RA 11/2016 - Entscheidung des Monats
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<strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong><br />
ST<strong>RA</strong>FRECHT<br />
Strafrecht<br />
605<br />
Problem: Einverständnis in die Wegnahme bei § 249 I StGB<br />
Einordnung: Vermögensdelikte - Diebstahl und Raub<br />
OLG Braunschweig, Urteil vom 04.03.<strong>2016</strong><br />
1 Ss 65/15<br />
EINLEITUNG<br />
Das OLG Braunschweig befasst sich in der vorliegenden <strong>Entscheidung</strong> mit der<br />
Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses in die Wegnahme<br />
beim Raub. Während ein abgenötigtes Einverständnis den Tatbestand<br />
<strong>des</strong> § 249 I StGB nicht ausschließt, ist ein wirksames Einverständnis doch dann<br />
denkbar, wenn dieses bereits vor Einsatz <strong>des</strong> qualifizierten Nötigungsmittels<br />
erteilt wurde. Des Weiteren befasst sich das OLG mit der Auswirkung eines<br />
bestehenden Mitgewahrsams <strong>des</strong> Täters auf das Vorliegen einer Wegnahme.<br />
SACHVERHALT<br />
Am 26.05.2014 kam es zwischen dem Angeklagten A und der Zeugin D wieder<br />
einmal zu einem verbalen Streit. A machte D Vorwürfe, worauf hin diese den A<br />
der gemeinsamen Wohnung verwies und die Beziehung für beendet erklärte.<br />
Da A kein Geld für die Bahnfahrt nach T. zur Verfügung hatte, wo er vorerst eine<br />
Unterkunft finden könnte, und D nicht bereit war, ihm Geld zu geben, begab<br />
er sich in das Kinderzimmer seines <strong>11</strong>jährigen Sohnes H und bat diesen, ihm<br />
Geld aus <strong>des</strong>sen Spardose zu geben, in der dieser zusammen mit seiner Mutter<br />
D für ein eigenes Handy gespart hatte. Als D dies durch Festhalten <strong>des</strong> A verhindern<br />
wollte, packte A sie an beiden Armen und stieß diese nach hinten,<br />
sodass sie mit den Unterarmen an den unmittelbar hinter ihr stehenden<br />
Tisch schlug. Trotz der dabei erlittenen Schmerzen versuchte D weiterhin, A<br />
von seinem Vorhaben abzubringen, das Geld aus der Spardose zu nehmen,<br />
indem sie diesen kratzte, festhielt und bespuckte. A packte D von vorn an den<br />
Schultern und stieß diese mit ihrem Rücken mit voller Wucht gegen die Türgriffe<br />
<strong>des</strong> Schrankes im Kinderzimmer, sodass D erhebliche Schmerzen am<br />
Rücken erlitt. Nachdem A zunächst einen kurzen Moment von D abließ und<br />
sich weiter in Richtung der Spardose bewegte, packte sie den A von hinten<br />
am Arm, worauf dieser sich umdrehte und D kraftvoll so zu Boden schubste,<br />
dass diese erhebliche Schmerzen im Rippenbereich erlitt. Nachdem D wieder<br />
aufgestanden war und sich erneut auf A zubewegte, drängte A die D in die<br />
Schrankecke und würgte sie mehrere Sekunden, indem er mit beiden Händen<br />
ihren Hals zu drückte, wobei sich seine Daumen neben dem Kehlkopf der D<br />
befanden, woraufhin D zu Boden sackte und für ca. 5 Minuten das Bewusstsein<br />
verlor. Nachdem D ohnmächtig geworden war, forderte A den H auf, ihm die<br />
Spardose zu holen, was H, der Angst um seine Mutter hatte, auch tat. A öffnete<br />
die Spardose mittels eines Dosenöffners. H entnahm das in der Spardose<br />
befindliche Geld und gab A 24,00 €. A nahm das Geld an sich, um es für sich<br />
zum Kauf einer Bahnfahrkarte zu verwenden, was er dann auch tat, obwohl er<br />
wusste, dass er darauf keinen Anspruch hatte.<br />
Jura Intensiv<br />
LEITZSÄTZE (DER REDAKTION)<br />
1. Wegnahme ist der Bruch, d.h. die<br />
gegen (oder ohne) den Willen <strong>des</strong><br />
Berechtigten erfolgende Aufhebung<br />
<strong>des</strong> Gewahrsams <strong>des</strong> bisherigen<br />
Gewahrsamsinhabers und<br />
die gleichzeitige oder spätere<br />
Begründung neuen Gewahrsams<br />
für eine andere Person.<br />
2. Besteht gleichrangiger Mitgewahrsam,<br />
so genügt für die Wegnahme<br />
durch einen der Mitgewahrsamsinhaber<br />
der Bruch <strong>des</strong><br />
fremden Mitgewahrsams <strong>des</strong> oder<br />
der übrigen Mitgewahrsamsinhaber(s);<br />
in Über-/Unterordnungsverhältnissen<br />
begeht dagegen<br />
allein der Inhaber untergeordneten<br />
Gewahrsams einen Gewahrsamsbruch.<br />
Hat A sich wegen Raubes, § 249 I StGB, strafbar gemacht?
