere Höhen erschwert, wie Pilotin<br />
Himke Hilbert nach der Rückkehr<br />
schilderte. Natürlich hofft das deutsche<br />
Nachwuchsduo jetzt darauf, sich auch<br />
für den Gordon-Bennett-Cup 2017 zu<br />
qualifizieren. Der wird in Fribourg<br />
ausgetragen werden, weil schon 2015<br />
ein Schweizer Ballon das Rennen<br />
machte – mit Kurt Frieden und Pascal<br />
Witprächtiger an Bord.<br />
ae<br />
[ 5 ]<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 49
[ UL/LSA Flugzeugreport ]<br />
GLÜH<br />
IN<br />
50 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Colomban MC-30 Luciole<br />
WÜRMCHEN<br />
HOLZBAUWEISE<br />
Als Heinz Thoma mit dem Bau seiner Luciole<br />
beginnt, hat er einen Plan: 120-Kilo-Klasse,<br />
keine Prüfpflichten, Medical-Freiheit. Doch<br />
es kommt zunächst anders. Am Spaßfaktor<br />
und der Herausforderung, ein ganzes Flugzeug<br />
selbst zu bauen, ändert das aber nichts.<br />
AUTOR: Jürgen Schelling<br />
FOTOGRAF: Frank Herzog<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 51
[ UL/LSA Flugzeugreport ]<br />
Der Erbauer überragt<br />
sein Flugzeug um<br />
mehr als einen Kopf.<br />
Seine große Leidenschaft sind<br />
ferngesteuerte Modellflugzeuge,<br />
die ihren Vorbildern detailgetreu<br />
nachempfunden<br />
sind. Heinz Thoma aus Freiburg war<br />
und ist seit mehr als 50 Jahren engagierter<br />
Modellflieger. Er nimmt mit<br />
seinen Scale-Modellen auch an Wettbewerben<br />
teil, und er liebt das Bauen.<br />
„Ich hab ganz am Anfang meiner<br />
Modellfliegerkarriere mal einen Baukasten<br />
gekauft und von da an meine<br />
Flugzeuge nach Dreiseitenansichten<br />
immer selbst konstruiert“, betont der<br />
sympathische Badener. Und wer schon<br />
so lange und gut im kleinen Maßstab<br />
baut, will es auch mal eine Nummer<br />
größer ausprobieren. In Zukunft könnte<br />
Thoma bei Modellflugwettbewerben<br />
sogar das vorbildgetreue Original<br />
im Anhänger zum direkten Ver-<br />
WER SO LANGE MODELLE BAUT,<br />
WILL ES AUCH MAL EINE NUMMER<br />
GRÖSSER VERSUCHEN<br />
gleich mitnehmen: Seine einsitzige<br />
MC-30 fliegt. Jetzt fehlt nur noch das<br />
passende Scale-Modell.<br />
Die Initialzündung für den „Großbau“<br />
kam 2009, als der heute 75-Jährige<br />
das Foto eines neuen Flugzeugs<br />
vom Eigenbaufliegertreffen im französischen<br />
Blois in die Hände bekam.<br />
MC-30 Luciole, französisch für Glühwürmchen,<br />
heißt der Tiefdecker mit<br />
der optischen Anmutung eines Pylon-<br />
Racers. Der Einsitzer wiegt leer unter<br />
100 Kilogramm, und da damals gerade<br />
die neue 120-Kilo-Klasse für ultraleichte<br />
Einsitzer ins Spiel kommt, ist<br />
Thoma sofort Feuer und Flamme. Ein<br />
preiswertes 120-Kilo-UL besitzen, die<br />
komplette Wartung in Eigenregie<br />
übernehmen, eine Nachprüfung wäre<br />
auch nicht mehr nötig, dazu keine<br />
Medical-Sorgen. Das war der Plan.<br />
Dann kam es ganz anders. Aber dazu<br />
später.<br />
Für die Maschine ganz aus Holz<br />
– lediglich Holme, Spinner und Cowling<br />
sind aus Kohlefaser – gibt es vom<br />
Konstrukteur Michel Colomban nur<br />
Pläne und keinen Bausatz. Colomban<br />
ist in der Selbstbauszene eine bekannte<br />
Größe, seine berühmte Cri-Cri<br />
ist das kleinste zweimotorige oder<br />
in E-Version sogar viermotorige Flugzeug<br />
der Welt. Auch seine einmotorige<br />
Konstruktion MC-100 Ban-Bi ist<br />
ein beliebtes Selbstbauflugzeug.<br />
Heinz Thoma, erfahrener PPL-Aund<br />
UL-Pilot, fängt nach dem Kauf<br />
der Pläne zur Verblüffung seiner Frau<br />
erst einmal an, die Zimmer der gemeinsamen<br />
Wohnung umzudekorieren.<br />
Er hängt die einzelnen Zeichnungen<br />
an die Wände, um eine Vorstellung<br />
von den Dimensionen zu bekommen.<br />
Große Elemente wie Rumpf und Flügel<br />
entstehen in den kommenden<br />
Jahren in den Vereinshangars der<br />
Experimentalflieger und der Akaflieg<br />
Freiburg, bei denen Thoma Mitglied<br />
ist. Dort gibt es ausreichend Platz und<br />
das nötige Werkzeug zur Holzbearbeitung<br />
im größeren Stil. Kleinere<br />
Teile wie Höhen- und Seitenleitwerk<br />
entstehen zu Hause in der Modellbauwerkstatt.<br />
Alles sei bei der MC-30<br />
eine Nummer größer als beim Flugmodellbau,<br />
betont Thoma. Allerdings<br />
müsse man der Qualität der eigenen<br />
Arbeit nun auch hundertprozentig<br />
vertrauen, schließlich hänge das eigene<br />
Leben davon ab. Ein Viertakt-<br />
Zweizylinder von Briggs & Stratton<br />
treibt die Maschine an. Er leistet 26<br />
PS und hat sich bereits in den Einsitzern<br />
vom Typ SD-1 Minisport als<br />
Antrieb bewährt.<br />
Bei Baubeginn scheint es noch<br />
ziemlich egal zu sein, wie hoch die<br />
Flächenbelastung des Fliegers ist,<br />
auch Mindestgeschwindigkeit oder<br />
Größe des Tankinhalts sind offiziell<br />
kein Thema, Hauptsache leer unter<br />
52 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 2 ]<br />
[ 3 ]<br />
[ 1 ]<br />
120 Kilo Abflugmasse. Also legt Thoma<br />
unbeschwert los in dem Glauben,<br />
dass sein 120-Kilo-Flieger später<br />
einfach zuzulassen ist und ihm künftig<br />
Geld für Wartung oder Nachprüfung<br />
und den Gang zum Fliegerarzt<br />
ersparen wird.<br />
Eines der Ziele klappt schon mal<br />
hervorragend: Der Eigenbau-Einsitzer<br />
wiegt leer nicht einmal <strong>11</strong>0 Kilogramm.<br />
Dabei ist er sogar bereits mit<br />
dem hierzulande vorgeschriebenen<br />
Fallschirmsystem ausgerüstet, ein<br />
5UL2 von BRS, das bis 250 Kilo und<br />
für Speeds bis 160 km/h zugelassen<br />
ist. Da im Plan kein Einbau eines<br />
Rettungssystems vorgesehen ist, fragt<br />
Thoma den Konstrukteur Michel Colomban<br />
deswegen um Rat. Dieser<br />
[ 1 ] Weniger ist mehr: Colomban-<br />
Konstruktionen sind für ihr knapp<br />
kalkuliertes Mensch-Maschine-Verhältnis<br />
berühmt. [ 2 ] Saubere Linie:<br />
Auch der Schatten unter der Luciole<br />
weist auf ihre filigrane Ausführung hin.<br />
[ 3 ] Keine Kompromisse: Scheibenbremsen<br />
müssen es sein.<br />
[ 4 ] Selbst ist der Mann: Wer allein<br />
ein Flugzeug baut, der braucht auch<br />
keine Aufrüsthilfe. [ 5 ] Softe Power:<br />
Die 26 PS des Zweizylinder-Viertakters<br />
von Briggs & Stratton reichen,<br />
um die Luciole nach nur 100 Metern<br />
abheben zu lassen.<br />
empfiehlt, die Fangbänder des Fallschirms<br />
wegen der Festigkeit genau<br />
um den Cockpitbereich des Rumpfs<br />
zu verlegen. Der Ausschuss der Rakete<br />
geschieht im Notfall direkt hinter<br />
dem Kopf des Piloten durch die<br />
Bespannung oben im Rumpf. Die<br />
Maschine würde dann leicht kopflastig<br />
aufsetzen. Um den nun veränderten<br />
Schwerpunkt wieder auszugleichen,<br />
wandert der Motor einige<br />
Zentimeter gegenüber dem ursprünglichen<br />
Plan nach vorn. Bei der Avionik<br />
setzt Thoma auf klassische Uhren.<br />
Ein Portable-GPS hilft beim Navigieren.<br />
Kommuniziert wird mit Handfunke<br />
statt Festeinbaugerät.<br />
Nach mehr als 2000 Baustunden<br />
ist das Ziel 2015 erreicht: Aus einer<br />
[ 4 ]<br />
[ 5 ]<br />
Info für Selbstbauer<br />
Bauplan direkt vom Konstrukteur Die Pläne für die MC-30 sind<br />
für etwa 380 Euro direkt beim Konstrukteur Michel Colomban in französischer<br />
Sprache samt einer äußerst ausführlichen Bauanleitung und<br />
Anleitung für notwendiges Werkzeug enthalten. Komponenten wie der<br />
Kohlefaserholm, der Fahrwerksbügel aus CFK und Teile wie Spinner oder<br />
Cowling können über zwei Zubehörfirmen fertig gekauft werden.<br />
Michel Colomban, 37 Bis Rue La Kanol, 92500 Rueil Malmaison, France;<br />
Telefax: +33 147 51 8876.<br />
Mehr Infos auch unter http://luciole18.over-blog.com<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 53
[ UL/LSA Flugzeugreport ]<br />
[ 1 ] [ 2 ]<br />
[ 1 ] Die Muttern, die das Höhenruder<br />
halten, werden mit Draht zusätzlich<br />
gesichert. [ 2 ] Filigrane Arbeit im<br />
Cockpit: Bedienelemente wie der<br />
Gashebel sind so leicht wie möglich<br />
gebaut. [ 3 ] Ein sauber gebogenes<br />
Blech mit passenden Aussparungen<br />
reicht zur Arretierung der Klappen.<br />
[ 4 ] In Sicherheitsmindesthöhe<br />
gemütlich über die Landschaft<br />
cruisen, dafür ist die Luciole perfekt<br />
geeignet. [ 5 ] Schlichte Informationszentrale:<br />
Das Panel der Luciole ist<br />
einfach aufgebaut und zweckmäßig<br />
instrumentiert.<br />
[ 3 ] [ 4 ]<br />
Menge Flugzeugsperrholz, etwas<br />
Metall und Kohlefaser sowie viel Enthusiasmus<br />
ist ein Flugzeug entstanden,<br />
das exakt Thomas Vorstellungen<br />
entspricht. Er lobt aber auch Konstrukteur<br />
Michel Colomban für dessen<br />
akribische Bauanleitung und Genauigkeit.<br />
So ist beispielsweise selbst<br />
DIE LUCIOLE IST NICHTS<br />
FÜR ANFÄNGER. SPORNRAD-<br />
ERFAHRUNG IST EIN MUSS<br />
die Faserrichtung des Holzes exakt<br />
vorgegeben, in der es verleimt werden<br />
soll. Zudem gibt der Franzose<br />
auf Anfragen umgehend Antwort und<br />
hilft bei Problemen.<br />
Aber auch die Qualität von Thomas<br />
Bauausführung findet nun ihre Belohnung.<br />
So ergibt sich bei der von<br />
ihm selbst übernommenen Flugerprobung<br />
im Rahmen der vorläufigen<br />
Verkehrszulassung nur minimaler<br />
Korrekturbedarf. Der Höhenruderausschlag<br />
beim Abfangen vor dem Aufsetzen<br />
reicht nicht aus, weshalb die<br />
MC-30 immer aus einem halben Meter<br />
Höhe auf die Bahn fällt. Der Ausschlag<br />
wird deshalb nachjustiert.<br />
Zudem soll aerodynamischer Fein schliff<br />
beim Übergang vom Rumpf zur Kabinenhaube<br />
noch etwas mehr Speed<br />
ermöglichen. Auch der Zweiblatt-<br />
Kunststoffprop wird optimiert, denn<br />
eigentlich soll die MC-30 rund 160<br />
km/h fliegen, noch aber sind es etwa<br />
10 km/h weniger. Bei sechs Litern<br />
Sprit in der Stunde kommt der Freiburger<br />
immerhin 150 Kilometer weit,<br />
der Verbrauch je 100 Kilometer liegt<br />
so bei sparsamen vier Litern. Insgesamt<br />
beträgt die Reichweite mit vollem<br />
29-Liter-Tank über 600 Kilometer.<br />
Vom Flugverhalten ist Heinz Thoma<br />
ohnehin angetan. So betont er,<br />
dass die ursprünglich von der LTF-UL<br />
geforderte Rollrate von drei Sekunden<br />
von 30 Grad zu 30 Grad bei Weitem<br />
unterschritten werde. Die MC-30 sei<br />
also sehr beweglich um die Längsachse.<br />
Das Flugzeug fliege eigenstabil<br />
und sorge nicht für Überraschungen.<br />
Auch das Stall-Verhalten mit<br />
Vollgas und Leerlauf war Teil der<br />
Flugerprobung. Der Strömungsabriss<br />
sei absolut beherrschbar und es gebe<br />
kein plötzliches Abkippen zu einer<br />
Seite. Bei allen Klappenstellungen<br />
hat Thoma das Stall-Verhalten ebenfalls<br />
getestet. Er betont allerdings:<br />
„Als anfängertauglich würde ich die<br />
MC-30 nicht unbedingt bezeichnen.<br />
Der Pilot sollte vor allem genug Spornraderfahrung<br />
haben. Dafür bin ich<br />
aber bereits nach 90 bis 100 Metern<br />
in der Luft, ein bisschen mehr Rollstrecke<br />
braucht es für die Landung.“<br />
Für Unannehmlichkeiten sorgt<br />
allerdings der inzwischen veränderte<br />
Rahmen der Zulassung. Bei Baubeginn<br />
war von Thoma angenommen<br />
worden, dass die 120-Kilo-Flieger<br />
keine weiteren Einschränkungen<br />
außer dem Gewichtslimit auferlegt<br />
bekommen. Das hätte jede Menge<br />
Vorteile für die sogenannten leichten<br />
Luftsportgeräte gebracht: Keine<br />
Medical-Pflicht mehr für den Piloten,<br />
keine teure Nachprüfungspflicht, und<br />
nicht einmal ein Kennzeichen wäre<br />
notwendig, um den 120-Kilo-Flieger<br />
bewegen zu dürfen. Zudem gilt die<br />
entsprechende Lizenz zum Fliegen<br />
dauerhaft, ohne dass Mindeststunden<br />
oder Übungsflüge absolviert werden<br />
müssen. Bereits 2010 gibt es für den<br />
Freiburger aber eine unliebsame<br />
Überraschung. Es werden neue Kriterien<br />
genannt, die der 120-Kilo-<br />
Flieger zu Beginn seiner Flugerprobung<br />
erfüllen muss. So sollte er eine<br />
Mindestgeschwindigkeit von 55 km/h<br />
schaffen, die Flächenbelastung darf<br />
vollbeladen maximal 25 kg/m 2 betragen<br />
und der Tank nicht mehr als 25<br />
Liter fassen. Gleich bei allen drei<br />
54 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Kriterien bekommt das „Glühwürmchen“<br />
Probleme. Eine Mindestgeschwindigkeit<br />
von 55 km/h ist trotz<br />
großer Klappen nicht zu schaffen. „Da<br />
würde ich vom Himmel fallen“, meint<br />
Thoma. Auch die Flächenbelastung<br />
seiner MC-30 mit ihren nur 6,9 Metern<br />
Spannweite liegt mit rund 43 kg/m 2<br />
deutlich höher als das vorgesehene<br />
Limit. Sein Tank fasst zudem 29 Liter<br />
und müsste demnach eigentlich verkleinert<br />
werden. Damit ist der Freiburger<br />
aber vom ursprünglichen Ziel,<br />
ein preiswertes Flugzeug ohne Bürokratie<br />
betreiben zu können und den<br />
Gang zum Fliegerarzt zu sparen,<br />
wieder ein ganzes Stück weit entfernt.<br />
Aufhören oder weiterbauen? Thoma<br />
entschließt sich fürs Weiterbauen<br />
und dafür, die MC-30 dann eben als<br />
normales UL zuzulassen. Daher ist<br />
nun auch die Oskar-Ursinus-Vereinigung<br />
für ihn zuständig, ein passender<br />
Bauprüfer findet sich direkt am Flugplatz<br />
Freiburg. Zwei Gutachten werden<br />
erstellt, das Luftsportgerätebüro<br />
des DAeC erteilt ein UL-Kennzeichen<br />
und die vorläufige Verkehrszulassung.<br />
Dann die große Überraschung zum<br />
Jahresende 2015: Aufgrund der Möglichkeit<br />
einer alternativen EU-Gerätezulassung<br />
und somit auch der<br />
deutschen Zulassung sind die geforderten<br />
Bedingungen der 120-Kilo-<br />
Klasse für Mindestgeschwindigkeit<br />
und maximale Flächenbelastung laut<br />
dem DAeC-Luftsportgerätebüro nun<br />
wieder Makulatur. Sobald die MC-30<br />
voraussichtlich noch <strong>2016</strong> als UL zugelassen<br />
ist, wird im Anschluss also<br />
lediglich das Handbuch umgeschrieben.<br />
Danach kann sie per EU-Zulassung<br />
in der 120-Kilo-Klasse mit allen<br />
Freiheiten als „Leichtes Luftsportgerät“<br />
zertifiziert werden. Sogar das<br />
Kennzeichen darf dann wieder weg.<br />
Thoma freut sich über diese überraschende<br />
Wendung, denn so hat er<br />
sein ursprüngliches Ziel, frei ohne<br />
Medical, Jahresnachprüfung und<br />
behördlichen Aufwand fliegen zu<br />
dürfen, wenn auch nach Umwegen<br />
und etwa 2000 Euro Zulassungs- und<br />
Gutachter-Mehrkosten, doch noch<br />
erreicht. Insgesamt stecken in der<br />
Luciole zwischen 15 000 und 20000<br />
Euro – ganz genau will er es aber gar<br />
nicht wissen. Und sollte Thoma seine<br />
MC-30 eines Tages noch ökonomischer<br />
fliegen wollen, gibt es auch<br />
da bereits eine Alternative: Ein Elektromotor<br />
kann das Glühwürmchen<br />
ebenfalls in die Luft bringen. Gespeist<br />
von einem Lithium-Polymer-Akku sind<br />
dann immerhin 55 Minuten elektrisch<br />
angetriebener Flugspaß drin. ae<br />
[ 5 ]<br />
Daten Colomban MC-30 Luciole<br />
Zulassung: UL Sitzplätze: 1 Bauweise: Holz<br />
Antrieb<br />
Hersteller Briggs & Stratton<br />
ArtZweizylinder-Viertaktmotor<br />
Typ Vanguard 3800<br />
maximale Leistung<br />
bei 4000 rpm 27 PS/18,8 kW<br />
Propeller<br />
HerstellerHelix<br />
Typ<br />
H30F (2-Blatt)<br />
Abmessungen<br />
Länge<br />
4,74 m<br />
Spannweite<br />
6,90 m<br />
Flügelfläche 4,6 m²<br />
Massen und Mengen<br />
Leermasse<br />
Nutzlast<br />
Maximalmasse<br />
Tankinhalt<br />
99 kg<br />
101 kg<br />
200 kg<br />
29,5 l<br />
Flugleistungen<br />
Startrollstrecke<br />
100 m<br />
Reisegeschwindigkeit 200 km/h<br />
V NE <br />
225 km/h<br />
Überziehgeschwindigkeit mit<br />
