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Fritz Wrede und der Drehorgelbau in Hannover

Fritz Wrede und der Drehorgelbau in Hannover von Peter G. Schuhknecht

Fritz Wrede und der Drehorgelbau in Hannover von Peter G. Schuhknecht

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Se<strong>in</strong>e ersten Instrurrente ähnelten sehr den 2Der Maritatenorgeln, die <strong>in</strong><br />

Waldkirch von den verschiedenen Bru<strong>der</strong>-Orgelfabriken hergestellt wurden.<br />

Diese Orgel geht <strong>in</strong> ihrer Urform auf die Entwicklung des Ignaz Bru<strong>der</strong>,<br />

Errichter des Orgelbauers <strong>in</strong> Waldkirch, zuri:ick. Sämtliche rbeiten hierfür<br />

wurden von <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> persönlich durchgeführt. Sehr viel später ließ er<br />

sich ausschließlich von e<strong>in</strong>er Gelbgießerei <strong>in</strong> <strong>Hannover</strong> die bekannten<br />

Drehorgel-Mass<strong>in</strong>gfüße herstellen. Georg Baier, se<strong>in</strong> Onkel, war also nun<br />

plötzlich Konkurrent. Diese Situation verschärfte sich noch mehr, als <strong>der</strong><br />

Bahnwärter an <strong>der</strong> Kleefel<strong>der</strong> Eisenbahn die Orgelspieler zu <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong><br />

schickte, <strong>der</strong> diesen <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Herz geschlossen hatte.<br />

Im Jahre 1892 heiratete er Heririette Schrö<strong>der</strong>, die am 28.12.1874 geboren<br />

wurde. Mit ihr fühxte er fortan das Geschäft geme<strong>in</strong>sam <strong>und</strong> baute die<br />

Werkstatt <strong>und</strong> die Walzenproduktion stetig auf. Der Betrieb wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

damals üblichen handwerklichen Großfamilie geführt. Neben <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Werkstatt hat Henriette <strong>Wrede</strong> e<strong>in</strong>e Großfamilie von 20 Mitarbeitern<br />

täglich beköstigt. Zu diesen gehörten Tischler, Fe<strong>in</strong>mechaniker, Machaniker<br />

<strong>und</strong> Schmiede, aber auch weitere Orgelbauer. Jede Arbeit wurde selbst herge<br />

stellt, jede Pfeife selbst <strong>in</strong>toniert. Der Draht für die Drahtstifte wurde<br />

zwar gekauft, dann aber selbst mit e<strong>in</strong>er entsprechenden Walze plattgewalzt.<br />

Auch die Kurbeln, Klarrirern <strong>und</strong> Stifte wurden selbst hergestellt. Von Keller<br />

bis zum Boden war das Haus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Werkstatt umgewandelt. Hier standen<br />

Hobel <strong>und</strong> Abrichtbänke, Bohrmasch<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Kreissägen, Bandsägen, Fräs<br />

masch<strong>in</strong>en, Klannermasch<strong>in</strong>en <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Geheimräunen drei Zeichenbänke zum<br />

Anfertigen <strong>der</strong> Walzen. Acht Arbeitsplätze waren konplett ausgerüstet mit<br />

Hobelbank <strong>und</strong> Werkzeugschrank. Se<strong>in</strong> sehnlichster Wunsch erfüllte sich, als<br />

ihm am 1. Mai 1 9CXJ e<strong>in</strong> Sohn geboren wurde, <strong>der</strong> ebenfalls den Narren <strong>Fritz</strong><br />

erhielt. Ihm folgte die Tochter Frieda am 20.6.1902, die später nach ihrer<br />

Verheiratung den Namen Tesch erhielt. E<strong>in</strong>e zweite Tochter folgte am 17.2.1907,<br />

die ebenfalls mit dem Narren Ida Fischer <strong>in</strong> <strong>Hannover</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Scheidestraße lebt.<br />

Mit dem Zeitpunkt dieser Geburten begann plötzlich auch e<strong>in</strong>e neue Erf<strong>in</strong>dung<br />

den Kirmesorgelbau zu revolutionieren. Hollerith, <strong>der</strong> gleiche, <strong>der</strong> uns heute<br />

allen als Erf<strong>in</strong><strong>der</strong> des Lochkartensystems bekannt ist, entwickelte dieses<br />

Lochkartensystem für die Steuerung von Kirrresorgeln; getreu <strong>der</strong> Devise:<br />

Musik ist nichts an<strong>der</strong>es als Mathematik. Ludovico Gavioli, e<strong>in</strong> berühmter<br />

Orgelbauer <strong>in</strong> Frankreich, griff diese Erf<strong>in</strong>dung als Erster auf <strong>und</strong> ließ<br />

sie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Kiriresorgeln <strong>in</strong> Paris e<strong>in</strong>bauen. Sofort folgte se<strong>in</strong> größter<br />

Konkurrent Adolf Ruth <strong>in</strong> Waldkirch <strong>und</strong> nun beschäftigte sich auch <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong><br />

mit dieser neuartigen Erf<strong>in</strong>dung. Ausschlaggebend hierfür war e<strong>in</strong> Gespräch<br />

mit dem sehr geschickten Erf<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Orgelbauer Valent<strong>in</strong> Schreiber <strong>in</strong><br />

<strong>Hannover</strong>, <strong>der</strong> sich am 23. Septei±er 1893 e<strong>in</strong> Orgeiwerk mit Notenband paten<br />

tieren ließ. Von diesem Zeitpunkt an nahm die Entwicklung des Orgelbaus<br />

gewaltige Dimensionen an. Man vergegenwärtige sich - bis zu diesem Zeitpunkt<br />

mußte für jedes Musikstück e<strong>in</strong> mühsames Arrangement speziell für den Umfang<br />

<strong>der</strong> Walze <strong>und</strong> den Umfang des Tonwerkes angefertigt werden. Aus jener Zeit<br />

starrmtmn die verkürzten Musikstücke ‚ die sich auf die zündenden Malodien<br />

e<strong>in</strong>es Operettenwerkes konzentrierten. Auch war es möglich, ganze Partien<br />

e<strong>in</strong>er Operette, sämtliche Teile e<strong>in</strong>es Liedes <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e ganze Partitur vom<br />

Anfang bis zum Ende aufzuzeichnen <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>zugeben. Die Malodien mußten also<br />

nicht mehi gekürzt werden - <strong>und</strong> was vielleicht das Bedeutsamste war: die Orgel<br />

konnte mit e<strong>in</strong>em beliebig umfangreichen Repertoire — bestirruTrt ausschließlich<br />

var Geldbeutel des Besitzers — ausgestattet werden.<br />

Schon bald hatte <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Betrieb acht Notenstanzen, die täglich<br />

bis zu 12 St<strong>und</strong>en betätigt wurden. Auch se<strong>in</strong>e beiden Töchter Ida <strong>und</strong> Frieda<br />

wurden für die Stanzarbeiten mit <strong>der</strong> Mutter herangezogen. <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> selbst<br />

spielte Geige <strong>und</strong> Harnonium <strong>und</strong> entwickelte auf diesen beiden Instrumenten<br />

die Arrangements, die er persönlich auf den dafür vorgesehenen Mutern auf—<br />

zeichnete. Der Stanzer hatte nun lediglich die Aufgabe, diese Arrangements<br />

abzustanzen. übrigens hat <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er stärksten Beanspruchung<br />

ke<strong>in</strong>e Walzenkopien vorgenomrren. Jede Walze kam <strong>in</strong> die Zeichenbank; dabei<br />

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