606 Strafrecht <strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong><br />
PRÜFUNGSSCHEMA: <strong>RA</strong>UB, § 249 I StGB<br />
A. Tatbestand<br />
I. Qualifiziertes Nötigungsmittel<br />
II. Fremde bewegliche Sache<br />
III. Wegnahme<br />
IV. Vorsatz bzgl. I. – III.<br />
V. Finalzusammenhang<br />
VI. Absicht rechtswidriger Zueignung<br />
B. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />
BeckOK, StGB, § 249 Rn 5<br />
LÖSUNG<br />
Dadurch, dass er die D schubste und würgte und sich das Bargeld aus der<br />
Spardose <strong>des</strong> H verschaffte, könnte A sich wegen Raubes gem. § 249 I StGB<br />
strafbar gemacht haben.<br />
A. Tatbestand<br />
I. Qualifiziertes Nötigungsmittel<br />
A müsste ein qualifiziertes Nötigungsmittel, also Gewalt gegen eine Person<br />
oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eingesetzt<br />
haben.<br />
Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben lassen sich dem<br />
Sachverhalt nicht entnehmen. Dadurch, dass er die D mehrfach schubste und<br />
schließlich auch würgte, hat A jedoch einen unmittelbar auf den Körper <strong>des</strong><br />
Opfers bezogenen, körperlich wirkenden Zwang geleistet, um den geleisteten<br />
Widerstand der D zu überwinden. A hat also Gewalt gegen eine Person<br />
angewendet.<br />
Zwar richtet sich die Gewaltanwendung <strong>des</strong> A sich nicht gegen den Geschädigten<br />
H, sondern gegen eine dritte Person. Dies schließt den Tatbestand <strong>des</strong><br />
Raubes jedoch zumin<strong>des</strong>t dann nicht aus, wenn es sich – wie im vorliegenden<br />
Fall - um einen Dritten handelt, der bereit ist, das Vermögen <strong>des</strong> Opfers zu<br />
schützen.<br />
Jura Intensiv<br />
II. Fremde bewegliche Sache<br />
Die von A erbeuteten Geldscheine und Münzen stellen nicht nur bewegliche<br />
Sachen dar, sondern sind, weil sie im Eigentum <strong>des</strong> H stehen, für A auch fremd.<br />
III. Wegnahme<br />
A müsste die Sachen weggenommen haben.<br />
Allgemeine Voraussetzungen der<br />
Wegnahme<br />
Fischer, StGB, § 242 Rn 13<br />
„Wegnahme ist der Bruch, d.h. die gegen (oder ohne) den Willen <strong>des</strong><br />
Berechtigten erfolgende Aufhebung <strong>des</strong> Gewahrsams <strong>des</strong> bisherigen<br />
Gewahrsamsinhabers und die gleichzeitige oder spätere Begründung<br />
neuen Gewahrsams für eine andere Person. Gewahrsam wiederum<br />
ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft.<br />
Ob und wessen Gewahrsam an einer Sache besteht, ist nach den<br />
Umständen <strong>des</strong> Einzelfalls und den Anschauungen <strong>des</strong> Verkehrs oder<br />
<strong>des</strong> täglichen Lebens zu beurteilen. Für den Sachherrschaftswillen ist<br />
der natürliche Herrschaftswille über eine Sache maßgebend, so dass<br />
auch Kinder Gewahrsam haben können.
<strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong><br />
Strafrecht<br />
607<br />
Der Gewahrsam an einer Sache muss zudem nicht stets immer nur<br />
einer einzigen Person zustehen. Es können auch mehrere Personen<br />
Gewahrsam an einer Sache haben. Ein solcher Mitgewahrsam besteht,<br />
wenn mehrere Personen Träger der tatsächlichen Verfügungsgewalt an der<br />
Sache sind. Für die Frage <strong>des</strong> Gewahrsamsbruchs durch einen der Mitgewahrsamsinhaber<br />
ist dann das Rangverhältnis der Sachherrschaftsbeziehung<br />
entscheidend. Besteht gleichrangiger Mitgewahrsam,<br />
so genügt für die Wegnahme durch einen der Mitgewahrsamsinhaber<br />
der Bruch <strong>des</strong> fremden Mitgewahrsams <strong>des</strong> oder der übrigen<br />
Mitgewahrsamsinhaber(s). In Über-/Unterordnungsver hältnissen<br />
begeht dagegen allein der Inhaber untergeordneten Gewahrsams<br />
einen Gewahrsamsbruch. Im umgekehrten Fall, in dem der Träger<br />
übergeordneten Gewahrsams den Träger <strong>des</strong> untergeordneten<br />
Gewahrsams nunmehr völlig von der Sachherrschaft ausschließt, liegt<br />
dagegen keine Wegnahme vor. Da die Aufhebung <strong>des</strong> Gewahrsams<br />
ohne oder gegen den Willen <strong>des</strong> Gewahrsamsinhabers erfolgen muss,<br />
wirkt <strong>des</strong>sen Zustimmung somit bereits tatbestandsausschließend.<br />
Bei gleichgeordnetem Mitgewahrsam müssen daher alle Mitgewahrsamsinhaber<br />
einwilligen. Bei mehrstufigem Mitgewahrsam genügt es, wenn der<br />
Übergeordnete zustimmt. Auch hier ist der natürliche Wille <strong>des</strong> Gewahrsamsinhabers<br />
ausreichend.<br />
Nach den getroffenen Feststellungen befand sich das vom Angeklagten<br />
an sich genommene Geld in einer verschlossenen Spardose, die wiederum<br />
im Kinderzimmer <strong>des</strong> <strong>11</strong>jährigen gemeinsamen Sohnes <strong>des</strong> Angeklagten<br />
und der Zeugin D stand und diesem gehörte („<strong>des</strong>sen Spardose“). Das<br />
Kinderzimmer war Teil der gemeinsam von den Vorgenannten genutzten<br />
Wohnung, sodass sowohl das Kind als auch beide Eltern zum Kinderzimmer<br />
und folglich ebenso zur Spardose jederzeit ungehinderten Zutritt hatten.<br />
Nach der Verkehrsanschauung hatten neben dem kindlichen Zeugen<br />
H somit auch die Zeugin D und der Angeklagte Mitgewahrsam an der in<br />
ihrer Wohnung aufbewahrten Spardose ihres minderjährigen Sohnes und<br />
damit […] auch an deren Inhalt. Allerdings ist der Mitgewahrsam <strong>des</strong> Angeklagten<br />
und der Zeugin D im Verhältnis zu dem Mitgewahrsam <strong>des</strong> Zeugen<br />
H […] nach der Verkehrsanschauung als untergeordnet zu qualifizieren. Er<br />
war der Eigentümer und Verwahrer <strong>des</strong> fraglichen Gel<strong>des</strong>. Zudem stand er<br />
dieser Sache am nächsten und hatte die unmittelbare räumliche Einwirkungsmöglichkeit<br />
auf sie.<br />
Jura Intensiv<br />
Wegnahme bei Mitgewahrsam<br />
Fischer, StGB, § 242 Rn 16a<br />
Eine tatbestandliche Wegnahme scheidet daher nach oben Gesagtem<br />
aus, wenn die mit dem Ansichnehmen <strong>des</strong> Gel<strong>des</strong> durch den Angeklagten<br />
verbundene Aufhebung <strong>des</strong> bis dahin bestehenden übergeordneten<br />