voll ausgefahrenen Klappen 65 km/h<br />
Reichweite 440 NM/800 km<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 55
[ UL/LSA Elektroflug ]<br />
Silence Twister Electro<br />
Strom-Schnelle<br />
Motorkunstflug einfacher, preiswerter und leiser: Dieses Ziel setzten sich zwei Schweizer<br />
Aerobatic-Piloten. Zusammen mit ihrem Team haben sie es geschafft, die Twister<br />
von Silence Aircraft mit einem Siemens-Motor auszurüsten und in die Luft zu bringen.<br />
Mitte September fand am<br />
Flugplatz Raron in der<br />
Schweiz der offizielle<br />
Erstflug statt. Die Elektro-Twister<br />
kann von +6 bis –4 g belastet werden<br />
und ist damit für Basis-Kunstflug<br />
geeignet. Sie wird von einem<br />
80 kW starken Elektromotor angetrieben,<br />
ähnlich dem Triebwerk,<br />
das auch die Pipistrel Alpha Electro<br />
antreibt. Die Motorlaufzeit beim<br />
Kunstflug beträgt rund 20 Minuten,<br />
auf Strecke ist bei ökonomischer<br />
Leistungseinstellung bis zu eine<br />
Stunde Flugzeit drin. Drei Akku-<br />
Packs stecken in den Flächen und<br />
im Rumpf, die Ladedauer beträgt<br />
lediglich etwa 20 Minuten. Auch<br />
der Wechsel der Akkus soll in wenigen<br />
Minuten erledigt sein. Leer<br />
wiegt die Maschine 310 Kilo, maximale<br />
Abflugmasse ist 420 Kilo.<br />
Motor und Getriebe bringen zusammen<br />
23 Kilogramm auf die<br />
Waage, die Akku-Packs 160 Kilo.<br />
Die Flächenbelastung liegt bei 47<br />
kg/m 2 , das Reisetempo kann bis<br />
zu 270 km/h betragen, die Reichweite<br />
liegt bei etwa 160 Kilometern.<br />
Dr. Frank Anton, Leiter eAircraft<br />
bei der zentralen Siemens-Forschung<br />
Corporate Technology und<br />
selbst aktiver Kunstflugpilot, bezeichnete<br />
in Raron die Lärmwerte<br />
der Twister als sensationell. Damit<br />
sei Kunstflug möglich, ohne dass<br />
Anlieger gestört würden. Um einen<br />
direkten Vergleich des Geräuschpegels<br />
zu ermöglichen, machte<br />
Kunstflugprofi und Red-Bull-Airrace-Pilot<br />
Nicolas Ivanoff mit seiner<br />
zweisitzigen Extra 330 zu Beginn<br />
der Veranstaltung einen tiefen<br />
Überflug über die Piste. Im Vergleich<br />
zur Extra war die Twister kurz<br />
darauf kaum zu hören und erinnerte<br />
vom Sound eher an ein<br />
Elektro-Modellflugzeug. Frank<br />
Anton verwies darauf, dass die<br />
Twister bei ihrer Entwicklung auch<br />
für einen Elektroantrieb ausgelegt<br />
wurde. Daher passe der wassergekühlte<br />
Siemens-Motor mit seinen<br />
80 kW Leistung perfekt zu diesem<br />
Flugzeug. Der deutsche Elektrokonzern<br />
unterstütze das Projekt<br />
als Systempartner für den Antrieb.<br />
Das Twister-Electro-Projekt<br />
könne durchaus in die Fertigung<br />
einer Kleinserie münden, betonte<br />
Thomas Pfammater, der im Hauptberuf<br />
Helipilot bei der Air Zermatt<br />
ist. Das sei dann möglich, wenn<br />
die elektrische Twister auf genü-<br />
56 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Im Vergleich zur Extra 330 ist die<br />
Twister vor allem eins: leise.<br />
Auch am Boden macht der schnittige<br />
UL-Renner eine gute Figur.<br />
gend Piloteninteresse stoße. Zunächst<br />
steht aber die Flugerprobung<br />
an. Das Flugzeug ist als Experimental<br />
zugelassen. Dadurch ist<br />
auch Kunstflug erlaubt, was bei<br />
einer Auslegung als UL zumindest<br />
in Deutschland nicht möglich wäre.<br />
Auch die Gebrüder Thomas und<br />
Matthias Strieker von Silence Aircraft,<br />
die das Flugzeug vor rund<br />
17 Jahren konstruiert haben und<br />
die Twister bis heute als Kit anbieten,<br />
zeigten sich im Rahmen<br />
des Erstflug-Events hocherfreut,<br />
dass ihr Flugzeug nun mit einem<br />
Elektromotor in die Luft gehe.<br />
Nicolas Ivanoff, der die Twister<br />
ebenfalls schon fliegen konnte, ist<br />
von ihren Flugeigenschaften absolut<br />
angetan. „Nach zwei Minuten<br />
habe ich vergessen, in einem<br />
Elektroflieger zu sitzen“, betont<br />
der Kunstflug-Profi.<br />
In England wird mit der Maschine<br />
und einem 107 PS starken<br />
Vierzylinder UL260iSA von ULPower<br />
bereits seit Jahren erfolgreich<br />
Kunstflug betrieben. Das soll mit<br />
der Elektro-Twister in der Schweiz<br />
bald ebenfalls Normalität sein.<br />
Zum Vorteil des leisen Antriebs<br />
sollen auch Betriebskosten gehören,<br />
die deutlich unter denen eines<br />
Verbrennerantriebs liegen. Zudem<br />
soll die Twister CO 2 -neutral fliegen,<br />
wenn die Akkus mit Strom aus<br />
regenerativen Energien geladen<br />
werden.<br />
ae<br />
Jürgen Schelling<br />
[ 1 ] Für das Laden der Akkus hat die<br />
Twister eine Buchse an der Cowling.<br />
[ 2 ] Das Cockpit der ersten Elektro-<br />
Twister ist spartanisch instrumentiert.<br />
[ 1 ] [ 2 ]<br />
Fotos: Jürgen Schelling (3), Jean-Marie Urlacher<br />
Ganz schön clever, unsere Neue!<br />
Kräftig, zuverlässig, sparsam: Rotax 912 iS Sport<br />
Platz sparen: einfach die Flügel anklappen<br />
Anlassen per Knopfdruck: SMARTstart<br />
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[ UL/LSA Ausbildung ]<br />
Kontaktdaten<br />
Ausbildung und Erholung<br />
Die Wellness-Flugschule<br />
A. M. Flugwelt GmbH<br />
Am Flugplatz 1<br />
92436 Bruck i.d. Oberpfalz<br />
Telefon: +49 9434/519940<br />
Mail: info@flugwelt.eu<br />
Der Flugplatz liegt<br />
zwischen Nittenau<br />
und Bruck direkt<br />
am Sulzbach.<br />
In loser Folge stellt der <strong>aerokurier</strong><br />
Flugschulen vor, die sich von der Masse<br />
abheben. A. M. Flugwelt setzt nicht<br />
nur auf gute Ausbildung, sondern auch<br />
auf ein Wohlfühl-Ambiente.<br />
Fliegenlernen ist für Körper<br />
und Geist eine anstrengende<br />
Sache“, weiß Anton Moll,<br />
Inhaber der Flugschule A. M. Flugwelt<br />
GmbH. Und er resümiert<br />
weiter: „Wenn das Lernumfeld<br />
stimmt, dann fällt alles viel leichter.“<br />
Zusammen mit Helmut Matschi,<br />
dem Betreiber des Flugplatzes<br />
Nittenau Bruck, 30 Kilometer<br />
nordöstlich von Regensburg, hat<br />
er vor drei Jahren begonnen, seine<br />
Vorstellungen von einer Wellness-Flugschule<br />
umzusetzen.<br />
Der fast 60 Jahre alte Platz war<br />
in keinem guten Zustand: schlechte<br />
Bahn, ungepflegte Flächen,<br />
Reparaturbedarf an den Gebäuden.<br />
Der neue Eigentümer schob nichts<br />
auf die lange Bank und erarbeitete<br />
ein Renovierungskonzept, 2014<br />
begann der Umbau. Heute stehen<br />
neben der neuen 540 Meter langen<br />
und 15 Meter breiten Asphaltbahn<br />
moderne Hallen und ein repräsentatives<br />
Schulungsgebäude. Weitere<br />
Hangarneubauten und ein frei<br />
stehender Tower sind in Arbeit.<br />
„Bei uns gibt es keine klassischen<br />
Unterrichtsräume mit Lehrerpult<br />
und harten Stühlen“, sagt<br />
Anton Moll. Die Schüler lernen in<br />
Kleingruppen und sitzen entspannt<br />
auf bequemen Polsterstühlen an<br />
modernen Tischen. Die stylische<br />
Küche steht allen jederzeit zur<br />
Verfügung, und wer von weiter<br />
herkommt, der kann auch im Obergeschoss<br />
eines der Pilotenzimmer<br />
beziehen. Wer sich zwischendurch<br />
mal abkühlen muss, kann dies mit<br />
einem Sprung in den schuleigenen<br />
Pool hinter dem Schulungsgebäude<br />
erledigen. Dort steht in Kürze<br />
auch ein großzügiger Grillplatz zur<br />
Verfügung, und für kalte Tage wird<br />
es zum Aufwärmen sogar eine<br />
Sauna geben. Nur zehn Gehminuten<br />
entfernt lädt im Sommer der<br />
Badesee „Sandoase“ mit kleinem<br />
Restaurant ein.<br />
Dass dieses Konzept angenommen<br />
wird und auch aufgeht, zeigen<br />
die Schülerzahlen: Im vergangenen<br />
Jahr haben 26 Schüler ihre Ausbildung<br />
erfolgreich abgeschlossen,<br />
Entspannte Atmosphäre gehört dazu – egal ob im großzügigen<br />
Schulungsgebäude oder am Pool nebenan.<br />
und in diesem Jahr sind sogar 40<br />
Schüler in der Ausbildung. Neben<br />
Anton Moll bilden noch vier weitere<br />
Fluglehrer auf Tragschrauber<br />
und Dreiachser aus. Dazu stehen<br />
zwei MTOsport, eine Calidus und<br />
eine Cavalon zur Verfügung sowie<br />
eine Breezer, eine Sila 450 und<br />
eine Aeroprakt A-22.<br />
Wer in den PPL-Bereich hineinschnuppern<br />
möchte, der kann dies<br />
in einer Cessna 172F oder in einem<br />
Hubschrauber R-22 probieren.<br />
Damit die Schüler aber nicht nur<br />
das Fliegen in der Umgebung lernen,<br />
wird mehrfach im Jahr die<br />
Möglichkeit zu mehrtägigen Ausflügen,<br />
zum Beispiel in die südlichen<br />
Nachbarländer, angeboten.<br />
Wer bei der Flugschule A. M.<br />
Flugwelt GmbH das Fliegen lernen<br />
möchte, muss knapp 600 Euro für<br />
die Theorieausbildung bezahlen<br />
und für jede Flugstunde mit der<br />
Fläche 135 Euro, für Tragschrauber<br />
sind es 165 Euro. Wellness inbegriffen.<br />
ae<br />
Toni Ganzmann<br />
Fotos: Toni Ganzmann, Flugwelt<br />
58 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
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[ BUSINESS AVIATION Ed Force One ]<br />
AUTOR:<br />
Max Kühnl<br />
Auf die Frage, warum es<br />
denn gleich eine Boeing<br />
747-400 als „Tourbus“ sein<br />
muss, hat Bruce Dickinson<br />
die Antwort schnell parat. „Die<br />
757 war einfach zu klein“, sagt der<br />
Sänger der britischen Heavy-Metal-<br />
Band Iron Maiden lapidar. Nach seiner<br />
ersten Landung in einem Jumbo<br />
im Februar in Fort Lauderdale grinst<br />
er wie mit einem Kleiderbügel im<br />
Mund. Zum Beginn der „Book of<br />
Souls“-Welttournee hat er das Flugzeug<br />
in England abgeholt und zum<br />
ersten Konzert in Florida höchstselbst<br />
überführt. Um sich, seine Band sowie<br />
das Tourpersonal und das Equipment<br />
von Konzert zu Konzert zu fliegen,<br />
erwarb er eigens ein Type Rating für<br />
die Boeing 747.<br />
Dickinson hatte in den frühen<br />
1990er-Jahren seine Pilotenlizenz in<br />
Florida erworben und war bis 20<strong>11</strong><br />
für die britische Charterfluggesellschaft<br />
Astraeus als Kapitän auf der<br />
Boeing 757 unterwegs. 2012 gründete<br />
er in Cardiff den Wartungsbetrieb<br />
60 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Business Jet mal anders:<br />
Während der letzten Welttour<br />
flog Bruce Dickinson<br />
SHOW<br />
sich und seine Band<br />
mit einer Boeing 747<br />
um den Globus.<br />
BUSINESS<br />
Fotos: Justin De Reuck, Suresh Atapattu<br />
Cardiff Aviation. Privat betreibt der<br />
passionierte Flieger einen Oldtimer<br />
vom Typ Fokker Dr I, einen Dreidecker<br />
aus dem Ersten Weltkrieg.<br />
Die Idee, mit einem Flugzeug auf<br />
Tour zu gehen, reicht zurück bis ins<br />
Jahr 2008. Für die „Somewhere Back<br />
in Time World Tour“ wurde seinerzeit<br />
ein ziemlich enger Zeitplan ausgear-<br />
Iron-Maiden-Sänger Bruce<br />
Dickinson bei der Vorstellung<br />
seines Tour-Jumbos in Fort<br />
Lauderdale in Florida. Am Tag<br />
danach begann die „Book of<br />
Souls World Tour“.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 61
[ BUSINESS AVIATION Ed Force One ]<br />
Fotos: Christian Winter, Justin De Reuck, Andreas Contador, Jeffrey Schafer, Iron Maiden<br />
[ 1 ]<br />
[ 2 ] [ 3 ]<br />
[ 1 ] Im Sommer stattete<br />
die Boeing 747-400 auch<br />
Düsseldorf einen Besuch<br />
ab. [ 2 ] Dickinson und sein<br />
Team am Abend vor dem<br />
Fotoflug. [ 3 ] Zuletzt diente<br />
eine Boeing 757 der Rockband<br />
als Transportmittel.<br />
beitet: So sollte die Band im Schnitt<br />
jeden zweiten Abend auf der Bühne<br />
stehen. Bei den Distanzen einer Welttour<br />
wäre das mit der Menge an Instrumenten<br />
und sonstigem Bühnenequipment<br />
per Linienflug nicht machbar<br />
gewesen. Alleine schon die Suche<br />
nach freien Platzkontingenten hätte<br />
sich bei bis zu 70 reisenden Personen<br />
äußerst schwierig gestaltet. So kam<br />
dem Management die Idee, ein eigenes<br />
Flugzeug für die Tour zu chartern.<br />
Letztlich fiel die Wahl auf eine Boeing<br />
757-200 der Astraeus, Kennung<br />
G-OJIB, die Dickinson kurzerhand<br />
selbst flog. Das Flugzeug war ja ein<br />
alter Bekannter aus seiner täglichen<br />
Arbeit im Linienbetrieb der Airline.<br />
Das Flugzeug wurde zuvor an die<br />
speziellen Anforderungen angepasst:<br />
So mussten von Konzert zu Konzert<br />
durchschnittlich eben jene 70 Personen<br />
und 12 Tonnen Equipment transportiert<br />
werden. Im hinteren Drittel<br />
der Maschine wurde eine Trennwand<br />
eingezogen. Dort fanden die Koffer<br />
und Boxen mit der Bühnentechnik<br />
und den Instrumenten ihren Platz.<br />
Besonderes Augenmerk galt der Lackierung:<br />
Anstelle eines Airline-<br />
Labels prangte auf dem vorderen<br />
Rumpf der Name der Band und auf<br />
dem Seitenleitwerk das Maskottchen<br />
der Band, Eddie. Es war auch maßgeblich<br />
für den Taufnamen des Flugzeugs.<br />
„Ed Force One“. Der Name<br />
ist angelehnt an die US-amerikanische<br />
Präsidentenmaschine „Air Force One“<br />
und stammt von einem Fan. Die Band<br />
hatte damals ihre Anhänger mit einem<br />
Aufruf auf ihrer Homepage an der<br />
Namensfindung beteiligt.<br />
Als Rufzeichen am Funk wählten<br />
die Briten „Flight 666“ aus. Das Konzept<br />
des privaten Tourflugzeugs bewährte<br />
sich: An 323 Tagen spielte<br />
die Heavy-Metal-Band insgesamt 154<br />
Konzerte auf fünf Kontinenten. So<br />
kam es, dass für die im Jahr 20<strong>11</strong><br />
folgende „The Final Frontier World<br />
Tour“ erneut eine 757 von Astraeus<br />
gechartert wurde – wieder mit Bruce<br />
Dickinson am Steuer und einer speziellen<br />
Bemalung. Doch deren Größe<br />
62 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Ihr Spezialist für Verkauf,<br />
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[ 4 ]<br />
[ X ]<br />
Top Flugzeuge:<br />
• 1992 Beech King Air C90B XP - TT 3.450 hrs<br />
• 1985 Beech King Air F90-1 - TT 4.400 hrs<br />
• 2010 Beech King Air 350i - TT 1.150 hrs<br />
• 2005 Cessna Citation XLS - TT 3.100 hrs<br />
• 2013 Cessna Citation XLS+ TT 850 hrs<br />
• 2012 Embraer Phenom 100 - TT 600 hrs<br />
reichte für die diesjährige „Book of<br />
Souls World Tour“ nicht mehr aus.<br />
Ein weiterer Grund für die Suche nach<br />
einem neuen Flugzeug: Der bisherige<br />
Verleiher Astraeus war zwischenzeitlich<br />
insolvent geworden.<br />
So wurde es in diesem Jahr eine<br />
Boeing 747-400 des isländischen<br />
Charterunternehmens Air Atlanta<br />
Icelandic. Das Unternehmen mit Sitz<br />
in Reykjavík, Island, führt ausschließlich<br />
Charterflüge für ihre Kunden<br />
durch und vermietet die Flugzeuge<br />
mit oder ohne Besatzung. Linienflüge<br />
unter eigener Flugnummer führt<br />
das Unternehmen nicht durch.<br />
Bevor die 747-400 ihre knapp 180<br />
Tonnen Metall für die Rocker in die<br />
[ 5 ]<br />
[ 4 ] Bruce Dickinson<br />
verlässt „sein“ Flugzeug<br />
in der Uniform des<br />
Charterunternehmens Air<br />
Atlanta Icelandic.<br />
[ 5 ] Nach dem Kleidungswechsel<br />
rockt der Brite<br />
wieder für seine Fans.<br />
Top Service:<br />
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für Beechcraft, Hawker 400XP, Cessna Citation<br />
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Ein Unternehmen der Atlas Air Service AG
[ BUSINESS AVIATION Ed Force One ]<br />
[ 1 ]<br />
Fotos: Justin De Reuck, Iron Maiden<br />
[ 1 ] So kennen die Fans<br />
Bruce Dickinson: als<br />
Frontman von Iron Maiden.<br />
Der Fotoflug über den<br />
Dächern von Kapstadt<br />
erfordert eine intensive<br />
Vorbereitung [ 2 + 3 ].<br />
Lüfte erhob, flog sie für Air France<br />
im Passagierdienst. Die Airline hatte<br />
das Flugzeug 2003 fabrikneu von<br />
Boeing übernommen und im Dezember<br />
