04.11.2016 Aufrufe

Fritz Wrede und der Drehorgelbau in Hannover

Fritz Wrede und der Drehorgelbau in Hannover von Peter G. Schuhknecht

Fritz Wrede und der Drehorgelbau in Hannover von Peter G. Schuhknecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

lieb das Orig<strong>in</strong>aiklavier <strong>in</strong> <strong>der</strong> Orgel. Nach welchem System <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong><br />

genau zeichnete, ist nicht bekannt. Man weiß allerd<strong>in</strong>gs, daß er sich des<br />

Berl<strong>in</strong>er Zeichenrades bediente, das von den Bacigalupes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schönhauser<br />

Allee <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zum Zeichnen verwendet wurde. Häufig kam auch <strong>der</strong> Arrangeur<br />

Rudi Reusch aus Berl<strong>in</strong> nach <strong>Hannover</strong> <strong>und</strong> half <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> bei <strong>der</strong> Fertig<br />

stellung von Walzen; wenn er von se<strong>in</strong>en Auftraggebern <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (es Waren<br />

beide Bacigalupos) entbehrt werden konnte <strong>und</strong> dieses <strong>in</strong> <strong>Hannover</strong> erfor<strong>der</strong><br />

lich wurde.<br />

<strong>Wrede</strong> stand gleich nach Mitternacht auf <strong>und</strong> setzte sich <strong>in</strong> den Zeichenraum,<br />

da er dann Ruhe zum Zeichnen hatte. Diese Arbeit setzte er auch nach <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>führung des Notenkartons fort. lr Notenkarton wurde aus Waldkirch von<br />

<strong>der</strong> Firma Stegle bezogen, die fortan die gesamee Orgel<strong>in</strong>dustrie mit<br />

Noterikarton belieferte. Ebenso widmute sich <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> mit großem Eifer<br />

dem Bau <strong>der</strong> großen Kirmusorgeln, die <strong>in</strong> aller Welt beliebt waren <strong>und</strong> den<br />

Ruhm <strong>Hannover</strong>s noch heute verkünden. Viele <strong>Hannover</strong>sche Kirmusorgeln s<strong>in</strong>d<br />

noch heute <strong>in</strong> den nordischen Län<strong>der</strong>n, <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten Staaten, aber<br />

auch im Ostblock erhalten. Größter Abnehrrer war neben deutschen Schaustellern<br />

<strong>der</strong> englische Markt, <strong>der</strong> sich für die kernigen Klänge <strong>der</strong> <strong>Wrede</strong>-Orgeln<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressierte. E<strong>in</strong> Instruirent steht noch heute im Vergnügungspark<br />

<strong>in</strong> Budapest <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e große <strong>Wrede</strong>-Orgel fährt neuerd<strong>in</strong>gs zum Karussell- <strong>und</strong><br />

Drehorgelfestival, das seit 1972 <strong>in</strong> <strong>Hannover</strong> stattf<strong>in</strong>det. Sie gehört <strong>der</strong><br />

Schaustellerfa<strong>in</strong>jlie Schickler <strong>in</strong> Frankfuxt.<br />

<strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> unterhielt — für damalige Zeiten völlig unüblich — Kontakte<br />

auch zu an<strong>der</strong>en Orgelbauern. So war Carl Frei sen. e<strong>in</strong>mal zu Besuch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Wrede</strong>schen Manufaktur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Scheidestraße. Wie mir <strong>der</strong> Orgelbauer He<strong>in</strong>rich<br />

Voigt <strong>in</strong> Frankfurt mitteilte, wurde auch er von <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> <strong>in</strong> den 3Cr<br />

Jahren besucht. Aus dem Reisepaß vom 24.3.1923 geht hervor, daß <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong><br />

selbst nach E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>er Unbedenklichkeitsbesche<strong>in</strong>igung des F<strong>in</strong>anzamtes<br />

<strong>der</strong> Stadt <strong>Hannover</strong> am 5. August, vom 17. Juli bis 27. Juli <strong>und</strong> vom 7. bis<br />

16. Mai sowie vom 4. Juli bis 14. Juli 1923 nach Holland gefahren war.<br />

5glicherweise galten diese Besuche holländischen Abnehrrern o<strong>der</strong>Schaustellern,<br />

<strong>der</strong>en Instrunente gestimmt werden mußten, o<strong>der</strong> bei denen Restschulden kassiert<br />

werden sollten. Zu jener Zeit war es für die Orgelbauer üblich, auf die Märkte<br />

zu fahren <strong>und</strong> die unbezahlten Orgeirechnungen, Rechnungen für Reparatur<br />

arbeiten <strong>und</strong> neue ‚ abzukassieren. Daher wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie <strong>in</strong>ner<br />

für gutes Wetter gebetet. Alle<strong>in</strong> zum Freirnarkt <strong>in</strong> Breiten karren ca. 60 Orgelbesitzer<br />

mit ihrem Instrunent, um dieses überholen zu lassen. <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong><br />

war air stets so gutmütig, daß er sich diese Arbeit nie sofort bezahlen<br />

ließ, son<strong>der</strong>n trotz <strong>der</strong> vielen Vertröstungen selbst auf die Kirmasplätze<br />

g<strong>in</strong>g <strong>und</strong> gelegentlich auch an <strong>der</strong> Kasse sitzen mußte, um se<strong>in</strong> ihm zustehendes<br />

Entgeld zu erhalten.<br />

1913 we<strong>in</strong>te Kaiser Wilhelm II. das Neue <strong>Hannover</strong>sche Rathaus e<strong>in</strong>. Dieses<br />

stellte für die damalige Zeit e<strong>in</strong>e bautechnische Sensation dar, war es doch<br />

auf über 6. OCX) Buchenpfüblen im Maschgebiet, d.h., dem Sunipfgebiet <strong>Hannover</strong>s,<br />

errichtet wurden. Außerdem verfügte es über den e<strong>in</strong>zigen schrägstehenden<br />

Fahrstuhl <strong>in</strong> Europa, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kuppel auf gebogener Strecke zur Spitze<br />

führt. Die Rathauskuppel wurde von dem Vergol<strong>der</strong> Jensl<strong>in</strong> vergoldet, <strong>der</strong><br />

fortan auch für <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> die Fassaden <strong>der</strong> großen Prunk- <strong>und</strong> Konzertorgeln<br />

vergolden mußte. Die beiden größten Orgeln erhielt die Schaustellerfamilie<br />

Vesperrnann <strong>in</strong> <strong>Hannover</strong> <strong>und</strong> die Schaustellerfamilie Ziegler <strong>in</strong> Magdeburg.<br />

Jede fertiggestellte Orgel wurde vor <strong>der</strong> Ablieferung 14 Tage zur Probe<br />

gespielt. Noch heute gibt es ältere Kleefel<strong>der</strong>, die davon berichten, vor dem<br />

Haus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Scheidestraße auf <strong>und</strong> ab flaniert zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> den Klängen <strong>der</strong><br />

Orge<strong>in</strong> gelauscht zu haben. Manch junger Bursche for<strong>der</strong>te se<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> auf,<br />

e<strong>in</strong>en Walzer, Rhe<strong>in</strong>län<strong>der</strong>, Schieberramsch, Polka o<strong>der</strong> Mazurka zu den Klängen<br />

auf <strong>der</strong> Straße zu tanzen.<br />

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!