Gewahrsams <strong>des</strong> Zeugen H nicht gegen <strong>des</strong>sen — frei gebildeten<br />
— Willen erfolgte. Dies teilt das Urteil aber nicht mit. Auf Seite 6 <strong>des</strong><br />
Urteils findet sich lediglich die Feststellung, dass der Angeklagte, nachdem<br />
die Zeugin D nicht bereit war, ihm Geld für den Erwerb einer Bahnfahrkarte<br />
zu überlassen, sich in das Kinderzimmer <strong>des</strong> Zeugen H begab und diesen<br />
bat, ihm Geld aus seiner Spardose zu geben. Ob der Zeuge H der Bitte nachkommen<br />
wollte, d.h. mit einem Gewahrsamswechsel bezüglich der erbetenen<br />
24,00 Euro einverstanden war, bleibt offen. Dies war der Kammer<br />
auch bewusst, denn sie führt im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung auf<br />
Seite 24 ihres Urteils aus: ‚Ein etwaiges Einverständnis <strong>des</strong> Zeugen H ist<br />
unerheblich, da es sich bei der Spardose um eine solche von Mutter und<br />
Sohn handelte, so dass die Zeugin D min<strong>des</strong>tens Mitgewahrsam an der<br />
Zum Erfordernis einer Freiwilligkeit<br />
<strong>des</strong> Einverständnisses: BGH, Urteil<br />
vom 16.01.1963, 2 StR 591/62
608 Strafrecht <strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2016</strong><br />
Spardose hatte‘. Diese Urteilspassage versteht der Senat im Hinblick auf die<br />
bereits wiedergegebene Feststellung auf Seite 6 <strong>des</strong> Urteils, dass es sich<br />
um die Spardose <strong>des</strong> Zeugen H (‚<strong>des</strong>sen Spardose‘) handelte, dahingehend,<br />
dass die Zeugin D lediglich auch Geld in diese eingezahlt hat, damit der<br />
Zeuge H sich seinen Wunsch nach einem eigenen Handy erfüllen kann. […]<br />
Das OLG stellt in der vorliegenden<br />
<strong>Entscheidung</strong> sehr stark auf die zu<br />
§ 242 I StGB entwickelten Kriterien<br />
für eine Wegnahme ab. Das ist im<br />
Hinblick auf den insofern identischen<br />
Wortlaut von § 242 I StGB und § 249 I<br />
StGB nachvollziehbar. Gerade das<br />
Vorliegen eines Gewahrsamsbruchs<br />
prüft die Rspr. ansonsten allerdings<br />
i.R.v. § 249 I StGB nicht, indem sie das<br />
Fehlen eines echten Einverständnisses<br />
<strong>des</strong> Opfers feststellt, sondern<br />
durch die Betrachtung <strong>des</strong> äußeren<br />
Erscheinungsbil<strong>des</strong> (sog. Spezialitätstheorie,<br />
vgl. BGH, Beschluss<br />
vom 19.01.1999, 4 StR 663/98). Der<br />
Grund hierfür ist allerdings, dass<br />
die Rechtsprechung ein durch das<br />
qualifizierte Nötigungsmittel abgenötigtes<br />
Einverständnis <strong>des</strong> Opfers<br />
nicht als Tatbestandsausschluss<br />
berücksichtigen will, da ansonsten<br />
§ 249 I StGB weit gehend leer liefe.<br />
Wurde das Einverständnis <strong>des</strong> Opfers<br />
aber – wie im vorliegenden Fall –<br />
bereits vor der Nötigungshandlung<br />
<strong>des</strong> Täters erteilt, stellt sich dieses<br />
Problem jedoch nicht. Deshalb ist<br />
es nachvollziehbar, dass das OLG<br />
bei der Prüfung <strong>des</strong> Raubes letztlich<br />
doch vorgeht wie beim Diebstahl.<br />
Die herrschende Literatur stellt für<br />
das Vorliegen einer Wegnahme i.R.v.<br />
§ 249 I StGB auf die innere Willensrichtung<br />
