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Festspielzeit Sommer 2016 Extra

Das Magazin der Bregenzer Festspiele

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Miroslav Srnka sucht die<br />

Extremsituationen. Der<br />

tschechische Komponist<br />

thematisiert in seinen Werken Menschen,<br />

die ihre Grenzen ausloten<br />

oder überschreiten müssen, weil ihr<br />

Leben sie dahin geführt hat. Zu Beginn<br />

dieses Jahres erregten Rolando<br />

Villazón und Thomas Hampson<br />

als Südpol-Expediteure in Srnkas<br />

Oper South Pole an der Bayerischen<br />

Staatsoper großes Aufsehen. Wie<br />

1910 Robert Falcon Scott und Roald<br />

Amundsen monatelang im ewigen<br />

Eis um die Position des ersten Menschen<br />

am Südpol kämpften, haben<br />

Srnka und sein Librettist Tom Holloway<br />

in packendes Musiktheater<br />

verwandelt.<br />

Auch Srnkas erste abendfüllende<br />

Oper Make no noise zeigt zwei<br />

Menschen in extremen Situationen.<br />

Anders als die beiden Polarforscher<br />

und deren Team setzen sich Hanna<br />

und Joseph diesen Grenzerfahrungen<br />

nicht freiwillig aus. Die beiden<br />

begegnen sich auf einer stillgelegten<br />

Bohrinsel. Bei einem Brand wurde<br />

Joseph so schwer verletzt, dass er<br />

vorübergehend sein Augenlicht<br />

verloren hat und nicht transportfähig<br />

ist. Hanna wird als Krankenpflegerin<br />

dorthin geholt. Hören<br />

kann sie nur mittels eines Hörgeräts.<br />

Sie spricht nur das Nötigste,<br />

isst jeden Tag Huhn mit Reis sowie<br />

einen Apfel und kümmert sich<br />

pflichtbewusst um den Verletzten.<br />

Dieser erwacht durch die Anwesenheit<br />

einer Frau zu neuem Leben.<br />

Erst langsam erfahren die beiden<br />

von ihren traumatischen Erlebnissen:<br />

Joseph konnte seinen Kollegen,<br />

mit dessen Frau er heimlich eine<br />

Affäre hatte, nicht aus dem Feuer<br />

retten; Hanna erlebte während eines<br />

Krieges schwere Misshandlungen.<br />

Je mehr Hanna und Joseph zueinander<br />

finden, desto deutlicher<br />

gibt Srnka ihnen die Möglichkeit zu<br />

singen. Oder ist es der Gesang, der<br />

es ihnen ermöglicht, Vertrauen<br />

zueinander zu fassen? Was die<br />

gesprochene Sprache verwehrt,<br />

erlaubt die utopische Kraft des<br />

Singens. Wie in Isabel Coixets filmischer<br />

Vorlage Das geheime Leben<br />

der Worte zeigen Srnka und Holloway<br />

in ihrer Oper auch, zu welch<br />

großartigen Leistungen der Mensch<br />

gerade in Extremsituationen fähig<br />

ist.<br />

Diese Erfahrungen geben etwas<br />

vom Menschen frei, »was man sonst<br />

nicht sehen kann. Es ist etwas, das<br />

sehr nah am Wesentlichen ist und<br />

letztlich eine allgemeine Gültigkeit<br />

hat«, erklärt der Komponist. Dazu<br />

gehören auch Humor und absurde<br />

Situationen. In den widrigen Umständen<br />

der Bohrinsel verwirklicht<br />

der Koch Simon seine Künste und<br />

bringt sogar Hanna dazu, von ihrem<br />

alltäglichen Speiseplan abzurücken.<br />

Ein seltsamer Wissenschaftler<br />

forscht, indem er die Wellen zählt,<br />

die an der Bohrinsel aufprallen.<br />

Srnkas Musik verleiht sowohl dem<br />

Lärm der Welt, den Hanna kaum<br />

ertragen kann, als auch den emotionalen<br />

Grenzsituationen besondere<br />

Klänge. Mit ergreifendem Gesang<br />

liest Hanna heimlich einen Brief von<br />

Josephs Geliebter. Und am Ende<br />

der Oper bleiben nur Hannas und<br />

Josephs Stimmen, der Lärm der<br />

Welt verstummt – zumindest für<br />

kurze Zeit.<br />

Diese österreichische Erstaufführung<br />

auf der Werkstattbühne<br />

verwirklichen mehrere Künstler,<br />

die schon im vorigen <strong>Sommer</strong> bei<br />

den Bregenzer Festspielen zu Gast<br />

waren: Die kanadische Sopranistin<br />

Measha Brueggergosman singt die<br />

Rolle der Hanna. Aus dem Team von<br />

Peter Eötvös‘ Der goldene Drache<br />

im vergangenen Jahr kehren der<br />

Bariton Holger Falk als Joseph<br />

sowie das Ensemble Modern zurück<br />

an den Bodensee. Mehr Musik des<br />

tschechischen Komponisten gibt es<br />

im Orchesterkonzert am 21. August<br />

zu hören.<br />

WERKSTATTBÜHNE<br />

MAKE NO NOISE<br />

Miroslav Srnka<br />

Kammeroper (2011) |<br />

Libretto von Tom Holloway<br />

nach »The secret life of words«<br />

von Isabel Coixet |<br />

Österreichische Erstaufführung |<br />

In englischer Sprache mit deutschen<br />

Übertiteln<br />

Vorstellungen<br />

17. & 19. August <strong>2016</strong> –<br />

20.00 Uhr | Werkstattbühne<br />

SYMPHONIEORCHESTER<br />

VORARLBERG<br />

Dirigent Gérard Korsten<br />

Klavier Aaron Pilsan<br />

21. August <strong>2016</strong> – 11.00 Uhr,<br />

Festspielhaus<br />

Miroslav Srnka Eighteen Agents<br />

Österreichische Erstaufführung<br />

Wolfgang Amadeus Mozart<br />

Konzert für Klavier und<br />

Orchester Nr. 19 F-Dur KV 459<br />

Richard Strauss Aus Italien<br />

op. 16<br />

MAKE NO NOISE<br />

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