04.11.2016 Aufrufe

Fritz Wrede und der Drehorgelbau in Hannover

Fritz Wrede und der Drehorgelbau in Hannover von Peter G. Schuhknecht

Fritz Wrede und der Drehorgelbau in Hannover von Peter G. Schuhknecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

r<strong>und</strong>en die Kunst des Arrangeurs ab. Erst nach Beachtung dieser vielen<br />

Verzierungen wird die Drehorgel beson<strong>der</strong>s reizvoll. Nicht umsonst spricht<br />

man <strong>in</strong> vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt vom ‘E<strong>in</strong>mann-Orchester“. Viele Arrangeure<br />

entwickelten e<strong>in</strong>en typischen, eigenen Stil, <strong>und</strong> ich rn5chte den Stil e<strong>in</strong>iger<br />

berühmter Arrangeure vergleichen: <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> setzte mit Vorliebe das<br />

Stakkato e<strong>in</strong>, d.h., bei lang anhaltenden Tönen (z . B. e<strong>in</strong> halber Notenwert)<br />

setzte er mahrere Koiamunen von Stiften, die beim Abspiel e<strong>in</strong>e Folge von<br />

Tonstößen erkl<strong>in</strong>gen ließen; e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s reizvoller Effekt bei <strong>der</strong> Straßen—<br />

drehorgel, <strong>der</strong> Harmanipan. Läufe wurden von <strong>Fritz</strong> <strong>Wrede</strong> fast völlig ver<br />

mieden, wenn überhaupt setzte er hier e<strong>in</strong> aus zwei Tönen bestehendes<br />

Arpeggio e<strong>in</strong>. Gr<strong>und</strong>sätzlich bemühte er sich zum Ende e<strong>in</strong>es Stückes, e<strong>in</strong>en<br />

Triller e<strong>in</strong>zufügen, <strong>der</strong> über <strong>der</strong> Malodie lag <strong>und</strong> mit aufreizen<strong>der</strong> Schärfe<br />

das Ende des Stückes verkündete. <strong>Wrede</strong>s Arrangemants zeichneten sich durch<br />

Klarheit <strong>und</strong> Malodientreue aus. Ließ sich e<strong>in</strong> Stück wegen se<strong>in</strong>er häufig<br />

vorkortnden Halbtöne nicht für die Orgel verwenden, nahm er dieses<br />

Arrangemunt auch nicht für die entsprechende Walze vor; im Gegensatz zu<br />

an<strong>der</strong>en Arrangeuren, die gelegentlich solche Versuche auf <strong>der</strong> Walze unter—<br />

nahiren <strong>und</strong> den Halbton durch e<strong>in</strong>en Vollton ersetzten o<strong>der</strong> ihn beim Zeichnen<br />

unterschlugen.<br />

Ganz an<strong>der</strong>s Giovanni Bacigalupe <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Er bemühte sich stets, e<strong>in</strong>e<br />

Gegenmalodie unter die Malodie zu legen <strong>und</strong> beachtete sehr stark die Be<br />

deutung <strong>der</strong> Kontrapunktik. Se<strong>in</strong> Ausspruch war stets: “Der Baß ist das<br />

F<strong>und</strong>arrent des Arrangemants.“ Als gestalterisches Elemant f<strong>in</strong>den wir bei<br />

Bacigalu häufig nachgeschlagene Akkorde <strong>und</strong> gebrochene Akkorde. Triller<br />

werden sparsam e<strong>in</strong>gesetzt <strong>und</strong> auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> Triller ist e<strong>in</strong>e<br />

bestirr<strong>in</strong>te Arithsetik erkennbar.<br />

Wie<strong>der</strong>um ganz an<strong>der</strong>s arrangierte Carl Frei aus Waldkirch. Er war speziell<br />

für den holländischen Markt tätig <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e ArrangenEnts werden heute als<br />

typisch holländisch bezeichnet; ja, man kann behaupten, daß er dem ‚hollän<br />

dischen Orgeiwesen se<strong>in</strong>en unverkennbaren Stempel aufgeprägt hat. Carl Frei‘ s<br />

Arrangerrents zeichnen sich durch starke Wie<strong>der</strong>holungen von langen Läufen aus.<br />

Läufe, die gelegentlich <strong>in</strong> Trillern enden, aus e<strong>in</strong>er Malodie o<strong>der</strong> Gegenrrelodie<br />

wachsen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> diese übergehen. Hierbei kam Carl Frei das wesentlich<br />

umfangreichere Orgeiwerk sehr entgegen, das ihn nicht zwang, sich beim<br />

Arrangieren auf wenige Töne zu beschränken.<br />

Wenn man von den großen Arrangeuren <strong>der</strong> ersten Hälfte dieses Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

spricht, muß man unbed<strong>in</strong>gt Gustav Bru<strong>der</strong> <strong>in</strong> Waldkirch nennen.<br />

Gustav Bru<strong>der</strong>s Arrangerrents fesseln irrrrer wie<strong>der</strong> durch ihren dberrrnt <strong>und</strong><br />

die gelungenen E<strong>in</strong>fälle. Zur Steigerung <strong>der</strong> Dramatik e<strong>in</strong>es Stückes setzte<br />

er sehr häufig Doppeltriller e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Effekt, <strong>der</strong> bei Kirmesorgeln <strong>und</strong><br />

Orchestrien leicht aigewendet werden konnte, da diese über ausreichend W<strong>in</strong>d<br />

im Gegensatz zu den kle<strong>in</strong>en Stral3eridrehorgeln verfügten. Die Kontrapunktik<br />

Gustav Bru<strong>der</strong>s kann man geradezu als genial bezeichnen. Der E<strong>in</strong>satz von<br />

e<strong>in</strong>fügsarren Gegenirelodien ist hier vorbildlich. Ich habe viele Arrangements<br />

an<strong>der</strong>er <strong>Drehorgelbau</strong>er verfolgt, hei denen man sich <strong>der</strong> stilistischen<br />

Eleirente Gustav Bru<strong>der</strong>s bedient hat.<br />

Auch Adolf Ruth <strong>und</strong> dessen erster Arrangeur Rudolf Weisser haben für<br />

die großen Ruth—Orgelwerke Paradestücke <strong>der</strong> Arrangierkunst geschaffen, die<br />

verdeutlichen, daß nicht nur das prächtige Orgelwerk selbst, son<strong>der</strong>n vor<br />

allem auch die Kunst des Arrangeurs für den Erfolg <strong>der</strong> Orgel verantrtlich<br />

s<strong>in</strong>d. Sehr oft werde ich gefragt: ‘Warum werden so viele Manschen von <strong>der</strong><br />

Drehorgel <strong>und</strong> von <strong>der</strong> Kirrresorgel angelockt?“ Vielleicht steckt dieses<br />

Geheimnis <strong>in</strong> den raff<strong>in</strong>ierten Arrangements <strong>der</strong> Noten <strong>und</strong> Walzen.<br />

Es ist schön, daß die Arrangierkunst auch heute noch nicht ausgestorben ist.<br />

Noch heute gibt es <strong>in</strong> Belgien, Holland <strong>und</strong> Deutschland ausgezeichnete<br />

45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!