2015 im Zuge ihrer 747-Ausmusterung<br />
stillgelegt. Die ehemalige<br />
F-GITH ist damit eins von drei Flugzeugen,<br />
das Air Atlanta Icelandic<br />
von Air France in die jetzt 14 Jumbos<br />
umfassende Flotte aufgenommen<br />
hat. Außer der Boeing 747-400 betreiben<br />
die Isländer keinen anderen<br />
Flugzeugtyp.<br />
Der Jumbo, jetzt als TF-AAK registriert,<br />
flog die Band von Fort Lauderdale<br />
aus durch ganz Nord- und<br />
Südamerika zu 27 Shows, bevor es<br />
über Japan, China und Neuseeland<br />
nach Australien ging. Von dort steuerte<br />
der Sänger die 747 nach Europa,<br />
wo sie unter anderem in Berlin der<br />
ILA einen Kurzbesuch abstattete und<br />
in Düsseldorf landete. Den letzten<br />
Teil der Tour im Juli und August in<br />
Südeuropa absolvierte die Band hingegen<br />
laut Management mit klassischen<br />
Tourbussen.<br />
Das Flugzeug war dabei weiterhin<br />
in Besitz der Air Atlanta Icelandic,<br />
und Bruce Dickinson laut Gerüchten<br />
ebenfalls dort angestellt: Auf einem<br />
Bild ist recht deutlich ein Crew-Anhänger<br />
der isländischen Fluggesellschaft<br />
zu sehen. Demnach wurden<br />
auch die gesamte operationelle Durchführung<br />
der Flüge sowie das Kabinenpersonal<br />
und der Copilot jeweils<br />
von Air Atlanta Icelandic gestellt.<br />
Die „Ed Force One“ wird weiterhin<br />
im Streckennetz der Isländer und<br />
deren Kundschaft aus der ganzen<br />
Welt zum Einsatz kommen. Eddie auf<br />
dem Leitwerk wird allerdings weichen<br />
müssen: Die Flotte von Air Atlanta<br />
besteht ausschließlich aus Flugzeugen<br />
in diskreter weißer Lackierung.<br />
Im Vergleich zum Flugzeug erholt<br />
sich die Band erst einmal von der eng<br />
getakteten Welttour. Bleibt abzuwarten,<br />
welche Ideen Bruce Dickinson<br />
und seinem Team für die nächste<br />
Welttournee kommen werden. Wenn<br />
es wieder heißt: Tags Pilot, nachts<br />
Rockstar.<br />
ae<br />
64 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Praxis<br />
Know-how<br />
November <strong>2016</strong><br />
für<br />
Einsteiger und<br />
Fortgeschrittene<br />
Obacht beim Griff<br />
ins Ölregal, denn<br />
die Spezifikation<br />
muss stimmen.<br />
Foto: Mark Juhrig<br />
Motoröl<br />
Wie geschmiert<br />
Jeder Pilot weiß um die Bedeutung des Motoröls für den<br />
zuverlässigen Betrieb eines Flugmotors. Doch hat die dunkle<br />
Flüssigkeit weit mehr Aufgaben als nur die Schmierung.<br />
Motoröl ist für die Schmierung des<br />
Motors zuständig.“ Dieser Satz ist<br />
keinesfalls falsch, beschreibt aber<br />
nur eine von vielen Aufgaben des Motoröls.<br />
So ist die Schmierung bei Flugmotoren amerikanischer<br />
Bauart nicht die einzige wichtige<br />
Funktion des Öls. Aufgrund ihrer relativ niedrigen<br />
Drehzahl sind die Anforderungen an<br />
die Schmierfähigkeit des Öls hier weit geringer<br />
als bei modernen Motoren in Fahrzeugen.<br />
Ebenso wichtig ist die Kühlung des Motors.<br />
Vor allem die Kolben werden praktisch ausschließlich<br />
durch Motoröl gekühlt. Dazu wird<br />
es zur Wärmeabfuhr durch Düsen auf die<br />
Kolbenböden gespritzt. Die vielleicht wichtigste<br />
Funktion des Öls ist das Sauberhalten<br />
des Motors. Noch immer werden viele Flugmotoren<br />
mit bleihaltigem Kraftstoff betrieben,<br />
und es entweichen große Mengen der Verbrennungsgase<br />
in das Kurbelgehäuse. Die<br />
festen Bestandteile dieser sogenannten Blowby-Gase<br />
– Bleirückstände und Ölkohle – dürfen<br />
sich nicht im Motor absetzen, da dadurch die<br />
Ölkanäle im Motor verstopfen. Diese Partikel<br />
hält das Öl in der Schwebe, bis sie der Ölfilter<br />
ausfiltert oder das Öl gewechselt wird.<br />
Insbesondere bei Motoren, die nur über<br />
Ölsiebe verfügen, ist das besonders wichtig,<br />
da die Partikel durch die relativ groben Maschen<br />
des Ölsiebes nicht ausgefiltert werden.<br />
So schreiben Lycoming und Continental einen<br />
Ölwechsel nach 25 Betriebsstunden vor, wenn<br />
der Motor nur über Ölsiebe (oil screens) verfügt<br />
und nicht über eine Ölfilterpatrone (spinon<br />
oil filter). Ein guter Indikator für die Menge<br />
der im Öl gebundenen Partikel ist seine<br />
Farbe. Je dunkler es wird, desto mehr Partikel<br />
sind enthalten. Ölwechselintervalle von<br />
über 50 Stunden lassen sich praktisch nur<br />
bei Verwendung von bleifreiem Treibstoff<br />
erreichen. Bei Rotax beträgt das Intervall bei<br />
der Verwendung von bleifreiem Treibstoff<br />
100 und überwiegend verbleitem Treibstoff<br />
50 Stunden.<br />
Aufgabe drei ist der Korrosionsschutz. Hier<br />
sind vor allem mineralische Einbereichsöle<br />
im Vorteil, da sie nach dem Abkühlen deutlich<br />
zähflüssiger sind als Mehrbereichsöle. So hält<br />
sich der Ölfilm länger auf den korrosionsgefährdeten<br />
Bauteilen des Motors. Ein gutes<br />
Beispiel ist die Nockenwelle. Die Standzeiten<br />
von Luftfahrzeugen sind teilweise signifikant<br />
länger als die von Autos, und daher ist es<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 65
[ PRAXIS November <strong>2016</strong> ]<br />
Fotos: Mark Juhrig, Lars Reinhold<br />
Ein Blick unter die Cowling verrät schnell, ob irgendwo etwas undicht ist. Die vielen Ölspritzer auf<br />
dem Schlauch deuten auf ein Leck im Ölsystem hin, eine genaue Kontrolle ist angeraten.<br />
wichtig, dass der schützende Ölfilm möglichst<br />
lange haftet. Einige Ölsorten sind mit speziellen<br />
Korrosionsschutz-Additiven versehen.<br />
Man sollte sich aber vorab informieren, ob sie<br />
für den entsprechenden Motor geeignet sind.<br />
So ist ein von Lycoming empfohlener Zusatz<br />
Gift für die Anlasser von Continental-Motoren,<br />
da die Kupplung durch das Additiv zu rutschen<br />
beginnt. Bei Motoren mit hydraulischem Verstellpropeller<br />
dient das Motoröl als Hydraulikflüssigkeit.<br />
Der Hydraulikaktuator in der<br />
Propellernabe ist durch die Kurbelwelle mit<br />
dem hydraulischen Propellerregler verbunden.<br />
Auch die sogenannten Wastegates von Turbomotoren<br />
werden durch das Öl betätigt.<br />
Welches Öl ist das richtige?<br />
Im Kfz-Bereich sind vollsynthetische Mehrbereichsöle<br />
Standard. Ihr Vorteil ist, dass sie<br />
auch bei niedrigen Temperaturen gut fließen,<br />
sodass auch beim Kaltstart die Ölversorgung<br />
Analysen von Ölproben lassen Rückschlüsse auf Verschleiß und Schäden zu.<br />
Beim Öleinfüllen ist auf Sauberkeit zu achten,<br />
damit kein Schmutz in den Motor gerät.<br />
schnell gewährleistet ist. Ein Einbereichsöl<br />
ist dagegen bei Kälte dickflüssig, und im Extremfall<br />
kann das dazu führen, dass Lager<br />
anfangs nicht ausreichend geschmiert werden.<br />
Daher sind Kaltstarts von Flugmotoren mit<br />
diesem Öl bei tiefen Temperaturen mit Bedacht<br />
durchzuführen. Auf keinen Fall darf zu viel<br />
Gas gegeben und der Motor hochgedreht<br />
werden, die Warmlaufphase erfolgt mit niedriger<br />
Drehzahl. Bei Temperaturen unter 5 o C<br />
sollten Motor und Öl vorgewärmt werden.<br />
Trotz der Nachteile von Einbereichsölen kommen<br />
für viele amerikanische Motoren Mehrbereichsöle<br />
aufgrund ihrer Zusammensetzung<br />
nicht infrage. Zumeist bestehen sie aus einer<br />
Mischung von mineralischen und synthetischen<br />
Basisölen. Um ihre Viskosität über ein breites<br />
Temperaturspektrum zu halten, werden Viskositätsindexverbesserer<br />
eingesetzt. Allerdings<br />
altern letztere in Verbindung mit mineralischen<br />
Ölen schnell, wodurch ihre Wirkung nachlässt.<br />
Zwar funktionieren VI-Verbesserer in Verbindung<br />
mit synthetischen Basisölen, jedoch sind<br />
synthetische Öle bei Verwendung von verbleitem<br />
Treibstoff problematisch, da sie die<br />
Bleirückstände nicht dauernd binden können.<br />
So bleibt oft nur die Verwendung von Einbereichsölen.<br />
Üblicherweise kommt im Sommer<br />
ein 100er Öl (SAE-Klassifikation 50) und im<br />
Winter ein 60er bis 80er Öl (SAE-Klassifikation<br />
von 30 bis 40) zum Einsatz. Die Viskositätsbezeichnungen<br />
bei Einbereichsölen entsprechen<br />
übrigens nicht den SAE-Klassifikationen<br />
von Mehrbereichsölen, was historisch<br />
begründet ist. In den Betriebshandbüchern<br />
amerikanischer Flugmotoren beginnt der<br />
Winter bei einer Außentemperatur von unter<br />
40 °F, also bei unter 5 °C.<br />
Wird ein Motor hauptsächlich mit bleifreiem<br />
Sprit betrieben, ist die Verwendung von Mehrbereichsölen<br />
– entsprechend der Herstellervorgaben<br />
– möglich. Bei Rotax-, Technify- und<br />
Austro-Engine-Motoren sind synthetische<br />
Mehrbereichsöle aufgrund von Bauart und<br />
Treibstoff die Regel. Allerdings gibt es beim<br />
Rotax eine Besonderheit: Da auch das Getriebe<br />
durch das Motoröl geschmiert wird, sind<br />
spezielle Additive erforderlich. Im Prinzip<br />
werden beim 912er ähnliche Öle verwendet<br />
wie bei Motorradmotoren mit nur einem Ölkreislauf<br />
für Motor und Getriebe. Es gibt inzwischen<br />
Ölsorten, die explizit für den 912er<br />
angeboten und von Rotax empfohlen werden.<br />
Die für einen Flugmotor freigegebenen Ölsorten<br />
findet man im Betriebs-/Wartungshandbuch<br />
des Motors. Häufig gibt es zudem Service-<br />
Bulletins der Hersteller. Hier kann man aber<br />
leicht den Überblick verlieren. So findet sich<br />
zum Beispiel im sehr ausführlichen Wartungshandbuch<br />
für Continentals kein Hinweis da-<br />
66 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
auf, dass die Verwendung von teilsynthetischen<br />
Mehrbereichsölen beim Betrieb mit verbleitem<br />
Treibstoff nicht zu empfehlen ist, obwohl dies<br />
allgemein bekannt ist.<br />
Für die Einlaufphase von US-Motoren empfehlen<br />
die Hersteller üblicherweise sogenannte<br />
unlegierte Öle – im Englischen „straight<br />
mineral oil“. Im Gegensatz zum üblichen legierten<br />
Öl oder „ashless dispersant oil“ bindet<br />
dieses keine Fremdstoffe im Öl, und die<br />
Schmierfähigkeit ist geringer, wodurch das<br />
Einlaufen zum Beispiel der Kolbenringe beschleunigt<br />
wird. In Expertenkreisen wird die<br />
Notwendigkeit der Verwendung von unlegierten<br />
Ölen in der Einlaufphase jedoch angezweifelt.<br />
Allerdings ist wegen der relativ<br />
kurzzeitigen Verwendung von unlegiertem<br />
Öl auch kein Schaden zu befürchten.<br />
Ölwechsel – aber wann?<br />
Bei US-Aggregaten sind Öl und die Filterpatrone<br />
alle 50 Stunden oder nach vier Monaten<br />
(Lycoming) oder sechs Monaten (Continental)<br />
zu wechseln. Ist keine Ölfilterpatrone installiert,<br />
sondern nur ein Ölsieb, dann ist der<br />
Ölwechsel nach 25 Stunden oder vier Monaten<br />
fällig. Bei Rotax- und Diesel-Motoren erfolgt<br />
der Öl- und Filterwechsel üblicherweise nach<br />
100 Betriebsstunden. Beim Rotax verringert<br />
sich das Wechselintervall auf 50 Stunden, wenn<br />
der Motor zu mehr als 30 Prozent mit verbleitem<br />
Flugbenzin betrieben wird.<br />
Je neuer das Motoröl ist, umso besser schützt<br />
es den Motor vor Korrosion. Daher ist es ratsam,<br />
vor einer längeren Betriebspause das<br />
Öl zu wechseln, auch wenn das nach Wartungsplan<br />
noch nicht ansteht. Einen Öl- und<br />
Filterwechsel freigeben darf laut EASA Part-<br />
M auch der Flugzeughalter, so fallen meist<br />
nur die Materialkosten an. Im Vergleich zu<br />
einem Schaden durch Korrosion ist dies sicher<br />
eine vernachlässigbare Ausgabe. Ebenso ist<br />
es empfehlenswert, bei jedem Ölwechsel eine<br />
Ölprobe zu entnehmen und analysieren zu<br />
lassen. In den USA gibt es zahlreiche Labors,<br />
die eine Ölanalyse für etwa 20 Dollar anbieten.<br />
Der Versand einer Probe als Großbrief ist unkompliziert<br />
und kostet nur ein paar Euro. Vom<br />
Labor bekommt man dann wenig später die<br />
Ergebnisse als PDF-Datei zugesandt. Üblicherweise<br />
wird das Öl auf Eisen, Kupfer, Nickel,<br />
Chrom, Aluminium, Blei, Silizium und Zinn<br />
untersucht. Die jeweiligen Konzentrationen<br />
werden in PPM (parts per million) angegeben.<br />
Die jeweilige Menge wird mit dem Durchschnitt<br />
des Motortyps entsprechend der Datenbank<br />
des Labors bewertet. Daher ist es wichtig,<br />
die Analysen immer beim selben Labor durchführen<br />
zu lassen, um sich abzeichnende Bauteilschäden<br />
vor dem Versagen erkennen zu<br />
Ölwechsel an einem Rotax 912. Gut zu erkennen ist der große Ölbehälter der Trockensumpfschmierung,<br />
der eine Ölwanne überflüssig macht.<br />
können. So deutet zum Beispiel ein Anstieg<br />
der Nickelkonzentration auf ein bevorstehendes<br />
Problem an einem Auslassventil hin. Viele<br />
Labore bieten auch die Untersuchung der<br />
Ölfilterpatronen an.<br />
Zwischen den Wechseln gilt es auf den Ölstand<br />
zu achten. Bei US-Motoren sollte die Menge<br />
zwei Drittel des Maximalwerts nicht überschreiten.<br />
Alles was deutlich darüber hinaus<br />
geht, spuckt der Motor schnell über die Kurbelgehäuseentlüftung<br />
wieder aus. Laut Zertifizierungsvorschrift<br />
muss der Motor mit 50<br />
Prozent der maximalen Ölmenge noch in allen<br />
Fluglagen zuverlässig laufen. Übrigens: Das<br />
Prüfen der Ölmenge nach einem Flug ist nicht<br />
sinnvoll, da das Öl noch im Motor verteilt ist<br />
und erst nach einiger Zeit in die Ölwanne<br />
zurückfließt. Zum Messen des Ölstandes bei<br />
Rotaxmotoren mit Trockensumpfschmierung<br />
muss erst das restliche Öl aus dem Motor in<br />
den Ölbehälter gepumpt werden. Dies erfolgt<br />
durch langsames Durchdrehen des Motors in<br />
Laufrichtung und keinesfalls entgegengesetzt,<br />
da dies Luft in die Ölpumpe fördern würde.<br />
Beim nächsten Motorstart bestünde die Gefahr<br />
von Schäden aufgrund fehlender Schmierung.<br />
Durch das langsame Durchdrehen strömt<br />
komprimierte Luft an den Kolben vorbei ins<br />
Kurbelgehäuse und drückt das Öl in den Sammelbehälter.<br />
Sobald es in diesem gurgelt, ist<br />
der Vorgang abgeschlossen und der Ölstand<br />
kann gemessen werden. Natürlich sollte auch<br />
ein Rotax nicht mit zu viel Öl befüllt werden.<br />
Jedoch ist es unbedenklich, wenn der Peilstab<br />
den Maximalpegel anzeigt.<br />
[ Autor Mark Juhrig<br />
... fand mit dem Modellflug<br />
den Einstieg in die<br />
Fliegerei. Heute ist er in<br />
Cockpits von Motorflugzeugen<br />
ebenso<br />
zu Hause wie in denen<br />
von Motorseglern und<br />
ULs. Das Interesse<br />
des Elektroingenieurs gilt insbesondere der<br />
Flugzeugtechnik.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 67
[ PRAXIS November <strong>2016</strong> ]<br />
Fotos: airCademy, Frank Herzog, Motorbuch Verlag, Philipp Prinzing, Katrin Sdun<br />
Peters Software Exam <strong>11</strong><br />
Der interaktive Alleskönner<br />
Zu Beginn jeder Privatpilotenausbildung denken viele Schüler, man müsse Dinge wie Headset,<br />
Fliegerbrille oder gar ein eigenes Flugzeug „unbedingt“ haben. Viel wichtiger ist es aber, gut durch<br />
Ausbildung und Prüfung zu kommen. Eine ungeahnte Vielzahl an Helferchen steht dafür bereit.<br />
Zu Beginn meiner Schulung stand ich vor<br />
eben genau dieser Frage: Mit welchen<br />
Lernhilfen komme ich am besten durch<br />
die Ausbildung, und was entspricht meinem<br />
Lerntyp? Grundsätzlich habe ich gerne noch<br />
etwas in der Hand und verlasse mich nicht<br />
nur auf elektronische Hilfsmittel. In Gesprächen<br />
mit Piloten, die ich jedem Rookie ans Herz<br />
lege, zeigten sich immer wieder zwei Lager.<br />
Die einen, die ganz old school mit Büchern<br />
und dem aktuellen Fragenkatalog lernen, und<br />
die „digital natives“ (ob man sie so nennen<br />
darf), die vollständig auf das gedruckte Wissen<br />
