RA 12/2016 - Entscheidung des Monats
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<strong>RA</strong> <strong>12</strong>/<strong>2016</strong><br />
Öffentliches Recht<br />
647<br />
„[31] Insbesondere kann das Erfordernis, die regelmäßige Versorgung<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> für wichtige medizinische Zwecke sicherzustellen, eine<br />
Behinderung <strong>des</strong> innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs im Rahmen<br />
von Art. 36 AEUV rechtfertigen, da dieses Ziel unter den Schutz der<br />
Gesundheit und <strong>des</strong> Lebens von Menschen fällt.<br />
[33] Insbesondere soll dieses System […] sicherstellen, dass sich die<br />
Versandapotheken keinen ruinösen Preiswettbewerb liefern, der<br />
zu einem Verschwinden der traditionellen Apotheken insbesondere<br />
in ländlichen oder dünn besiedelten Gebieten führe, bei denen es<br />
sich um die für sie weniger attraktiven Standorte handele. Nur traditionelle<br />
Apotheken könnten eine sichere und qualitativ hochwertige<br />
Arzneimittelversorgung insbesondere in Notfällen, eine individuelle<br />
Beratung und eine wirksame Kontrolle der abgegebenen Arzneimittel<br />
gewährleisten.“<br />
Demnach greift die ausdrückliche Schranke <strong>des</strong> Art. 36 S. 1 AEUV ein.<br />
II. Verhältnismäßigkeit<br />
Die einschränkende gesetzliche Regelung muss jedoch zudem auch dem<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen. Dafür muss sie zunächst einmal<br />
geeignet sein, d.h. sie muss die Verwirklichung <strong>des</strong> oben beschriebenen<br />
Zwecks <strong>des</strong> Gesundheitsschutzes fördern.<br />
„[37] Hinsichtlich der Geeignetheit der im Ausgangsverfahren in Rede<br />
stehenden nationalen Regelung zur Erreichung der angeführten Ziele<br />
ist festzustellen, dass das auf die Notwendigkeit der Gewährleistung<br />
einer flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung mit verschreibungspflichtigen<br />
Arzneimitteln in ganz Deutschland gestützte<br />
Argument nicht in einer Weise untermauert worden ist, die den […]<br />
Voraussetzungen genügt. Insbesondere wird, wie der Generalanwalt in<br />
Nr. 51 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, mit den in<br />
der vorliegenden Rechtssache vorgebrachten allgemeinen Aussagen zu<br />
dieser Frage nicht dargetan, inwiefern durch die Festlegung einheitlicher<br />
Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine bessere<br />
geografische Verteilung der traditionellen Apotheken in Deutschland<br />
sichergestellt werden kann.<br />
Jura Intensiv<br />
[39] Zu dem auf eine qualitativ hochwertige Versorgung mit verschreibungspflichtigen<br />
Arzneimitteln gestützten Argument ist festzustellen, dass<br />
dem Gerichtshof […] keine Belege dafür vorgelegt wurden, dass sich die<br />
Versandapotheken ohne eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in<br />
Rede stehende einen Preiswettbewerb liefern könnten, so dass wichtige<br />
Leistungen wie die Notfallversorgung in Deutschland nicht mehr zu<br />
gewährleisten wären, weil sich die Zahl der Präsenzapotheken in der<br />
Folge verringern würde. Insoweit ist auf die in Rn. 24 <strong>des</strong> vorliegenden<br />
Urteils angeführten anderen Wettbewerbsfaktoren als den Preis hinzuweisen,<br />
die den traditionellen Apotheken eventuell ermöglichen könnten,<br />
im Wettbewerb mit dem Versandhandel auf dem deutschen Markt konkurrenzfähig<br />
zu bleiben.<br />
Flächendeckende, sichere und qualitativ<br />
hochwertige Versorgung mit<br />
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln<br />
dient dem Gesundheitsschutz.<br />
Beachte: Nicht Art. 5 IV EUV zitieren,<br />
da die Norm nur für Maßnahmen der<br />
EU gilt!<br />
Ziel: Flächendeckende, sichere,<br />
gleichmäßige Versorgung<br />
Preisbindung ungeeignet, weil dies<br />
keinen Einfluss auf die Verteilung<br />
der Apotheken in Deutschland hat<br />
Der Generalanwalt stellt zu Recht fest,<br />
dass aus der Anzahl der Apotheken<br />
nicht automatisch folgt, dass es eine<br />
flächendeckende Versorgung gibt. Bei<br />
den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln<br />
dürfte entscheidender sein, ob<br />
es flächendeckend Ärzte gibt, die die<br />
entsprechenden Rezepte ausstellen<br />
können.<br />
Ziel: Qualitativ hochwertige Versorgung<br />
Preisbindung ungeeignet, weil<br />
Deutschland keine ausreichenden<br />
Belege für die Gefahr eines ruinösen<br />
Preiswettbewerbs vorgelegt hat.<br />
Andere Wettbewerbsfaktoren zugunsten<br />
der stationären Apotheken sind<br />
u.a. die individuelle Beratung und<br />
die Notfallversorgung, die nur sie<br />
bieten können.