<strong>des</strong> Opfers ab und nimmt<br />
eine solche an, wenn das Opfer nicht<br />
glaubt, den Gewahrsamswechsel<br />
verhindern zu können (sog. Exklusivitätstheorie,<br />
vgl. Joecks, StGB,<br />
§ 249 Rn 9, § 255 Rn 5).<br />
Da das Urteil nicht feststellt, dass der Angeklagte bei der Ansichnahme <strong>des</strong><br />
Gel<strong>des</strong> gegen (bzw. ohne) den Willen <strong>des</strong> Zeugen H handelte, trägt es die<br />
Annahme der Verwirklichung <strong>des</strong> Tatbestandsmerkmals der Wegnahme<br />
und damit eine Verurteilung wegen Raubes insgesamt nicht. Daran ändert<br />
auch die festgestellte, dem Gewahrsamswechsel vorausgegangene körperliche<br />
und verbale Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der<br />
Zeugin D nichts. Zwar wäre unter dem Eindruck dieser Auseinandersetzung<br />
für eine auf einer freien Willensbildung beruhenden Aushändigung <strong>des</strong><br />
Gel<strong>des</strong> vom Zeugen H an den Angeklagten kein Raum. Die Feststellungen<br />
auf Seite 6 <strong>des</strong> Urteils ermöglichen aber keine Prüfung, ob der Zeuge H,<br />
der selbst das Geld der Spardose entnommen und dem Angeklagten übergeben<br />
hat, erst nach dem Beginn der von ihm beobachteten Auseinandersetzung<br />
mit dem Gewahrsamswechsel einverstanden war. Vielmehr legen<br />
die Feststellungen ‚Als die Zeugin D dies durch Festhalten <strong>des</strong> Angeklagten<br />
verhindern wollte, ...‘ nahe, dass der Zeuge H auf die vorangegangene<br />
Bitte <strong>des</strong> Angeklagten nach der Übergabe von Geld aus der Spardose zu<br />
erkennen gegeben hatte, dieser nachkommen zu wollen und erst dann<br />
die körperliche Auseinandersetzung einsetzte. Jedenfalls ist das nach den<br />
Urteilsfeststellungen nicht auszuschließen.“<br />
Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ ist somit von einem Einverständnis<br />
<strong>des</strong> H in den Gewahrsamswechsel auszugehen. A hat das Geld also nicht<br />
weggenommen.<br />
B. Ergebnis<br />
A ist nicht strafbar gem. § 249 I StGB.<br />
Jura Intensiv<br />
FAZIT<br />
Ein interessanter Fall, der zeigt, dass es bei der Prüfung <strong>des</strong> extrem examensrelevanten<br />
Tatbestan<strong>des</strong> <strong>des</strong> § 249 I StGB nicht genügt, die Kriterien der Spezialitäts-<br />
und Exklusivitätstheorie abzuspulen, sondern man immer darauf achten<br />
muss, den Besonderheiten <strong>des</strong> Einzelfalles Rechnung zu tragen.<br />
Vom OLG nicht geprüft wurde eine Strafbarkeit <strong>des</strong> A wegen räuberischer<br />
Erpressung, §§ 253 I, 255 StGB, die aber daran scheitern dürfte, dass in dubio<br />
pro reo nicht die Gewaltanwendung <strong>des</strong> A kausal war für die Opferreaktion<br />
<strong>des</strong> H (Herausgabe <strong>des</strong> Gel<strong>des</strong>), sondern die ursprüngliche Bitte. Da keine<br />
Wegnahme und somit kein Diebstahl vorliegt, scheidet auch ein räuberischer<br />
Diebstahl, § 252 StGB, aus. Erpresserischer Menschenraub, § 239a I 1. Fall<br />
StGB, und Geiselnahme, § 239b I 1. Fall StGB, sind nicht gegeben, da A die<br />
Tatsituation weder zu einer Erpressung noch zu einer qualifizierten Nötigung<br />
ausnutzen will.
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