verzichten und sich nur noch mit Lernsoftware<br />
oder Apps auf die 180 Prüfungsfragen<br />
sowie die Aufgaben zu Luftrecht und Flugplanung<br />
vorbereiten.<br />
Für mich war irgendwann klar, ich bevorzuge<br />
eine Mischung aus beidem. Bei der anschließenden<br />
Recherche fand ich mich vor einem<br />
ganzen Berg an Möglichkeiten wieder: Bücher<br />
von A bis Z, unterschiedliche Software, kostenpflichtig<br />
oder Freeware. Nach einem erneuten<br />
Gespräch mit dem Ausbildungsleiter<br />
meiner Flugschule entschied ich mich dann<br />
für den Marktführer von Peters Software aus<br />
Köln sowie für das Buch von Winfried Kassera<br />
„Motorflug kompakt“.<br />
Ausschlaggebend für die Entscheidung für<br />
das Produkt der Firma Peters (die 2015 von<br />
Boeing gekauft wurde) war, dass alle Regierungspräsidien<br />
in Deutschland diese Software<br />
nutzen und sie immer auf dem aktuellen Stand<br />
ist. Zudem kann man während der Prüfung<br />
im gewohnten Programm arbeiten. Für mich<br />
ist das sehr beruhigend, unter diesen Umständen<br />
in die Abfrage bei der Luftfahrtbehörde<br />
zu gehen.<br />
Peters Software bietet nicht nur für den privaten<br />
Motorflieger die passenden Programme,<br />
sondern auch Segelflieger, Hubschrauberpiloten,<br />
Ballonfahrer und die ATPL-Fraktion<br />
werden dort fündig. Es gibt die Luxusversion<br />
GOTO PPL mit sämtlichen Prüfungsfragen aus<br />
dem Fragenkatalog 2015, denFragen zum<br />
Flugfunk und der digitalen Version des hauseigenen<br />
Lehrmaterials „Der Privatflugzeugführer“,<br />
welches zusammen mit der Deutschen<br />
Flugsicherung GmbH (DFS) und dem Deutschen<br />
Wetterdienst (DWD) entwickelt wurde. In der<br />
abgespeckten Variante EXAM PLL sind lediglich<br />
die Prüfungsfragen enthalten. Ich<br />
entschied mich am Ende für die voll ausgestattete<br />
Software. Über die Website erworben,<br />
stehen nun die Online-Version und der Download<br />
zur Verfügung. Die Programme laufen<br />
auf den gängigen Systemen von Microsoft und<br />
Apple. Eine iPad-Variante gibt es ebenfalls.<br />
Der Download ging zügig vonstatten, und ich<br />
konnte – nach Installation der aktuellen Java-<br />
Version – endlich loslegen.<br />
Lernen mit dem Alleskönner<br />
In Zeiten der optisch sehr ansprechenden und<br />
bunten Programme war ich beim ersten Öffnen<br />
doch etwas überrascht. Hier ist zumindest<br />
die Benutzeroberfläche sehr einfach und grauweiß<br />
gehalten. Nach einiger Nutzung fällt das<br />
68 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Die digitalen Ausgaben des „Privatflugzeugführers“ überzeugen durch Interaktivität.<br />
So kann auch die Schwerpunktlage per Schieberegler angepasst werden.<br />
gar nicht mehr ins Gewicht, denn diese Software<br />
überzeugt durch Vollständigkeit, eine<br />
gute Bedienbarkeit und sehr gute interaktive<br />
Lernhilfen.<br />
Startet man eine Befragung – es stehen der<br />
Lernmodus und der Prüfungsmodus zur Verfügung<br />
–, öffnet sich ein Fenster, in dem links<br />
alle Fragen chronologisch aufgelistet sind.<br />
Rechts wird die gewählte Frage gestellt und<br />
mit vier möglichen Antworten angezeigt –<br />
Multiple Choice eben. Im Lernmodus hat der<br />
Schüler die Möglichkeit, sich die Lösung anzeigen<br />
zu lassen und direkt in das entsprechende<br />
Kapitel der unterhalb der Fragen<br />
angezeigten digitalen Version des „Privatflugzeugführers“<br />
zu springen. Dort wird es dann<br />
richtig interaktiv und interessant.<br />
Das Kapitel ist nicht beschränkt auf einfache<br />
Textbeispiele. Man kann Schalter bedienen<br />
zum Bespiel zur Beleuchtung des Luftfahrzeugs<br />
oder ein kleines Flugzeug über die Runway<br />
rollen lassen und es anhand der Lichtzeichen<br />
an bestimmte Punkte bringen und abheben<br />
lassen. Oder man verschiebt Gewichte, um<br />
den entsprechenden Schwerpunkt zu ermitteln.<br />
Die Möglichkeiten sind hier sehr vielfältig und<br />
sorgen für eine willkommene Abwechslung<br />
im sonst eher eintönigen Lernalltag. Kurzum,<br />
dank dieser Verknüpfungen zum Lehrmaterial<br />
macht es sogar richtig Spaß, und manche<br />
Dinge, die im bisweilen langatmigen Theorieunterricht<br />
möglicherweise an einem vorbeigegangen<br />
sind, werden spielerisch erklärt.<br />
Mir hat es einige Sachverhalte viel besser<br />
verständlich gemacht.<br />
Ist man nach einiger Zeit so weit, aus dem<br />
Lernmodus in den Prüfungsmodus zu wechseln,<br />
wird es spannend. Denn hier werden<br />
die Prüfungsfragen gestellt, und man erfährt<br />
nicht sofort, ob man mit der Antwort richtig<br />
liegt. Ein Zeitfenster wird vorgegeben, und<br />
man kann so üben, wie es später in der Prüfung<br />
sein wird. Statistikfans können sich ihren<br />
Fortschritt und den aktuellen Stand in Diagrammen<br />
anzeigen lassen. Man kann sich<br />
eigene Befragungen anlegen, um unter noch<br />
realistischeren Prüfungsbedingungen zu üben.<br />
Ich fühle mich durch das Programm sehr gut<br />
unterstützt und vorbereitet.<br />
[ Autor Philipp Prinzing<br />
... ist Redakteur für den<br />
Klassiker der Luftfahrt<br />
und den <strong>aerokurier</strong>. Seine<br />
Schwerpunkte liegen in<br />
der historischen Fliegerei<br />
und der Fotografie von<br />
fliegenden Klassikern.<br />
Derzeit befindet er sich<br />
in Ausbildung zum Privatpiloten<br />
bei der Motorflugschule<br />
des BWLV.<br />
Marktübersicht PPL-Lernhilfen<br />
Peters Software bietet mit seiner Lösung eine vollständige<br />
Lernhilfe für angehende Piloten. Es existieren jedoch Alternativen:<br />
Der Advanced PPL-Guide (www.aircademy.com) ist<br />
in digitaler Version für das<br />
iPad und als siebenbändige<br />
Druckvariante erhältlich.<br />
Kostenpunkt: 289 € als<br />
Bundle. Den PPL-Tutor<br />
(www.ppl-lernprogramme.<br />
de) gibt es hingegen ausschließlich<br />
als Software für<br />
Windows-Systeme<br />
(PPL(A): 89 €). Das Benutzerinterface<br />
wirkt reduzierter<br />
als bei Peters Software.<br />
Eine beliebte und kostenlose<br />
Variante stellt Open-PPL (www.open-ppl.de) dar. Einziger Haken:<br />
Es ist nicht möglich, dieses Open-Source-Projekt lokal auf dem<br />
heimischen Computer zu installieren und zu nutzen. Man muss den<br />
Fragenkatalog über die Website<br />
aufrufen, was eine aktive Internetverbindung<br />
voraussetzt.<br />
Eine Ergänzung zu allen Softwareund<br />
Printlösungen dürfte<br />
Motorflug kompakt – Das<br />
Grundwissen zur Privatpilotenlizenz<br />
sein (Motorbuch Verlag,<br />
39,90 Euro). Das Fachbuch von<br />
Winfried Kassera erschien kürzlich<br />
in überarbeiteter, sechster<br />
Auflage und hat sich im Laufe der<br />
Zeit als Standardwerk sowohl für<br />
Fluglehrer als auch für Flugschüler<br />
etabliert.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 69
[ PRAXIS November <strong>2016</strong> ]<br />
Eine Kontrolle der Reifen sollte Teil eines jeden<br />
Vorflugchecks sein, so lassen sich Schäden erkennen.<br />
DER<br />
EXPERTEN-<br />
TIPP<br />
Reifen<br />
Torsten Matz<br />
<strong>11</strong><br />
[ 1 ]<br />
[ 2 ]<br />
[ 3 ]<br />
[ 1 ] Ein klassischer Bremsplatten entsteht,<br />
wenn das Rad blockiert, während das Flugzeug<br />
rollt. [ 2 ] Ein platzender Reifen kann die<br />
Radverkleidung zerstören. [ 3 ] Kontrolle ist<br />
besser: Richtiger Luftdruck beugt Verschleiß<br />
und Schäden vor.<br />
Die Reifen an den Flugzeugen der Allgemeinen<br />
Luftfahrt stellen in den<br />
meisten Fällen als einziges Bauteil den<br />
Kontakt zum Boden her. Sie sind hohen Beanspruchungen<br />
ausgesetzt, beispielsweise<br />
durch den Landestoß, unebene Rollbahnen<br />
und das Bremsen. Natürlich kontrolliert der<br />
aufmerksame Pilot vor dem Flug seine Pneus.<br />
Aber worauf ist denn ganz konkret zu achten?<br />
Wo liegen die kritischen Punkte?<br />
Üblicherweise verwenden die Hersteller in<br />
unserem Bereich sogenannte Low Pressure<br />
Tires. Diese Bauart hat unter anderem den<br />
Vorteil, dass die Reifen kleine Schläge abdämpfen<br />
und einen relativ guten Grip auf der Bahn<br />
haben. Es gibt sie mit Schlauch oder als<br />
schlauchlose Konstruktion. Im Grundsatz besteht<br />
ein solcher Reifen aus der Karkasse,<br />
einem Gewebe. Dieser Bestandteil ist verantwortlich<br />
für die Festigkeit des Reifens. Zweites<br />
Hauptelement ist die Gummibeschichtung.<br />
Sie schützt die Karkasse vor äußeren Einflüssen,<br />
ergibt in ihrer äußersten Schicht das<br />
Profil und dichtet gegebenenfalls ab. Diese<br />
sehr unterschiedlichen Materialien werden<br />
auch völlig verschieden belastet. Daraus ergeben<br />
sich die speziellen Erscheinungen des<br />
Verschleißes oder bei Überbeanspruchung.<br />
Allseits bekannt und relativ leicht erkennbar<br />
ist die Abnutzung der Lauffläche. Als absolutes<br />
Minimum gilt hier das Sichtbarwerden<br />
des Gewebes. Bis zu diesem Zustand verringert<br />
sich die Haftung beim Rollen, eine angeschliffene<br />
Karkasse hingegen geht zulasten<br />
der Festigkeit des Reifens.<br />
Eine derartige Beschädigung kann allerdings<br />
auch neue Reifen treffen, und zwar in Form<br />
eines sogenannten Bremsplatten. Dieser entsteht,<br />
wenn das Flugzeug rollt und das Rad<br />
stehen bleibt. Das passiert beispielsweise<br />
durch zu starkes oder zu frühes Bremsen.<br />
Oftmals spürt man danach Vibrationen beim<br />
Rollen, die durch die abgeschliffene Stelle im<br />
Gummi verursacht werden. Eine ebenfalls<br />
runde bis ovale Beschädigung kann von örtlicher<br />
Überhitzung hervorgerufen werden.<br />
Wenn stark gebremst wird und man gleichzeitig<br />
durch eine Pfütze rollt, kann das Rad<br />
stehen bleiben. Dadurch entwickelt sich eine<br />
sehr starke Hitze, und das Gummi verbrennt<br />
an dieser Stelle.<br />
Kleine Schnitte in der Lauffläche sind teilweise<br />
akzeptabel. Bis zu einer bestimmten Länge<br />
dürfen sie eine Tiefe nicht größer als die<br />
Profiltiefe haben. Genauere Informationen<br />
über tolerierbare Beschädigungen liefern die<br />
Herstelleranweisungen.<br />
Neben den von außen erkennbaren Schäden<br />
kann es aber auch im Inneren des Reifens<br />
Probleme geben. Eine Ursache ist Überhitzung,<br />
die durch hohe Außentemperaturen, starkes<br />
Bremsen, konstruktiv schlechte Kühlung der<br />
Bremsen oder zu wenig Luftdruck begünstigt<br />
wird. Die Außentemperatur kann man nicht<br />
beeinflussen, und konstruktive Verbesserungen<br />
sind Sache des Herstellers. Allerdings<br />
kann man auch selbst etwas tun. So sollte man<br />
beim Bremsen nicht schleifen lassen, also nicht<br />
dauernd auf der Bremse stehen. Auch das<br />
Einhalten des korrekten Luftdrucks ist selbst<br />
zu bewerkstelligen. Bei zu wenig Druck walkt<br />
der Reifen und produziert sehr viel Wärme,<br />
was zur Überhitzung und zum Reifenplatzer<br />
führen kann.<br />
Vor allem nach längeren Standzeiten sollte<br />
daher der richtige Luftdruck geprüft werden.<br />
Die Reifen sind nämlich nicht dicht. Es diffundieren<br />
permanent Luftteilchen durch die Wandung,<br />
und der Luftdruck sinkt. Aus der größeren<br />
Fliegerei kennt man die Möglichkeit des<br />
Befüllens der Reifen mit Stickstoff. Dadurch<br />
wird die Brandgefahr hochbelasteter Reifen<br />
herabgesetzt und nicht, wie manchmal in der<br />
Kfz-Branche beworben, der Grad der Diffusion<br />
verringert. Manche Flugzeughersteller der<br />
GA haben eine Überhitzungsanzeige installiert.<br />
So gibt es beispielsweise bei Cirrus-Flugzeugen<br />
Aufkleber am Bremszylinder, welche anzeigen,<br />
ob die Temperaturen im Limit waren<br />
oder nicht.<br />
In jedem Fall sollte man sich regelmäßig die<br />
Gummis genauer ansehen. Wenn schöne,<br />
schlanke Radverkleidungen montiert sind,<br />
muss man dafür allerdings manchmal in die<br />
Hocke gehen. Nur so sieht man wirklich den<br />
Reifen und eventuelle Beschädigungen. Oftmals<br />
muss man auch die Maschine hin- und<br />
herschieben, um den gesamten Reifen begutachten<br />
zu können.<br />
[<br />
Autor Torsten Matz ...<br />
... ist Technischer Leiter<br />
beim Porta Air Service<br />
in Porta Westfalica.<br />
Er hat viele Jahre<br />
Er fahrung in der Wartung<br />
von Flugzeugen<br />
der Allgemeinen Luftfahrt<br />
und ist lizenziert<br />
von der EASA (B1) und der amerikanischen<br />
Luftfahrtbehörde FAA als A&P.<br />
Fotos: Torsten Matz, Porta Air Service<br />
70 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
digital<br />
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[ SEGELFLIEGEN Filmstar Antares ]<br />
AM<br />
Der Hochgebirgsflugplatz Courchevel in den französischen<br />
Alpen gilt als einer der anspruchsvollsten der Welt.<br />
Mit ihrem Gefälle könnte die Landebahn auch als Skipiste<br />
genutzt werden. VW wählte diesen Ort, um die Stärken des<br />
neuen Amarok für einen Werbefilm richtig ins Bild zu setzen.<br />
In der zweiten Hauptrolle: eine Antares 23E.<br />
Gibt dem Segelflug ein<br />
Gesicht: Rekordpilot und<br />
Alpenspezialist Klaus<br />
Ohlmann.<br />
Etwas Eindrucksvolleres als<br />
den Einsatz des bärenstarken<br />
V6-Diesels als Startmaschine<br />
für Segelflugzeuge<br />
auf dem vermeintlich gefährlichsten<br />
Flugplatz der Welt konnte sich die<br />
Werbeagentur von VW gar nicht vorstellen.<br />
Courchevel, in rund 2000 Metern<br />
Höhe inmitten eines faszinierenden<br />
Alpenpanoramas gelegen,<br />
bietet gerade mal eine 120 Meter lange<br />
ebene Fläche, dann fällt die Piste<br />
über 400 Meter steil ins Tal ab, anfangs<br />
mit einem Gefälle von mehr<br />
als 18 Prozent, über die letzten 134<br />
Meter sind es noch 12,5 Prozent. An<br />
ihrem Ende öffnet sich abrupt der<br />
Abgrund.<br />
Breit ist die Piste mit 80 Metern<br />
schon, aber kräftig gewölbt. Auf den<br />
20 Meter breiten Randstreifen fällt<br />
sie mit fünf Prozent ab. Selbst der 40<br />
Meter breite mittlere Betonstreifen<br />
wölbt sich mit zwei Prozent Gefälle<br />
zu den Seiten hin. Das ideale Areal,<br />
um mit einem SUV Stunts vorzuführen,<br />
in Powerslides atemberaubend<br />
nahe am unvermittelten Abgang ins<br />
Tal entlangzudriften. Und das alles,<br />
weil der Amarok ein Segelflugzeug,<br />
eine Antares, per Schlepp in die Luft<br />
bringt. Im Cockpit der Antares 23E:<br />
Klaus Ohlmann, der sich in dieser<br />
Gebirgsregion bestens auskennt.<br />
Der Alpenexperte hat bei den Aufnahmen<br />
gerne mitgemacht. Wie immer<br />
hatte er das große Ganze im Blick,<br />
kann doch der kurze Werbeschnipsel<br />
eine gute Darstellung und Imagepflege<br />
für den Segelflug sein. Das über<br />
sechs Minuten von den Dreharbeiten<br />
erzählende Making-of-Video dürfte<br />
es auf jeden Fall sein. Und am Ende<br />
war es für die Beteiligten auch nicht<br />
bloß anstrengende Arbeit. Klaus Ohlmann:<br />
„Es hat riesig Spaß gemacht.“<br />
In Ohlmann hatte die Werbeagentur<br />
auch gleich den Experten gefunden,<br />
der über seinen guten Namen<br />
und sein Verhandlungsgeschick die<br />
Genehmigung für die Autoschlepps<br />
in Courchevel überhaupt erst möglich<br />
machte. Denn der Hochgebirgsplatz<br />
ist nicht für Segelflug zugelassen.<br />
Klaus Ohlmann: „Zuerst war die<br />
Mairie von Courchevel zu gewinnen,<br />
die anfangs von dem Unternehmen<br />
gar nicht begeistert war. Der Werbeeffekt<br />
für den Wintersportort hat den<br />
Gemeinderat schließlich zustimmen<br />
lassen.“ Die Luftfahrtbehörde DGAC<br />
in Lyon überzeugte Klaus Ohlmann<br />
mit einem sorgfältig ausgearbeiteten<br />
mehrstufigen Sicherheitskonzept.<br />
Was passiert bei einem Seilriss?<br />
Wie kann der Start unterbrochen<br />
72 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
AUTOSCHLEPP<br />
ABGRUND<br />
AUTOR: Gerhard Marzinzik<br />
Fotos: gub<br />
werden? Solche Fragen waren zu<br />
klären. Mit den vier Möglichkeiten,<br />
auszuklinken beziehungsweise den<br />
Start abzubrechen, gab es auch für<br />
die Behörde ausreichend Sicherheitsoptionen.<br />
Am Amarok bewährte sich<br />
dabei das auf der Anhängerkupplung<br />
aufgesetzte Tost-Schleppsystem mit<br />
Ausklinkvorrichtung.<br />
Ein großes Sicherheitsplus brachte<br />
der zuverlässige Elektroantrieb der<br />
Antares mit seiner einfachen, sicheren<br />
Bedienung. Mehr als 30-mal ließ<br />
sich Klaus Ohlmann mit der Antares<br />
23E vom Amarok in die Luft katapultieren.<br />
Beängstigende Situationen<br />
gab es für ihn bei keinem der Abflüge.<br />
Mit einem Griff war die Motorleistung<br />
da. Nach dem schlichten<br />
Vorschieben des Leistungshebels war<br />
der Motor ausgefahren und die volle<br />
Leistung vorhanden.<br />
Klaus<br />
DREI AUS DEM FILMTEAM<br />
WOLLEN JETZT SEGELFLIEGEN<br />
Ohlmann: „Ich<br />
bin dann meist<br />
nur 100 Meter<br />
gestiegen und<br />
mit etwas Motorleistung gelandet.“<br />
Schließlich geht es nach dem Aufsetzen<br />
auf der Piste steil bergauf.<br />
Die guten Segelflugleistungen der<br />
Antares spielten eine nicht unerhebliche<br />
Rolle im Sicherheitskonzept.<br />
„Auch mit ausgefahrenem, nicht<br />
laufendem Motor hätte ich nach dem<br />
Start noch den Flugplatz Albertville<br />
erreichen können“, erklärt der Pilot.<br />
Für alle Fälle waren auf dem Weg<br />
dorthin auch noch ordentliche<br />
Außenlandefelder als zusätzliche<br />
Sicherheit.<br />
Nach dem Abschwung von der<br />
Rampe in Courchevel sind es im Gleitflug<br />
vorbei an der Ortschaft ins Moûtiers-Tal<br />
zum über 1000 Meter tiefer<br />
gelegenen Bozel nur gut vier Kilometer,<br />
von dort aber noch rund 25 Kilometer<br />
durch die tief zerfurchte<br />
Tarantaise bis zu den ersten<br />
landbaren Feldern in<br />
rund 350 Metern Höhe.<br />
Solch eine Flucht in geringer<br />
Höhe über Grund, die<br />
Bergflanken rechts und<br />
links ganz nah, hätte auf<br />
jeden Fall jede Menge Angstpotenzial<br />
gehabt. Der Elektroantrieb der<br />
Antares hat aber nicht enttäuscht.<br />
Ein paar Berechtigungen musste<br />
Klaus Ohlmann auch selbst erst ein-<br />
COURCHEVEL,<br />
Amarok und Antares<br />
können Sie auf<br />
www.<strong>aerokurier</strong>.de/<br />
video_werbespot_<br />
amarok im Video<br />
erleben.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 73
[ SEGELFLIEGEN Filmstar Antares ]<br />
[ 1 ]<br />
Tost liefert ein System für<br />
den Autoschlepp, das auf<br />
Anhängerkupplungen<br />
aufgesetzt werden kann.<br />
mal erwerben, um in Courchevel<br />
starten und landen zu dürfen. Für<br />
den Gebirgsflugplatz war es die Bergflugberechtigung,<br />
die es sinnigerweise<br />
nur für den Motorflugschein<br />
gibt. Im Segelflugschein brauchte<br />
Klaus Ohlmann den Eintrag der Startart<br />
Autoschlepp. Die Berechtigung<br />
erwarb der Bergflugspezialist<br />
im<br />
Flachen, in Reinsdorf<br />
südlich von Berlin,<br />
mit einer ebenfalls<br />
von einem Amarok<br />
gezogenen ASK 21.<br />
Es waren die ersten Testschlepps<br />
mit dem SUV. Am 380 Meter langen<br />
Seil ging es dort mit 130 bis 140 km/h<br />
Fahrtanzeige bis auf über 300 Meter.<br />
„Dank der Automatik des Amarok<br />
ging das alles sehr weich, zeigte sich<br />
Ohlmann überrascht. Ich war erstaunt,<br />
wie angenehm das ablief. Eine große<br />
Hilfe war da auch die Unterstützung<br />
der Reinsdorfer Segelflieger mit Matthias<br />
Fischer und Chrysanthi Funke<br />
als Fluglehrer und Lambert Funke<br />
als Fahrer des Kraftpakets von VW.“<br />
In Courchevel wurde nur ein 50<br />
Meter langes Seil genutzt. Damit war<br />
DER NEUE AMAROK STARTET EINE<br />
ANTARES UND ZEIGT DIE<br />
SCHÖNHEIT DES SEGELFLUGS<br />
die Antares auf dem nur 120 Meter<br />
langen Plateau des Flugplatzes schon<br />
in der Luft. Eigentlich viel zu früh.<br />
Es sollte ja alles möglichst spektakulär<br />
aussehen. Klaus Ohlmann: „Man<br />
wollte dann aus dramaturgischen<br />
Gründen, dass ich auf dem abschüssigen<br />
Teil noch einmal aufdotze. Ich<br />
habe gedrückt wie ein Stier und die<br />
negativste Klappenstellung gewählt.<br />
Nur damit gelang das gewünschte<br />
Manöver. Die Antares bei der holprigen<br />
Bergablandung und dazu beim<br />
anschließenden tiefen Überflug den<br />
bremsenden Amarok intakt zu lassen,<br />
war die eigentliche<br />
Herausforderung.“<br />
Auch für den vorausfahrenden<br />
Amarok<br />
war das nicht einfach.<br />
„Der hat aber sehr<br />
gute Bremsen.“<br />
Der SUV-Fahrer Jean-Marc Mounier<br />
wusste als Segelflieger schon, worauf<br />
es bei diesen Stunts auch für die fliegerische<br />
Seite ankam. Und mit den<br />
abenteuerlichen Stunts am Ende der<br />
Piste begeisterte Mounier als Precision-Driver<br />
das Filmteam mehr als<br />
74 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 2 ]<br />
[ 1 ] Bei diesem Ausblick kann schon der Atem stocken. Die Piste von Courchevel<br />
endet über dem Abgrund. Startabbruch? Ein fast unmögliches Ding. An die Option<br />
des Durchstartens darf nicht einmal gedacht werden. [ 2 ] Startvorbereitungen für den<br />
Schlepp der Antares 23E mit dem neuen Amarok. [ 3] Der Wintersportort Courchevel<br />
liegt mitten in einer faszinierenden Hochgebirgskulisse, im Norden grüßt der Montblanc.<br />
Die Anfahrt von Albertville durch die eng eingeschnittene Tarantaise zieht sich.<br />
[ 3 ]<br />
Fotos: gub, ae-Doku<br />
einmal. Mit seinen umfassenden<br />
Kenntnissen über die ausgeklügelte<br />
ESP-Technik gelang es ihm, die Elektronik<br />
zu überlisten und kurz vor dem<br />
Abgrund einen spektakulären Powerslide<br />
hinzulegen.<br />
Über den Aufwand für diesen 90<br />
Sekunden kurzen Werbespot lässt<br />
sich nur staunen. Für die Action war<br />
ein renommierter Hollywood-Regisseur<br />
angeheuert worden. Und gut eine<br />
Woche hat das insgesamt 40-köpfige<br />
Filmteam am Ende gebraucht, bis es<br />
die gewünschten Aufnahmen gedreht<br />
hatte. Das Filmen an verschiedenen<br />
Tagen brachte zudem eine weitere<br />
Schwierigkeit mit sich, denn die zusammengeschnittenen<br />
Szenen sollten<br />
am Ende ja kein wechselndes Himmelsbild<br />
zeigen. Das Wolkenbild<br />
sollte immer annähernd gleich sein.<br />
Da musste dann auch geflogen werden,<br />
als Courchevel im Lee lag.<br />
Beim letzten Start in Courchevel<br />
ließ Klaus Ohlmann es sich dann nicht<br />
nehmen, das ganze Team mit mehreren<br />
Überflügen zu begeistern. Abschließend<br />
landete er ohne Motor und<br />
rollte oben auf der Plattform aus. Drei<br />
der 40 Teilnehmer des Filmteams<br />
wollen nach eigenem Bekunden jetzt<br />
das Segelfliegen lernen.<br />
ae<br />
Extreme Flugplätze in Alpen und Himalaja<br />
Durchstarten unmöglich<br />
Wer einen Gebirgsflugplatz wie Courchevel<br />
anfliegen will, benötigt eine Bergflugberechtigung.<br />
Bei der Schulung zu dieser Berechtigung<br />
werden das Wissen um die besonderen Risiken<br />
von hoch gelegenen Flugplätzen im Gebirge<br />
und das praktische Können im Umgang mit<br />
diesen Herausforderungen vermittelt. Eine<br />
besondere Herausforderung sind schon das<br />
Abfangen und Ausschweben auf den steil<br />
ansteigenden Pisten. Noch wichtiger sind aber<br />
sehr gute Kenntnisse der Aerologie im Gebirge.<br />
Ein Anflug auf Courchevel ist bei einem schwachen<br />
Südwind von nur fünf Knoten bereits<br />
nahe am Rodeo.<br />
Gleich gegenüber Courchevel, auf der anderen<br />
Seite des fast 3000 Meter hohen Croix de<br />
Verdon, liegt der Hochgebirgsplatz von Méribel.<br />
Seine Piste erstreckt sich parallel zum eigentlichen<br />
Bergzug über 380 Meter auf<br />
einem rund 1600 Meter hohen Buckel. Die<br />
Lage ist bei Weitem nicht so spektakulär<br />
wie die der Piste von Courchevel.<br />
Lukla in Nepal dürfte auf der Skala der gefährlichsten,<br />
spektakulär gelegenen Flugplätze<br />
nicht zu schlagen sein. Die 520 Meter lange<br />
Piste in 2800 Metern Höhe beginnt unmittelbar<br />
in einem Steilhang oberhalb eines tief eingeschnittenen<br />
Tals, die andere Seite endet rund<br />
100 Meter höher an einer Mauer, hinter der sich<br />
der Hang gleich weiter hochzieht. Klaus Ohlmann<br />
hatte diesen Platz als Kenner der Region<br />
natürlich auch vorgeschlagen. In Anbetracht<br />
der Kosten wurde diese Idee aber verworfen.<br />
Dem Flugplatz Courchevel haben die Filmaufnahmen<br />
– ganz ungewöhnlich – im Sommer<br />
Hochbetrieb beschert. Saison hat der Platz im<br />
Winter. Wer dort im Sommer landet, spart<br />
sogar die Landegebühr.<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 75
[ SEGELFLIEGEN Wettbewerb ]<br />
Flog in La Roche mit: Eric Napoleon (l.) mit Wettbewerbsleiter<br />
Dubreuil und Jean-Marc Caillard.<br />
La Roche-sur-Yon<br />
Championnat de France<br />
Mit fast 80 Flugzeugen waren die französischen<br />
Segelflugmeisterschaften in La Roche-sur-Yon<br />
gut besetzt. Sieben spannende Wettbewerbstage<br />
erlebten die Teilnehmer.<br />
Fotos: Hefter (3)<br />
Treffende Wetterprognosen<br />
und die souveräne Leitung<br />
von Sebastian Dubreuil<br />
ließen die Meisterschaften der<br />
18-m- und Offenen Klasse kombiniert<br />
mit der Meisterschaft der<br />
Frauen zum Erfolg werden.<br />
Die Organisation ließ auch bei<br />
den internationalen Teilnehmern<br />
keine Wünsche offen: Das motivierte<br />
junge Team überzeugte in<br />
allen Bereichen. Immer mit einem<br />
Lächeln und dem Blick fürs Wesentliche<br />
wurde der gesamte Tagesablauf<br />
am Boden und in der<br />
Luft perfekt gesteuert.<br />
Im Vorfeld der Veranstaltung<br />
waren zahlreiche Sponsoren gewonnen<br />
worden. Den Piloten stand<br />
frei, für die Dauer des Wettbewerbs<br />
Sponsorenaufkleber auf ihren Flugzeugen<br />
zu dulden. Es gab kaum<br />
Einwände. Bisweilen kamen die<br />
Sponsoren auch persönlich vorbei,<br />
um „ihren“ Piloten das Beste zu<br />
wünschen. Ein guter Weg, von dem<br />
auch alle Teilnehmer durch günstige<br />
Tarife profitiert haben.<br />
Eine tolle Einrichtung war „la<br />
voile rouge“: Die offene Bar am<br />
Rand der Startbahn war nach jedem<br />
Ganz locker: Die Teilnehmerinnen<br />
der französischen Segelflugmeisterschaft<br />
der Frauen.<br />
Flugtag belagert und sorgte für<br />
beste Stimmung rund um die Uhr.<br />
Jeden Abend um 19 Uhr wurden<br />
dort die Tagessieger aufs Podium<br />
gestellt. Das war sehr viel schöner<br />
als die übliche morgendliche Siegerehrung<br />
beim Briefing.<br />
Bemerkenswert der zweite Tag:<br />
Die Vorhersagen waren nicht sonderlich<br />
optimistisch, sodass nur<br />
die Offene Klasse geschleppt wurde.<br />
Man konnte sich halten, aber<br />
das war auch schon alles. Nach<br />
einer Stunde kam über Funk: Die<br />
Aufgabe ist annuliert – aber es gibt<br />
heute den concours d´élegance!<br />
Was darunter zu verstehen war,<br />
ergab sich schnell nach Durchgabe<br />
der Spielregeln: Jeder Pilot<br />
durfte einen, maximal zwei Überflüge<br />
machen, auch Teams waren<br />
erlaubt. Damit alles sicher vonstat-<br />
76 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
www.segelflugbedarf24.de<br />
Das alles gehört zum PSR<br />
Triebwerkspaket, nicht im<br />
Bild sind der Kabelsatz und<br />
das Handbuch.<br />
FUNKGERÄTE<br />
8,33 kHz<br />
PSR Jet System T01 KS<br />
JETZT MIT KEROSINSTART<br />
Die Bedienung des PSR-Jets wird einfacher: Die<br />
Draline-Turbine PSR T01 kann jetzt mit Kerosin<br />
gestartet werden. Das schon in einer ganzen Reihe<br />
von Segelflugzeugen verbaute PSR T01 Triebwerk<br />
braucht nicht mehr umständlich mit Gas gestartet<br />
zu werden, bevor es mit seinem eigentlichen<br />
Treibstoff Kerosin betrieben werden kann.<br />
Hersteller Draline erhielt dazu die Zulassung von<br />
der EASA. Damit steht nun eine zuverlässige, einfach<br />
zu bedienende Heimkehrhilfe für die Segelflugzeuge<br />
der 15- und 18-m-Klasse zur Verfügung.<br />
Die minimalen Abmessungen und das geringe<br />
Gewicht machen das Triebwerk zum idealen<br />
Nachrüstpaket. Ältere Segelflugzeugmuster können<br />
damit relativ einfach motorisiert werden. Die<br />
Firma Eichelsdörfer verfügt jetzt auch über die ergänzende<br />
Musterzulassung (STC) für die ASW 20.<br />
Für die ASW 27, ASW 27/18, LS6 und Duo Discus<br />
sind STCs beantragt. Die Firma Güntert +<br />
Kohlmetz rüstet DG-Flugzeuge mit Turbine aus.<br />
Im Vergleich mit konventionellen Heimkehrhilfen<br />
mit Kolbenmotor und Propeller unterscheidet sich<br />
der Turbinenantrieb erheblich. So sind sehr viel<br />
höhere Geschwindigkeiten möglich, um stärkeren<br />
Sinkgebieten zu entfliehen. Die Höchstgeschwindigkeit<br />
liegt bei 220 km/h, ohne Nachteile kann<br />
mit 180 km/h geflogen werden – und das vibrationsfrei.<br />
Bei <strong>11</strong>5 km/h liefert das System einem<br />
15-m-Flugzeug rund 1 m/s Steigen. Auch die Inbetriebnahme<br />
ist bedienerfreundlich, es sind nur<br />
zwei Schalter zu betätigen.<br />
Und wenn das Triebwerk nicht läuft, verursacht es<br />
auch im ausgefahrenen Zustand keinen großen<br />
Widerstand. Der Zusatzwiderstand ist vergleichbar<br />
mit dem eines ausgefahrenen Fahrwerks.<br />
Der schnelle Vorflug ist hier effizienter als der Sägezahnstil.<br />
Für 100 Kilometer ist dabei mit einem<br />
Verbrauch von 15 Kilogramm Kerosin zu rechnen.<br />
Fotos: Klaus Meitzner (2)<br />
tenging, bekam jeder für seinen<br />
Anflug ein Zeitfenster. Am Boden<br />
führte Sebastian Dubreuil die<br />
Regie, sodass alles entspannt<br />
ablief. Auch hier wurden am<br />
Abend die Tagessieger gefeiert.<br />
Schau für die<br />
geladenen Gäste<br />
Später stellte sich heraus, dass<br />
für diesen Tag hoher Besuch aus<br />
Politik und Wirtschaft geladen<br />
war, der auf diese Weise am<br />
Wettbewerbsgeschehen teilnehmen<br />
konnte.<br />
Die Offene Klasse war mit vier<br />
Weltmeistern herausragend besetzt,<br />
die Strecken lagen zwischen<br />
250 und 410 Kilometer und<br />
wurden mit bis zu 120 km/h<br />
absolviert. Pierre und Arnaud<br />
de Broqueville konnten auf ihrer<br />
EB 29D die Wertung dieser Klasse<br />
für sich entscheiden. Französischer<br />
Meister wurde Sylvain<br />
Gerbaud als Zweiter der Wertung<br />
auf JS1-C. Obwohl Pierre de<br />
Broqueville im Vorfeld der Meisterschaften<br />
erst einmal mit seiner<br />
neuen EB 29D fliegen konnte,<br />
zeigte sich recht bald, dass<br />
er mit dem Flugzeug allen überlegen<br />
war. Als Arnaud de Broqueville<br />
nach drei Flugtagen auch<br />
endlich eine bequeme Sitzposition<br />
auf dem hinteren Sitz gefunden<br />
hatte, konnten beide nach<br />
fast jedem Flug gemeinsam<br />
strahlen. Die beiden deutschen<br />
Besatzungen in diesem Feld –<br />
Hefter & Hefter und Olaf Merbt<br />
– platzierten sich im vorderen<br />
Drittel. Die 18-m-Klasse gewann<br />
Denis Guerin auf ASG 29. Bei<br />
den Frauen siegte Aude Untersee<br />
auf Pegase.<br />
Interessant auch das französische<br />
System zur Auswahl<br />
der Equipe de France: Eric Napoleon<br />
– Nationaltrainer und<br />
selbst zweifacher Weltmeister<br />
– ist recht nah bei den Piloten<br />
und bestimmt letztlich allein,<br />
wer wann wo und womit auf<br />
Welt- und Europameisterschaften<br />
die französischen Farben<br />
vertritt. Das Verfahren ist äußerst<br />
erfolgreich, wie gerade die Weltmeisterschaft<br />
in Pociunai, Litauen,<br />
gezeigt hat.<br />
Die Meisterschaften in La<br />
Roche-sur-Yon jedenfalls waren<br />
in jeder Hinsicht ein eindrucksvoller<br />
Wettbewerb!<br />
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[ SEGELFLIEGEN Porträt ]<br />
[ 1 ]<br />
[ 3 ]<br />
Fotos: Lars Reinhold<br />
Dass Kunstflug nicht unbedingt mit Rollen und Loops zu<br />
tun haben muss, beweist Ilka Armitter. Sie ist Segelfliegerin<br />
und Designerin und bringt unter dem Namen „Flügelmacher“<br />
ihre beiden Leidenschaften kreativ zusammen.<br />
KUNST-FLUG<br />
ODER<br />
78 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 2 ]<br />
[ 4 ]<br />
Dass Piloten mitunter prall<br />
gefüllte Taschen zu ihrem<br />
Flugzeug schleppen, bevor<br />
sie endlich bereit zum Abflug<br />
sind, ist nicht neu. Auch Ilka Armitter<br />
stapft mit einem großen Beutel,<br />
in dem anscheinend allerhand<br />
Flugutensilien verstaut sind, über die<br />
Segelflug-Startstelle am Flugplatz<br />
Kaufbeuren. Doch als sie die Haube<br />
ihrer Ka 6E abnimmt und anfängt auszupacken,<br />
beginnt ein für Außenstehende<br />
kurioses Schauspiel: Zunächst<br />
zieht die 32-Jährige eine Leinwand<br />
im Betttuch-Format hervor und stopft<br />
sie in einen gelben Müllsack. Den verstaut<br />
sie säuberlich im Gepäckfach<br />
ihres Flugzeugs. Als Nächstes kommen<br />
aus dem Equipment-Beutel kleine,<br />
mit Acrylfarbe gefüllte Marmeladengläser<br />
und Tupperdosen zum Vorschein.<br />
Ilka nimmt den Deckel des<br />
ersten Glases ab, prüft den Farbton<br />
und stellt es in den Beutel. Eine Farbdose<br />
folgt dem Glas. Zwei Farben sind<br />
es heute: Grün und Blau. Noch einmal<br />
prüft sie die Lage der Leinwand<br />
im Beutel. „Die muss faltig und locker<br />
liegen, sonst verteilt sich die Farbe<br />
nicht richtig und klebt nur am Rand.<br />
Das sieht dann blöd aus und ich<br />
kann’s noch mal machen.“ Jetzt heißt<br />
es tief Luft holen, Schnute an den<br />
Beutel und kräftig pusten. Der Beutel<br />
bläht sich im Gepäckfach der Ka<br />
6E auf, dann verschließt Ilka die Öffnung<br />
mit einem Knoten. „Fertig, kann<br />
losgehen.“<br />
Jeder andere Pilot würde wahrscheinlich<br />
schon bei einer offenen<br />
Getränkeflasche im Cockpit Zustände<br />
bekommen – von Farbgläsern ganz<br />
zu schweigen. „Das Risiko muss ich<br />
eingehen. Irgendwann passiert’s<br />
bestimmt mal, dass der Beutel reißt<br />
und ich dann die Farbe aus dem Rumpf<br />
kratzen kann. Berufsrisiko“, sagt Ilka,<br />
grinst und schwingt sich ins Cockpit.<br />
„Wenn’s Grün ist, dann passt das<br />
wenigstens zu den Gurten des Fliegers“,<br />
schickt sie noch feixend hinterher,<br />
bevor sie die Haube verriegelt<br />
und per Hand Startbereitschaft signalisiert.<br />
Der Segler nimmt Fahrt auf, hebt<br />
ab und verschwindet in den Himmel.<br />
Beim Malen mit dem<br />
Flugzeug entstehen großformatige,<br />
abstrakte Werke.<br />
Ilka bereitet die Farben für<br />
das Bild vor [ 1 ], platziert<br />
die Leinwand und die<br />
Farbgefäße in einem<br />
Müllsack im Gepäckfach<br />
ihrer Ka 6E [ 2 ], fliegt<br />
anschließend ein- oder<br />
mehrmals abrupte<br />
Flugmanöver, damit sich<br />
die Farbe auf der<br />
Leinwand verteilt [ 3 ]<br />
und lässt das Ergebnis<br />
schließlich in der Flugzeughalle<br />
trocknen.<br />
AUTOR:<br />
Lars Reinhold<br />
FLUG-KUNST<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 79
[ SEGELFLIEGEN Porträt ]<br />
Gläser und breitet das Tuch mit einem<br />
Schwung auf dem Hallenboden aus.<br />
Ein kritischer Blick, ein erstes Fazit.<br />
„Ganz okay, aber da muss noch eine<br />
zweite Lage Farbe drauf. Noch mal<br />
zwei Flüge oder so. Dann bekommt<br />
das mehr Tiefenwirkung.“<br />
Kunstflug, ganz ohne Trudeln und<br />
Turns und Loopings – erst wenn man<br />
weiß, wie die Bilder von Ilka Armitter<br />
entstehen, wird klar, warum sie ihre<br />
Werke unter dem Namen „Flügelmacher“<br />
bewirbt. „Deine Stücke vom<br />
Himmel“ lautet der Slogan, und das<br />
Wort Stücke bezieht sich hier bei<br />
„Meine Cousine war an Krebs erkrankt,<br />
und nicht zuletzt die Stunden, die ich<br />
bei ihr im Krankenhaus verbracht<br />
habe, haben mich zum Grübeln gebracht,<br />
was ich wirklich mit meinem<br />
Leben anfangen will. Und wenn man<br />
den Wunsch hat, Menschen zu helfen,<br />
und die Leidenschaft für Kunst addiert,<br />
landet man schnell bei der Kunsttherapie.“<br />
Zur Kunst mit dem Flugzeug kam<br />
es dann mehr oder weniger zwangsläufig.<br />
„Es war Sommer, ich hätte<br />
eigentlich was fürs Studium tun müssen,<br />
und das bei schönstem Flugwet-<br />
ICH HÄTTE EIGENTLICH WAS FÜRS<br />
STUDIUM TUN MÜSSEN, UND DAS BEI<br />
BESTEM FLUGWETTER. SO ENTSTAND<br />
DIE IDEE MIT DER FLUGKUNST.<br />
So isch lässig! Ka 6E<br />
fliegen und nebenbei was<br />
fürs Studium tun. So<br />
entstand die Idee mit der<br />
Flug-Kunst. Hier ist auch<br />
die Undercover-Sonnenbrille<br />
im Einsatz.<br />
In der Platzrunde vollführt die Ka 6<br />
einige abrupte Flugmanöver. Anstürzen,<br />
abfangen, Steilkurve. Einmal,<br />
zweimal, dreimal. Nach zehn Minuten<br />
setzt Ilka das Flugzeug weich ins Gras.<br />
„Eine Runde noch, das dürfte dann<br />
reichen“, sagt sie, und kurz darauf<br />
ist sie wieder in der Luft. Eine gute<br />
Stunde später, der Segler steht bereits<br />
in der Halle des LSV Kaufbeuren, zieht<br />
Ilka vorsichtig den Müllsack aus dem<br />
Gepäckfach, befreit Leinwand und<br />
Weitem nicht nur auf abstrakte – und<br />
ganz sicher gewöhnungsbedürftige<br />
– Bilder im Großformat. Denn für den<br />
stilbewussten Segelflieger hat Ilka<br />
eine ganze Kollektion an Schmuckstücken<br />
entworfen, angefangen von<br />
Ringen mit Segelflug-Motiven über<br />
Kettenanhänger mit Wolken bis hin<br />
zu Halsreifen, die Kunstflugspuren<br />
nachempfunden sind.<br />
„Ich habe ursprünglich Lighting<br />
Design in Hildesheim studiert und<br />
für meine Diplomarbeit farbdynamische<br />
Timelines programmiert, die<br />
beispielsweise in Wartebereichen<br />
und medizinischen Untersuchungsräumen<br />
eingesetzt werden können“,<br />
erzählt die Segelfliegerin. Ein Stipendium<br />
nutzt sie für ein Auslandssemester<br />
in Menomonie, Wisconsin.<br />
„Dort gab es aber nichts, was irgendwie<br />
mit Lichtdesign zu tun gehabt<br />
hätte, und so habe ich mich in Goldschmiede-Kurse<br />
eingeschrieben.“<br />
Eine Entscheidung, die sich Jahre<br />
später auszahlen wird.<br />
Anfang 20<strong>11</strong> kommt Ilka durch<br />
einen Freund zum Segelfliegen. „Mein<br />
Vater ist früher geflogen, und ich<br />
dachte eigentlich immer, dass Motorflug<br />
das einzig Wahre ist. Aber das<br />
Erlebnis, ohne Motorkraft in die Luft<br />
zu gehen, hat mich völlig umgehauen.“<br />
Schon zur Mitte der Saison fliegt<br />
sie sich frei. Die Freiheit, die sie in<br />
der Luft spürt, fehlt ihr allerdings im<br />
Beruf. Im Oktober 2012 beginnt Ilka<br />
neben ihrem Job beim Lichtgiganten<br />
Philipps ein Studium der Intermedialen<br />
Kunsttherapie in Hamburg.<br />
ter. Also dachte ich mir, warum nicht<br />
das Angenehme mit dem Nützlichen<br />
verbinden und das Segelflugzeug<br />
irgendwie künstlerisch nutzen.“ Anfangs<br />
packt sie kleine quadratische<br />
Leinwände und Farben in eine Box,<br />
mit der Zeit werden die Leinwände<br />
immer größer. Mitunter setzt Ilka dann<br />
noch den Zeichenstift an, so entsteht<br />
beispielsweise eine Reihe von Bildern,<br />
die Aresti-Symbole auf einem mit dem<br />
Flugzeug gemalten Hintergrund zeigen.<br />
Die Abschlussausstellung ihres<br />
Kunsttherapie-Studiums besteht dann<br />
auch mehrheitlich aus Bildern mit<br />
aviatischem Bezug – sei es im Hinblick<br />
auf die Herstellung oder die Motive.<br />
Piloten, die mit abstrakter Kunst<br />
nichts am Hut haben, finden in Ilkas<br />
Schmucksortiment garantiert die<br />
passenden Alternativen, um ihre<br />
Leidenschaft gediegen und edel zur<br />
Schau stellen zu können. „Auch die<br />
Idee mit dem Segelfliegerschmuck<br />
war ein stückweit fremdbestimmt“,<br />
sagt die Künstlerin. „Klar wollte ich<br />
als Frau auch mal einen schönen Kettenanhänger<br />
haben, aber es gab eben<br />
nur die normalen Flugzeuge mit Öse<br />
dran und das war’s. Eine Freundin<br />
meinte dann nur, ich solle halt selbst<br />
welche entwerfen – immerhin hätte<br />
ich das ja während des Auslandssemesters<br />
gelernt. Recht hat sie, habe<br />
ich mir gedacht und losgelegt.“<br />
Alles ist Handarbeit, verarbeitet<br />
werden Gold, Silber, Platin und Edelsteine<br />
vom Opal bis zum Diamant – auf<br />
Wunsch nachweislich fair gehandelt.<br />
Natürlich hat dieser Anspruch seinen<br />
80 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
[ 1 ]<br />
[ 2 ] [ 3 ]<br />
[ 1 ] In Ilkas Schmuckstücken steckt viel Handarbeit. Verarbeitet<br />
werden hochwertige Materialien, auf Wunsch aus nachgewiesen<br />
fairem Handel. [ 2+3 ] Ob Ringe, Manschettenknöpfe, Krawattennadeln<br />
oder Kettenanhänger: Wer seine Leidenschaft in Schmuckstücken<br />
ausdrücken will, wird bei „Flügelmacher“ fündig.<br />
Preis, den Kunden aber gerne bereit<br />
sind zu zahlen. Wer es etwas günstiger<br />
und trotzdem individuell mag,<br />
für den hat Ilka Armitter eine Handvoll<br />
Scribbles mit witzigen Motiven<br />
aus der Fliegerei beim Onlineshop<br />
Shirtlabor hochgeladen, sodass sich<br />
jeder sein Outfit im Flügelmacher-<br />
Design gestalten kann.<br />
Bei aller künstlerischen Aktivität<br />
ist sogar noch etwas ganz Praktisches<br />
entstanden: die Undercover-Sonnenbrille.<br />
Dabei handelt es sich um ein<br />
Sonnenschutztuch aus Baumwolle,<br />
in das die Halterung für eine Sonnenbrille<br />
eingeschoben werden kann.<br />
„Mir gingen zwei Dinge total auf die<br />
Nerven“, sagt Ilka. „Erstens: die<br />
dämlichen Hüte, mit denen wir Segelflieger<br />
uns vor einem Sonnenstich<br />
schützen. Zweitens: die Bügel der<br />
Sonnenbrille, die entweder gedrückt<br />
oder die Sicht nach den Seiten eingeschränkt<br />
haben. Also hab ich ein<br />
bisschen rumprobiert und bin dann<br />
auf das Sonnenschutztuch mit Sonnenbrille<br />
gekommen. Ich habe einige<br />
Prototypen angefertigt und getestet<br />
– bei einer schlampig geflogenen<br />
Kurve ist mir die Ka 6 sogar mal ins<br />
Trudeln gefallen, und das Tuch hat<br />
gehalten! Jetzt gilt es, Betriebe zu<br />
finden, die die Undercover-Brille produzieren,<br />
damit alle Segelflieger, die<br />
genug vom Speckdeckel haben, davon<br />
profitieren können.“<br />
ae<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 81
[ SEGELFLIEGEN Unfallanalyse ]<br />
Risiko Überflug<br />
Fatales Manöver in Bodennähe<br />
Tiefe Überflüge mit hoher Geschwindigkeit sind höchst riskant. Kleinste<br />
Steuerbewegungen können zur Bodenberührung führen – mit fatalen Folgen.<br />
Beim Wettbewerb in Klix endete im Frühjahr solch ein Überflug tödlich.<br />
Fotos: BFU (2)<br />
Es war ein nahezu perfekter<br />
Tag beim Frühjahrswettbewerb<br />
in Klix. Aufgabe war<br />
eine Zweieinhalbstunden-AAT mit<br />
drei Wendegebieten. Zu den Zielankünften<br />
gab es 6/8 Bedeckung in<br />
rund 1300 Metern. Der Wind am<br />
Boden kam aus unterschiedlichen<br />
Richtungen mit ein bis zwei Knoten.<br />
Und doch endete der abschließende<br />
Ziellinienüberflug einer<br />
PIK-20-Pilotin mitten auf dem<br />
Flugplatz tödlich.<br />
Die 21-Jährige war mit rund 278<br />
Flugstunden, davon auf dem Rennklasse-Flugzeug<br />
PIK 20D rund 19<br />
Stunden, durchaus erfahren. Nach<br />
dem frühen Scheinerwerb mit 16<br />
Jahren hatte sie gleich an Segelflugwettbewerben<br />
teilgenommen.<br />
Aufgrund ihrer Flüge vor dem<br />
Wettbewerb in Klix war sie auch<br />
ausreichend in Übung gewesen.<br />
Den 20 Kilometer langen Endanflug<br />
hatte sie aus rund 1300 Metern<br />
mit hoher Geschwindigkeit absolviert.<br />
Die Ziellinie befand sich am<br />
Platz, sodass eine Direktlandung<br />
möglich war, aber auch eine verkürzte<br />
Platzrunde angeschlossen<br />
werden konnte. Die Pilotin hatte<br />
– das ergab sich aus dem Funkverkehr<br />
– nach dem Überflug der<br />
Linie an der östlichen Flugplatzgrenze<br />
wohl auch erst einmal eine<br />
Platzrunde geplant.<br />
Der Überflug erfolgte in einer<br />
Höhe von rund zehn Metern. Nach<br />
Auswertung der GPS-Aufzeichnungen<br />
war das Flugzeug 180 km/h<br />
schnell, das Fahrwerk war eingefahren.<br />
Statt aber aus der geringen<br />
Höhe zur verkürzten Platzrunde<br />
hochzuziehen, richtete sich die<br />
Flugbahn nach dem Überflug aus<br />
dem Horizontalflug plötzlich nach<br />
unten. Rund 330 Meter hinter der<br />
Ziellinie, annähernd in der Mitte<br />
des Flugplatzes, prallte das Flugzeug<br />
auf den Boden. Die Pilotin<br />
wurde 54 Meter von der ersten<br />
Bodenberührung entfernt aufgefunden,<br />
sie starb an der Unfallstelle.<br />
Teile des Gurtzeugs befanden<br />
sich 45 Meter hinter der ersten<br />
Aufschlagspur.<br />
Technische Ursachen für das<br />
Abnicken wurden keine festgestellt.<br />
Trotz des hohen Zerstörungsgrades<br />
der PIK konnten alle kraftschlüssigen<br />
Verbindungen nachverfolgt<br />
werden. Der Wölbklappenhebel<br />
war zwischen + 4° und + 8° gerastet.<br />
Das Fahrwerk befand sich im<br />
Rumpf – es konnte jedoch nicht<br />
zweifelsfrei festgestellt werden,<br />
ob es beim Aufprall aus- oder eingefahren<br />
war.<br />
Erklären lässt sich der Unfall<br />
damit, dass die Pilotin die Absicht,<br />
nach dem Überflug eine Platzrunde<br />
zu fliegen, während des Überflugs<br />
geändert hat – Konfliktverkehr<br />
hatte es keinen gegeben. Um direkt<br />
landen zu können, musste sie die<br />
PIK in der geringen Höhe über dem<br />
Boden bei hohem Fahrtüberschuss<br />
in Landekonfiguration bringen:<br />
Fahrwerk ausfahren, die Wölbklappen<br />
in Landekonfiguration<br />
bringen und die Bremsklappen<br />
betätigen.<br />
Umgreifen womöglich<br />
die Unfallursache<br />
Für das Ausfahren des Rads<br />
muss bei der PIK umgegriffen werden,<br />
das heißt, der Steuerknüppel<br />
muss in die linke Hand genommen<br />
werden, um mit der rechten den<br />
82 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
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Den Wettbewerb bestritt die Pilotin mit einer PIK 20D –<br />
im Bild ein Vergleichsmuster.<br />
Fahrwerkshebel auf der rechten<br />
Cockpitseite greifen zu<br />
können. Solch ein Umgreifen<br />
ist oft mit unwillentlichen Steueränderungen<br />
verbunden. Auch<br />
ein Vorschieben des Fahrwerkshebels<br />
kann zu einer unwillentlich<br />
leichten Parallelbewegung<br />
der linken Steuerhand führen.<br />
Was in größerer Flughöhe absolut<br />
unkritisch ist, dürfte bei<br />
der geringen Flughöhe und<br />
hohen Fahrt zum sofortigen<br />
heftigen Bodenkontakt geführt<br />
haben.<br />
Allein das Verwölben der<br />
Flügelklappen kann zum Verreißen<br />
führen. Werden Wölbklappen<br />
aus der Schnellflugstellung<br />
in eine positive Stellung<br />
gezogen, ergibt sich eine Höhenruderwirkung<br />
in Richtung<br />
Ziehen. Wird auf dieses Aufbäumen<br />
mit dem Höhenruder<br />
überkorrigiert, kann das in<br />
Bodennähe die Höhenreserve<br />
sofort verbrauchen.<br />
Der schreckliche Unfall von<br />
Klix ist leider nur einer von<br />
vielen, die sich bei und infolge<br />
von tiefen Überflügen ereignet<br />
haben. Bei vielen Wettbewerben<br />
wurde deshalb das Überflugverfahren<br />
geändert. Die Ziellinie<br />
zieht sich heute meist<br />
ringförmig in einem größeren<br />
Radius um das Ziellandefeld<br />
herum und muss in einer vorgegebenen<br />
Höhe überflogen<br />
werden. Es gibt dann keine<br />
spektakulären Zielankünfte<br />
mehr. Dafür kann aber auch bei<br />
Massenankünften bei großen<br />
Wettbewerben sicher gelandet<br />
werden.<br />
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[ SEGELFLIEGEN Reise ]<br />
Fliegen in Pokweni<br />
Namibia-Meister<br />
Eine Woche Urlaubsfliegen, ganz locker und doch mehrfach<br />
über 1000 Kilometer – das erlebte Arnaud Hefter in Pokweni.<br />
Das Angebot war unschlagbar.<br />
Stephan Ripp hatte<br />
mich spontan für eine Woche<br />
nach Pokweni ins Cockpit<br />
seines Arcus eingeladen. Da musste<br />
ich ganz einfach meine Bachelorarbeit<br />
verschieben.<br />
Und ich hatte dann sogar die<br />
wahrscheinlich beste Woche des<br />
Jahres erwischt. An neun Tagen<br />
kamen bei sieben Flügen mit knapp<br />
80 Flugstunden Strecken zwischen<br />
1000 und 1300 Kilometer über ei-<br />
ner traumhaften Landschaft zusammen.<br />
Und hätte Stephan mir<br />
nicht einen „Tausender“-Tag auf<br />
dem vorderen Sitz geschenkt, wären<br />
wir vielleicht sogar Namibia-<br />
Meister geworden. Aber was interessiert<br />
das schon bei so genialen<br />
Flugerlebnissen. Ich konnte<br />
in den neun Tagen praktisch alles<br />
erleben, was es fliegerisch in Namibia<br />
zu erleben gibt.<br />
Die ersten beiden Tage brauchte<br />
ich allerdings, um mich an die<br />
hohen Temperaturen zu gewöhnen,<br />
und einen zusätzlichen, damit ich<br />
den Arcus halbwegs verstand. Nach<br />
dem in Pokweni obligatorischen<br />
und zur Akklimatisation lebenswichtigen<br />
Pausentag nach der<br />
Ankunft, konnte ich gleich am<br />
ersten Flugtag einige Namibiatypische<br />
Wetterbesonderheiten<br />
kennenlernen.<br />
Vormittags ist für zwei bis drei<br />
Stunden mit Blauthermik und geringen<br />
Arbeitshöhen vorliebzunehmen.<br />
Das erfordert Besonnenheit<br />
und Kondition. Vorsichtiges Fliegen<br />
von Landemöglichkeit zu Landemöglichkeit<br />
ist da gefragt. Zu zweit<br />
im Doppelsitzer lässt sich dieses<br />
Niedertemperaturgaren in der<br />
heißen Luft ertragen und kann<br />
sogar Spaß machen.<br />
Dann erreicht man die ersten<br />
Wolken, und es geht mit einem<br />
Schlag 1500 Meter höher, und das<br />
entspanntere Fliegen und Genießen<br />
beginnt. Leider musste ich<br />
84 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Foto: Gerhard Marzinzik<br />
dabei lernen, dass auch in Namibia<br />
nicht jede Wolke, die hammermäßig<br />
aussieht, auch so zieht. Am<br />
frühen Nachmittag baute sich dann<br />
sehr oft die Diagonale auf – die<br />
zweite Besonderheit Namibias.<br />
Diese Diagonale ist eine Konvergenz<br />
zwischen der feuchtwarmen Luft<br />
aus Angola und Botswana und der<br />
kühleren Luft, die aus dem Südwesten<br />
kommt.<br />
Um diese Aufwindreihung optimal<br />
nutzen zu können, flogen wir,<br />
so weit es ging, erst die typische<br />
Abflugstrecke nach Nordosten, um<br />
dann im Südosten einen Punkt für<br />
ein halbwegs schönes Dreieck zu<br />
setzen. Stephan fand eine super<br />
Linie. Einfach ohne Kurbeln fliegen<br />
und alle anderen abhängen. Unser<br />
Schnitt über 2,5 Stunden lag am<br />
Ende bei 178 km/h! Das reichte,<br />
um nach einem zähen Beginn und<br />
dem zum Schluss angesagten defensiven<br />
Fliegen doch die magische<br />
Zahl zu erreichen.<br />
Auch wenn gelegentlich noch<br />
kurz vor Sonnenuntergang irgendwo<br />
ein Bart mit 3 m/s steht, lautet<br />
die Regel dennoch: Am späten<br />
Nachmittag muss man manchmal<br />
in großer Höhe Geduld haben und<br />
aufpassen, um nicht nach unten<br />
rauszufallen. Sonst vergeigt man<br />
am Ende doch noch den Tag.<br />
Nach ein paar tollen Flügen bis<br />
nach Botswana, quer über die Kalahari<br />
und den Brukkaros, über die<br />
Mondlandschaft des Namib-<br />
Naukluft-Gebirges und über die<br />
Namib, gab es am 2. Dezember die<br />
nächste Besonderheit, auf die immer<br />
alle hoffen. Die Kante sollte<br />
gehen! Über dem Gebirge an der<br />
Grenze zur Namib sollte wieder<br />
eine Konvergenz entstehen. Die<br />
Aufwindautobahn liegt aber nicht<br />
zwangsweise genau an der Abbruchkante<br />
des Gebirges zur Namib.<br />
Manchmal verläuft sie auch<br />
bis zu 100 Kilometer weit im Landesinneren.<br />
Jedenfalls haben wir<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 85
[ SEGELFLIEGEN Reise ]<br />
Abendstimmung: Kurze<br />
Dämmerungszeiten verlangen<br />
in Namibia eine präzise<br />
Kalkulation des Endanflugs.<br />
Wüste Kraterlandschaft. Gut,<br />
wenn die Thermik mehr als<br />
3000 Meter darüberhebt.<br />
Im Team ganz entspannt von<br />
Pokweni aus zu großen<br />
Strecken: Arnaud Hefter (l.)<br />
und Stephan Ripp.<br />
Fotos: Arnaud Hefter (3), Gerhard Marzinzik<br />
uns morgens mal wieder in blauer<br />
Bodenakrobatik nach Nordwesten<br />
vorgebastelt. Nach knapp 100 Kilometern<br />
gab es dann endlich<br />
Anschluss ans nächste Stockwerk.<br />
Schnell war klar, dass wir ein Jojo<br />
fliegen, um auf 1300 Kilometer zu<br />
kommen. Auch wenn nicht immer<br />
alles super lief, hat es dann am<br />
Ende noch gut für unser Ziel gereicht,<br />
und wir hatten uns das<br />
Landebier verdient.<br />
Diszipliniert und<br />
ohne Stress<br />
Das Landebier ist ein gutes<br />
Stichwort, um ein wenig über unseren<br />
typischen Tagesablauf zu<br />
erzählen. Wir hatten morgens nie<br />
Stress, wir wollten ja auch keine<br />
Rekorde knacken. Trotzdem sind<br />
wir in Ruhe vor dem Frühstück auf<br />
den Platz gefahren und haben den<br />
Arcus vorbereitet. Dabei waren<br />
wir meist allein, aber fanden es<br />
angenehmer, lieber ausreichend<br />
Zeit fürs Frühstück zu haben und<br />
dann möglichst gegen 10 Uhr in<br />
der Luft zu sein. Wir genossen die<br />
familiäre Atmosphäre in Pokweni<br />
und beschlossen erst nach dem<br />
Wetterbriefing, was wir fliegen<br />
wollten. Jetzt werden bestimmt<br />
einige den Kopf schütteln und mit<br />
der Stirn runzeln. Aber wir waren<br />
tatsächlich zum Vergnügen in Namibia.<br />
Mit der Einstellung haben<br />
wir es im Online-Contest letztlich<br />
trotzdem täglich unter die Top 5<br />
weltweit geschafft.<br />
Preislich und kulinarisch braucht<br />
sich Pokweni nicht vor den anderen<br />
Zentren zu verstecken. Jos, der<br />
Besitzer, und seine Familie standen<br />
jeden Tag auch für die nichtfliegerischen<br />
Probleme immer zur<br />
Verfügung. Der Flugbetrieb mit<br />
ausführlichem Briefing ist gut organisiert.<br />
Und es gibt die Möglichkeit,<br />
kleinere Reparaturen, auch<br />
am Motor, direkt vornehmen zu<br />
lassen. Walter Binder packt als<br />
absoluter Experte mit an.<br />
Nach dem Briefing ging es zum<br />
Flugplatz. Jeder konnte starten,<br />
wann er wollte. Die Piste steht jetzt<br />
auch in vollem Umfang zur Verfügung,<br />
man hat es am Rande der<br />
Pfanne nicht mehr mit einem drei<br />
Meter breiten Streifen zu tun. Wir<br />
flogen immer acht bis zehn Stunden.<br />
Dafür ging es abends nach dem<br />
Essen spätestens gegen 22 Uhr ins<br />
Bett, so waren wir am nächsten<br />
Tag wieder fit.<br />
Das Wetter kann in Namibia<br />
nicht nur sehr gute Aufwinde bis<br />
in Höhen von 5000 Metern und<br />
schnell machende tragende Linien<br />
entwickeln, es kann sich auch<br />
schnell extrem zu heftigen Gewittern<br />
überentwickeln. Die berüchtigten<br />
down bursts in der Nähe<br />
von Gewittern können nicht nur<br />
das Landen unmöglich machen.<br />
Auch ohne down bursts sind<br />
die dicken Schauer und Gewitter,<br />
die häufig am späteren Nachmittag<br />
einsetzen, nicht zu unterschätzen.<br />
Wichtig ist, dass solche Zellen nicht<br />
den Heimweg abschneiden.<br />
Alles in allem war es eine umwerfende<br />
Erfahrung, in Namibia<br />
zu fliegen. Man ist in Pokweni<br />
unter den Segelfliegern und der<br />
netten Gastfamilie einfach gut<br />
aufgehoben. Ich konnte unglaublich<br />
viel Wissenswertes für meine<br />
zukünftige Fliegerei mitnehmen,<br />
was ich auch direkt für die kommenden<br />
Wettbewerbe gut anwenden<br />
werde.<br />
In Namibia habe ich gelernt:<br />
Auch hier fliegt man nicht ohne<br />
Weiteres einen „Tausender“. Es<br />
war wirklich viel Arbeit und verlangt<br />
auch einiges an Erfahrung.<br />
Doch wer hier nur ein vierstelliges<br />
Ziel im Auge hat, der verpasst<br />
womöglich das Schönste. ae<br />
Arnaud Hefter<br />
Düsterer Ausblick: Die guten thermischen Bedingungen in Namibia<br />
können auch leicht umschlagen. Dann gibt es heftige Gewitter.<br />
86 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
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unter Tel. 0170/4885228, info@<br />
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Haltergemeinschaft an N-reg.<br />
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1/4 Anteil an IFR TB20 in Bonn-<br />
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F-Reg, Baujahr 1987, Lycoming<br />
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Raum Köln-Bonn. bernd.pilot@<br />
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Haltergemeinschaft Cirrus SR<br />
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zu gründende Haltergemeinschaft<br />
an einer Cirrus SR 22T.<br />
Raum EDME oder EDML. Gerne<br />
auch Einstieg in eine bestehende<br />
Haltergemeinschaft oder Charter.<br />
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mehr: www.<strong>aerokurier</strong>-markt.de Exposé-Nr 673419<br />
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92 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> Firmenanzeigen sind mit "F" gekennzeichnet www.<strong>aerokurier</strong>.de
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<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong><br />
93
Zuschriften auf Chiffreanzeigen richten Sie bitte an: Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG, <strong>aerokurier</strong>markt, Chiffre-Nr..., 70162 Stuttgart<br />
Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste des Landes NRW mit Sitz in<br />
Duisburg ist ein Servicezentrum für die Polizeibehörden des Landes in den<br />
Bereichen Technik, Einsatz und Verkehr und übernimmt zudem landesweite<br />
Unterstützungs- und Koordinierungs-/Beratungsaufgaben insbesondere in<br />
Haushalts-, Wirtschafts- und Liegenschaftsangelegenheiten sowie in<br />
Angelegenheiten der Führung und Steuerung.<br />
Am Dienstort Düsseldorf sind im Dezernat 43 - Polizeifliegerstaffel -, Sachgebiet 43.4 - Technischer Betrieb -, zum nächstmöglichen Zeitpunkt je eine Stelle als<br />
1.) Certifying Technician / Freigabeberechtigtes Personal<br />
Fachbereich Flugwerk/Triebwerk (Part-66 CAT B1/B1.3)<br />
und<br />
2.) Mechanic Technician / Freigabeberechtigte/r Mechaniker/in<br />
Fachbereich Flugwerk/Triebwerk (Part-66 CAT A)<br />
unbefristet mit einer/m Tarifbeschäftigten zu besetzen. Die Besetzung der vakanten Stellen steht unter dem Vorbehalt zur Verfügung stehender Haushaltsmittel.<br />
1. Stellenbewertung<br />
Die Arbeitsverhältnisse richten sich nach dem Tarifvertrag für den<br />
öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Bei Erfüllung der tarifrechtlichen<br />
Voraussetzungen ist eine Eingruppierung (abhängig von<br />
Qualifikationen und Berufserfahrung)<br />
• zu 1.) bis einschließlich Entgeltgruppe 10 TV-L möglich.<br />
• zu 2.) bis einschließlich Entgeltgruppe 9 TV-L möglich.<br />
2. Formale Voraussetzungen<br />
• zu 1.) Gültige Lizenz für Freigabeberechtigtes Personal CAT<br />
B1/B1.3 gem. Anhang III VO (EU) 1321/2014 mit Eintrag<br />
eines Luftfahrzeugmusters und einschlägiger praktischer<br />
Berufserfahrung.<br />
• zu 2.) Gültige Lizenz für Freigabeberechtigtes Personal CAT A<br />
gem. Anhang III VO (EU) 1321/2014.<br />
3. Aufgaben<br />
Das Sachgebiet 43.4 ist zuständig für die Wartung und Instandhaltung<br />
sowie Führung und Prüfung der Aufrechterhaltung der<br />
Lufttüchtigkeit der landeseigenen Luftfahrzeuge.<br />
Die Aufgabenbereiche der Stelleninhaber umfassen insbesondere<br />
folgende Tätigkeitsbereiche:<br />
• Wartung, Instandhaltung und Reparatur an Flugwerk/<br />
Triebwerk der Polizeihubschrauber<br />
• Arbeiten im Rahmen periodischer oder kalenderzeitgemäßer<br />
Inspektionen nach Herstellervorschrift<br />
• Einstellarbeiten an der Triebwerksregelung sowie am Trag- und<br />
Steuerwerk<br />
• Behebung von im laufenden Einsatzflugbetrieb aufkommenden<br />
Beanstandungen/Mängeln<br />
• Durchführung von Prüfflügen<br />
• Führung der Wartung bezogenen technischen Dokumentation<br />
4. Organisatorische Anbindung<br />
Das Sachgebiet 43.4 ist eines von vier Sachgebieten innerhalb des<br />
Dezernats 43. Sie sind der Sachgebietsleitung unterstellt.<br />
5. Erfolgssichernde Kompetenzmerkmale<br />
5.1 Aufgabenbezogene Kompetenzen<br />
• gute Englischkenntnisse, insbesondere im technischen Englisch,<br />
• Kenntnisse des Europäischen Luftrechts,<br />
• Organisations- und Planungsfähigkeit,<br />
• PC-Kenntnisse (MS-Office-Produkte)<br />
5.2 Persönliche Kompetenzen<br />
• Sicheres Auftreten, Eigenständigkeit, Eigenverantwortung,<br />
• Lernbereitschaft<br />
5.3 Soziale Kompetenzen<br />
• Teamfähigkeit<br />
• Kommunikationsfähigkeit<br />
Das Land NRW fördert die berufliche Entwicklung von Frauen. Bewerbungen von Frauen werden daher besonders begrüßt. In den Bereichen, in<br />
denen Frauen noch unterrepräsentiert sind, werden sie bei gleicher Eignung, Leistung und Befähigung nach Maßgabe des Landesgleichstellungsgesetzes<br />
bevorzugt berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Der Arbeitsplatz kann auch mit<br />
Teilzeitkräften besetzt werden.<br />
Das Land NRW bemüht sich bevorzugt um die Einstellung schwerbehinderter Menschen und gleichgestellter behinderter Menschen im Sinne des<br />
§ 2 SGB IX; Bewerbungen schwerbehinderter und gleichgestellter behinderter Menschen im Sinne des § 2 SGB IX sind ausdrücklich erwünscht.<br />
Die Ausschreibung wendet sich ausdrücklich auch an Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
Für weitere Informationen stehen Ihnen als Ansprechpartner<br />
• Herr PD Ettler (Tel. 0203/4175 - 4300) - Dezernatsleiter - und<br />
• Herr EPHK Miebach (Tel. 0203/4175 - 4340) - Sachgebietsleiter 43.4 - für fachliche Fragen sowie<br />
• Herr RAR Kowollik (Tel. 0203/4175 - 7106) - Personalstelle - für Fragen zum Bewerbungsverfahren gerne zur Verfügung.<br />
Ich freue mich auf Ihre Bewerbung. Richten Sie diese bitte mit aussagekräftigen Unterlagen in deutscher Sprache (insbesondere lückenloser<br />
beruflicher Werdegang, Qualifikationsnachweise, Abschluss- und Arbeitszeugnisse) bis zum <strong>11</strong>.<strong>11</strong>.<strong>2016</strong> unter Angabe der Geschäftsnummer<br />
zu 1). 66-16 (CAT B1/B1.3), zu 2). 66-16 (CAT A) an das<br />
Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW | Personalstelle | Schifferstr. 10 | 47059 Duisburg<br />
oder bevorzugt per E-Mail unter Angabe der o.a. Geschäftsnummer an: tarifbereich.lzpd@polizei.nrw.de<br />
Bei Bewerbungen auf dem Postweg verzichten Sie bitte auf Bewerbungsmappen, da Ihre Unterlagen nicht zurückgesendet werden.<br />
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kommerziellen und administrativen Themen<br />
• Vergleiche mit Konkurrenzprodukten<br />
• Markt- und Datenrecherche (Internet, Amstat, etc.)<br />
• Flugzeugbewertungen<br />
• Abwicklung von Flugzeugübergaben (technisch, administrativ)<br />
• Zusammenarbeit mit dem LBA<br />
• CRM Betreuung<br />
Wir erwarten:<br />
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oder kaufmännisch<br />
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Atlas Air Service steht seit 1970 für Kompetenz und Qualität in der<br />
Betreuung von Geschäftsreiseflugzeugen und ist an vier Standorten in<br />
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Mitarbeitern vertreten. Atlas Air Service ist autorisierter Vertriebspartner<br />
für Embraer Executive Jets in Deutschland, Österreich, Schweiz und für Bell<br />
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80906, Mobil: +49 175 5854343,<br />
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OO<br />
26. November<br />
Tag der AOPA-Vereine,<br />
Egelsbach<br />
Flugplatz, 62239 Egelsbach,<br />
E-Mail info@aopa.de, www.aopa.de<br />
QUAX-Winterzauber,<br />
Paderborn/Lippstadt<br />
QUAX, Verein zur Förderung von<br />
historischem Fluggerät e.V.,<br />
Heessener Dorfstr. 46, 59073 Hamm<br />
Tel.: +49 2381 488842,<br />
E-Mail: info@quax-flieger.de<br />
Termine 2017<br />
✘✘<br />
5. – 8. April<br />
AERO, Friedrichshafen<br />
Messe Friedrichshafen, Neue<br />
Messe 1, 88046 Friedrichshafen,<br />
Tel.: +49 7541 708404,<br />
E-Mail: info@messe-fn.de,<br />
www.aero-expo.com<br />
OO<br />
20./21. Mai<br />
Flugtage, Gera-Leumnitz<br />
Ronneburger Str. 74, 07546 Gera,<br />
www.grossflugtage.com/flugtagegera<br />
✘✘<br />
22. – 24. Mai<br />
17. EBACE, Genf, Schweiz<br />
European Business Aviation Association,<br />
Avenue de Tervuren 13 a-b/<br />
Box 5, 1040 Brüssel, Belgien,<br />
Tel.: +32 2 7660070, E-Mail: infoeu@ebace.aero,<br />
www.ebace.aero<br />
OO<br />
19. – 25. Juni<br />
International Paris Airshow,<br />
Paris, Frankreich<br />
www.siae.fr/en/<br />
OO<br />
1./2. Juli<br />
Coburg Airshow<br />
Zur Brandensteinsebene,<br />
96450 Coburg,<br />
E-Mail: info@aeroclub-coburg.de,<br />
www.aeroclub-coburg.de/airshow<br />
OO<br />
9./10. Juli<br />
Flying Legends, Duxford,<br />
Großbritannien<br />
Imperial War Museum, Duxford<br />
www.flyinglegends.com<br />
Royal International Air Tattoo,<br />
Fairford, Großbritannien<br />
RAF Fairford, Gloucestershire<br />
www.airtattoo.com<br />
OO<br />
24. – 30. Juli<br />
EAA AirVenture Oshkosh,<br />
USA<br />
EAA Aviation Center, 3000 Poberezny<br />
Road, Oshkosh, Wisconsin<br />
54902,www.eaa.org/en/airventure<br />
O 26./27. August<br />
Flugtag Bensheim<br />
Segelfluggruppe Bensheim e. V.,<br />
www.sfg-bensheim.com<br />
OO<br />
9./10. September<br />
Fliegerfest Ammerbuch,<br />
Flugplatz Poltringen<br />
Flugsportverein Ammerbuch e.V. ,<br />
Postfach <strong>11</strong>02, 71070 Herrenberg,<br />
Tel.: +49 7032 28602,<br />
E-Mail: info@fsv-herrenberg.de,<br />
www.fsv-herrenberg.de<br />
Auf dem Air Tattoo begegnen sich Kampfflugzeuge aus unterschiedlichsten<br />
Epochen – hier Spitfire und Eurofighter.<br />
✘✘<br />
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Weitere Termine finden Sie bei uns auf der Website<br />
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Veranstaltungen mit <strong>aerokurier</strong>-Stand<br />
Foto: Butowski<br />
IMPRESSUM<br />
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Der <strong>aerokurier</strong> erscheint monatlich (mit den DAeC-Nachrichten<br />
in der Abonnement-Auflage). Es gilt die Anzeigenpreisliste <strong>2016</strong>.<br />
Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der<br />
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vorbehalten. Für unverlangt eingesandte Manuskripte,<br />
Fotos, Zeichnun gen und Datenträger wird keine Haftung<br />
übernommen. (ISSN 0341-1281)<br />
<strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong> 103
[ PORTRÄT ]<br />
Noch<br />
lange<br />
nicht<br />
satt<br />
geflogen<br />
Matthias Arnold hat<br />
sich in diesem Jahr<br />
ganz aufs Segelfliegen<br />
konzentriert und<br />
bei 87 Flügen mehr<br />
als 500 Stunden in<br />
der Luft verbracht.<br />
Mit rund 32 000<br />
Streckenkilometern<br />
ist dabei fast eine<br />
Weltumrundung herausgekommen.<br />
Als<br />
Preisträger der OLC<br />
Junior Challenge<br />
2015 hatte der<br />
20-Jährige das Förderflugzeug<br />
Discus<br />
2cT zur Verfügung.<br />
Das Interview führte<br />
Gerhard Marzinzik<br />
Matthias, brauchst du<br />
nach so vielen Flugstunden<br />
in so kurzer<br />
Zeit jetzt eine Verschnaufpause?<br />
Nein, am Wochenende habe ich den<br />
Discus an Clemens Pape, den neuen<br />
Preisträger, abgegeben. Heute Abend<br />
präpariere ich gerade den Duo Discus<br />
unseres Vereins, um morgen hier von<br />
Weinheim aus bei dem starken Ostwind<br />
gleich früh um sieben in die<br />
erste Oktober-Welle starten zu können.<br />
Satt geflogen hast du dich nach<br />
500 Stunden also nicht. Andere<br />
hätten schon nach einem Bruchteil<br />
der Zeit pausiert. Wie motivierst<br />
du dich immer wieder zum<br />
Fliegen?<br />
Bei mir ist das so: Je mehr ich fliege,<br />
desto mehr Lust aufs Fliegen habe<br />
ich. Es gibt ja immer wieder Neues<br />
zu entdecken.<br />
Bist du da familiär vorbelastet?<br />
Familiär vorbelastet bin ich nicht, aber<br />
meine Eltern unterstützen mich und<br />
haben mir dieses Jahr mit dem „OLC“<br />
gegönnt. Das Geld dazu habe ich mir<br />
in Aushilfsjobs verdient.<br />
Wie bist du zum Segelfliegen<br />
gekommen?<br />
Über einen anderen Schüler an meiner<br />
Schule, der schon im LSV Weinheim<br />
flog, bin ich neugierig geworden. Nach<br />
einem Gastflug bin ich dann mit 14<br />
eingestiegen. Mit 16 habe ich den<br />
Schein gemacht.<br />
Wie sah danach die Förderung<br />
im Club aus?<br />
Wir Schüler standen von Anfang an<br />
im Wettbewerb. Mit zwei Freunden<br />
ging es immer um die Fragen: Wer<br />
macht den längsten Flug, wer bleibt<br />
am längsten oben? Ich habe mich so<br />
kontinuierlich weiterentwickelt.<br />
Und gab es auch eine Streckenflugförderung<br />
im Verein?<br />
Ich habe mich schon von unseren<br />
Fluglehrern inspirieren lassen. Sehr<br />
viel habe ich aber von den Profis gelernt,<br />
deren Flüge man im OLC gut<br />
nachvollziehen kann. Ich habe dort<br />
viele Flüge intensiv studiert.<br />
Das war ja sehr erfolgreich. Den<br />
„OLC“ hast du dir dann mit der<br />
LS8 erflogen. Einen Discus 2c/18<br />
habt ihr aber auch im LSV Weinheim.<br />
Schon als Schüler konnte ich die LS8<br />
fliegen. Das Flugzeug macht es Anfängern<br />
leicht. Da war ich gut drauf<br />
eingeflogen, und ich wollte damit<br />
auch in der DMSt-Standard-Klasse<br />
der Junioren punkten.<br />
Den Discus 2cT hat Wilfried Großkinsky,<br />
dem die Jugendförderung<br />
ja sehr am Herzen liegt, für die<br />
OLC Junior Challenge gesponsert.<br />
Gab es von seiner Seite auch<br />
eine weitere Unterstützung<br />
deiner Streckenflugambitionen?<br />
Wir haben immer im engen Kontakt<br />
gestanden. Während der Flüge haben<br />
wir uns oft auf einer eigenen Frequenz<br />
ausgetauscht. Er ist ja viel weiter im<br />
Norden gestartet, ich in Weinheim.<br />
Da konnten wir uns wechselseitig<br />
wichtige Infos über die Wetterentwicklung<br />
geben. Bei meinem Tausender<br />
hat Wilfried mich dann motiviert<br />
und aufgebaut.<br />
Das Tausender war bestimmt der<br />
Höhepunkt des Jahres.<br />
104 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
Am Ende sind es sogar <strong>11</strong>48,6 Kilometer<br />
geworden, mit <strong>11</strong>:15 Stunden<br />
war es auch der längste Flug! Ich war<br />
da gerade beim D-Kader-Trainingslager<br />
in Neresheim. Dort konnte ich<br />
schon um 9:37 Uhr bei guter Thermik<br />
starten. Das Sahnehäubchen gab es<br />
am Abend mit einer Konvergenz von<br />
Neresheim aus weit nach Norden.<br />
Fotos: Matthias Arnold, Lothar Schwark, Holger Weitzel<br />
Die ersten Flüge mit dem Discus<br />
hast du noch im Herbst des Vorjahres,<br />
gleich nach der Übernahme<br />
des Flugzeugs, unternommen.<br />
Zuerst einmal in die Höhe.<br />
Ja, es war schon länger mein Traum,<br />
über dem Rheintal in der Welle mal<br />
richtig hochzusteigen. Der „OLC“ hat<br />
einen Transponder, und damit bekam<br />
ich die Freigabe auf 10 000 Meter. Ich<br />
bin dann erstmals auf 8000 Meter<br />
gestiegen.<br />
Du hast dann wirklich nichts<br />
ausgelassen, hast jede Gelegenheit<br />
zum Fliegen genutzt.<br />
Ich wollte mich schon vor dem Frühjahr<br />
auf dem Discus einfliegen, um<br />
dann gleich richtig einsteigen zu<br />
können, bin zum Hangfliegen an die<br />
Porta gefahren und habe schon im<br />
Januar erste Thermik genutzt.<br />
Deine Flüge weisen auch immer<br />
wieder „Tiefpunkte“ auf. Verleitet<br />
der Turbo dazu?<br />
Manchmal habe ich das Warten auf<br />
das gute Steigen übertrieben und bin<br />
sehr tief herunter geflogen. Mit einem<br />
Motor im Rücken fällt das schon leichter.<br />
Am Thüringer Wald bin ich dabei<br />
einmal so tief gekommen, dass ich<br />
nicht einmal mehr den Motor hätte<br />
nehmen können. Aber da hatte ich<br />
ein gutes Außenlandefeld. Wäre natürlich<br />
dumm gewesen, wenn ich dort<br />
tatsächlich hätte landen müssen. Den<br />
Turbo habe ich aber bei allen Flügen<br />
nur einmal nehmen müssen, weil ich<br />
mich taktisch falsch verhalten habe.<br />
Da bin ich zu tief auf die Alb geflogen<br />
und habe einfach den Anschluss an<br />
die Thermik nicht mehr gefunden.<br />
Sonst habe ich ihn nur abends genutzt,<br />
wenn ich die Tagesaufgabe mal überreizt<br />
habe.<br />
Bei einem Flug rund um Frankfurt<br />
unterhalb des Luftraumdeckels hat<br />
der Turbo viel Sicherheit vermittelt.<br />
Das war schon ein besonderes Erlebnis.<br />
Rund 800 Meter unter der Basis<br />
musste ich das beste Steigen verlassen,<br />
um nicht in den C-Raum von<br />
Frankfurt zu stoßen. Unter schönen<br />
Die Saison eröffnete Matthias<br />
Arnold mit dem Discus 2cT „OLC“<br />
in Puimoisson.<br />
Aufreihungen ist das Durchhangeln<br />
im Parterre am Ende gelungen.<br />
Als sehr nützlich hat sich auch der<br />
Transponder erwiesen. Die Region<br />
von Ramstein konnte ich damit im<br />
Lotsenkontakt sicher befliegen. Einmal<br />
sogar über einen Jumbo hinweg.<br />
Bist du in dem einen Jahr in Neuland<br />
vorgestoßen?<br />
In den Alpen bin ich zum ersten Mal<br />
geflogen. Im Frühjahr hat mich dort<br />
Julian Klemm von Puimoisson aus ins<br />
Gebirge eingeführt. Im Herbst habe<br />
ich noch einmal einen Aufenthalt<br />
angeschlossen – eigentlich ohne große<br />
Ambitionen –, um die letzten sommerlichen<br />
Tage auszunutzen. Ich<br />
habe dann überraschenderweise<br />
weite Flüge bis ins Hochgebirge, bis<br />
zum Matterhorn unternehmen können.<br />
Jeden Tag habe ich mich ein Stück<br />
weiter nach Norden vorgearbeitet<br />
und mir so die Alpen bis nach Italien<br />
und der Schweiz erschließen können.<br />
Damit war das Flugjahr dann<br />
aber immer noch nicht abge-<br />
Discus 2cT „OLC“<br />
Beim OLC-Finale im Oktober 2015 übernahm<br />
Matthias Arnold das von Wilfried Großkinsky<br />
gesponserte 18-m-Flugzeug von Vorjahres-<br />
Preisträger Max Dorsch. Inzwischen hat<br />
schon der neunte Preisträger das Förderflugzeug<br />
des von Reiner Rose initiierten und<br />
gemanagten Online Contest für ein Jahr<br />
zur Verfügung. Der erste Begünstigte, Tobias<br />
Welsch, nutzte das Flugzeug mit knapp 430<br />
Flugstunden auch schon reichlich. Mit über<br />
500 Stunden hat es Matthias Arnold bisher<br />
am ausgiebigsten geflogen. Mit einer Ausnahme<br />
gelang auch jedem geförderten Junior<br />
damit der erste 1000-km-Flug.<br />
schlossen. Es gibt noch spät im<br />
September einen Flug über 500<br />
Kilometer.<br />
Ja, der Flug zum Thüringer Wald war<br />
dann wirklich der Abschluss. Eigentlich<br />
hatte ich gar nicht mehr fliegen<br />
wollen, sondern Werkstattarbeit geplant.<br />
Ich wollte das Flugzeug ja auf<br />
Hochglanz poliert wieder im Topzustand<br />
zurückgeben. Aber an dem Tag<br />
war das Wetter einfach zu gut.<br />
Welche Ziele nimmst du dir nach<br />
solch einem Flugjahr noch vor?<br />
So viel Zeit wie im Sabbatical<br />
<strong>2016</strong> steht ja nicht mehr zur Verfügung.<br />
Jetzt habe ich mein Studium in Darmstadt<br />
aufgenommen. Aber schon zu<br />
Schulzeiten habe ich meine Aufgaben<br />
gut unter der Woche erledigen können,<br />
so dass ich die Wochenenden immer<br />
fürs Fliegen frei hatte. Jetzt interessiert<br />
mich, meine Erfahrungen als<br />
Coach weiterzugeben an junge Scheininhaber.<br />
Und natürlich möchte ich<br />
auch zur Deutschen Meisterschaft.<br />
Dazu werde ich Qualis fliegen. ae<br />
Hoch bis auf 8000<br />
Meter. Damit erfüllte<br />
sich Matthias Arnold<br />
einen großen Traum.<br />
In dieser Serie stellt<br />
der <strong>aerokurier</strong><br />
außergewöhnliche<br />
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aus der Luftfahrt<br />
im Interview vor.<br />
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fliegt er noch immer regelmäßig den Starfighter und bildet<br />
– obwohl längst pensioniert – Testpiloten aus. Schließlich ist<br />
Czaja derjenige, der die Me-262-Nachbauten eingeflogen hat.<br />
Über seine Liaison mit der Schwalbe berichtet er im <strong>aerokurier</strong>.<br />
Wir bitten um Verständnis, wenn angekündigte Beiträge aus aktuellen Gründen in eine andere Ausgabe verschoben werden.<br />
Fotos: Uwe Glaser, David Kromka, Gerhard Marzinzik, Remos<br />
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ausgewachsenes Flugzeug mit Einspritzer-<br />
Rotax. Der Zweisitzer wird nicht nur als UL,<br />
sondern auch als LSA zu haben sein.<br />
Reise<br />
Über die Grande Nation<br />
Frankreich schreckt mit seiner Luftraumstruktur<br />
viele Piloten ab. David Kromka,<br />
Frankreich-Fan und Airline-Kapitän, zeigt,<br />
wie die Reise in den Westen gelingt.<br />
Pilot Report<br />
Der neue Ventus<br />
Seit Jahren fliegt der Ventus von Schempp-<br />
Hirth erfolgreich in der 15- und der 18-Meter-<br />
Klasse. Die dritte Auflage des Renners soll<br />
noch mehr Leistung bieten.<br />
106 <strong>aerokurier</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong>
MAINTENANCE<br />
SPECIAL 2017<br />
Das MAINTENANCE<br />
SPECIAL 2017 bietet<br />
folgende Themen:<br />
■ Reverse Engineering<br />
Wie Ersatzteile für historische<br />
Flugzeuge am<br />
Computer neu entstehen<br />
■ Oil Monitoring<br />
Was das Öl über den<br />
Zustand des Motors verrät<br />
■ Branchen-Guide<br />
Die Maintenance-Betriebe<br />
in Deutschland, Österreich<br />
und der Schweiz<br />
Januar-Ausgabe<br />
Speed up<br />
your business<br />
Februar-Ausgabe<br />
Bonusauflage<br />
Mit dem MAINTENANCE SPECIAL im <strong>aerokurier</strong><br />
1/2017 und in der Abonnement-Auflage der<br />
FLUG REVUE 2/2017 erreichen Sie günstig die<br />
Zielgruppe der Flugzeug eigner in Deutschland,<br />
Österreich und der Schweiz.<br />
Vorteil<br />
Kein Aufpreis für die flächendeckende Präsenz.<br />
Es gilt die <strong>aerokurier</strong>-Preisliste <strong>2016</strong>.<br />
Anzeigenschluss<br />
22. November <strong>2016</strong><br />
Verkauf am Kiosk<br />
ab 28. Dezember <strong>2016</strong><br />
Information<br />
Reinhard Wittstamm<br />
Tel.: +49 7<strong>11</strong> 182-2814<br />
E-Mail: rwittstamm@<br />
motorpresse.de
BRASILIANISCHE HEERESFLIEGER<br />
Kleine Flotte,<br />
großes Land<br />
Foto: Cees-Jan van der Ende<br />
Dieses und viele weitere<br />
spannende Themen aktuell in<br />
FLUG REVUE, Deutschlands<br />
großem Luft- und Raumfahrt-<br />
Magazin.<br />
Auch als E-Paper<br />
Tagesaktuelle<br />
Luftfahrtnachrichten:<br />
www.flugrevue.de<br />
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